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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 19/14


Bekannt gemacht am:

24.06.2014

Entscheidungsdatum:

23.04.2014


 

Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlungen gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen mit Unternehmen der Elektronikindustrie zwischen Oktober 2009 und Anfang 2013, die diverse Elektronikprodukte betrafen, gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG eine Geldbuße von EUR 1,230.000,- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Außer Streit steht:

Mitarbeiter der Antragsgegnerin sowie deren Beteiligungsgesellschaften (der einzelnen Märkte) haben in Einzelfällen versucht, neben üblichen (unbedenklichen) Einkaufsverhandlungen mit Herstellern von Elektronikprodukten die Wiederverkaufspreise anderer Elektronikeinzelhändler im stationären oder Online-Handel zu beeinflussen. So hat die Antragsgegnerin etwa Meldungen von Herstellern über die Umsetzung einer in Einzelfällen angeregten Anhebung von bestimmten Wiederverkaufspreisen konkurrierender Händler oder Änderungen bestimmter Inhalte von Händler-Websites akzeptiert. In diesem Zusammenhang wurden auch die Wiederverkaufspreise der Antragsgegnerin wieder angehoben, nachdem die Wiederverkaufspreise anderer Händler nach oben korrigiert worden waren.

Im Rahmen von vertikalen Preisabstimmungsmaßnahmen wurde von den Herstellern fallweise auch versucht, Endverkaufspreise (dh die Wiederverkaufspreise der Händler) vorzugeben und durchzusetzen. Die Antragsgegnerin hat in solchen Fällen die Preisvorstellungen der Hersteller in ihrer Preispolitik berücksichtigt. Dabei ist es auch zu Einschränkungen durch die Hersteller in Bezug auf den Online-Vertrieb gekommen.

Diese Preisabstimmungsmaßnahmen haben folgende Elektronikprodukte folgender Marken in folgenden Zeiträumen betroffen:

1. Plasma TV-Geräte der Marke Samsung, Artikelbezeichnung PS 50 B 430 P 2 WXXC, im Zeitraum Oktober 2009 bis längstens Juli 2010;

2. elektrische Zahnbürsten der Marke Oral B, Artikelbezeichnung 500 Prof Care Center + Tasche, im Zeitraum Oktober 2010 bis längstens September 2011;

3. Navigationsgeräte der Marke TomTom, Artikelbezeichnung 1CQ0.002.05 GO 1005 Europe Traffic, im Zeitraum Oktober 2012 bis längstens Jänner 2013;

4. Multifunktionsdrucker der Marke HP, Artikelbezeichnung Photosmart 7510 E-All-in-One, im Zeitraum Juli 2012 bis längstens Jänner 2013;

5. Notebooks der Marke HP, Artikelbezeichnung HP- DV3-2390EG, im Zeitraum Februar 2010 bis längstens Februar 2011;

6. WLAN-Geräte der Marke Devolo, Artikelbezeichnung 1825 DLAN 500 AV WL + Starter Kit, im Zeitraum Dezember 2012 bis längstens Jänner 2013;

7. Kaffeemaschinen der Marke Senseo, Artikelbezeichnung HD 7860 Senseo Quadrante, im Zeitraum Oktober 2009 bis längstens August 2010;

8. Kaffeemaschinen der Marke Saeco, Artikelbezeichnung SNT 5720 BLK, im Zeitraum Juli 2010 bis längstens Juli 2011;

9. Rasierapparate der Marke Philips, Artikelbezeichnung HQ 8250/17 Serie 8200, im Zeitraum November 2010 bis längstens Dezember 2011.

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG in Höhe von EUR 1,230.000,- über die Antragsgegnerin „stellvertretend für die gesamte Media-Saturn-Gruppe in Österreich“ und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin samt ihren Beteiligungsgesellschaften (den einzelnen Märkten, die jeweils die Rechtsform einer GmbH haben) die größte Elektronik-Fachmarktkette Österreichs sei und die Vertriebslinien MediaMarkt und Saturn umfasse.

Bei den von der Antragsgegnerin zugestandenen vertikalen Preisabstimmungen zwischen dieser und diversen Herstellern von Elektronikprodukten handle es sich um kartellrechtswidriges Verhalten, das als Kernverstoß gegen das Kartellrecht zu werten sei. Diese kartellrechtliche Bedenklichkeit sei teilweise zusätzlich durch Maßnahmen zur horizontalen Absicherung der Wiederverkaufspreise verstärkt worden. Aus den der Antragstellerin vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass Endkundenpreise zwischen der Antragsgegnerin und den Herstellern fallweise abgestimmt worden seien und dass die Antragsgegnerin in solchen Fällen ein Interesse an der Umsetzung der Preisvereinbarungen bzw -vorgaben gehabt habe. Teilweise hätten die Hersteller die Initiative zur Sicherstellung der Preisstabilität ergriffen, und teilweise sei von der Antragsgegnerin oder einem anderen Handelsunternehmen eine Intervention durch den Lieferanten angeregt worden.

Das inkriminierte Verhalten der Antragsgegnerin sei als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV (Art 81 EG) und § 1 KartG zu werten. Es habe sich auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet erstreckt, und an den Absprachen mit der Antragsgegnerin hätten sich namhafte internationale Hersteller beteiligt. Somit hätten die den Gegenstand des Geldbußenantrags bildenden Verhaltensweisen der Antragsgegnerin spürbare Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten gehabt. Es liege ein schwerwiegender Verstoß vor, weil es im Zusammenhang mit den Preisbindungsmaßnahmen mitunter zu einer Beschränkung eines Absatzkanals (nämlich des Online-Handels) gekommen sei, um die Durchsetzung der Preisbindung zu gewährleisten.

Die von der Antragsgegnerin gesetzten Preisabstimmungsmaßnahmen erfüllten die Voraussetzung einer Vereinbarung bzw jedenfalls einer abgestimmten Verhaltensweise iSd Art 101 AEUV bzw § 1 KartG. Preisvereinbarungen für den Weiterkauf zählten als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zu den gemäß Art 101 AEUV bzw § 1 KartG verbotenen Kernbeschränkungen. Ein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV liege nicht vor.

Die relevanten jährlichen Artikelwarengruppenumsätze der betroffenen Hersteller ergäben EUR […]. Der Grundbetrag ergebe sich aus einer Schätzung des Konsumentenschadens in Höhe von 10 %. Dieser Grundbetrag werde im Verhältnis 1:8 schriftlicher Dokumentation von Preisabstimmungsmaßnahmen zu mündlichen Vereinbarungen mit 8 multipliziert. Durch Anwendung dieses Multiplikators sollten mögliche noch nicht bekannte (auch mündliche) einschlägige Sachverhalte in der Vergangenheit bis einschließlich Anfang 2013 abgegolten werden.

Von diesem Grundbetrag seien Abzüge von insgesamt 30 % vorzunehmen, nämlich ein Nachlass von 10 % für die Kooperation bei der Aufklärung und ein weiterer Nachlass von 20 % für die Reduktion des Verfahrensaufwands durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung.

Demgemäß werde ein Bußgeld von EUR 1,230.000,- beantragt, das als ausreichend general- und spezialpräventiv anzusehen sei, zumal die Antragsgegnerin bereits Schritte eingeleitet haben dürfte, um künftige Verstöße hintanzuhalten.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin stellte das gesamte Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit und akzeptierte ausdrücklich die darauf basierende rechtliche Beurteilung sowie die vorgenommene Geldbußenberechnung.

Rechtlich folgt daraus:

Bei den von der Antragsgegnerin außer Streit gestellten vertikalen Preisabstimmungen mit Herstellern einschließlich der im Rahmen der „Preispflege“ erfolgten Einflussnahmen auf die Verkaufspreise von Wettbewerbern (im Online-Handel) handelt es sich, wie von der Antragsgegnerin ebenfalls zugestanden, um iSd Art 101 AEUV (Art 81 EG) bzw § 1 KartG unzulässige Verhaltensweisen. Sie waren nämlich jedenfalls objektiv geeignet, in die Bestimmung der Preise der Händler einzugreifen und den Wettbewerb für die Produkte in den betroffenen Produktgruppen zu beschränken. Sie bezweckten daher eine Wettbewerbsbeschränkung und stellten somit einen Kernverstoß gegen Art 101 AEUV (vormals Art 81 EG) und gegen das Kartellverbot des § 1 KartG dar.

Rechtfertigungsgründe dafür liegen nicht vor; solche wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Die von der Antragstellerin beantragte „stellvertretende“ Verhängung einer Geldbuße muss schon daran scheitern, dass die einzelnen Beteiligungsgesellschaften der Antragsgegnerin – aus welchem Grund auch immer – von der Antragstellerin nicht in das Verfahren einbezogen wurden.

Zur Bemessung der Höhe der Geldbuße ist Folgendes auszuführen:

Die Vorgangsweise der Antragstellerin, bei Ermittlung des Grundbetrags vom (geschätzten) Konsumentenschaden und nicht vom Wert der betroffenen Waren auszugehen, steht zwar mit den, soweit überblickbar, in vergleichbaren Fällen von ihr angewendeten Leitlinien der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art 23 Abs 2 lit a der Verordnung (EG) Nr 1/2003 (ABl 2006/C 210/02), in Widerspruch.

Im Ergebnis ist nach Ansicht des Kartellgerichts die von der Antragstellerin ermittelte Geldbuße allerdings jedenfalls nicht überhöht, und über den (von der Antragsgegnerin auch der Höhe nach gar nicht bestrittenen) Antrag der Antragstellerin darf das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 KartG nicht hinausgehen.

Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe iSd § 30 Abs 3 KartG, nämlich den wesentlichen Beitrag der Antragsgegnerin zur Aufklärung des Sachverhalts und die erhebliche Reduktion des Verfahrensaufwands durch das Anerkenntnis ausreichend berücksichtigt. Erschwerungsgründe sind ebenso wenig ersichtlich wie sonstige Milderungsgründe.“


Ausdruck vom: 28.03.2024 11:28:21 MEZ