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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 4/18t


Bekannt gemacht am:

02.04.2019

Entscheidungsdatum:

14.12.2018


Über die Antragsgegnerinnen wird wegen verbotener Durchführung, nämlich durch die Herbeiführung der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der geschäftsführungsbefugten Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe der Erstantragsgegnerin und der CP Convenience Partner GmbH im Zeitraum vom 3.5.2017 bis zum 10.10.2017, gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG zur ungeteilten Hand eine Geldbuße von EUR 17.500,-- verhängt.


B e g r ü n d u n g:


 

A)Beteiligte Unternehmen:

Die Erstantragsgegnerin ist ein Unternehmen der international tätigen Lagardère Travel Retail Gruppe mit dem Fokus auf Travel Retail (Einzelhandel für den Reisemarkt) und Convenience Produkten (Bedarfsartikel). Die Lagardère Travel Retail Gruppe betreibt in Europa, Nordamerika sowie Asien/Pazifik rund 4000 Shops in Flughäfen, Bahnhöfen sowie Einkaufs- und Fachmarktzentren. Die Erstantragsgegnerin betreibt am Flughafen Wien mehrere Verkaufsstellen.

Die Zweitantragsgegnerin steht im Eigentum der PGV GmbH & Co KG und der Schmitt & Hahn Buch und Presse GmbH & Co KG (Beilage ./I). Letztere gehört zur Schmitt-Gruppe, die insbesondere in Deutschland im Bahnhofsbuchhandel und im Presse Grosso tätig ist. Die Zweitantragsgegnerin führt mehrere Geschäfte am Flughafen Wien, in denen primär Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, daneben aber auch Mineralwasser, Koffer und diverser Elektronikbedarf, wie etwa Ladegeräte, vertrieben werden. Vor der Durchführung des Zusammenschlussvorhabens betrieb die Zweitantragsgegnerin am Flughafen Wien weitere Geschäfte als Buchhandlungen.

Die Zielgesellschaft CP Convenience Partner GmbH stand vor der Durchführung des Zusammenschlussvorhabens im Alleineigentum der Zweitantragsgegnerin.

B)Zusammenschluss:

Die Erstantragsgegnerin erwarb von der Zweitantragsgegnerin 50% der Anteile an der CP Convenience Partner GmbH. Damit sind die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin zu gleichen Teilen an der Zielgesellschaft beteiligt. Mit dem Zusammenschluss sollen in den bisher von der Zweitantragsgegnerin als Buchhandlungen betriebenen Geschäften auch Convenience-Produkte, die eine Spezialität der Erstantragsgegnerin sind, verkauft und ein Coffee-Shop betrieben werden. Die Zielgesellschaft unterfertigte im Juli 2017 einen neuen Mietvertrag für einen neuen Standort eines der bisher von der Zweitantragsgegnerin allein betriebenen Geschäfte (Beilagen ./C und ./D). Seit September 2017 bzw März 2018 betreibt sie am Flughafen Wien jene Travel Retail Stores, die bis dahin von der Zweitantragsgegnerin als Buchhandlungen selbst betrieben wurden.

Am 1.12.2017 meldete die Erstantragsgegnerin in Abstimmung mit der Zweitantragsgegnerin diesen Erwerb von 50% der Anteile der Zweitantragsgegnerin an der CP Convenience Partner GmbH durch die Erstantragsgegnerin bei der Antragstellerin an (BWB Z-3740). Da die Amtsparteien keinen Prüfungsantrag stellten, fiel das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 30.12.2017 weg (Beilage ./A).

Allerdings wurde bereits am 3.5.2017, also vor Wegfall des Durchführungsverbotes, eines der beiden geschäftsführenden Organe der Erstantragsgegnerin durch Gesellschafterbeschluss zu einem der beiden geschäftsführenden Organe der CP Convenience Partner GmbH bestellt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 10.10.2017 wurde diese Geschäftsführerin als Geschäftsführerin der CP Convenience Partner GmbH abberufen. Ab diesem Zeitpunkt bis zur Freigabe des Zusammenschlusses am 29.12.2017 übte die Erstantragsgegnerin keinen Einfluss auf die Zielgesellschaft aus. Der Kaufvertrag sowie der Gesellschaftsvertrag wurden erst nach der Freigabe des Zusammenschlusses wirksam (Beilage ./D).

Von den Antragsgegnerinnen wurde im Zuge der fusionsrechtlichen Prüfung übersehen, dass das Herbeiführen der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe von zwei Gesellschaften, die Unternehmer sind, als Zusammenschluss iSd KartG gilt. Mit Schreiben vom 20.10.2017 teilte dies die Erstantragsgegnerin in Abstimmung mit der Zweitantragsgegnerin der Antragstellerin mit (Beilage ./B).

Im Geschäftsjahr 2016 erzielte die Lagardère Gruppe Umsatzerlöse von weltweit ca. EUR 7,39 Mrd, unionsweit ca. EUR XXX und österreichweit ca. EUR XXX. Die Umsatzerlöse der Erstantragsgegnerin am Flughafen Schwechat betrugen ca. EUR XXX. Die Umsatzerlöse der CP Convenience Partner GmbH betrugen österreichweit ca. EUR XXX, jene der Schmitt-Gruppe weltweit ca. EUR XXX, unionsweit ca. EUR XXX und österreichweit durch die Zweitantragsgegnerin ca. EUR XXX (Beilage ./C S 5, 6 und 9). Die Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2017 waren ähnlich.

Dieser Sachverhalt ist nicht strittig.

Mit dem am 19.10.2018 beim Kartellgericht eingelangten Antrag beantragte die Antragstellerin die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von EUR 17.500,-- gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Sie brachte im Wesentlichen vor, der Zusammenschluss überschreite die Umsatzschwellenwerte des § 9 KartG. Mit der Bestellung eines der beiden geschäftsführenden Organe der Erstantragsgegnerin zu einem der beiden geschäftsführenden Organe der CP Convenience Partner GmbH mit Gesellschafterbeschluss vom 3.5.2017 sei ein anmeldepflichtiger Zusammenschlusstatbestand verwirklicht worden. Bis zur Abberufung der betreffenden Geschäftsführerin mit Gesellschafterbeschluss vom 10.10.2017 liege daher eine verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses vor. Damit sei der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht. Die Antragsgegnerinnen hätten dies auch anerkannt.

Bei der Bemessung der Geldbuße sei zu berücksichtigen, dass die Erstantragsgegnerin in Abstimmung mit der Zweitantragsgegnerin eine freiwillige Selbstanzeige erstattet und die Rechtsverletzung freiwillig und vorzeitig beendet habe. Der Verstoß habe keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen gehabt, eine Bereicherung sei nicht eingetreten. Die Antragsgegnerinnen hätten einerseits durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen. Da es sich andererseits bei der Lagardère Travel Retail-Gruppe um ein großes, international tätiges Unternehmen handle, könne erwartet werden, dass dieses über Kenntnisse der Grundzüge des Fusionsrechts verfüge. Größere, grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen seien wegen der gro0en wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens strenger zu beurteilen. Die Antragsgegnerinnen hätten eingeräumt, dass die Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 4 KartG übersehen worden sei. Diese hätte für sie jedoch erkennbar sein müssen, sodass von einem fahrlässigen Handeln auszugehen sei.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerinnen erhoben gegen das Vorbeingen im Geldbußenantrag keine Einwendungen und stellten die darin angeführten Fakten außer Streit. Sie verwiesen auf ihre Anerkenntnis vom 17.10.2018.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Ein Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf im Sinne des § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

A) kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Kommission anmeldepflichtig ist (Artikel 21 FKVO),

B) alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

C) die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und

D) der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat.

Zu A): Ein Zusammenschluss von gemeinschaftweiter Bedeutung liegt hier nicht vor, da die Umsatzschwellen des Artikel 1 Abs 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr 139/2004 (EG-Fusionskontrollverordnung) nicht erreicht werden.

Zu B): Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio,

2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und

3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio.

Im Hinblick auf die festgestellten Umsatzzahlen sind somit die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.

Zu C): Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüssen ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.

Da die Lagardère Gruppe im Inland einen Umsatz von ca. EUR XXX und die Schmitt Gruppe im Inland einen solchen von ca. EUR XXX erzielten und auch die weltweiten Umsätze den Schwellenwert des § 9 Abs 1 Z 2 KartG überstiegen, liegt die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG nicht vor.

Zu D): Der Zusammenschluss hat eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG.

Nach dieser Bestimmung ist für die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf ausländische Sachverhalte erforderlich, dass sich der Sachverhalt tatsächlich im Inland auswirkt (dazu Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 10 ff). Aufgrund der Tatsache, dass die Antragsgegnerinnen erhebliche Umsätze in Österreich erzielen, ist von einer unmittelbaren Auswirkung im Inland auszugehen.

Somit waren die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des Zusammenschlusses gegeben.

Als Zusammenschluss iSd KartG gilt nach § 7 Abs 1 Z 4 KartG ua das Herbeiführen der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe von zwei Gesellschaften, die Unternehmer sind. Mit der Bestellung der Geschäftsführerin der Erstantragsgegnerin zur Geschäftsführerin der Convenience Partner GmbH, wobei sie jeweils eines von zwei der zur Geschäftsführung berufenen Organe war, verstießen die Antragsgegnerinnen vom 3.5.2017 bis zum 10.10.2017, somit für eine Dauer von 5 Monaten und 7 Tagen, gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG. Dieses fiel erst mit Wirkung vom 30.12.2017 weg, nachdem die Amtsparteien nach der Anmeldung des Zusammenschlusses am 1.12.2017 keinen Prüfungsantrag gestellt hatten.

Daher war über die Antragsgegnerinnen hinsichtlich des Zeitraumes der verbotenen Durchführung vom 3.5.2017 bis zum 10.10.2017 gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.

Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

Die Dauer der Rechtsverletzung war mit 5 Monaten und 7 tagen nicht unerheblich, die erzielte Bereicherung war nicht nennenswert.

Zum Grad des Verschuldens ist anzuführen, dass von einem international tätigen Unternehmen Kenntnisse der Grundzüge des europäischen Fusionsrechts zu erwarten sind. Dazu zählt auch das Wissen, dass es für die Frage der Anmeldebedürftigkeit eines Zusammenschlussvorhabens im Bereich der Europäischen Union insbesondere auf die weltweit und in den einzelnen Mitgliedstaaten erzielten Umsätze ankommt (RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Größere, insbesondere grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen sind wegen der großen wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens nämlich strenger zu beurteilen. Die Geldbuße muss eine solche Höhe erreichen, dass sie spürbar ist und zum Ausdruck bringt, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein Kavaliersdelikt ist (16 Ok 2/13).

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Unterlassung der Anmeldung des Zusammenschlusses im konkreten Fall als leicht fahrlässig zu qualifizieren ist und eine Fahrlässigkeit dieses Grades auch einem ansonsten rechtstreuen Unternehmen passieren kann.

In Abwägung der dargestellten Bemessungskriterien des § 30 KartG erscheint die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der BWB beantragt, nicht angemessen, um die general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht zu berücksichtigen. Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.


Ausdruck vom: 24.04.2024 06:09:58 MESZ