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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 4/23k


Bekannt gemacht am:

15.02.2024

Entscheidungsdatum:

14.10.2023


 Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG wegen verbotener Durchführung des am 14.7.2021 zu BWB/Z-5536 angemeldeten Zusammenschlusses betreffend den am 30.9.2020 erfolgten Erwerb einer nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligung auf insgesamt 26,66% des Aktienkapitals an Lagardère SA, Frankreich im Zeitraum zwischen 30.9.2020 und 12.8.2021 eine Geldbuße in der Höhe von EUR 120.000,-- verhängt.
Begründung:
Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 120.000-- zu verhängen und begründete dies damit, dass die Antragsgegnerin am 14.7.2021 nachträglichden mit 30.9.2020 erfolgten Erwerb von 5%-10%] des Aktienkapitals an der Lagardère SA, womit die Antragsgegnerin einen Beteiligungsgrad an der Lagardère SAvon 26,66% erreichte, anmeldete.
Mangels Stellung eines Prüfantrags durch die Amtsparteien sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 12.8.2021 weggefallen.
Die beteiligten Unternehmen haben die gem § 9 KartG relevanten Umsatzschwellen überschritten, weshalb das Zusammenschlussvorhaben nach dem KartG anmeldepflichtig gewesen sei und erst nach Freigabe hätte durchgeführt werden dürfen.
Bei der Höhe der beantragten Geldbuße seien mildernd die fehlenden negativen wettbewerblichen Auswirkungen, die fehlende horizontale Überschneidung in Österreich hinsichtlich der Tätigkeitsfelder, die nur geringfügige Überschreitung der 25% Kapitalanteilsschwelle, die Selbstanzeige, die Kooperation mit der BWB und das abgegebene Anerkenntniszu berücksichtigen. Erschwerungsgründe lägen keine vor.
Die Antragsgegnerin sei ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen, bei dem grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien, weshalb der Antragsgegnerin die schuldhafte Verletzung des Durchführungsverbots vorzuwerfen sei.
Die Antragsgegnerin stellte das Vorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit.
 
Folgender Sachverhalt steht außer Streit:
 
Die Antragsgegnerin ist eine börsennotierte Societas Europaea mit Sitz in Paris, Frankreich, und ist an der Börse Euronext Paris notiert. Vivendi ist in verschiedenen Bereichen des Mediensektors tätig, u.a
 
- Ausstrahlung audiovisueller Inhalte über frei empfangbare und Pay-TV-Kanäle (Canal+ Group),
- Werbung und Kommunikation (Havas Group),
- Buchverlagswesen und elektronisches Verlagswesen (Editis),
- Videospiele (Gameloft),
- Aggregierung und Vertrieb von Videoinhalten (Dailymotion),
- Live-Unterhaltung und Ticketing (Vivendi Village) und
- Print-Zeitschriften(Prisma Media).
Die Antragsgegnerin wird von der Bolloré Group kontrolliert.
Das Zielunternehmen, Lagardère SA, ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Paris, Frankreich, und ist an der Börse Euronext Paris notiert. Lagardère ist in zwei Hauptgeschäftsbereichen tätig: (i) Buchverlagswesen und elektronisches Verlagswesen (Lagardère Publishing, u.a. mit Hachette Livre) und (ii) Reise-Einzelhandel, einschließlich Einzelhandelsverkauf auf Flughäfen und Bahnhöfen (Lagardère Travel Retail). Zu den weiteren Tätigkeiten von Lagardère gehören (iii) Printmedien und Radio (Paris Match, Le Journal du Dimanche, Europe 1, Virgin Radio, RFM und die ELLE-Markenlizenz) und (iv) der Betrieb von Veranstaltungsbetriebsstätten / Live - Events (Lagardère Live Entertainment).
Die Umsatzzahlen der beteiligten Unternehmen im Geschäftsjahr 2020beliefen sich auf:
 
 
Muttergesellschaft der Antragsgegnerin
Zielunternehmen
weltweit
EUR 24,1 Mrd
EUR 4,3 Mrd
EU-weit
EUR [...
EUR [...]
österreichweit
EUR [...]
EUR [...]
 
Am 14.07.2021 wurde der Zusammenschluss zu Z-5536 (Vivendi SE;Lagardère SA) bei der BWB angemeldet.
Die Anmeldung betraf den am 30.9.2020 erfolgten Erwerb einer nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligung von 5% -10%] des Aktienkapitals und von x% der Stimmrechte an Lagardère SA durch die Antragsgegnerin, wodurch sich die Gesamtbeteiligung der Antragsgegnerin an Lagardère auf eine (weiterhin) nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligung von 26,66% des Aktienkapitals und von 20,21% der Stimmrechte erhöhte.
Im Geschäftsjahr 2022 erzielte dieMuttergesellschaft der Antragsgegnerin einen konsolidierten Umsatz von weltweit EUR 20,7 Mrd.
 
Beweiswürdigung:
Da gegen die Richtigkeit der außer Streit gestellten Tatsachen, die auch mit dem Inhalt der Zusammenschlussanmeldung und den übrigen vorgelegten Urkunden im Einklang sind, keine Bedenken bestehen, waren gemäß § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
 
In rechtlicher Hinsicht erfüllt der in Prüfung stehende Zusammenschluss infolge Erwerbs eines Beeiligungsgrades über 25% über das Zielunternehmen den Tatbestand nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG.
Die Umsätze überschritten die des § 9 Abs 1 KartG festgelegten Umsatzschwellen, weshalb vor der Durchführung des Erwerbs die Pflicht zur Anmeldung dieses Vorgangesbei der Bundeswettbewerbsbehörde bestand.
§ 17 Abs 1 KartG normiert, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst dann durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichten oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.
Gemäß § 17 Abs 3 KartG sind Verträge unwirksam, soweit sie dem Durchführungsverbot widersprechen.
Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich bei der Rechtsfolge des § 17 Abs 3 KartG um eine bloß schwebende Unwirksamkeit (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 17 Rz 31). Die betroffenen Verträge treten nach dieser Ansicht, der sich das Kartellgericht anschließt, rückwirkend mit rechtskräftiger Nichtuntersagung des Zusammenschlusses durch das Kartellgericht bzw. nach Ablauf der in § 11 Abs 1 KartG den Amtsparteien eingeräumten Frist zur Stellung eines Zusammenschlussprüfungsverfahrensin Kraft.
Die Antragsgegnerin verstieß daher im Zeitraum zwischen dem erfolgten Erwerb am 30.9.2020und dem Ablauf der Frist zur Stellung des Prüfungsantrages, die am 12.8.2021 endete, gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG.
Zur Höhe der Geldbuße:
Da sich der Umsatz der Konzerngruppe, der die Antragsgegnerin angehört, im Jahr 2022, das ist das der Entscheidung vorausgegangene Geschäftsjahr, auf EUR 20,7 Mrd belief, ist der 10%ige Geldbußenrahmen gem § 29 KartG bei Weitem nicht erreicht. In Hinblick darauf, dass die hier verhängte Geldbuße, die 0,006% der höchstmöglichen ausmacht, sich ohnedies im untersten Bereich bewegt, ist eine weitere Reduktion nicht in Erwägung zu ziehen. Die bestehenden Milderungsgründe wurden bei dieser Ausmittlung der beantragten Geldbuße ausreichend berücksichtigt.
Die Verhängung einer höheren Geldbuße kommt im Hinblick auf § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht in Betracht.
 
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Ausdruck vom: 27.04.2024 21:07:39 MESZ