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Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 2/17g


Bekannt gemacht am:

04.09.2018

Entscheidungsdatum:

19.12.2017


Einstweilige Verfügung


1. Bis zur Rechtskraft des Beschlusses über den Antrag auf Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wird der Antragsgegnerin aufgetragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung dadurch abzustellen, dass sie es unterlässt, die in den Verträgen mit pharmazeutischen Großhändlern, welche die Zurverfügungstellung von Distributionsdaten auf regionaler Ebene an die Antragsgegnerin zum Inhalt haben, Multi-Supplier-Bestimmungen, die einen unangemessen hohen Abschlag vom Vertragsentgelt im Falle des Abschlusses eines Distributionsdatenliefervertrages durch die betreffenden Großhändler mit Wettbewerbern der Antragsgegnerin vorsehen, insbesondere einen Abschlag von 40%, anzuwenden oder sich auf diese zu berufen.

2. Der darüberhinausgehende Antrag, der Antragsgegnerin aufzutragen, es zu unterlassen sich ganz allgemein auf Multi-Supplier-Bestimmungen mit pharmazeutischen Großhändlern, die Abschläge vom Vertragsentgelt im Falle des Vertragsabschlusses durch die betreffenden Großhändler mit Wettbewerbern vorsehen, anzuwenden oder sich auf diese zu berufen, sowie es zu unterlassen, gegenüber Großhändlern Maßnahmen mit gleicher Wirkung anzuwenden, wird abgewiesen.


 

Begründung


 

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind als Informationsdienstleister im Gesundheitswesen tätig und befassen sich mit der Erstellung und dem Vertrieb von Marktberichten über den Absatz von Arzneimittel und Gesundheitserzeugnissen. Es handelt sich bei diesen Marktforschungsanalysen um sogenannte Sales Tracking Analysen.

Im Bereich der Sales Tracking Analysen stehen sich die beiden Parteien als Wettbewerber gegenüber.


 

Vorbringen der Antragstellerin:

Die Antragstellerin begehrt im Provisorialverfahren, inhaltsgleich wie im Hauptverfahren, die Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin, indem ihr aufgetragen werde, es zu unterlassen, in den Verträgen mit pharmazeutischen Großhändlern, welche die Zurverfügungstellung von Distributionsdaten auf einer regionalen Ebene an die Antragsgegnerin zum Inhalt haben, Multi-Supplier-Bestimmungen, die Abschläge vom Vertragsentgelt im Falle des Vertragsabschlusses durch die betreffenden Großhändler mit Wettbewerbern der Antragsgegnerin vorzusehen, anzuwenden bzw. sich auf diese zu berufen oder gegenüber Großhändlern Maßnahmen mit gleicher Wirkung anzuwenden.

Die Antragstellerin bringt dazu im Wesentlichen vor, dass sie und die Antragsgegnerin als Informationsdienstleisterinnen im Gesundheitswesen tätig seien. Dabei werden Daten zum Gesundheitsmarkt unter anderem für die pharmazeutische Industrie, Apotheken, Ärztevereinigungen und Krankenversicherungen aufbereitet und kommerziell vertrieben. Quintiles IMS nehme als internationaler Konzern, zu dem auch die Antragsgegnerin gehöre, in vielen Ländern eine Monopolstellung ein.

Die Antragstellerin sei eine der wenigen Wettbewerberinnen, die bereits erfolgreich Konkurrenzangebote entwickelt habe.

In Österreich sei die Antragsgegnerin bis zum Markteintritt der Antragstellerin auf dem für dieses Verfahren sachlich relevanten Markt Monopolistin gewesen. Der in diesem Verfahren sachlich relevante Markt sei der Markt für die Lieferung von Daten über den regionalen Absatz von Arzneimittel. In der Entscheidung C-418/01, IMS Health habe der EuGH eine derartige Marktabgrenzung vorgenommen. Der räumliche Markt sei national mit dem österreichischen Markt abzugrenzen.

Um Kunden für Österreich kompetitive Angebote machen zu können, müsse ein neuer Wettbewerber bei Markteintritt über detaillierte Daten betreffend den Verkauf von Medikamenten am österreichischen Markt verfügen, die für sämtliche Regionen Österreichs aufgeschlüsselt seien und eine ausreichende Vergleichshistorie beinhalten (zwei Jahre Minimum). Pharmaunternehmen, die grundsätzlich umsatzstärkste Kundengruppe der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, würden primär Daten nachfragen, die dem Monitoring des Außendienstes dienen sollten. Daher seien die betreffenden Daten nur getrennt nach Regionen von Interesse. Allgemeine Pauschalbeträge könnten diesen Zweck nicht erfüllen.

Der Medikamentenbedarf unterscheide sich signifikant je nach Bundesland, grundsätzlich nach demografischen Aspekten, der Verteilung von Fachärzten etc.

Neben dem Vertriebsmonitoring seien diese Daten aufgrund der großen, zu berücksichtigenden regionalen Unterschiede auch für die Vertriebsplanung der Pharmaunternehmen von Relevanz.

Der Zugang zu den zu analysierenden Rohdaten, betreffend der reinen Distributionswerte auf regionaler Ebene, sei limitiert. In Österreich seien die einzige Bezugsquelle für diese Distributionsdaten der pharmazeutische Großhandel.

Für eine vollständige Analyse des Volumens in allen Regionen sei daher der Zugang zu sämtlichen Daten aller pharmazeutischen Großhändler notwendig. Demzufolge sei es erforderlich, dass die in diesem Markt tätigen Wettbewerber jeweils Verträge mit den pharmazeutischen Großhändlern abschließen, die die Zurverfügungstellung dieser Daten zum Inhalt haben.

Im österreichischen Markt habe die Antragsgegnerin bislang als einziges Unternehmen Datenlieferverträge betreffend die Absatzzahlen mit sämtlichen Großhändlern abgeschlossen.

Seit Beginn des Jahres 2016 habe die Antragstellerin als erste Wettbewerberin damit begonnen, Gespräche mit allen pharmazeutischen Großhändlern in Österreich zu führen, um den Markteintritt vorzubereiten. Die Antragstellerin habe mittlerweile – basierend auf ihrem wettbewerblichen Erfolg in Deutschland – Verträge mit allen fünf Großhändlern in Österreich abgeschlossen, allerdings zu preislichen Konditionen, die eine Wettbewerbsverzerrung bewirkten. Die von der Antragstellerin aufzuwendenden Kosten für die Datenlieferung beliefen sich auf rund EUR xx pro Jahr.

Das zwischen der Antragstellerin und den pharmazeutischen Großhändlern vereinbarte Preismodell und die Entgeltshöhe sei auf eine Vertragsklausel, die in den Verträgen der Antragsgegnerin mit den Großhändlern beinhaltet sei, zurückzuführen. Die Antragsgegnerin habe in ihren Verträgen mit Großhändlern über den Zukauf von Datenmaterial betreffend die Distribution von Pharmaprodukten sogenannte „Multi-Supplier-Clauses“ (in der Folge MSC) aufgenommen. Dabei seien im ersten Schritt relativ hohe Vergütungen für die Zurverfügungstellung der Daten vereinbart worden und gleichzeitig ein unverhältnismäßig hoher Abschlag von dieser Vergütung für den Fall vereinbart worden, dass der Großhändler seine Daten auch an Dritte zu kommerziellen Zwecken liefere. Die MSC in diesen Verträgen sehe vor, dass der Datenlieferant (pharmazeutischer Großhändler) die Antragsgegnerin innerhalb von 14 Tagen benachrichtige, wenn die an die Antragsgegnerin zu liefernden Daten auch weitergehend genutzt werden. In diesem Falle reduziere sich die Vergütung für die Nutzung der vom Großhändler zugelieferten Daten nach folgendem Schema:

Anzahl der Datennutzer durch Dritte oder sonstige

Vergütungsminderung (%)

0

0 %

1

40 %

2

50 %

3

60 %

Der vereinbarte Abschlag sei ausschließlich an das Kriterium der Belieferung eines anderen Wettbewerbers geknüpft, und stehe in keinem sachlichen Zusammenhang zur vertraglich vereinbarten Gegenleistung. Insbesondere sei die Höhe des Entgelts nicht an die gelieferte Datenmenge gebunden. Die Klausel diene einzig und allein dem Zweck, den Abschluss eines Vertrages mit einem weiteren Wettbewerber kommerziell enorm unattraktiv zu machen. Um den Vertragsabschluss zu erwirken, müsste ein neuer Marktteilnehmer mindestens diese Abschläge aus der MSC kompensieren. Nur wenn der Vertragsabschluss mit einem Wettbewerber finanziell lohnend möglich sei, werde ein Großhändler aus kaufmännischer Sicht bereit sein, den MSC-Abschlag in Kauf zu nehmen. Da es sich beim Zugang zu den Daten der pharmazeutischen Großhändler um eine notwendige Voraussetzung für den Markteintritt als Informationsdienstleister im hier relevanten Markt handle, müsse ein neuer Marktteilnehmer in Vorleistung gehen, und den durch die Abschläge verlorenen Betrag der Großhändler ausgleichen. Dieser Aufwand und das Eingehen des hohen Risikos sei für die Antragstellerin nur aufgrund von Vertriebssynergien mit den bestehenden Geschäften in Deutschland und der Schweiz tragbar.

Das von der Antragsgegnerin gesetzte Verhalten sei nur unter missbräuchlicher Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung möglich, und daher klar wettbewerbswidrig. Auch wenn die Wirkung der MSC den Vertragsabschluss mit der Antragstellerin nicht verhindert habe, bewirke sie eine deutliche Wettbewerbsverzerrung, da die Antragstellerin im Vergleich zum viel kleineren Anfangsumsatz (derzeitiger Marktanteil in Österreich von rund xx %) signifikant höhere Gesamtfixkosten zu tragen habe. Dies blockiere die Investitionsfähigkeit, und auch die Möglichkeit bei niedrigeren, von der Antragsgegnerin angebotenen Preisen, mitzubieten.

Gleichzeitig sei nicht ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin weitere rückwirkende Forderungen an die Datenlieferanten der Antragstellerin stelle, da die Antragsgegnerin in einem Schreiben an die Großhändler klargestellt habe, dass die MSC sich sowohl auf Back-Data als auch auf Teildatensätze und jede andere Form der laufenden Datenlieferung beziehe.

Die Antragsgegnerin habe mit dieser MSC zu Mitteln gegriffen, die nicht mehr zum Leistungswettbewerb gehörten. Die MSC sei vergleichbar mit einem wettbewerbswidrigen Treuerabatt. Sie sei nicht leistungsbezogen, und diene ausschließlich der Behinderung von Wettbewerbern. Durch die MSC werde eine Verzerrung dadurch bewirkt, dass die Großhändler in ihren Verhandlungen mit Wettbewerbern nicht frei agieren könnten, sondern in jedem Fall eine Kalkulation vornehmen müssten, ob sich der Vertragsabschluss mit Dritten im Vergleich zu den von der Antragsgegnerin lukrierten Vergütungen auszahle. Die MSC zwinge kleinere Wettbewerbern unverhältnismäßig hohe Preise für die Daten zu zahlen, weil seitens der Datenlieferanten (Pharmagroßhändler) die Frage der kommerziellen Attraktivität des Vertragsabschlusses mit den kleineren Wettbewerbern wegen der MSC immer nur in Relation zum Vertrag mit der Antragsgegnerin bewertet werde. Die MSC verhindere den tatsächlichen Leistungswettbewerb zwischen den Abnehmern von Distributionsdaten und den pharmazeutischen Großhändlern. Gerade dieser Wettbewerb wäre jedoch in einem Markt, der von einer erhöhten Nachfrage geprägt sei, besonders wichtig.

Die Antragsgegnerin habe ihre überragende Marktposition gegenüber den Großhändlern dazu ausgenutzt, eine exklusive Datenbelieferung durch drohende Abschläge vom Entgelt durchzusetzen. Die durch die MSC bewirkten Abschläge könnten von einem neuen Marktteilnehmer nicht ausreichend ausgeglichen werden, und haben die Eignung zur Verdrängung. 40 % zuzüglich eines Zuschlags des vereinbarten Betrages mit der Antragsgegnerin auszugleichen sei für einen neuen Marktteilnehmer wirtschaftlich unzumutbar. Auf den ersten Blick möge dies angemessen erscheinen, kaufen doch beide dieselben Daten ein. Dabei werde jedoch übersehen, dass die Antragsgegnerin als – bisherige – Monopolistin aus denselben Daten ein Vielfaches an Umsatz erzielen könne. Selbst wenn ein neuer Wettbewerber – wie die Antragstellerin – bereit sei, die hohen Datenlieferungskosten auf sich zu nehmen, bestehe das Risiko mittelfristig möglicherweise wieder aus dem Markt auszuscheiden, da die Vorfinanzierungslast zu hoch sei. Jedenfalls ergebe sich eine anhaltende Wettbewerbsverzerrung durch die Verwendung von Gewinnen zur Kompensation anstatt für weitere Investments und Marktentwicklungsmaßnahmen.

Erschwerend komme im gegenständlichen Fall das generelle Fehlen von Wettbewerb im relevanten Markt hinzu. Die MSC verursache dabei eine Sogwirkung, die neben der offensichtlichen Behinderung auch eine Abschottung vom relevanten Markt bewirken könne, weil Informationsdienstleister auf den Vertragsabschluss mit sämtlichen Großhändlern angewiesen seien. Selbst wenn die betreffenden Abschlagsstaffeln nur bei wenigen Großhändlern ihre volle Wirkung entfalten und sie den Vertragsabschluss mit der Antragstellerin zumindest erschweren (weil eine hohe finanzielle Gegenleistung verlangt werde), habe dies bereits fatale Auswirkungen, da die Antragstellerin auf einen Vertragsabschluss mit allen Großhändlern angewiesen sei.

Im konkreten Fall seien die wettbewerblichen Wirkungen sowohl für den Vorleistungsmarkt (Datenlieferungsmarkt), als auch für den für das Wettbewerbsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin relevanten Informationsdienstleistungsmarkt zu beurteilen. Die MSC verursache im ersten Schritt eine Behinderung der Antragstellerin als Nachfragerin von Distributionsdaten pharmazeutischer Großhändler, tatsächlich werde die wettbewerbswidrige Wirkung aber insbesondere auf dem Markt deutlich, auf dem sich die Antragstellerin und die Antragsgegnerin als Informationsdienstleister im Wettbewerb gegenüber stehen. Der Zugang zu den Distributionsdaten von pharmazeutischen Großhändlern als Rohdaten für den regionalen Absatz seien notwendige Voraussetzung (essential facility) für die Vermarktung der Daten in aufbereiteter Form. Wird einem Marktteilnehmer der Zugang zu diesen Daten auch nur von einem maßgeblichen Großhändler verwehrt, sei dies geeignet, den Markt für die Lieferung von Daten über den regionalen Absatz von Arzneimitteln abzuschotten. Die wettbewerbsverzerrende Wirkung trete dadurch ein, dass die MSC kleinere Wettbewerber zwinge, ihre Preise so anzupassen, dass sie zumindest jene Differenz ausgleichen, die durch die Abschläge von der Vergütung entstehen, obwohl dieser Zahlung keine entsprechende Vermarktungsmöglichkeit gegenüber stehe.

Angemessen wäre eine Entgeltleistung an die Großhändler gestaffelt nach der Vermarktungsmöglichkeit im nachgelagerten Markt. Da die Leistungen der Antragstellerin nur erbracht werden können, wenn die Analysen auf vollständigen Daten beruhen, sei der Zugang zu sämtlichen Großhändlern zu finanziell angemessenen Bedingungen essentiell für die Antragstellerin. Die Antragstellerin sei durch das Verhalten der Antragsgegnerin (als Folge der MSC) in der Festsetzung der Verkaufspreise limitiert bzw. habe nicht die Möglichkeit, ihre Mittel für Reinvestitionen einzusetzen. Dies wäre jedoch möglich, wenn die Großhändler die Verträge mit der Antragstellerin frei abschließen könnten, ohne eine Vergleichsrechnung in Relation zur Vergütung mit der Antragsgegnerin anstellen zu müssen.

Der Zugang zu den Daten der pharmazeutischen Vollgroßhändler sei zwingend notwendig, da diese Datengenauigkeit als Marktstandard von den Kunden der Analysen, nämlich den Pharmafirmen, verlangt werde. Dass die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin im relevanten Markt sei, gestehe die Antragsgegnerin in ihrer Äußerung ON 5 mittelbar selbst zu, indem sie die Formulierung gewählt habe, dass es „absolut vorstellbar“ sei, dass verschiedene Plattformen ähnliche Daten bereitstellen. Dies sei lediglich eine hypothetische Überlegung der Antragsgegnerin, treffe in Wirklichkeit aber nicht zu. Auch im Vorleistungsmarkt, nämlich am Distributionsdatenliefermarkt, sei die Antragsgegnerin den Großhändlern bisher als einzelne Nachfragerin gegenübergestanden, weshalb ihr auch als Nachfragerin Marktmacht zukomme. Die Antragsgegnerin halte mit der Vereinbarung von MSC die zu leistenden Preise für die notwendige Vorleistung künstlich hoch, und verhindere so einen rentablen Markteintritt eines Wettbewerbers.

Eine Art Lizenzgebühr wäre eine tragfähige Alternative. Demgegenüber bewirke die MSC, dass der Großhändler für seine Treue durch einen Exklusivitätszuschlag belohnt werde, den er jedoch bei Vertragsabschluss mit einem Dritten verliere. Durch die MSC müsse die Antragstellerin den vom Wettbewerber vorgegebenen Preis bezahlen, was eine missbräuchliche Preisbedingung darstelle. Für den Wettbewerber müsse auf einem funktionierenden Markt die realistische Möglichkeit bestehen, mit den Großhändlern Entgelte zu verhandeln, die nicht faktisch durch von der Antragsgegnerin festgelegte Abschläge von den eigenen Vertragsentgelten beeinflusst oder gar determiniert werden.

Die Besonderheit im vorliegenden Markt liege darin, dass für ein Tätigwerden auf dem Markt der Zugang zu ein und derselben Leistung von denselben Anbietern für sämtliche Wettbewerber notwendig sei. Die Situation sei vergleichbar mit der Notwendigkeit eines Wettbewerbers der Mitbenutzung von Infrastruktur. In solchen Regulierungsmärkten (zB Telekommunikationsbereich oder Sammlung und Verwertung von Haushaltsverpackungen) seien die Entgelte für den Zugang nach dem jeweiligen Marktanteil zu berechnen. Solche Marktstrukturen weisen Ähnlichkeiten zur gegenständlichen Problematik auf, sodass auch für den Anlassfall für den eintretenden Wettbewerber die Notwendigkeit bestehe, die Entgelte mit den Großhändlern selbständig auszuhandeln. Die Antragstellerin hätte dann die Möglichkeit andere Kostenmodelle zu vereinbaren, zB wie in anderen Ländern Kombinationsmodelle mit fixen und variablen Kostenbestandteilen mit den Lieferanten. Wenn sich die Antragsgegnerin nicht mehr auf die MSC berufen dürfte, wäre dies eine Änderung der Verhältnisse und die Datenlieferverträge mit den Großhändlern könnten von der Antragstellerin neu verhandelt werden. Im Übrigen seien diese Verträge nur zeitlich befristet abgeschlossen, sodass die neuen Verträge ohne zwingend vorgegebene, von der Antragstellerin zu tragende Kompensationsleistung abgeschlossen werden könnten.

Zum Vorbringen der Antragsgegnerin:

Die Antragsgegnerin bestreitet die Missbräuchlichkeit der MSC. Es sei zwar richtig, dass einige (nicht alle) Verträge, die die Antragsgegnerin mit den pharmazeutischen Großhändlern über die Absatzdaten abgeschlossen habe, die von der Antragstellerin beanstandete MSC enthalten. Die Antragstellerin habe auch das Schema der Vergütungsminderung richtig wiedergegeben.

Die Motivation der Antragsgegnerin zur Vereinbarung einer MSC sei leicht verständlich, wenn man den wirtschaftlichen Hintergrund der Datenlieferung berücksichtige:

Bei den Absatzdaten, welche die Großhändler an Marktforschungsinstitute, wie die beiden Streitteile, bereitstellen, handle es sich nicht um ein eigenständiges Produkt. Vielmehr fielen diese Daten im laufenden Geschäftsbetrieb der Großhändler ohnehin an und würden dort schon für betriebsinterne Zwecke elektronisch verarbeitet. Der einmalige Aufwand zur Einrichtung einer Schnittstelle, um die Daten an ein Marktforschungsinstitut zu liefern, sei gering. Der Umstand, dass die Großhändler wirtschaftlich auf die Datenlieferung nicht angewiesen seien, und in diesem Bereich nicht mit hohen Investitionen konfrontiert seien, verschaffe ihnen in den Verhandlungen mit den Marktforschungsinstituten einen ausgesprochen großen Spielraum. Die Großhandelsunternehmen würden vom ersten Interessenten an ihren Daten oft einen relativ hohen Betrag verlangen. Wenn dann weitere Marktforschungsinstitute Interesse an den Daten zeigen, sei, weil deren Bereitstellung so gut wie keine variablen Kosten verursachten, sei die Gefahr groß, dass die Daten an diese Abnehmer zu sehr geringen Beträgen verkauft würden. Die Deckungsbeitragserwartung der Großhandelsunternehmen werde ohnehin bereits vom ersten Kunden erfüllt. Das Ergebnis wäre eine grobe Verzerrung des Wettbewerbs zwischen dem ersten Interessenten und später in den Markt eintretenden Anbietern, wie hier die Antragstellerin. Diesem „Trittbrettfahrereffekt“ wirke die MSC entgegen. Sie gewährleiste zum Einen, dass die Großhändler bei ihrer Preisgestaltung gegenüber den Marktforschungsinstituten in angemessenem Umfang gleichmäßig vorgehen. Zum anderen verschaffe die Klausel den Marktforschungsinstituten die Möglichkeit, für die Daten einen etwas niedrigeren Preis zu bezahlen.

Im Rahmen der MSC habe die Antragsgegnerin das Ausmaß der Vergütungsminderung bewusst so gewählt, dass kein Marktabschottungseffekt gegenüber anderen Marktforschungsinstituten eintrete. Dies lasse sich leicht illustrieren:

Wenn ein Großhändler vor der Vergütungsminderung für die von ihm gelieferten Daten einen Preis von EUR 100,00 erhalte, reduzieren sich die Zahlungen der Antragsgegnerin auf EUR 60,00, sobald diese Daten einem zweiten Interessenten zur Verfügung gestellt werden. Wenn der zweite Interessent ebenso viel bezahle, erhalte der Großhändler in Summe EUR 120,00. Der zweite, neu am Markt Eintretende, müsse für die Daten nie so viel bezahlen, wie das bei der Antragsgegnerin ursprünglich der Fall gewesen sei. Die MSC sei demnach wirtschaftlich nicht geeignet, die Datenlieferanten von einem Vertragsabschluss mit einem weiteren Marktforschungsunternehmen abzuhalten. Dies sei auch dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin offenkundig keine Schwierigkeiten gehabt habe, die von ihr gewünschten Datenlieferungsverträge abzuschließen.

Es sei richtig, dass im Oktober 2016 die Antragsgegnerin an ihre Großhandelspartner ein Erinnerungsschreiben betreffend das Bestehen der MSC gerichtet habe. Dieses Schreiben enthalte jedoch keine Drohung, bereits bezahlte Vergütungen rückwirkend zu reduzieren. Dies ergebe sich ja auch nicht aus der MSC. Nach der MSC trete die Vergütungsminderung mit Wirkung vom ersten Tag des Monats in Kraft, in dem die Aktivitäten (Datenlieferung an Dritte) begonnen werden. Im Schreiben vom 07.10.2016 sei klargestellt worden, dass die Vergütungsminderung nicht an den Zeitpunkt der bloßen Datenlieferung anknüpfe, sondern daran, ab wann der Dritte für die Daten ein Entgelt bezahle. In diesem Sinne sei die MSC dann auch gehandhabt worden.

Anfang Jänner 2017 sei die Antragsgegnerin von den Großhandelsfirmen offiziell darüber informiert worden, dass sie mit Beginn des Jahres die an die Antragsgegnerin zu liefernden Daten gegen Entgelt auch einem Dritten zur Verfügung stelle. Bei den folgenden Abrechnungen sei dann nur noch der reduzierte Betrag in Rechnung gestellt worden.

Bei der hier gegenständlichen MSC handle es sich um eine Maßnahme des Leistungswettbewerbs, wobei für diese Beurteilung auch das Diskriminierungsverbot gemäß § 2 Abs 1 NVG berücksichtigt werden müsse. Bei der MSC handle es sich um eine abgemilderte Form der Meistbegünstigungsklausel im Geschäftsverkehr zwischen den Datenlieferanten und den Marktforschungsinstituten. Zweck der Klausel sei es zu verhindern, dass die Antragsgegnerin als erste Nachfragerin nach den Pharmadaten einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen ausgesetzt werde, die später in den Markt eintreten. Die MSC bedeute auch eine Abmilderung gegenüber dem gesetzlichen Standard des Nahversorgungsgesetzes zu Lasten der Antragsgegnerin, da diese sogar einen Preisvorteil für neue Datenabnehmer von bis zu 31,7 % toleriere. Wenn der Datenlieferant den Preis von EUR 100,00 auf EUR 60,00 reduziere, könne der betreffende Großhändler seinen Gewinn schon dann steigern, wenn er die Daten an einen weiteren Interessenten um EUR 41,00 verkaufe. In diesem Szenario bezahle der zweite Abnehmer für die Daten nur 68,3 % des Preises der Antragsgegnerin, habe daher einen Preisvorteil von 31,7 %.

Das von der Antragstellerin angesprochene erlösabhängige Lizenzgebührenmodell wäre im vorliegenden Kontext mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Daten nicht bloß in ein ganz bestimmtes Produkt einfließen, sondern diese können von den Marktforschern auf verschiedenste Art und Weise genützt werden. Im Übrigen könne der Großhändler nicht gegenüber einem Kunden, nämlich der Antragstellerin, ein System der erlösabhängigen Lizenzgebühren praktizieren, wenn sie gleichzeitig von einem anderen Kunden (der Antragsgegnerin) einen Festpreis verlange. Dies wäre eine systematisch, sachlich nicht begründete, letztlich willkürliche Ungleichbehandlung, die dem Prinzip des Leistungswettbewerbs fundamental widerspreche. Die MSC habe keine Abschottungswirkung, weil keine de iure Exklusivität bestehe, und die Prozentsätze für die Vergütungsminderung so ausgelegt seien, dass die Großhändler weiterhin einen Anreiz haben, mit anderen Abnehmern ins Geschäft zu kommen, dies selbst dann, wenn neue Abnehmer von Großhändlern mit einem Preisvorteil von bis zu 31,7 % bedient würden.

Im Übrigen treffe es auch nicht zu, dass die Antragstellerin auf die Datenlieferungen vom Großhandel angewiesen sei, um in den Markt eintreten zu können. Tatsächlich habe der Markteintritt schon lange, gestützt auf ein Apothekenpanel, stattgefunden. Zudem benötigte die Antragstellerin für die Verdichtung ihrer Berichte keineswegs die Daten von allen Arzneimittelgroßhändlern. Die von der Antragstellerin behauptete marktabschottende Wirkung der MSC sei daher bloß Spekulation. Der Abstellungsantrag ziele im Übrigen darauf ab, dass die Antragsgegnerin das an die Großhändler zu leistende Entgelt entweder erhöhen müsste, was nicht im Dienste des Marktes und der Kunden wäre. Im Übrigen könne die Antragstellerin ihre Sales Tracking Dienstleistungen für Marktanalysen des regionalen und nationalen OTC-Distributionen auf Basis der Apothekendaten erstellen, sodass die Abhängigkeit der Antragstellerin von Großhandelsdaten weit geringer sei als behauptet.

Es werde ausdrücklich bestritten, dass die Antragsgegnerin absichtlich unverhältnismäßig hohe Zahlungen an den Großhändler leiste, um im Zusammenspiel mit der MSC die Datenlieferanten von einem Vertragsabschluss mit anderen Marktforschungsinstituten abzuhalten. Mit oder ohne MSC sei das Bestreben der Antragsgegnerin stets darauf gerichtet, möglichst niedrige Vorleistungskosten zu haben.

In rechtlicher Hinsicht sei schließlich zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung nur ein noch im Entscheidungszeitpunkt andauerndes verbotswidriges Verhalten Gegenstand eines kartellrechtlichen Abstellungsauftrages seien könne. Das sei hier nicht der Fall. Die Zusage, einen Exklusivitätszuschlag zu bezahlen spiele nämlich im vorliegenden Fall gar keine Rolle mehr. Die Antragstellerin erhalte von den Großhändlern die gleichen Daten wie die Antragsgegnerin und zahle dafür sogar einen geringeren Preis. Ein Angebot der Antragsgegnerin an die Großhändler, einen Exklusivitätszuschlag zu bezahlen, wenn die Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin wieder beendet werde, gebe es nicht. Ein solches Angebot liege auch nicht im geschäftlichen Interesse der Antragsgegnerin. Dementsprechend gäbe es kein Verhalten, das heute noch – nach dem erfolgreichen Markteintritt der Antragstellerin – als verbotswidrig abgestellt werden könnte. Die MSC sei weder konzeptionell noch in ihren tatsächlichen Wirkungen geeignet, sich nachteilig auf den Markteintritt der Antragstellerin und/oder auf die zukünftige Entwicklung des Wettbewerbs auszuwirken. Sie sei keine Vergütung für Exklusivität und verfolge auch keine Behinderungsabsicht. Vielmehr sei die Preisreduktion aufgrund der MSC notwendig, um den Bestand des Produktangebotes der Antragsgegnerin zu sichern. Die Klausel schütze damit ein berechtigtes Interesse. Dabei lasse die Klausel eine finanzielle Bevorzugung von Marktneulingen zu. Eine noch weitergehende Begünstigung der Antragstellerin käme einer Quersubventionierung gleich, die dem Prinzip eines unverfälschten Wettbewerbs widersprechen würde, und für die es auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen Raum gäbe. Die Anwendung der MSC habe dazu geführt, dass die Antragsgegnerin für die Großhandelsdaten im Jahr 2017 rund EUR xx zahle, während sie 2016 dafür noch EUR xx bezahlt habe. Im Vergleich dazu zahle die Antragstellerin an die Großhandelsunternehmen für den identen Datensatz nur EUR xx Diese Fakten bestätigen, dass die MSC eine deutliche Begünstigung von Marktneulingen darstelle. Es sei nicht zu erkennen, warum eine Vertragsklausel, die einen neu in den Markt eintretenden Anbieter auf mehreren Ebenen begünstige, wettbewerbsschädigend sein sollte.

Die Schadenstheorie der Antragstellerin beruhe auf der These, dass ein neu in den Markt eintretendes Unternehmen schon im ersten Jahr kostendeckend sein müsse. Diese Haltung sei lebensfremd. Es sei Teil des ganz normalen Wirtschafts- und Wettbewerbsprozesses, dass der Break-Even-Point bei einer Neuinvestition in Wirtschaftszweigen, in denen es Fixkosten gäbe, erst nach einiger Zeit erreicht werde. Die MSC sei eine Preisreduktionsklausel, die objektiv notwendig sei, um der Antragsgegnerin einen Verbleib am Markt zu gestatten.

Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen sei nicht daran gehindert, seine eigenen geschäftlichen Interessen in angemessener Form zu schützen. Die MSC entspreche diesem Leitsatz. Ihre Intention sei es nicht, Einfluss auf die Preisverhandlungen zwischen den Großhändlern und anderen Abnehmern der Daten zu nehmen. Vielmehr handle es sich bei der Klausel um ein vertragliches Korrektiv dafür, dass sich der Großhandel gegenüber den Marktforschungsinstituten in der weitaus stärkeren Verhandlungsposition befinde. Sie schütze die Antragsgegnerin davor, ihrerseits nicht in eine Situation zu geraten, in der sie für die Daten einen in einem Verhältnis zu anderen Datenabnehmern unangemessenen hohen Preis bezahlen müsse. Dies sei wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zur Thematik der marktbeherrschenden Stellung führte die Antragsgegnerin in ihrer Äußerung ON 5 noch aus, dass dafür die Antragstellerin beweispflichtig sei, sie jedoch kein entsprechendes Vorbringen dazu erstattet habe. Es sei der Antragstellerin zwar zuzugestehen, dass die Europäische Kommission in ihrer fusionskontrollrechtlichen Entscheidungspraxis einen gesonderten Markt für „Sales Tracking Data“ angenommen habe, jedoch dabei erwogen habe, den Markt in weitere Segmente zu unterteilen, nämlich (i) einen nationalen Datenmarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, (ii) einen regionalen Datenmarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, (iii) einen nationalen Datenmarkt für sonstige Pharmaprodukte, sowie (iv) einen regionalen Datenmarkt für sonstige Pharmaprodukte. Dieser Aspekt der Marktabgrenzung sei jedoch von der europäischen Kommission letztlich offen gelassen worden. Dazu hätte im Lichte des Bedarfsmarktkonzeptes im Einzelnen erhoben werden müssen, welche Kunden welche Daten zu welchen Zwecken erwerben und auf welche Art und Weise der entsprechende Bedarf anderweitig gedeckt werden könnte.

Zweifelsfrei stehe fest, dass die Antragsgegnerin auf dem relevanten Markt kein Monopol inne habe. Das sei schon deswegen nicht der Fall, weil die Antragstellerin selbst den Markt bereits seit 2012 bearbeite. Absolut vorstellbar sei, dass auch andere kommerzielle Anbieter, wie etwa Euro Monitor oder Spectra, oder auch Interessensverbände pharmazeutische Absatzdaten sammeln und bereitstellen. Bloß deshalb, weil die Antragstellerin keine weiteren Datendienste erwähne, sei nicht gesagt, dass die Antragsgegnerin keinem Wettbewerb ausgesetzt sei.

Im Schriftsatz ON 14 änderte die Antragsgegnerin ihr Vorbringen zu den Marktanteilen dahingehend, dass das Gesamtmarktvolumen EUR xx betrage und der Umsatz, den die Antragsgegnerin für das Erstellen von regionalen Marktberichten aufgrund der Großhandelsdaten erziele EUR xx betrage. Aus einer Gegenüberstellung dieser beiden Zahlen leitet sie einen Marktanteil von rund xx% ab und stellt damit außer Streit, dass der Vermutungstatbestand des § 4 Abs 2 Z 1 KartG erfüllt sei. Beim restlichen Marktanteil von xx % sei zu berücksichtigen, dass der Großteil der OTC-Produkte (nicht verschreibungspflichtige Produkte) sowohl von Vollgroßhändlern als auch von sonstigen Großhändlern oder von den Produzenten an die Apotheken verkauft werden. Ein nicht unerheblicher Anteil aller verschreibungspflichtiger Medikamente werde von den Herstellern oder von nicht vollsortierten Großhändlern direkt an die Apotheken geliefert. Der Außendienst werde in diesen Fällen durch Auswertung der eigenen Daten des pharmazeutischen Unternehmens oder jener der Großhändler gesteuert. Diese Direktdatenlieferungen würden einen Wettbewerbsdruck auf die spezialisierten Marktforschungsinstitute ausüben, womit das Vorbringen der Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin als Monopolistin bislang überhaupt keinem Wettbewerb ausgesetzt gewesen sei, widerlegt sei.

Im Übrigen habe die MSC auf die Preise, die von den Großhändlern für Produkte der Antragsgegnerin an die Antragsgegnerin bezahlt werden, keine Auswirkungen. In diesem Bereich seien die Preisverhandlungen zwischen der Antragstellerin mit den Pharmagroßhändlern über Serviceleistungen, die die Großhändler von der Antragstellerin beziehen, völlig unberührt. Die MSC habe insofern auch keine wettbewerblichen Wirkungen, da die Antragstellerin die Daten nicht günstiger geliefert bekommen hätte, wenn keine MSC vereinbart worden wäre. Die MSC habe den Preis für Produkte, die die Großhändler von den Marktforschungsinstituten beziehen, nicht beeinflusst. Da der Prüfungsmaßstab des behaupteten Behinderungsmissbrauchs nach Art 102 AEUV die Eignung der fraglichen Verhaltensweise zur Verdrängung sei nicht jede Handlung eines marktbeherrschenden Unternehmens, die sich in irgendeiner Weise auf den Verhaltensspielraum eines anderen Anbieters auswirke, untersagt. Vielmehr komme es darauf an, ob das fragliche Verhalten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geeignet sei, einen ebenso effizienten Marktteilnehmer die Möglichkeit zu nehmen, sich am Markt zu behaupten. Durch die MSC sei die wirtschaftliche Ausgangsposition der Antragstellerin in den Verhandlungen mit den Großhändlern nicht verschlechtert, sondern bloß verändert oder sogar verbessert worden. Die MSC weise keine Eignung zur Verdrängung von Wettbewerbern, die ebenso leistungsfähig wie die Antragsgegnerin seien, auf.

Schließlich sei die MSC objektiv zu rechtfertigen, weil damit ein Trittbrettfahrerproblem gelöst werde und damit die Antragsgegnerin weiterhin in hochwertige Marktforschung investieren könne, und weiters ein Beitrag dazu geleistet werde, dass es nicht zu einer gesamtwirtschaftlich nachteiligen Variabilisierung der Datenbeschaffungskosten komme. Darüberhinaus verschaffe die MSC allen Marktteilnehmern Preisvorteile beim Dateneinkauf, was dazu beitrage, die Preise für die Marktforschungsberichte niedrig zu halten.

Aufgrund des durchgeführten Bescheinigungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Sachlicher Markt der Sales Tracking Analysen:

Die Arzneimittelvertriebsanalysen lassen sich inhaltlich unterteilen in a) Berichte über den regionalen Absatz von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, b) Berichte über den nationalen Absatz von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, c) Berichte über den regionalen Absatz von sonstigen Pharmaprodukten, sowie d) Berichte über den nationalen Absatz von sonstigen Pharmaprodukten.

Die Marktanalysen basieren auf der Auswertung von Verkaufsdaten.

In diesen Sales-Tracking-Berichten werden unterschiedliche Verkaufsdaten aufbereitet, nämlich einerseits die Verkaufsdaten über den Absatz von rezeptpflichtigen Arzneimitteln und solchen von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln („OTC“). Die Daten werden aus verschiedenen Quellen gewonnen. Als Datenlieferanten kommen Apotheken, Krankenanstalten, Ärzte sowie die Pharmagroßhandelsunternehmen in Frage.

Die Streitteile nutzen einerseits die von einem Apothekenpanel gelieferten Daten und andererseits die von den fünf in Österreich tätigen pharmazeutischen Vollgroßhändlern (sogenanntes Großhandelspanel)gelieferten Daten.

Wesentlicher Kunde sind die Pharmaunternehmen, die diese Analysen zum Monitoring des Außendienstes benötigen.

Regionale Sales Tracking Analysen über verschreibungspflichtige Arzneimittel, basieren auf der Auswertung der Großhandelsdaten. Es wäre auch möglich, regionale Sales Tracking Analysen über verschreibungspflichtige Medikamente auf Basis der Daten aus dem Apothekenpanel und der von Ärzten übermittelten Daten zu erstellen. Eine Datenanalyse auf Basis der Daten aus dem Apothekenpanel weist im Gegensatz zu jener auf Großhandelsbasis keine feine, 300 Teile umfassende regionale Granulierung auf. Dies wäre nur möglich, wenn das Apothekenpanel aus sämtlichen Apotheken sowie den Hausapotheken besteht.

Als Qualitätsstandard für die Marktanalyse von regionalen Sales-Tracking-Berichten für verschreibungspflichtige Arzneimittel, haben sich für die Kunden, nämlich für die Pharmaunternehmen, feingranulierte, auf Großhandelsdatenbasis erstellte Berichte, durchgesetzt.

Eine Möglichkeit durch von Ärzten übermittelten Daten einen derart genauen Bericht zu erstellen, besteht nicht, da dafür die Datenübermittlung von Zehntausenden in Österreich tätigen Ärzten erforderlich wäre, was aufgrund der fehlenden Bereitschaft vieler Arzte zur Datenübermittlung nicht zu erreichen ist und selbst bei bestehender Bereitschaft aller Ärzte zur Datenübermittlung ökonomisch unvertretbar teuer wäre.

Die von beiden Parteien angebotenen Sales Tracking Berichte, in denen der Pharmaproduktvertrieb räumlich aufgegliedert dargestellt wird, sind für die Kunden der beiden Streitparteien, insbesondere für die Pharmaunternehmen, durch kein anderes am Markt erhältliches Informationsdienstleistungsprodukt austauschbar.

Die Streitteile stehen sich auf dem Markt der Informationsdienstleistung im Bereich von Vertriebsanalysen über den nach räumlichen Kriterien dargestellten Absatz von pharmazeutischen Produkten als Wettbewerber gegenüber.

Räumlich relevanter Markt:

Dass dieser das gesamte Bundesgebiet umfasst, blieb unbestritten und hält auch einer rechtlichen Überprüfung, wie noch zu zeigen sein wird, stand.

Markteintritt Antragsgegnerin:

Die Antragsgegnerin trat 1984 in den österreichischen Markt ein, und bietet seit damals Marktberichte über den Vertrieb von Pharmaprodukten in Österreich unter Auswertung von Großhandelsdaten an.

Die Antragsgegnerin baute in Österreich zeitlich zuerst das Großhandelspanel auf und erst anschließend das Apothekenpanel. Derzeit umfasst das Apothekenpanel der Antragsgegnerin ungefähr 500 der etwa 1.300 Apotheken Österreichs.

Die Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin umfasst noch weitere Bereiche, wie die Beratung ihrer Kunden bei ihren betriebswirtschaftlichen Prozessen, beispielsweise durch die Bereitstellung von Adressdateien.

Die Antragsgegnerin ist auch im Sales Tracking Bereich von OTC-Produkten tätig. Ein Produkt wurde auf Bundeslandebene herunter gebrochen. Dieses Produkt erstellt die Antragsgegnerin auf Basis der Daten aus dem Apothekenpanel. Die Antragsgegnerin wertet dafür allerdings auch Großhandelsdaten im OTC-Bereich aus.

Im Bereich des pharmazeutischen Sales Tracking, insbesondere auch bei der Erstellung von Sales Tracking Berichten auf Großhandelsdatenbasis, war die Antragsgegnerin in Österreich die einzige Anbieterin, bis die Antragstellerin in den Markt eingetreten ist.


 

Distributionsdaten:

In Österreich gibt es fünf pharmazeutische Großhändler, die über das volle Sortiment verfügen.

Beide Parteien haben einen Datenliefervertrag mit allen fünf Vollsortimentern.

Die Datenlieferverträge mit den fünf Vollsortimentern werden üblicherweise auf einige Jahre abgeschlossen und dann wieder neu ausverhandelt.

Mit den Daten aus dem Großhandelspanel kann in Marktanalysen der Vertrieb pharmazeutischer Produkte regional feingranuliert abgebildet werden.

Diese regional fein granulierten Analysen auf Großhandelsdatenbasis werden von Pharmaunternehmen zur Vertriebssteuerung und zum Monitoring der Außendienstmitarbeiter gekauft.

Die Daten aus dem Großhandelspanel sind genauer als jene aus dem Apothekenpanel.

Jedoch bieten auch die Daten aus dem Apothekenpanel die Basis für Sales Tracking Berichte der Antragsgegnerin im OTC-Bereich sowie in Bezug auf die sogenannten „Hochpreiser“. Dabei handelt es sich um teure Spezialmedikamente, die von den Produzenten direkt an Apotheken geliefert werden.


 

Die Multi-Supplier-Clause:

In den Datenlieferverträgen zwischen der Antragsgegnerin mit mehreren Vollgroßhändlern ist eine Multi-Supplier-Clause (in der Folge: MSC) mit im Wesentlichen folgenden Inhalt aufgenommen (Beilage ./C):

Die Firma wird Pharmadat (Anm: frühere Firma der Antragsgegnerin) innerhalb von 14 Tagen benachrichtigen, dass die an Pharmadat zu liefernden Daten auch weitergehend genutzt werden.

Pharmadat hat keinen Anspruch darauf, die Vertragsbedingungen zwischen der Firma und dritten Abnehmern von Daten einzusehen und ist insbesondere auch nicht berechtigt, den von einem dritten an die Firma etwa bezahlten Preis zu erfahren.

Die von Pharmadat bezahlte Vergütung für die Nutzung der von der Firma zugelieferten Daten reduziert sich dann entsprechend dem nachstehenden Schema, und

die Vergütungsminderung tritt mit Wirkung vom ersten Tag des Monats in Kraft, in dem die Aktivitäten begonnen werden.


 

Schema Vergütungsminderung

Anzahl der Datennutzer durch Dritte oder sonst.

Vergütungsminderung (%)

0

0 %

1

40 %

2

50 %

3

60 %

Pharmadat ist berechtigt durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer auf eigene Kosten gelegentlich überprüfen zu lassen, dass die Firma sich in Übereinstimmung mit den in Ziff. 5.8 beschriebenen Verpflichtungen befindet. Auf Wunsch von Pharmadat wird die Firma dafür sorgen, dass die vorgenannte Überprüfung auch bei der Firma erfolgen kann.

Der unabhängige Wirtschaftsprüfer darf Pharmadat lediglich die Anzahl weiterer Parteien offenbaren, denen die Firma die an Pharmadat zu liefernden Daten lizenziert, verkauft oder sonst wie zur Verfügung gestellt hat und ob eine sonstige Nutzung vorliegt.“

Die genannte MSC wurde von der Antragsgegnerin im Zuge von Neuverhandlungen der Datenlieferverträge hineinreklamiert, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Antragsstellerin noch nicht auf dem österreichischen Markt eingetreten ist.


 


 

Markteintritt der Antragsstellerin:

Im Jahr 2013 begann die Antragstellerin Vorbereitungshandlungen für den Markteintritt in Österreich. In dieser Vorphase entwickelte die Antragstellerin ein Nischenprodukt, und zwar ein Apothekenpanel, um Teilbereiche des Marktes (Sales Tracking Berichte) bedienen zu können. Ab 2016 begannen die Vorgespräche mit den pharmazeutischen Großhändlern über die Datenlieferverträge. Bei den Vorgesprächen wurde von der Antragstellerin den Pharmagroßhändlern gegenüber klargestellt, dass der Datenliefervertrag sämtliche Vertriebsdaten, also den kompletten Datensatz, zu enthalten hat. Dies ist erforderlich, da die Pharmaunternehmen daran interessiert sind, möglichst viele ausgewertete Daten aus einer Hand zu bekommen. Bei den Gesprächen wurde von Seiten der Großhandelsunternehmen thematisiert, dass ein Vertragsabschluss mit der Antragstellerin Auswirkung auf Drittverträge habe. Die genaue Klauselbestimmung, nämlich die konkrete MSC, wurde der Antragstellerin bei den Vertragsgesprächen mit den Großhandelsunternehmen nicht bekanntgegeben, jedoch konnte der Geschäftsführer der Antragstellerin, der die Antragstellerin bei den Vertragsgesprächen vertrat, aufgrund der verschiedenen Hinweise der Großhandelsunternehmen den Rückschluss ziehen, dass es sich bei dem von den Großhandelsunternehmen genannten Dritten um die Antragsgegnerin als einziger Mitbewerber auf diesem Markt handeln müsse.

Die Antragstellerin wollte im Zuge der Preisverhandlungen verschiedene Vergütungsmodelle ins Spiel bringen, jedoch erfolgte dann regelmäßig der Hinweis auf die Drittwirkung und die dadurch fehlende Flexibilität bei den Preisverhandlungen.

Als alternatives Preismodell wäre für die Antragstellerin ein langfristiges Treppenmodell oder die Vergütung abhängig von den Umsätzen in Frage gekommen. Es hätte auch darüber verhandelt werden können, dass die mit den Großhändlern abgeschlossenen Gegengeschäfte, also der Kauf von Datenanalysen durch die Datenlieferanten rabattiert wird und als Entgeltsbestandteil berücksichtigt wird. Da jedoch der Preis, zu dem der Antragstellerin die Daten angeboten wurden, von Anfang an als Folge der MSC und des damit auszugleichenden Betrages hoch war und wie ein Fixpreis keine Gestaltungsflexibilität zuließ, war es wirtschaftlich nicht mehr möglich, über andere Vergütungsmodelle zu verhandeln.

Damit war auch die Möglichkeit, andere Leistungskomponenten von Seiten der Antragstellerin anzubieten, nicht mehr gegeben.

Als die Antragstellerin in Deutschland in den Markt eingetreten ist, wurde mit den Pharmagroßhändlern dynamische Vergütungsklauseln, die umsatzabhängig waren, vereinbart. In Deutschland befindet sich in den Verträgen zwischen der dortigen Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin und den Pharmagroßhändlern keine MSC-Klausel.

Für die Zurverfügungstellung der Daten hat die Antragstellerin jährlich EUR xx zu bezahlen, was eine hohe Fixkostenbelastung darstellt.


 

Erinnerungsschreiben der Antragsgegnerin:

Die Antragsgegnerin wurde zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt von Pharmaunternehmen darüber informiert, dass es ein Schreiben der Antragstellerin gibt, in dem sie mitteilt, dass sie beabsichtigt mit Großhandelsdaten in den österreichischen Markt einzutreten. Nach Erhalt dieser Information verfasste die damalige Mitarbeiterin der Antragsgegnerin folgendes Schreiben an die Pharmagroßhändler:

[…]

Vertragsbeziehung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir nehmen Bezug auf die zwischen uns bestehenden Vereinbarungen zur Datenlieferung. Wir halten in diesem Zusammenhang gerne fest, dass wir die Zusammenarbeit mit Ihnen sehr schätzen und hoffen, diese auch zukünftig weiter fortsetzen zu können. Wir sind daher stets äußerst darum bemüht, die getroffenen Vereinbarungen auch genau zu halten.

Aus gegebenem Anlass dürfen wir freundlich auf Abschnitt 5. des Vertrages vom […] hinweisen und an den Inhalt dieser Bestimmung erinnern. Klarstellend halten wir fest, dass die hier genannte Datenlieferung sowie Back-Data als auch Teildatensätze und natürlich jede andere Form der laufenden Datenlieferung umfasst.

Jede Datenlieferung an Dritte ist uns daher zu melden und führt zu einer automatischen Reduktion der von uns geschuldeten Vergütung.

[…]“

Verständigung der Antragsgegnerin über Drittlieferung:

Von Seiten folgender Pharmagroßhändler erfolgten im Zeitraum zwischen November 2016 und Jänner 2017 an die Antragsgegnerin die Mitteilung, dass ab Jänner 2017 die Großhandelsdaten an einen weiteren Datenuser zur Verfügung gestellt werden: xxxxxxx. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Fixpreis für die Datenlieferung entsprechend der Multi-Supplier-Clause von der Antragsgegnerin reduziert bezahlt.

Marktaufteilung:

Es kann nicht festgestellt werden, wie hoch der jährliche Umsatz der Mitbewerber im Bereich des Sales Tracking ist. Der Umsatz bewegt sich zwischen EUR xx und EUR xx.

Inwieweit sich der 100%ige Marktanteil der Antragsgegnerin seit dem Markteintritt der Antragstellerin reduzierte, und welchen Marktanteil die Antragstellerin hält, kann nicht festgestellt werden. Fest steht aber, dass der Marktanteil der Antragsgegnerin höher als der von der Antragsgegnerin außerstreit gestellte Anteil von xx%, und deutlich höher als jener der Antragstellerin ist, die derzeit über einen nur geringfügigen Marktanteil verfügt.

Datenlieferungsentgelt:

Bevor die Großhandelsdaten von den pharmazeutischen Großhändlern auch der Antragstellerin geliefert wurden, bezahlte die Antragsgegnerin im Jahr 2016 dafür EUR xx Die Anwendung der MSC führte dazu, dass sich die Zahlungen der Antragsgegnerin an die Großhandelspartner im Jahr 2017 in Summe auf rund EUR xx reduzierten.

Im Jahr 2016 bezahlte die Antragsgegnerin den pharmazeutischen Großhändlern für die Datenlieferungen EUR xx, wobei rabattierte Gegengeschäfte, nämlich Marktanalysen, die von der Antragsgegnerin dem Großhändler zur Verfügung gestellt wurden, bereits gegengerechnet und damit enthalten sind. Auch die für die Datenlieferung durch die Antragsgegnerin zu zahlende Summe im Jahr 2017 in der Höhe von EUR xx stellt die in Hinblick auf die Gegengeschäfte bereinigte Zahl dar.

Wirkungsweise der MSC:

Die MSC wurde derart von der Antragsgegnerin praktiziert, dass für die ab dem Zeitpunkt der ersten entgeltlichen Datenlieferung an die Antragstellerin, der MSC-Abzug vorgenommen wurde, und zwar nur für zukünftigen Rechnungen, selbst wenn im Liefervertrag auch historische Daten der Antragstellerin geliefert wurden. Es kommt damit zu keiner Rückwirkung der MSC in dem Sinne, dass die Großhändler für vergangene Perioden das Entgelt anteilig rückvergüten müssen.


 

Würdigung der Bescheinigungsmittel:

Die Geschäftsführer der gegnerischen Parteien sagten in weiten Teilen übereinstimmend aus, nämlich insbesondere was den Inhalt der MSC, der auch durch die vorgelegten Urkunden bescheinigt wurde, was die Notwendigkeit der Auswertung der Großhandelsdaten der fünf Vollsortimenter für qualitativ verwertbare Sales Tracking Analysen im verschreibungspflichtigen Arzneitmittelbereich, sowie was den chronologischen Ablauf der Markteintrittsschritte der Antragstellerin in den österreichischen Markt betrifft. Der Geschäftsführer der Antragstellerin legte überzeugend und plausibel dar, dass im Rahmen der Vertragsgespräche hinsichtlich der Datenlieferverträge mit den Vollsortimenten der Verhandlungsspielraum für die Antragsstellerin aufgrund der MSC in den Datenliefervertägen mit der Antragsgegnerin eingeschränkt war und alternative Preismodelle aufgrund des Hinweises der Großhändler auf die Drittwirkung des Vertragsabschlusses gar nicht zur Debatte gestellt werden konnten.

Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin stellte glaubwürdig dar, dass die MSC nicht Rückvergütungen für die Lieferung von historischen Daten an die Antragstellerin vorsieht, sondern dass die Klausel dahingehend verstanden und praktiziert wird, dass ab dem Moment der entgeltlichen Zurverfügungstellung von Daten, gleichgültig ob diese historisch oder aktuell sind, für die darauf folgende Abrechnung der Abzug vorgenommen wird und in dieser Form auch wurde.

Dass eine solche Rückwirkung der MSC nicht praktiziert wurde, ist auch daraus zu schließen, dass die Antragstellerin keine diesbezügliche Information von Seiten der pharmazeutischen Großhändler erhielt.

Zur Marktposition der Antragstellerin und Antragsgegnerin:

Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin gab bei seiner Einvernahme unumwunden zu, dass im Bereich des Vertriebstracking in Bezug auf Großhandelsdaten die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin in Österreich war bis zum Markteintritt der Antragstellerin. Dass im Bereich des Sales Tracking auf dem österreichischen Markt keine weiteren Mitbewerber außer die beiden hier verfahrensbeteiligten Parteien existieren, wird auch widerspruchsfrei und nachvollziehbar von der Mitarbeiterin der Antragstellerin der Zeugin S. bestätigt. Das Vorbringen der Antragsgegnerin dazu steht mit diesen Feststellungen bei genauer Betrachtung auch gar nicht in Widerspruch. Zwar behauptet sie in ihrer Äußerung ON 5 noch, dass „es absolut vorstellbar sei, dass auch andere kommerzielle Anbieter pharmazeutische Absatzdaten sammeln und bereitstellen“. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Tatsachenvorbringen, sondern um eine in den Raum gestellte Mutmaßung, von der die Antragsgegnerin offenbar selbst nicht ausgeht, da sie andernfalls konkrete Behauptungen aufgestellt hätte, wer in welchem Bereich tatsächlich auf dem hier relevanten Markt auftritt. Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang auch, dass die Antragsgegnerin ihr Vorbringen zu ihrer Marktposition im Laufe des Verfahrens änderte, und schließlich im vorbereitenden Schriftsatz ON 14 im Zusammenhang mit der Erstellung von regionalen Marktberichten auf Basis der Großhandelsdaten einräumt, den Vermutungstatbestand des § 4 Abs 2 Z 1 KartG zu erfüllen, wobei sie in diesem Schriftsatz einen Marktanteil von rund xx % angibt, der jedoch auf einer verkürzten Gegenüberstellung von Zahlen beruht. Auf der einen Seite stellt die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin behauptete Gesamtmarktvolumen von EUR xx außer Streit, auf der anderen Seite stellt sie diese Zahl gegenüber den von ihr erzielten Umsatz im Bereich der regionalen Marktberichte auf Großhandelsdatenbasis und suggeriert mit dieser Rechnung, dass weitere Marktteilnehmer in diesem Bereich xx % Marktanteil haben. Allerdings führt sie zu diesem xx%igen Marktanteil aus, dass ein nicht unerheblicher Anteil aller verschreibungspflichtiger Medikamente von den Herstellern oder vom nicht vollsortierten Großhändler direkt an die Apotheken geliefert werden, und dass in diesen Fällen die Außendienstmitarbeitersteuerung durch Zugriff auf die eigenen Daten erfolge. Die Antragsgegnerin argumentiert, dass damit offenkundig sei, dass direkte Datenlieferungen zwischen pharmazeutischen Großhändlern und den Pharmaherstellern ohne Zwischenschaltung von Marktforschungsinstituten eine große Rolle spielen. Damit verlässt die Antragsgegnerin jedoch den Bereich einer zulässigen Marktabgrenzung, da der Umfang der Bedarfsdeckung, der durch den Kunden selbst erfolgt, keinen Marktanteil darstellt.

Dass es auf dem Markt keinen weiteren Anbieter für pharmazeutische Sales Tracking Berichte gibt und auch kein anderer Informationsdienstleister substituierbare Leistungen erbringt, wird von beiden Geschäftsführern in ihren Aussagen bestätigt.

Wäre bereits ein Mitbewerber auf dem hier sachlich relevanten Markt in Österreich tätig, wäre die MSC ja bereits gegenüber dieses (anderen) Mitbewerber in Vollzug gesetzt worden, und ein anderer Abschlag wäre in Geltung. Das heißt, alleine aufgrund des von beiden Seiten unbestrittenen In-Vollzug-Setzens der MSC mit 40% Abschlag ist ausreichend bescheinigt, dass der Markt des Sales Tracking Berichte unter den Streitteilen aufgeteilt wird.

Diese Feststellung wird auch durch die dazu übereinstimmenden Angaben aller vernommenen Personen getragen. Auch der Umstand, dass die MSC zu einem Zeitpunkt in die Verträge gelangt ist, als die Datenlieferung exklusiv an einen einzigen Datenabnehmer, nämlich die Antragsgegnerin, erfolgte, bekräftigt den Schluss, dass bis zum Markteintritt der Antragstellerin in Österreich der Antragsgegnerin im Bereich des Sales Tracking von Pharmaprodukten keine Mitbewerber gegenüber stand.

Unstrittig ist, dass die Parteien die Absatzanalysen in ganz Österreich an die Pharmafirmen und weitere Kunden anbietet.

Die konkreten Zahlen des Kostenaufwandes für die Datenlieferung, sowohl vor in Krafttreten der MSC als auch danach blieben wechselseitig unbestritten, sodass sie dem Sachverhalt zugrunde gelegt werden konnten.

Wie hoch der jährliche Umsatz im pharmazeutischen Sales-Tracking-Bereich ist, konnte aufgrund der dazu gemachten widersprechenden Angaben der Geschäftsführer der Parteien nur in einem Betragsrahmen festgestellt werden: Der Umsatz für den Teilbereich des Sales Tracking für die Erstellung von regionalen Marktberichten auf Großhandelsdatenbasis wird von der Antragsgegnerin mit EUR xx beziffert. Der erzielbare Umsatz im gesamten Bereich Sales Tracking wird von der Antragstellerin mit EUR xx geschätzt. Es ist also von eine Wert in diesem Rahmen auszugehen.

Unstrittig ist, dass die Antragsgegnerin über einen deutlich höheren Marktanteil als die Antragstellerin verfügt. Dass der Marktanteil der Antragstellerin über den von ihr angegeben x% liegt, wurde von der Antragsgegnerin nicht substantiiert bestritten, sodass jedenfalls von einem erheblichen Marktanteilsungleichgewicht zwischen den Streitteilen auszugehen ist.


 

Rechtliche Beurteilung:

1. Verordnung (EU) 1/2003:

Eine Mitteilung an die Europäische Kommission gemäß Art 11 Abs 4 der VO 1/2003 hat im Provisorialverfahren nicht stattzufinden. Die Mitteilungs- und Informationspflicht im Sinne des zitierten Absatzes trifft das Kartellgericht nur dann, wenn die Abstellung einer Zuwiderhandlung angeordnet wird, Verpflichtungszusagen angenommen werden oder der Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellung entzogen wird. Diese Aufzählung entspricht wortgleich den in Art 5 der VO 1/2003 genannten Entscheidungen, mit Ausnahme der dort erwähnten einstweiligen Maßnahme. Da Art 11 Abs 4 der VO 1/2003 eine solche einstweilige Entscheidung nicht erwähnt, die übrigen in Art 5 der VO 1/2003 aufgezählten Entscheidungen jedoch nennt, ist das Kartellgericht zu der in Art 11 Abs 4 der VO 1/2003 vorgesehenen Einbeziehung der Kommission nicht gehalten.

2. Mit dieser Entscheidung wird eine einstweilige Verfügung gemäß § 48 Abs 1 KartG erlassen. Danach ist eine Bescheinigung der Gefährdung nicht erforderlich (16 Ok 3/08; E. Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 336). Die einstweilige Verfügung ist bereits dann zu erlassen, wenn die Voraussetzungen für die Abstellung einer Zuwiderhandlung bescheinigt sind (16 Ok 1/12).

3. Zur Aktivlegitimation:

Gemäß § 36 Abs 4 Z 4 KartG ist zum Stellen eines Abstellungsantrages jeder Unternehmer und jede Unternehmervereinigung berechtigt, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat. Die Antragsbefugnis des § 36 KartG differenziert grundsätzlich zwischen den „Antragsmonopolen“ der Amtsparteien (Abs 2) und den anderen Antragsberechtigten (Abs 4). Die Antragsbefugnis privater Unternehmer soll lediglich der verstärkten Durchsetzung des KartG durch Sicherstellung vermehrter Antragstellung dienen, ohne an dessen Zielsetzung oder Ausrichtung, nämlich Sicherstellung des funktionierenden Wettbewerbs im öffentlichen Interesse, etwas zu ändern (Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 36 Rz 5; E. Solé, aaO Rz 73 mwN).

Da die Antragstellerin im selben Markt tätig ist wie die Antragsgegnerin und jene Klausel, deren weitere Anwendung sie durch den gegenständlichen Abstellungsantrag verhindern will, Einfluss auf den Inhalt der von ihr abgeschlossenen Verträge hatte, ist jedenfalls ihr wirtschaftliches Interesse an der begehrten Entscheidung zu bejahen. Inwieweit die Verwendung dieser Klausel ein missbräuchliches Verhalten darstellt, wird noch ausführlich in der Folge zu behandeln sein. Die Bejahung der Aktivlegitimation ist davon getrennt zu beurteilen, und liegt bereits dann vor, wenn die vom Kartellgericht zu treffende Entscheidung die rechtlichen oder wirtschaftlichen Belange der Antragstellerin berührt.

4. Zur Marktabgrenzung

4.1. Der relevante Markt ist nach sachlichen, örtlichen und zeitlichen Kriterien zu bestimmen (RIS-Justiz RS0063659). Die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte liegt darin, Wettbewerbsbeziehungen zwischen Unternehmen zu identifizieren (16 Ok 6/12). Im Zusammenhang mit Marktmissbrauchsfällen kommt der Marktabgrenzung die weitere wesentliche Funktion zu, in einem ersten Schritt ist der Marktanteil des diesem Vorwurf ausgesetzten Unternehmens zu eruieren.

4.2. Sachlich relevanter Markt:

Bei der sachlichen Abgrenzung ist auf Austauschbarkeitsrelationen aus der Sicht der Nachfragerseite (Bedarfsträger) abzustellen, deren Bedürfnisse jeweils durch bestimmte, aus der Sicht der Abnehmer substituierbare Erzeugnisse/Dienstleistungen befriedigt werden können (RIS-Justiz RS0063539). In erster Linie kommt es daher nach dem Bedarfsmarktkonzept (§ 23 KartG) auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 23 Rz 5).

Die von beiden Parteien angebotenen Sales Tracking Berichte, in denen der Pharmaproduktvertrieb räumlich aufgegliedert dargestellt wird, ist für die Kunden der beiden Streitparteien, insbesondere die Pharmaunternehmen, durch kein anderes am Markt erhältliches Informationsdienstleistungsprodukt austauschbar.

Der im Anlassfall sachlich relevante Markt unter Zugrundelegung des Bedarfsmarktkonzeptes ist zu definieren als jener der Marktforschung im Bereich von Sales Tracking Analysen über den nach räumlichen Kriterien dargestellten Absatz von pharmazeutischen Produkten.

Diese Marktdefinition entspricht auch der vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-418/01 vorgenommenen Marktabgrenzung.

Es handelt sich bei der hier vorgenommenen Marktabgrenzung um eine weite, da die in der Kommissionsentscheidung M.7337 IMS Health/Cegedim Business und M.8061 IMS Health/Quintiles erwogene weitere Segmentierung in einen nationalen Datenmarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, einen regionalen Datenmarkt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, einen nationalen Datenmarkt für sonstige Pharmaprodukte sowie einen regionalen Datenmarkt für sonstige Pharmaprodukte nicht vorgenommen wurde.

Dabei ist anzumerken, dass unabhängig davon, ob man nun die nunmehr vorgenommene weite Marktabgrenzung oder eine Marktabgrenzung nach den genannten Segmenten wählt, die Anbieter dieser Dienstleistung auf dem österreichischen Markt nur die beiden hier prozessbeteiligten Wettbewerber sind, an dem die Antragstellerin jeweils einen sehr geringen Marktanteil hält, während den restlichen, überwiegenden Marktanteil die Antragsgegnerin, die vor dem Markteintritt der Antragstellerin in diesem Markt die Monopolstellung hatte, innehat.

Es sei auch an dieser Stelle wiederholt, dass die Antragsgegnerin kein substantiiertes Vorbringen darüber erstattete, dass ein weiterer Marktteilnehmer eine substituierbare Dienstleistung auf diesem Markt anbietet, sodass unabhängig davon, dass ein Sachverständigengutachten im Provisorialverfahren ohnedies nicht in Frage kommt, die Einholung eines solchen ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür im Vorbringen der Streitteile einen unzulässigen Erkundungsbeweis darstellen würde.

4.3. Räumlich relevanter Markt:

Der geografisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte und Dienstleistungen anbieten – sich also dort als Anbieter und Nachfrager gegenüber stehen, in dem weiters die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (Urlesberger, aaO Rz 11).

Da die Nachfrager, also die Kunden der Sales-Tracking-Berichte, die in Österreich tätigen Vollsortimenter aber auch in Österreich ansässigen Apotheken und Pharmagroßhändler sind, ist der Markt räumlich - wovon auch beide Parteien ausgehen - mit dem Bundesgebiet abzugrenzen.

4.4. Anzuwendendes Wettbewerbsrecht:

Im Art 102 AEUV legt die sogenannte Zwischenstaatlichkeitsklausel fest, wonach die europäischen Wettbewerbsregeln dann zur Anwendung gelangen, wenn durch den Marktmissbrauch der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigt sein kann. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel hat die Aufgabe, den Anwendungsbereich des mitgliedsstaatlichen von dem des Unionsrechtes abzugrenzen (EuGH C-295/04 – C298/04; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 § 5 Rz 1).

Maßgeblich ist nach ständiger Rechtsprechung, ob Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen oder die Verhaltensweise eines beherrschenden Unternehmens geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu beeinflussen (Mestmäcker/Schweitzer aaO Rz 13 mwN). Stets muss vorausschauend beurteilt werden, ob das Verhalten geeignet ist, der Errichtung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedsstaaten hinderlich zu sein. Anhand eines Gesamturteils von rechtlichen und tatsächlichen Umständen ist zu beurteilen, ob die nationalen Märkte abgeschottet werden (aaO Rz 13, 16 Ok 12/06).

Im Anlassfall ist diese Zwischenstaatlichkeit schon allein aufgrund des Umstandes zu bejahen, weil die marktabschottende bzw. wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung der MSC, die im Markt eingetretene, in Deutschland ansässige Antragstellerin betrifft.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Wettbewerbsregeln der Union und das Wettbewerbsrecht der Mitgliedsstaaten parallel anwendbar. Eine Bestätigung dieser Auslegung entnimmt der Europäische Gerichtshof dem Art 103 Abs 2 lit e AEUV, wonach der Rat ermächtigt ist, das Verhältnis der Rechte zueinander durch Verordnung zu regeln.

Mit Art 3 VO 1/03 hat der Gesetzgeber zum ersten Mal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das materiell-rechtliche Verhältnis der Rechte und nicht nur das Verhältnis der Zuständigkeiten von Kommission und nationalen Stellen zu regeln. Art 3 Abs 1 VO 1/03 begründet die zwingend parallele Anwendung der Wettbewerbsregeln neben dem staatlichen Recht, wenn das Verhalten geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen und die Anwendung des nationalen Rechtes zugleich Art 101 oder Art 102 unterfällt. Die Vorschrift ist darauf gerichtet, den Vorrang des Unionsrechtes vor dem mitgliedsstaatlichen Recht zu verwirklichen. Sie ändert jedoch nicht den Grundsatz der parallelen Geltung der Rechte. Der Rechtsanwendungsvorrang lässt die Geltung und Anwendung staatlicher Normen unberührt, wenn und soweit dadurch die einheitliche Anwendung des Unionsrechtes unter Beachtung der Zuständigkeitsregeln nicht beeinträchtigt wird (aaO § 6 Rz 6 f).

Die vorrangige Geltung des Unionsrechtes scheidet aus, soweit es sich um strengere innerstaatliche Vorschriften handelt, die einseitige Handlungen von Unternehmen unterbinden oder ahnden (Art 3 Abs 2 VO 1/03).

Im Ergebnis ist daher auf den Anlassfall § 5 KartG parallel mit Art 102 AEUV anzuwenden.


 

5. Marktbeherrschung durch die Antragsgegnerin:

§ 4 KartG definiert den Marktbeherrscher als jenes Unternehmen, das als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder einem im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

In § 4 Abs 2 KartG legt Marktbeherrschungsvermutungstatbestände fest: Bei Erreichen der im Gesetz beschriebenen Marktanteilsschwellen kommt es zur Umkehr der Beweislast der Gestalt, dass der die Marktanteilsschwelle überschreitende Unternehmer nachzuweisen hat, dass er keine marktbeherrschende Stellung einnimmt.

Zur Widerlegung der Marktbeherrschungsvermutung sind insbesondere das Vorliegen erheblichen (auch potentiellen) Wettbewerbes, das Fehlen von Markteintrittsbarrieren (in welcher Natur auch immer) sowie Abhängigkeiten gegenüber besonders marktstarken Abnehmern ausschlaggebend (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 4 Rz 62).

Da im Anlassfall aufgrund des durchgeführten Bescheinigungsverfahrens sich ergeben hat, dass die Antragsgegnerin einen deutlich über dem von der Antragsgegnerin außer Streit gestellten xx%igen Marktanteil am relevanten Markt aufweist und ihr als Wettbewerber lediglich die Antragstellerin mit noch einem geringfügigen Marktanteil gegenüber steht, ist sie als Marktbeherrscherin iSd § 4 KartG zu qualifizieren.

Ihre marktbeherrschende Stellung aufgrund ihrer großen Marktanteile wird im konkreten Fall noch dadurch verstärkt, dass sie einen besonderen Zugang zu den Beschaffungsmärkten inne hatte. Die Antragsgegnerin verfügte jahrelang über einen insofern besonderen Zugang zu den Beschaffungsmärkten, als sie als einzige Abnehmerin am Datenmarkt über den Absatz von pharmazeutischen Großhandelsprodukten war und Vertragsbeziehungen zu allen Lieferanten dieses Datenliefermarktes hatte.

Diese besondere beschaffungsmarktseitige Stellung der Antragsgegnerin trug zur Verfestigung ihrer marktbeherrschenden Stellung bei und wird im Rahmen der Abwägung sämtlicher Umstände bei der Missbrauchskontrolle noch zu berücksichtigen sein.


 

6. Zur Missbräuchlichkeit des Marktverhaltens:

6.1. Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Gemäß Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen, verboten.

Sowohl in § 5 KartG als auch in Art 102 AEUV werden demonstrativ Missbrauchstatbestände aufgezählt.

Dass es sich dabei um eine demonstrative und keine taxative Aufzählung handelt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der beiden Normen(arg: insbesondere) und wird in diese Richtung sowohl vom Obersten Gerichtshof als auch dem Europäischen Gerichtshof interpretiert (EuGH vom 15.03.2007, C-95/04P, Rz 57; 16 Ok 7/12; 16 Ok 9/15g).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind für die Beurteilung der Missbrauchsgeneralklausel und der darin beispielhaft angeführten Missbrauchstatbestände auch die dazu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes heranzuziehen (RIS-Justiz RS0110382).

6.2. Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbes oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbes auf der Grundlage der Leistungen der Marktteilnehmer abweichen (RIS-Justiz RS0063530).

6.3. Auf die subjektive Seite kommt es beim Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung grundsätzlich nicht an (Hoffer, KartG 103; 16 Ok 9/15g).

Dass der Missbrauchstatbestand nicht erst dann erfüllt wird, wenn das marktbeherrschende Unternehmen in Missbrauchsabsicht vorgeht, wird auch vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung C-549/10P - Tomra Systems - betont. Jedoch weist der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit den subjektiven Faktoren darauf hin, dass für die Zwecke der Identifizierung eines etwaigen Missbrauches alle relevanten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen sind. Das Vorliegen einer etwaigen wettbewerbswidrigen Absicht kann einen von zahlreichen tatsächlichen Umständen darstellen, die zu berücksichtigen sind, um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen.

6.4. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes trägt das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt ( EuGH C-202/07P; EuGH C-209/10; RIS-Justiz RS0063530 [T6]).

Damit stehen die marktbeherrschenden Unternehmen auch in Verteidigungssituationen nur die Mittel eines fairen Leistungswettbewerbes zur Verfügung (RIS-Justiz RS0063530).

6.5. Das bedeutet, dass auf der einen Seite das marktbeherrschende Unternehmen zwar grundsätzlich das Recht hat, seine eigenen geschäftlichen Interessen in angemessener Form zu schützen, wenn diese angegriffen werden (Vartian/Schuhmacher, aaO § 5 Rz 20; EuGH C-468/06), auf der anderen Seite dieses Interessenswahrungsrecht des Marktbeherrschers streng zu begrenzen ist mit den Mitteln des fairen Leistungswettbewerbes.

Ob es sich beim Verhalten des Marktbeherrschers noch um eine zulässige Maßnahme zur Wahrung seiner geschäftlichen Interessen handelt, oder ob dabei bereits die Grenzen der wettbewerblichen Fairness durch Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung überschritten wurde, hat durch eine sorgfältige Abwägung sämtlicher Umstände zu erfolgen (EuGH C-95/04P - British Airways).

6.6. Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist damit stets eine sorgfältige Abwägung der einander wiederstreitenden Interessen vorzunehmen (16 Ok 14/04; 16 Ok 1/12; 1 Ob 39/17t; RIS-Justiz RS0063530 [T11]).


 

7. Objektive Eignung zur Beeinträchtigung des Wettbewerbes:

7.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und Europäischen Gerichtshofes ist ein Verhalten des Marktbeherrschers bereits dann als missbräuchlich abzustellen, wenn der Nachweis der potentiellen wettbewerbsschädigenden Wirkung erbracht wurde (EuGH C‑23/14 - Post Danmark A/S; EuGH C-52/09).

Unter das Verbot des § 5 KartG und Art 102 AEUV fallen Unternehmen in beherrschender Stellung, deren Verhalten geeignet ist, eine wettbewerbsschädigende Wirkung auf dem Markt zu entfalten (C‑23/14 - Post Danmark A/S; 16 Ok 11/04; 16 Ok 13/08; 16 Ok 7/12; 4 Ob 231/12t).

Die Missbräuchlichkeit eines Marktverhaltens beruht vor allem auf Folgenerwägungen. Anzulegen ist ein objektiver, an Kriterien der Unverfälschtheit und Wirksamkeit des Wettbewerbes orientierter Maßstab (RIS-Justiz RS0063530).

Mestmäcker/Schweitzer leiten aus dieser Rechtsprechung, dass eine missbräuchliches Verhalten bereits dann zu bejahen ist, wenn dieses objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, ab, dass eine wettbewerbswidrige Verdrängungswirkung noch nicht tatsächlich eingetreten sein muss, sondern es vielmehr genügt, dass eine solche Wirkung im konkreten Fall droht (Europäisches Wettbewerbsrecht3 § 16 Rz 14).

In den Anwendungsbereich des Art 102 AEUV fallen daher auch solche Verhaltensweisen des Marktbeherrschers, die geeignet sind, eine wettbewerbsschädigende Wirkung auf dem Markt zu entfalten (EuGH vom 06.10.2015, C-23/14). Das bedeutet aber im Gegenzug nicht, dass das zum Zwecke der Identifizierungen eines etwaigen Missbrauches einer solchen Stellung den bereits feststellbaren tatsächlichen Auswirkungen des Verhaltens keine Bedeutung zukommt. Vielmehr sind sämtliche relevanten tatsächlichen Umstände, die dieses Verhalten umgeben, zu berücksichtigen, wozu auch die subjektiven Faktoren und die feststellbaren Auswirkungen zählen (EuGH vom 19.04.2012, EuGH C-549/10P - Tomra Systems).

7.2. Dieses objektive Begriffverständnis des Marktmissbrauches führt auch dazu, dass der Oberste Gerichtshof und der Europäische Gerichtshof klarstellten, dass es nicht angezeigt ist, eine Spürbarkeits- und De-minimis-Schwelle festzulegen, um die missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung festzustellen (EuGH C-23/14 - Post Danmark A/S; 16 Ok 9/15g).

7.3. Da bereits potentielle wettbewerbsschädigende Wirkungen (EuGH vom 06.10.2015, C-23/14) für die Erfüllung des Missbrauchstatbestandes ausreichen, ist es nur konsequent, wenn auch nicht der Nachweis eines konkreten ökonomischen Schadens (Consumer Loss) durch das missbräuchliche Verhalten verlangt wird (Vartian/Schuhmacher, aaO § 5 Rz 13 mwN). Das heißt, der Beweis der tatsächlich quantifizierbaren Verschlechterung der Wettbewerbsstellung einzelner Handelspartner muss nicht erbracht werden (EuGH C-95/04P - British Airways).


 

8. Behinderungsmissbrauch:

8.1. In dogmatischer Hinsicht lassen sich zwei verschiedene Missbrauchsvarianten unterscheiden: Die Beeinträchtigung von Wettbewerbschancen und damit die Gefährdung von Wettbewerb (Marktstrukturen) einerseits und die davon zu unterscheidende Übervorteilung von Abnehmern (Lieferanten) andererseits. Dies führt zu den Fallgruppen des Behinderungsmissbrauches und des Ausbeutungsmissbrauches (Vartian/Schuhmacher, aaO Rz 24 mwN).

8.2. Die hier zu beurteilende MSC ist einer Prüfung in Richtung Behinderungsmissbrauch zu unterziehen. Das Vorliegen eines Ausbeutungsmissbrauches kommt schon deswegen nicht in Frage, weil eine Vertragsklausel zu beurteilen ist, die nicht zwischen den beiden hier verfahrensbeteiligten Wettbewerbern abgeschlossen wurde.

8.3. In § 5 Abs 1 Z 1 KartG wird dem marktbeherrschenden Unternehmen verboten, Einkaufs- oder Verkaufspreis oder sonstige Geschäftsbedingungen zu fordern, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamen Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Art 102 lit a AEUV verbietet die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen.

8.4. Die im Anlassfall zu beurteilende MSC erzwingt, wie in der Folge noch im Detail zu zeigen sein wird, mittelbar die Einkaufspreise der Antragstellerin, da in wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Datenlieferanten zumindest im Umfang der vereinbarten Preisreduktion den Ausgleich bei der Antragstellerin finden müssen.

8.5. Aber auch wenn man die Meinung vertritt, dass es sich dabei nicht um ein mittelbares Erzwingen von Einkaufspreisen iSd Art 102 lit a AEUV handelt, beeinflusst die MSC zumindest die Preisgestaltung der Datenlieferverträge der Antragsstellerin, sodass es nunmehr gilt, sämtliche Umstände im gegebenen wirtschaftlichen Umfeld abzuwägen, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob dieses Agieren einen Marktmissbrauch darstellt.


 

9. Beurteilung der MSC unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Marktes und des Marktumfeldes:

9.1. Exklusivitätsrabatte

Die hier in Rede stehende MSC hat Ähnlichkeiten mit Ausschließlichkeits- bzw. Exklusivitätsklauseln.

Obzwar die bisher ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und Europäischen Gerichtshofes jeweils Sachverhalte betrafen, in der der Abnehmer durch diese Klauseln gebunden waren, lässt sich dennoch den dazu ergangenen Entscheidungen entnehmen, welche Inhaltserfordernisse solche Bindungsklauseln aufweisen müssen, um nicht als missbräuchlich qualifiziert zu werden.

Die in diesen Fällen entwickelten Kriterien lassen sich auch auf den Anlassfall aus der Überlegung heraus umlegen, da es hier wie dort um eine preisliche Sanktionierung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit Wettbewerbern geht.

Sehr ähnlich in der Wirkungsweise sind auch Treuerabatte, die ebenfalls marktverdrängende Tendenzen aufweisen können.

Der Europäische Gerichtshof betonte wiederholt, dass die Gewährung eines an die Ausschließlichkeitsbindung oder Treue geknüpften Vorteiles beim Marktbeherrscher auf eine ihn rechtfertigende Leistung beruhen müsse (EuGH C-95/04P Rz 67 - British Airways; EuGH Rs 85/76 Rz 90 - Hoffmann-La Roche; EuGH C-549/10P - Tomra Systems).

Insoweit sind sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und die Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen, und es ist zu prüfen, ob die Rabatte darauf abzielen, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteiles, der nicht auf eine ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahlmöglichkeit hinsichtlich seiner Bezugsquellen zu nehmen oder einzuschränken, den Konkurrenten einen Zugang zum Markt zu versperren oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken (EuGH C-549/10P).

Betrachtet man die verfahrensgegenständliche Klausel, so steht die Vergütungsreduktion um 40 % in keinem Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch. Insbesondere differenziert die Klausel auch nicht danach, in welchem Umfang an einen Dritten Daten geliefert werden, sondern macht die Preisreduktion von dem leistungsfremden Umstand abhängig, dass Daten, in welcher Menge auch immer, einem Dritten geliefert werden.

Es ist zwar richtig, dass in gegebenem Zusammenhang eine besondere Marktsituation besteht, da dasselbe Produkt vom Datenlieferanten zweimal verkauft wird und dadurch der Wert dieser Daten für den Antragsgegnerin sinkt. Ob dieses Reagieren auf den sinkenden Wert der Leistung durch Einsatz der genannten MSC die angemessene Reaktion des Marktbeherrschers ist, oder in der Summe aller Umstände geeignet ist, markteinschränkende Wirkung zu entfalten, ist daher an weiteren Kriterien zu messen.

Feststeht aber, dass der MSC ein Zusammenhang mit dem zwischen der Antragsgegnerin und den Großhändlern erfolgten Leistungsaustausch fehlt. Die Antragsgegnerin erhält nämlich jeweils die gleiche Leistung. Die MSC lässt damit leistungsbezogene Faktoren vermissen.

9.2. Marktdivergenz:

Die Besonderheit im vorliegenden Fall liegt auch darin, dass das von der Antragstellerin beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin auf einem anderen Markt, als dem, den sie beherrscht, gesetzt wird.

Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang schon wiederholt ausgesprochen, dass – der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof folgend – ein kausaler Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem eingesetzten missbräuchlichen Verhalten nicht erforderlich ist, um den Tatbestand des Marktmissbrauches zu erfüllen (16 Ok 3/01; 16 Ok 11/03; RIS-Justiz RS0115793; EuGH C-333/94; 16 Ok 11/04; 16 Ok 43/05; 16 Ok 46/05).

Bei Vorliegen einer sogenannten Marktdivergenz liegt der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung schon dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf den Markt und die Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten (RIS-Justiz RS0119533).

Das bedeutet, dass sich die Antragsgegnerin nicht mit dem Argument exkulpieren kann, dass das von ihr gesetzte Verhalten ja gar nicht auf dem von ihr beherrschten Markt gesetzt wurde, sondern auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt.

Vielmehr ist relevant, ob das von ihr gesetzte Verhalten auf einem vorgelagerten Markt Reflexwirkungen auf den beherrschten Markt in der Form hat, dass eine objektive Eignung der Wettbewerbsbeeinträchtigung bejaht werden muss.

Eine Betrachtung des hier vorliegenden Marktgeschehens ergibt folgendes Bild: Die Antragsgegnerin stand jahrelang den Datenlieferanten alleine für den hier in Rede stehenden Datenankauf als Vetragspartner gegenüber, weshalb ihr eine außerordentlich mächtige Vertragsverhandlungsposition zukam. Damit konnte sie, ohne im Zeitpunkt der Vereinbarung dieser Klausel konkurrierenden Mitbewerbern ausgesetzt zu sein, Klauseln ausverhandeln, die unmittelbare und – wie noch zu zeigen sein wird – relevante Auswirkungen auf die Preisverhandlungsmöglichkeiten des neueintretenden Marktteilnehmers hatte.

9.3. „essential facilities“:

In der Struktur des hier zu beurteilenden Marktes liegt eine vergleichbare Problematik wie in jenen Märkte, in denen ein Marktteilnehmer über Essential Facilities verfügen. Nach der „Essential Facility Doktrin“ kann ein marktbeherrschendes Unternehmen dazu verpflichtet sein, seine Anlagen und Einrichtungen für Wettbewerber zu öffnen, wenn der Mitbewerber ohne Nutzung dieser Anlagen nicht in der Lage wäre, auf dem Markt in Erscheinung zu treten. Die Zugangsverweigerung ist aber nur dann missbräuchlich, wenn dieses Verhalten dazu geeignet ist, jeglichen Wettbewerber auf dem sachlich relevanten Markt auszuschalten, und wenn dies nicht gerechtfertigt ist (RIS-Justiz RS0126128).

In der Rechtssache C-7/97-Bronner hat der Europäische Gerichtshof drei Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Art 102 AEUV, wegen Verweigerung des Zuganges zu wesentlichen Einrichtungen, hervorgehoben: a) Es darf kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für die Errichtung bestehen; b) die Zugangsverweigerung zur Einrichtung muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerber auf dem nachgeordneten Markt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten; c) die Verweigerung darf nicht objektiv gerechtfertigt sein.

Der hier zu beurteilende Fall unterscheidet sich von den essential-facility-Sachverhalten dadurch, dass nicht der Mitbewerber, nämlich die Antragsgegnerin, über die für den Wettbewerber wesentliche Einrichtung verfügt.

Allerdings beeinflusste die Antragsgegnerin durch die MSC den Beschaffungsvorgang der Antragstellerin von für ihre Geschäftstätigkeit wesentlichen und unerlässlichen Vorleistungen auf dem vorgelagerten Markt.

Wie die Feststellungen nämlich ergeben haben, ist die Antragstellerin auf den Erhalt dieser Daten angewiesen, um die Marktanalyse des Sales Tracking für die Pharmafirmen in der von ihren Kunden erwarteten Qualität zu erstellen. Da für die Marktanalysen betreffend den regionalen Absatz verscheibungspflichtige Arzneimittel keine andere Datenbeschaffung mit wirtschaftlich effizienten Mitteln erreichbar ist als über die pharmazeutischen Großhändler, ist diese Erlangung der Vorleistung für die Antragstellerin unerlässlich und unentbehrlich (vgl. EuGH C-418/01 – IMS Health GmbH), sowie für ihre Geschäftstätigkeit essentiell (vgl. EuGH C-170/13).

Da diese Vorleistung für die Antragstellerin anders gar nicht (eine vollständige Abdeckung dieser Daten durch ein vollständiges Apotheken- und Ärztepanel ist nicht möglich) zu erlangen ist, ist die Antragstellerin, um am Wettbewerb teilnehmen zu können, auf diese Vorleistung angewiesen. Damit wiederum ist die Marktbeherrscherin gehalten, den Wettbewerbern einen fairen und vernünftigen Zugang zu diesem Vorleistungsmarkt zu belassen. Dadurch aber, dass die Antragsgegnerin mit rund 80 % der Anbieter am Vorleistungsmarkt eine MSC vereinbarte, die einen 40%igen Abschlag ab dem Zeitpunkt der Lieferung der Vorleistungsprodukte an den Wettbewerber der Marktbeherrscherin vorsieht, nahm sie auf die Festsetzung des Preises, den die Antragstellerin als Mitbewerberin für das Vorleistungsprodukt aufwenden muss, signifikanten Einfluss. Dass diese mit von der Antragsgegnerin gewählte Methode der mittelbaren Preisfestsetzung für die Vorleistungsprodukte bei den vorliegenden Marktverhältnissen unangemessen war, wird sogleich zu zeigen sein.

9.4. Der Abschlag von 40 % vom ursprünglich vereinbarten Preis im Falle der Datenlieferung an einen Dritten, bedeutet nämlich für Antragstellerin und einzige neu eintretende Mitbewerberin auf dem genannten Markt, dass ihr zweierlei Faktoren der Preisgestaltung für das essentielle Vorleistungsprodukt vorgegeben wurden, nämlich einerseits die Berechnungsbasis für die 40 %, andererseits der Prozentsatz, der jedenfalls von diesem Basisbetrag im Falle eines Vertragsabschlusses mit ihr auszugleichen ist.

Dass bei wirtschaftlich kalkulierenden Unternehmen zur 40%igen Ausgleichssumme ein Zuschlag verrechnet wird, davon ging nicht nur die Antragsgegnerin, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt, aus, sondern auch die Antragstellerin. Die im Verfahren bekannt gewordenen Zahlen bestätigen auch diese Aufschlagstendenz: Während die Antragsgegnerin vor dem Markteintritt der Antragstellerin für die Datenbeschaffung EUR xx aufwenden musste, müssen die Parteien in Summe nunmehr EUR xx bezahlen.

Da das Marktvolumen von den Parteien im Bereich von EUR xx (Angabe der Antragsgegnerin) und EUR xx (Annahme der Antragstellerin) eingegrenzt wird, stellt ein beschaffungsseitiger Kostenaufwand in dieser Höhe eine Markteintrittsbarriere dar und für jenen Marktteilnehmer, der den Markteintritt bewerkstelligte, ein Kostenaufwand mit hohem Verdrängungspotenzial dar.

Wie sich aus dem bescheinigten Sachverhalt ergibt, war für die neuen Marktteilnehmerin kein Preisverhandlungsspielraum gegeben, nämlich weder was die Höhe dieser Kosten in der Markteintrittsphase, noch was das Ausverhandeln von anderen Preisgestaltungmodellen betrifft, wie beispielsweise die Begünstigung der mit den pharmazeutischen Großhändlern vereinbarten Gegengeschäfte durch Rabattgewährung, da dies wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen wäre.

Soweit die Antragsgegnerin argumentiert, dass diese Maßnahme notwendig gewesen sei, um ein Trittbrettfahrertum zu verhindern, ist ihr zu entgegnen, dass sie dazu kein konkretes Vorbringen erstattete, aufgrund welcher Anhaltspunkte sie meinte, dass diese Gefahr bestünde. Dass dieses Problem im Geschäftsleben der Antragsgegnerin je aufgetaucht ist, konnte die Antragsgegnerin nicht bescheinigen. Sie brachte keine plausiblen Argumente dafür vor, weshalb die pharmazeutischen Großhändler, die selbst im Wirtschaftsleben auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen sind, Leistungen ihrerseits, die zwar nicht ihr Hauptprodukt, jedoch ein Nebenprodukt darstellen, die Chance einen weiteren Gewinn zu machen, entfallen lassen sollten. Eine solche Annahme widerspräche der wirtschaftlichen Logik. Dass im konkreten Fall besondere Umstände vorlagen, die die berechtigte Befürchtung aufkommen ließen, dass die Großhandelsunternehmer die Daten zu Niedrigstpreisen anbieten würden, wurde nicht bescheinigt. Im Übrigen geht ja offenbar auch die Antragsgegnerin gar nicht davon aus, dass diese Gefahr bestanden hat, da sie selbst in ihrer Äußerung ON 17 behauptet, dass die MSC allen Marktteilnehmern, auch der Antragstellerin, Preisvorteile beim Dateneinkauf verschafft habe. Dies steht jedoch im Widerspruch zu ihrem Vorbringen, dass die Gefahr des Trittbrettfahrertums bestanden habe. Mit ihrem zuletzt genannten Vorbringen behauptet sie, dass ohne MSC die Datenbeschaffung für die Antragstellerin teurer gewesen wäre, sodass sie damit eingesteht, dass bei Weglassen der MSC die pharmazeutischen Großhändler die Daten weder verschenkt, verschleudert oder zu minimalen, für die Antragsgegnerin nicht konkurrenzfähigen Preisen hergegeben hätten. Die von der Antragsgegnerin gewählte Argumentationslinie der Trittbrettfahrergefahr zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise, geht daher ins Leere.

Auch das von der Antragsgegnerin herangezogene Argument, dass die MSC bei Anwendung des „As-Efficient-Competitor-Test“ als zulässig hätte beurteilt werden müssen, ist nicht stichhältig.

Die Antraggegnerin meint in diesem Zusammenhang, dass die MSC gegenüber einem ebenso leistungsfähigen Wettbewerber keine Verdrängungseignung aufweisen würde, da sie ja nur dazu führe, dass die Antragstellerin sogar einen geringeren Aufwand zur Erlangung der Vorleistungen tätigen müsse.

Dem ist zu entgegnen, dass das Anwendung des Kriteriums des „ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers“ nicht in jedem Fall, der nach Art 102 AEUV zu prüfen ist, sachgerecht ist.

So hat der Europäische Gerichtshof im Fall C-23/14 - Post Danmark A/S, ausgesprochen, dass in einem Markt, in dem der Marktbeherrscher über strukturelle Vorteile verfügt, ein Vergleich mit einem ebenso leistungsfähigen Wettbewerber nicht angebracht ist.

Der erkennende Senat kommt zum Ergebnis, dass auch im vorliegenden Fall aufgrund der beschriebenen besonderen Marktstrukturen sich ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber gar nicht entwickeln kann, weshalb der „as efficient competitor test“ im Anlassfall keine tauglichen Abgrenzungskriterien bietet.

9.5. Damit ist zusammenfassend festzuhalten, dass die hier zur beurteilende MSC, die mit 80 % der Marktteilnehmer am beschaffungsseitigen Vorleistungsmarkt für regionale Absatzberichte über verschreibungspflichtige Arzneimittel vereinbart wurde, jedenfalls die objektive Eignung aufweist, den Wettbewerb auf den hier sehr speziell strukturierten relevanten sachlichen und räumlichen Markt dadurch zu beeinträchtigen, dass mit dieser Maßnahme neu eingetretene Wettbewerber mit noch geringem Marktanteil verdrängt werden können.

Nicht unberücksichtigt gelassen werden darf auch, dass die durch MSC auch die Fälligkeit der Kosten für das Beschaffen der Vorleistung mittelbar durch die Antragsgegnerin bestimmt wurde, da die Reduktion unverzüglich ab dem Zeitpunkt der entgeltlichen Datenlieferung an einen Dritten eintritt, und damit dem neu in den Markt Eintretenden auch kein Verhandlungsspielraum über allfällige Stundungen oder Zahlungsaufschübe verblieb.

Das Kartellgericht übersieht nicht, dass die besondere Struktur des hier zu beurteilenden Marktes Eigenheiten aufweist, die sie von herkömmlichen Marktsituationen unterscheidet, nämlich dass das Vorleistungsprodukt für beide Streitteile dasselbe ist, und von Seiten der pharmazeutischen Großhändler dieselbe Leistung zweimal verkauft wird, was dazu führt, dass der erste an diesem Markt tätige Teilnehmer, nämlich die Antragsgegnerin, ein Produkt bezieht, das ab dem Moment des Doppelverkaufes massiv an Wert für sie verliert.

Das bedeutet wiederum, dass eine Anpassung und Veränderung des von der Antragsgegnerin geleisteten Betrages für den Fall des Doppelverkaufes in angemessener Form möglich sein muss, jedoch der hier gewählte Weg durch Abschlag von 40 % der von ihr alleine ausverhandelten Basisberechnungsgröße, der keine Relation zum Leistungsaustausch herstellt, eine gravierende, mit marktschädigendem Potenzial ausgestattete Maßnahme der Marktbeherrscherin ist.

Da das Kartellgericht keine Preisbehörde ist, ist es auch nicht gestattet Überlegungen dahin anzustellen, in welcher Form eine angemessene Preisanpassung stattfinden hätte können, insbesondere ob allenfalls ein Lizenzsystem oder eine Kombination zwischen prozentmäßig geringfügigerem Abschlag in Kombination mit umsatzabhängigen Abschlägen, das dem Leistungswettbewerb entsprechende Modell darstellt.

Da das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens nach der oben in Punkt 7. wiedergegebenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes bereits dann als missbräuchlich anzusehen ist, wenn es die objektive Eignung zur Wettbewerbsbeeinträchtigung aufweist, war es auch nicht erforderlich, konkret zu quantifizieren, wie und in welcher Form sich rechnerisch für die Antragstellerin aus diesem Verhalten Nachteile ergeben haben.

Die Beurteilung, ob ein Verhalten die objektive Eignung hat, den Wettbewerb zu verfälschen und die Wirksamkeit des Wettbewerbes einzuschränken, hat auf Folgenerwägungen zu beruhen (RIS-Justiz RS0063530 [T3]). Diese Folgenerwägungen stellen dann eine Tatfrage dar, wenn sie sich nur auf Basis von sachverständigen Schlussfolgerungen feststellen lassen. Diese Erwägungen sind jedoch dann eine Rechtsfrage, wenn sie sich aus allgemein bekannten Marktmechanismen ableiten lassen.

Dass in einer Fallkonstellation, in der der neu eintretende Marktteilnehmer, der diesen Schritt nur setzte, weil er auf den räumlich benachbarten Märkten in Deutschland und in der Schweiz eine relevante Marktposition einnimmt und Synergieeffekte nutzen konnte, aufgrund der vorgegebenen sehr speziellen und besonderen beschaffungsseitigen Situation bei derart im Verhältnis zu seinem anfänglichen Marktanteil und auch im Verhältnis zum Gesamtmarktvolumen hohen Vorleistungskosten der objektiven Gefahr ausgesetzt ist, vom Markt wieder verdrängt zu werden, ist eine rechtliche Schlussfolgerung, die aus dem dem Wettbewerbsrecht zugrundegelegten Marktbegriff und allgemein bekannten Marktmechanismen abgeleitet wird, sodass es dazu keiner Tatsachenfeststellung bedarf.


 

10. Zu den vorgetragenen Rechtfertigungsgründen der Antragsgegnerin:

10.1. Das Verhalten des Marktbeherrschers mit potentiell wettbewerbswidriger Wirkung ist dann nicht zu untersagen, wenn es dafür eine objektiv wirtschaftliche Rechtfertigung gibt.

Die Beurteilung der objektiven wirtschaftlichen Rechtfertigung erfolgt ebenfalls anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalles.

Es ist zu ermitteln, ob die für den Wettbewerb nachteilige Wirkung durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher zugute kommen.

Steht jedoch die Verdrängungswirkung einer Regelung in keinem Zusammenhang mit Vorteilen für den Markt oder die Verbraucher, oder geht sie über dasjenige hinaus, was zur Erreichung solcher Vorteile erforderlich ist, so ist diese Regelung als missbräuchlich anzusehen (EuGH C-95/04P – British Airways; EuGH C-52/09 - Teliasonera Sverige; EuGH C-23/14 - Post Danmark A/S).

10.1. Die Beweislast für die Rechtfertigungsgründe liegt beim marktbeherrschenden Unternehmen. Ein solches Unternehmen kann nachweisen, dass die durch sein Verhalten ausgelöste Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher zugute kommen (EuGH C-23/14 – Post Danmark A/S). In letzterer Hinsicht hat das Unternehmen in beherrschender Stellung nachzuweisen, dass die durch das betreffende Verhalten möglicherweise eintretenden Effizienzvorteile wahrscheinliche negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Interessen der Verbraucher auf den betroffenen Märkten ausgleichen, und dass diese Effizienzvorteile durch das genannte Verhalten erzielt worden sind oder erzielt werden können, und dass dieses Verhalten für das Erreichen der Effizienzvorteile notwendig ist und einen wirksamen Wettbewerb nicht ausschaltet, indem es alle oder die meisten bestehenden Quellen tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerbs zum Versiegen bringt (C-209/10 – Post Danmark; C-23/14 – Post Danmark).

10.3. Der Antragsgegnerin ist nicht nur der Nachweis solcher eingetretener Effizienzvorteile nicht gelungen, sondern sie unterließ es auch, entsprechende Behauptungen aufzustellen.

Als Rechtfertigungsgründe nennt die Antragsgegnerin (1) das Lösen eines Trittbrettfahrerproblems, (2)den Beitrag, dass es nicht zu einer gesamtwirtschaftlich nachteiligen Variabilisierung der Datenbeschaffungskosten kommt, sowie (3) die Verschaffung von Preisvorteilen für alle Marktteilnehmer, was dazu beitrage, die Preise für die Marktforschungsberichte niedrig zu halten.

Dass der erste und dritte Rechtfertigungsgrund in einem Widerspruch stehen, wurde bereits erörtert. Zum drittgenannten Rechtfertigungsgrund, nämlich dass mit der MSC allen Marktteilnehmern Preisvorteile verschafft worden seien, stellte die Antragsgegnerin den Antrag auf Einvernahme einer noch namhaft zu machenden Person des Unternehmens xxx. Eine Beweisaufnahme zu diesem Thema hatte schon aus dem Grund nicht stattzufinden, weil es sich weder um einen gesetzmäßigen Beweisantrag handelt, da ein solcher eine namentliche Konkretisierung des Zeugen erfordert, noch ein im Provisorialverfahren zu forderndes parates Bescheinigungsmittel darstellt.

Es erübrigte sich aber auch in dem Zusammenhang die Partei zu einem entsprechenden Antrag anzuleiten, da das dazu gestellte Beweisthema unsubstanziiert und unkonkret blieb. Die Einvernahme einer Person zum Thema „Verschaffung von Preisvorteilen“ würde einem Erkundungsbeweis gleichkommen, der (auch) im Außerstreitverfahren jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn eine Partei mit der Erbringung des Beweises belastet ist (vgl RIS-Justiz RS0124141). Dass die Antragsgegnerin die Beweislast für die Rechtfertigungsgründe trifft, wurde bereits erwähnt.

Der zweite behauptete Effizienzeinwand, nämlich dass die MSC dazu beiträgt, dass es nicht zu einer gesamtwirtschaftlich nachteiligen Variabilisierung der Datenbeschaffungskosten kommt, lässt sowohl eine Konkretisierung als auch ein Beweisanbot vermissen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Unabhängig davon, dass es die Antragsgegnerin unterließ konkrete Effizienzvorteile zu behaupten, erscheint eine Rechtfertigung in diese Richtung schon aus der Überlegung aussichtslos, als nach den getroffenen Feststellungen die Klägerin vor Wirksamwerden der MSC „nur“ EUR x x für die Datenlieferung leistete, während nach Eintreten der MSC die beiden Streitteile in Summe um rund xx % mehr, nämlich EUR xx dafür aufwenden mussten. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen ist ein Effizienzvorteil für die Verbraucher, der aus der MSC abgeleitet werden kann, prima vista auszuschließen. Dass dieser aufgrund besonderer Umstände dennoch vorliegt, wurde von der Antragsgegnerin nicht schlüssig behauptet.

10.4. Die Antragsgegnerin erachtete ihr Verhalten offenbar aus der Überlegung her gerechtfertigt, als sie annimmt, dass ohne Vereinbarung einer MSC es zu einer Preisdiskriminierung entgegen § 2 NahVersG zu ihren Lasten kommen würde.

Bei diesen Überlegungen übergeht die Antragsgegnerin jedoch, dass ein allfälliges diskriminierendes Verhalten auf dem vorgelagerten, hier nicht relevanten Markt, stattfinden würde und die Diskrminierung nicht von der Mitbewerberin, nämlich der Antragstellerin, gesetzt werden würde. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Gefahr einer Preisdiskriminierung auf dem vorgelagerten Markt bei Abwägung sämtlicher Umstände, ob ein Verhalten als missbräuchliche Marktbeherrschung qualifiziert werden muss, ins Kalkül zu ziehen ist, jedoch müsste dazu eine Situation vorliegen, dass ohne das Eingreifen des Marktbeherrschers eine Diskriminierung zwischen den Wettbewerbern, bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen, stattfindet. Dass eine Diskriminierung von Seiten der Datenlieferanten trotz Vorliegens gleicher Voraussetzungen voraussichtlich eintreten wird, wurde von der Antragsgegnerin jedenfalls nicht näher substanziiert behauptet. Lediglich der Umstand, dass eine Preisdifferenz vorliegt, ohne Berücksichtigung der sonstigen zu diesem Preis führenden Voraussetzungen, lässt noch keine Rückschlüsse auf eine Verletzung des NahVersG zu.

10.5. Die Antragsgegnerin stellt sich auf den Standpunkt, dass die erst jüngst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.09.2017, C-413/14P - Intel, maßgebliche Klarstellungen zum gesetzlichen Prüfungsmaßstab bei einem preisbezogenen Behinderungsmissbrauch enthalte. Die Antragsgegnerin meint, dass der Entscheidung zu entnehmen sei, dass die Antragstellerin glaubhaft zu machen habe, dass sie durch die MSC in ihren Marktchancen beeinträchtigt worden sei.

Der erkennende Senat kann sich dieser Deutung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes nicht anschließen. Vielmehr wiederholt der Europäische Gerichtshof darin seine ständige Rechtsprechung, dass das Verhalten des Marktbeherrschers, im dortigen Fall durch das Gewähren von Ausschließlichkeitsrabatten, lediglich die Eignung zur Verdrängung aufweisen müsse, um verboten zu sein. Dass dem marktbeherrschenden Unternehmen eine konkret quantifizierbare Verdrängungswirkung nachzuweisen ist, wird in Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht gefordert. In der dortigen Rechtssache lag die Besonderheit lediglich darin, dass das marktbeherrschende Unternehmen konkrete Beweise dafür anbot, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandete Verdrängungswirkung zu erzeugen. Das bedeutet, dass im dortigen Fall – anders als hier – konkrete Beweiseanträge zum Thema der mangelnden Verdrängungseignung gestellt wurden. Damit behauptet der im dortigen Verfahren marktbeherrschende Marktteilnehmer, dass sein Verhalten nicht einmal abstrakt geeignet sei, wettbewerbsschädlich zu sein und stellte dazu Beweisanträge.

Eine Beweisführung in diese Richtung trat im Anlassfall die Antragsgegnerin nicht an, sodass aus dem Inhalt der Entscheidung C-413/14P – Intel für die Antragsgegnerin nichts zu gewinnen ist.


 

11. Zur Problematik des Eingriffes in Verträge Dritter:

In der Entscheidung 16 Ok 13/08 befasst sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Thematik, inwieweit ein Eingreifen des Kartellgerichtes auch dann zulässig ist, wenn das verbotene Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens aufgrund des langfristigen Charakters der mit dem Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens abgeschlossenen Verträge noch andauern. In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass eine effektive Bekämpfung des Missbrauches einer marktbeherrschenden Stellung auch ein Eingreifen in Verträge Dritter erfordern kann, und zwar selbst dann, wenn durch das Eingreifen in Verträge von unbeteiligten Dritten diese einen Nachteil erleiden.

Als unproblematischer wertete der Oberste Gerichtshof Fallkonstellationen, in denen die Entscheidung des Kartellgerichtes die Vertragspartner des Marktbeherrschers begünstigt (16 Ok 13/08).

Diese Rechtsprechung auf den Anlassfall umgelegt führt zum Ergebnis, dass der durch die Abstellung bewirkte Eingriff in die Verträge Dritter (Großhandelsunternehmen) aufgrund der unter Punkt 9. dargestellten Wettbewerbsbeeinträchtigungsgeneigtheit der MSC zulässig ist, dies umsomehr, als die am Verfahren unbeteiligten Dritten in ihrer Vertragsposition jedenfalls keine Verschlechterung erfahren.

Da im Anlassfall die MSC bei jeder Abrechnung fortwirkt und die objektive Eignung der wettbewerbsverzerrenden und verdrängenden Wirkung nach umfassender Berücksichtigung der hier wesentlichen Umstände zu bejahen ist, ist für die effiziente Wiederherstellung des Wettbewerbes ein Eingriff in die Verträge mit den pharmazeutischen Großhändlern insofern erforderlich, als eine Abstellung der konkret verwendeten MSC zu beschließen ist.


 

12. Unterlassungsgebot:

Das kartellgerichtliche Abstellungsverfahren hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde (16 Ok 11/04).

Ebenso wie im Lauterkeitsrecht ist auch im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebotes angebracht. Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (16 Ok 11/04; 16 Ok 13/08).

Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen, ist es auch ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante, sei sie auch noch so geringfügig, eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch des Abstellungsauftrages aufzunehmen und ihn damit umgehungsfest zu fassen (16 Ok 11/04: 16 Ok 13/08). Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat.

Wollte man dem Antrag der Antragstellerin folgend Maßnahmen mit gleicher Wirkung zum Gegenstand des Abstellungsauftrages machen, wäre dieser so unbestimmt gefasst, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor der Exekutionsgericht oder in das Verfahren über das Bußgeld verlagert würde, was zu einer großen Rechtsunsicherheit des betroffenen Marktbeherrschers führen würde (vgl. RIS-Justiz RS0000878 [T7, T10]; 16 Ok 11/04; 16 Ok 13/08).

Darüberhinaus ist der Antrag auf Abstellung der Verwendung jeglicher MSC, die eine Vertragsentgeltsreduktion vorsieht, zu weit gefasst, da damit auch MSC verboten wären, die angemessene Abschläge vorsehen.

Der Abstellungsantrag entspricht nicht den Anforderungen eines präzisen, am konkreten Missbrauchsvorwurf formulierten Abstellungsbegehren.

Da die von der Antragstellerin gewählte Formulierung der Abstellung zu weit, und die im Antrag genannten „Maßnahmen mit gleicher Wirkung“ zu unbestimmt gefasst ist, war der Antrag zu präzisieren und das Mehrbegehren abzuweisen.


 


Ausdruck vom: 14.10.2024 22:29:47 MESZ