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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 8/15


Bekannt gemacht am:

16.11.2015

Entscheidungsdatum:

08.07.2015


Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen der Wiederkaufspreise mit verschiedenen österreichischen Händlern, die den Zweck verfolgten, ein stabiles und lineares Wiederkaufspreisniveau zu erreichen, sowie wegen Absprachen mit österreichischen Händlern über Gebietsbeschränkungen im Sinne eines Exportsverbots nach Deutschland, die von Jänner 2010 bis Mai 2014 andauerten und den Produktbereich portabler Navigationsgeräte der Marke „Falk“ und „Becker“ betrafen, eine Geldbuße von EUR 100.000,-- verhängt.

 

B e g r ü n d u n g :

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG in der Höhe von EUR 100.000,-- und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin einerseits und verschiedene Händler andererseits über den Zeitraum Jänner 2010 bis Mai 2014 vertikale Preisabstimmungsmaßnahmen über Wiederkaufspreise durchgeführt hätten. Die vertikalen Preisabstimmungen seien zwischen den Händlern durch die Antragsgegnerin koordiniert worden, wodurch diese durch horizontale Elemente ergänzt worden seien. In zahlreichen Fällen seien die Key-Account-Manager der Antragsgegnerin nicht aus Eigeninitiative aktiv geworden, sondern von Händlern zum Einschreiten aufgefordert worden, die sich durch die Preispolitik konkurrierender Händler bedroht gefühlt haben. Von den Preisabstimmungsmaßnahmen seien der Produktbereich portabler Navigationsgeräte in den Vertriebskanälen Online-Verkauf und stationärer Handel betroffen gewesen, wobei der überwiegende Teil der Fälle, in denen Einfluss auf Wiederverkaufspreise genommen worden sei, sich auf den Bereich Online-Verkäufe bezogen habe. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin den Vertrieb seiner Produkte von Österreich nach Deutschland untersagt, was eine Absprache über eine Gebietsbeschränkung darstelle.

Die BWB brachte in der mündlichen Verhandlung am 8.7.2015 ergänzend vor, dass mit dem gegenständlichen Antrag nur Preisabstimmungsmaßnahmen und Absprachen über Gebietsbeschränkungen mit österreichischen Händlern verfolgt werden.

Das Verhalten der Antragsgegnerin sei als Zuwiderhandeln gegen Artikel 101 AEUV und § 1 KartG zu werten. Ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 101 Abs 3 AEUV liege nicht vor.

 

Zur Ausmittlung der beantragten Geldbuße sei als Berechnungsbasis der mit den betroffenen Produkten erzielte Gesamtumsatz von EUR xxx herangezogen worden. Aufgrund der Art der Zuwiderhandlung (Vereinbarung von Wiederverkaufspreisen), der Marktstellung der Antragsgegnerin, des Umfangs des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Markts (Österreich) und der teilweise tatsächlich erfolgten Umsetzung der Preispflegemaßnahmen sei für die Schwere der Zuwiderhandlung ein Betrag in der Höhe von x% des betroffenen Umsatzes heranzuziehen, der im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung mit 4 multipliziert werde. Ein Nachlass von 30% für die Kooperation bei der Aufklärung des Sachverhalts sowie von 20% für die Reduktion des Verfahrensaufwandes durch die einvernehmliche Verfahrenssbeendigung sei davon in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung der xxxxxxxx der Antragsgegnerin werde die Geldbuße auf EUR 100.000,-- reduziert.

 

Folgender Sachverhalt steht außer Streit:

Die Antragsgegnerin handelt mit portablen Navigationsgeräten, die sie an Händler verkauft. Die Vertriebsmitarbeiter der Antragsgegnerin sahen ein großes Risiko in den sinkenden Verkaufspreisen, wobei ihre Hauptsorge die niedrigen Internetpreise waren. Die Vertriebsmitarbeiter der Antragsgegnerin tauschten wiederholt Ideen und Strategien aus, wie man zukünftig die gewünschten Wiederverkaufspreise unter den Händlern sicherstellen könnte. In zahlreichen Fällen machten sich die Vertriebsmitarbeiter gegenseitig auf niedrige Wiederverkaufspreise ihrer jeweiligen Kunden aufmerksam und forderten sich gegenseitig auf, die jeweiligen Kunden „einzufangen“. Die Key-Account-Manager der Antragsgegnerin überwachten die Online-Wiederverkaufspreise. Wenn die Produkte zu besonders niedrigen Wiederverkaufspreisen angeboten wurden, nahmen die Key-Account-Manager dies zum Anlass, mit den Händlern Kontakt aufzunehmen und auf diese einzuwirken, um die Verkaufspreise anzuheben. In zahlreichen Fällen wurden die Key-Account-Manager nicht aus Eigeninitiative aktiv, sondern vom Händler zum Einschreiten aufgefordert. Diese fühlten sich durch die vermeintlich „aggressive“ Preispolitik konkurrierender Online-Händler bedroht. Sobald Key-Account-Manager Kenntnis davon erlangten, dass das intendierte Wiederverkaufspreisniveau unterboten wurde, kontaktierten sie die jeweiligen Händler oder Distributoren, um sie aufzufordern, die Wiederverkaufspreise anzuheben. Die Praktiken waren nicht immer eindimensional. Häufig lösten niedrige Preise eine Kettenreaktion aus, bei der sich Händler übereinander bei der Antragsgegnerin beschwerten und versuchten, die derzeit im Internet bestehenden Preisniveaus an verschiedenen Enden anzupassen. Wurden sie dann etwa aufgrund einer Beschwerde eines konkurrierenden Händlers von der Antragsgegnerin kontaktiert, so machten Händler häufig deutlich, dass sie ihrerseits wiederum von der Antragsgegnerin erwarteten, dass auch auf die Wiederverkaufspreise der jeweils konkurrierenden Händler eingewirkt werde. In zahlreichen Fällen stimmten die Händler der Anhebung ihrer eigenen Wiederverkaufspreise nur unter der Bedingung zu, dass die Antragsgegnerin sich auch um die Wiederverkaufspreise der konkurrierenden Händler kümmere. Von diesen Preisabstimmungen waren die Vertriebskanäle der Online-Verkäufe und des stationären Handels betroffen. Einige Male hat die Antragsgegnerin den Vertrieb ihrer Produkte von Österreich nach Deutschland den österreichischen Händlern untersagt.

 

Die Antragsgegnerin gab am 15.1.2015 folgende Erklärung ab:

„[…]

 

Anerkenntnis

 

[…]

 

Im Zuge des Vertriebs von portablen Navigationsgeräten hat es von zumindest 2010 bis längstens den Beginn der Hausdurchsuchung bei United Navigation am 13.5.2014 neben den üblichen Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Beeinflussungen über Wiederverkaufspreise in Internet-Verkaufsportalen zwischen der United Navigation und einzelnen Händlern […] gegeben. United Navigation hat sowohl schriftlich als auch mündlich die betroffenen Händler kontaktiert, um die möglichst lineare Umsetzung eines stabilen Wiederverkaufspreisniveaus im Online-Handel zu erreichen. Soweit United Navigation bekannt ist, wurden diese Absprachen von den betroffenen Händlern in einigen Fällen auch umgesetzt.

 

[…]“

Der Umsatz der Antragsgegnerin betrug im Jahr 2014 EUR xx Millionen.


 

Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß Artikel 3 VO (EG) Nr. 1/2003 haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, Artikel 101 AEUV parallel zum nationalen Wettbewerbsrecht anzuwenden.

Gemäß Artikel 101 Abs 1 AEUV sind alle Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, welche geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten.

Als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen werden diejenigen Formen der Abstimmungen und Absprachen zwischen Unternehmen qualifiziert, die aufgrund ihrer Wirkungsweise als typischerweise schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs gelten, sodass eine Prüfung oder der Nachweis ihrer konkreten Auswirkungen unterbleiben kann (EuGH 14.3.2013, Rs C-32/11; ebenso EuGH vom 11.9.2014, Rs C-67/13 Groupement des cartes bancaires/Kommission; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht3 § 11 Rz 35).

Preisabstimmungen stellen eine Abrede dar, bei der grundsätzlich eine negative Auswirkung auf den Wettbewerb anzunehmen ist, wobei diese Wirkung sowohl den horizontalen als auch den vertikalen Preisabsprachen zu unterstellen ist. Vertikale Mindest- und Festpreisbindungen werden von der Rechtssprechung als Wettbewerbsbeschränkungen beurteilt, die schon ihrem Wesen nach eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken. Das Verbot stellt die Erfahrung in Rechnung, dass Unternehmen in der Lage sind, die von ihnen bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen auch zu verwirklichen. Das Verbot bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen kann deshalb als ein Gefährdungstatbestand bezeichnet werden (Mestmäcker/Schweitzer, aaO).

Auch in Artikel 4 der VertGVO wird klargestellt, dass die Freistellung nach Artikel 2 nicht für vertikale Vereinbarungen gilt, die unmittelbar oder mittelbar für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der Vertragsparteien die Beschränkung der Möglichkeit des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, bezwecken.

Im Anlassfall wurden die vertikalen Preisabstimmungsmaßnahmen zwischen der Antragsgegenerin und Händlern dadurch verstärkt, dass diese von der Antragsgegnerin auf horizontaler Händlerebene koordiniert wurden, sodass ein bezwecktes, verschiedene Richtungen berührendes Hardcore-Kartell vorliegt.

 

Auch Gebietsbeschränkungen stellen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen dar, die ihrer Natur nach geeignet sind, schädliche Wirkungen auf das Funktionieren des Wettbewerbs zu entfalten. Dass es sich dabei um einen Kernverstoß handelt, ergibt sich ua auch aus der VertGVO. In Art 4 lit b der VertGVO wird normiert, dass die Freistellung nach Art 2 citleg nicht für vertikale Vereinbarungen gilt, die unmittelbar oder mittelbar für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter der Kontrolle der Vertragsparteien die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an die Vereinbarung beteiligter Abnehmer vorbehaltlich einer etwaigen Beschränkung im Bezug auf den Ort seiner Niederlassung Vertragswaren oder –dienstleistungen verkaufen darf.

Die Gebietsbeschränkung im Sinne eines Exportverbotes nach Deutschland stellt daher ebenfalls eine verbotene bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art 101 AEUV dar.

 

Rechtfertigungsgründe für die Verstöße liegen nicht vor und wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

 

Die Bemessung der verhängten Geldbuße beruht auf der von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Berechnung durch die Antragstellerin.

 

Gemäß § 36 Abs 3 KartG darf das Kartellgericht über die beantragte Geldbuße nicht hinausgehen. Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe im Sinne des § 30 Abs 3 KartG angemessen berücksichtigt. Erschwerungsgründe sind ebensowenig ersichtlich wie weitere Milderungsgründe. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“



Ausdruck vom: 19.04.2024 06:32:11 MESZ