zur Navigation
Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 3/19i


Bekannt gemacht am:

26.08.2019

Entscheidungsdatum:

14.05.2019


Die im Beschluss vom 24.2.2015 zu 26 Kt 72, 73/14 erteilten Auflagen werden betreffend die in Punkt 3.13. der Auflagen vorgesehene Verlängerungsoption wie folgt eingeschränkt:

Verlängerung der Auflagen bei gleichbleibenden Marktbedingungen

Brau Union und VKB verpflichten sich, den in den Punkten 3.1. (jedoch unter Entfall des Wortes „selbständig“), 3.2. lit a), 3.2. lit b), 3.3. und 3.11. lit a) angeführten Zeitraum von fünf Jahren unter den folgenden Voraussetzungen um weitere drei Jahre zu verlängern:

a) Das Gesamtmarktvolumen des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) hat sich im vierten Jahr ab Stichtag des Beteiligungserwerbs gegenüber dem Gesamtmarktvolumen des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) im Jahr des Beteiligungserwerbs um nicht mehr als 10 % verringert. Konkret ist bei Durchführung des Zusammenschlussvorhabens im Jahr 2015 die Veränderung des Gesamtmarktvolumens (exklusive Importe) im Jahr 2019 als Vergleichszeitraum maßgeblich.

b) Für die Beurteilung des Gesamtmarktvolumens des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) ist ausschließlich auf die vom Verband der Brauereien Österreichs oder einer Nachfolgeorganisation veröffentlichen Zahlen abzustellen."

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerinnen meldeten mit Zusammenschluss­anmeldung vom 14.11.2014 bei der Bundeswettbewerbsbehörde den beabsichtigten vollständigen Erwerb der Zweitantragstellerin durch die Erstantragstellerin an (wobei die Zweitantragstellerin zu dem Zeitpunkt bereits zu 50% von der Erstantragstellerin gehalten wurde).

Mit Beschluss vom 24.2.2015 zu 26 Kt 72, 73/14 wurde dieser Zusammen­schluss unter der Voraussetzung der Erfüllung nachstehender Auflagen nicht untersagt:

3. Auflagen

    Fortführung von VKB als selbständiges Unternehmen (Bestandsgarantie)

    1. Brau Union1 und VKB1 verpflichten sich, im Sinne dieser Auflagen das Brauereigeschäft der VKB in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs im bestehenden Umfang selbständig fortzuführen.

    2. Brau Union wird ihre Einflussmöglichkeiten im Aufsichtsrat sowie in der Hauptversammlung auf die Betriebsführung der VKB dahingehend ausüben, dass für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs

      1. am Standort der VKB in Villach ein Braubetrieb im zumindest derzeit bestehenden Umfang (Bierabsatz in Österreich rd xxx hl / Jahr) aufrechterhalten bleibt². Davon unberührt ist das Recht von Brau Union, ihre Stimmrechte und Einflussmöglichkeiten dahingehend auszuüben, dass die Abfüllung des in Villach hergestellten Bieres im Interesse einer Kostenoptimierung an anderen Standorten des Brau Union-Konzerns durchgeführt wird;

      2. die notwendigen Investitionen in den Braubetrieben durchgeführt werden. Konkret werden folgende Investitionen in einem Gesamtumfang von rd EUR xxx umgesetzt: Erneuerung des Drucktankkellers sowie der Flaschen- und Fassabfüllanlagen inklusive Renovierung bzw teilweise Neuerrichtung der hierzu nötigen Gebäude³; und

      3. der Verkauf der Produkte von VKB sowohl im LEH als auch im HORECABereich über eine eigene – von Brau Union unabhängige – Verkaufsmannschaft erfolgt4.

    3. VKB verpflichtet sich, am Standort in Villach einen Braubetrieb im zumindest derzeit bestehenden Umfang (Bierabsatz in Österreich rd xxx hl / Jahr) für eine Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs zu erhalten. Nach der Überzeugung des Vorstands von VKB fördert die Integration von VKB in die Brau Union Gruppe einen über diesen Zeitraum hinausgehenden Fortbestand des Braubetriebs in Villach.

    4. Darüber hinaus verpflichtet sich VKB für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs folgende Tätigkeiten (ohne Einflussnahme durch Brau Union) selbst zu besorgen oder durch einen Dritten besorgen zu lassen: (i) Verkauf, (ii) Buchhaltung und Controlling, (iii) Personalverwaltung, (iv) IT Administration. Eine Wahrnehmung dieser Tätigkeiten durch oder in Abstimmung mit Brau Union ist für die Dauer dieser Auflagen untersagt (diese Verpflichtung geht somit über das hinaus, was derzeit als Ausfluss der gemeinsamen Kontrolle von Brau Union über VKB zulässig wäre).

    Getrennter Marktauftritt von Brau Union und VKB am „Point of Sale“

    1. Im Sinne der Verpflichtung zu einem österreichweiten selbständigen Verkauf von VKB iSd Punkt 3.2 lit (c) und Punkt 3.4 lit (i) wird VKB die derzeit bestehenden Verkaufsstrukturen, insbesondere in der Region Kärnten und Osttirol, für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs fortführen.

    2. Zu diesem Zweck werden Brau Union und VKB für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs in der Region Kärnten und Osttirol jeweils eine eigene – ihrem regionalen Marktanteil und den Geschäftsusancen in der Bierbranche entsprechende – Verkaufsmannschaft beibehalten, um eine selbständige effiziente Marktbearbeitung in Kärnten und Osttirol sicherzustellen (als Indikation dafür können folgende Parameter herangezogen werden: xxxx

    3. Der Verkaufsschwerpunkt von Brau Union und VKB wird bei ihren jeweiligen Stammmarken liegen. Brau Union bleibt es jedoch unbenommen, Produkte von VKB als Handelsware in ihr Sortiment aufzunehmen. Auch VKB steht es frei (zusätzlich zu ihrem bisherigen Brau Union-Sortiment), weitere Produkte von Brau Union selbständig zu vertreiben. Die Verkaufspreise für die jeweils vom Anderen bezogenen Handelswaren sind unabhängig voneinander festzulegen.

      Zusammenlegung von Logistik / Lagerhaltung und Einkauf

    4. Es bleibt Brau Union unbenommen, im Interesse einer Kostenoptimierung die Lagerhaltung und Logistik für die Produkte von VKB nach Durchführung des Zusammenschlusses in die Organisation der Brau Union zu integrieren und zu diesem Zweck die für Logistik zuständigen Mitarbeiter von VKB (Lager, Fuhrpark, Innendienst) zu übernehmen.

    5. Um trotz Zusammenlegung von Logistik und Lagerhaltung eine von Brau Union unabhängige VKB-Verkaufsmannschaft iSd Punkt 3.2 lit (c) und Punkt 3.4 lit (i) zu gewährleiten, verpflichten sich Brau Union und VKB für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs zu folgenden Maßnahmen:

      1. Brau Union wird dafür Sorge tragen, dass die für Logistik und Lagerhaltung zuständigen Mitarbeiter erklären, sämtliche aufgrund dieser Funktion erworbenen wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen (i.e. Kundennamen, Verkaufsmengen, Verkaufspreise) vertraulich zu behandeln; dazu werden die betroffenen Mitarbeiter nach entsprechender Belehrung die als Anlage A angeschlossene Vertraulichkeitserklärung unterfertigen.

      2. Brau Union und VKB werden dafür Sorge tragen, dass die an Rechnungskunden auszustellenden Lieferscheine von Brau Union und VKB lediglich die verkaufte Menge sowie die Gesamtsumme ausweisen.

      3. Brau Union und VKB werden dafür Sorge tragen, dass der Gegenstand dieser Auflagen – neben der Unternehmensführung – auch den Verkaufsmitarbeitern beider Unternehmen zur Kenntnis gebracht wird, insbesondere die Verpflichtungen über den (weiterhin) getrennten Verkauf iSd Punkt 3.2 lit (c) und Punkt 3.4 lit (i) dieser Auflagen.

    6. Ein gemeinsamer Einkauf insbesondere von Rohstoffen und Werbekontingenten bleibt Brau Union und VKB im Interesse einer Kostenoptimierung bei VKB zur Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unbenommen.

    Berichtspflichten

    1. Brau Union und VKB verpflichten sich für die Dauer von zumindest fünf Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs der Bundeswettbewerbsbehörde jeweils bis zum 31. März (beginnend ab 2016) für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr folgende Informationen zu übermitteln:

      1. Jahresmenge des von VKB am Standort Villach produzierten Bieres (in hl / Jahr);

      2. Anzahl der Verkaufsleiter und Außendienstmitarbeiter von Brau Union und VKB für die Bereiche HORECA und LEH in der Region Kärnten / Osttirol;

      3. Anzahl der Innendienstmitarbeiter von Brau Union und VKB im Telefonverkauf für die Bereiche HORECA und LEH in der Region Kärnten / Osttirol.

    Akquisitionssperre

    1. Brau Union verpflichten sich für die Dauer von acht Jahren ab Stichtag des gegenständlichen Beteiligungserwerbs, weder direkt noch indirekt eine Braustätte (i.e. Brauerei und Gasthausbrauerei) oder einen Getränkegroßhandel mit Sitz im Bundesland Kärnten oder im Bezirk Lienz (Osttirol) zu erwerben.

    Verlängerung der Auflagen bei gleichbleibenden Marktbedingungen

    1. Brau Union und VKB verpflichten sich, den in Punkt 3.1 bis 3.6, 3.9 und 3.11 angeführten Zeitraum von fünf Jahren unter den folgenden Voraussetzungen um weitere drei Jahre zu verlängern:

      1. Das Gesamtmarktvolumen des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) hat sich im vierten Jahr ab Stichtag des Beteiligungserwerbs gegenüber dem Gesamtmarktvolumen des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) im Jahr des Beteiligungserwerbs um nicht mehr als 10% verringert. Konkret ist bei Durchführung des Zusammenschlussvorhabens im Jahr 2015 die Veränderung des Gesamtmarktvolumens (exklusive Importe) im Jahr 2019 als Vergleichszeitraum maßgeblich.

      2. Für die Beurteilung des Gesamtmarktvolumens des österreichischen Biermarktes (exklusive Importe) ist ausschließlich auf die vom Verband der Brauereien Österreichs6 oder einer Nachfolgeorganisation veröffentlichten Zahlen abzustellen.

    FN 1 Für die Zwecke dieser Auflagen wird Brau Union AG und Brau Union Österreich Aktiengesellschaft zusammen als "Brau Union" bezeichnet; Vereinigte Kärntner Brauereien AG wird als "VKB" bezeichnet.

    FN 2 Gemäß § 16 Z 1 der Satzung von VKB verlangt die Stilllegung von Unternehmen und Betrieben die Genehmigung des Aufsichtsrates.

    FN 3 Gemäß § 16 Z 4 der Satzung von VKB erfordern Investitionen, die im Einzelnen oder insgesamt bestimmte Anschaffungskosten übersteigen, eine Genehmigung des Aufsichtsrates.

    FN 4 Gemäß § 16 Z 7 und 8 der Satzung der VKB verlangt die Aufnahme und Aufgabe von Geschäftszweigen sowie die Festlegung der allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik einer Genehmigung des Aufsichtsrates.

    FN 5 Brau Union AG betreibt das Brauereigeschäft über ihre (direkte und indirekte) Beteiligung an der Brau Union Österreich Aktiengesellschaft ("Brau Union Österreich"). Die Verkaufsmannschaft ist daher organisatorisch bei Brau Union Österreich angesiedelt; Brau Union selbst verfügt als bloße Holdinggesellschaft über kein eigenes Verkaufsteam.

    FN 6 Der Verband der Brauereien Österreichs ist eine Interessenvertretung der österreichischen Brauwirtschaft, in der gewählte Funktionäre und Mitarbeiter der Wirtschaftskammer Österreich im Dienste der Brauwirtschaft zusammenwirken (vgl www.bierserver.at).

Die Antragstellerinnen beantragen nunmehr, diese Auflagen wie aus dem Spruch ersichtlich einzuschränken.

Dazu wurde vorgebracht, vorrangiges Ziel der Auflagen sei die Fortführung des Brauereistandortes in Villach unter Beibehaltung der Marken „Villacher“, „Schleppe“ und „Piestinger“ gewesen. Daher sei in den Auflagen (Punkt 3.3.) der Erhalt des Braubetriebs im bestanden habenden Umfang für zumindest fünf Jahre vorgesehen. Weiters sei eine Akquisitionssperre für die Dauer von acht Jahren vorgesehen. Aufgrund von Dritten geäußerter Bedenken hätten die Auflagen sicherstellen sollen, dass das Brauereigeschäft der Zweitantragstellerin für einen Zeitraum von fünf Jahren als unabhängiges Unternehmen weitergeführt werde; diese solle in der Zeit als unabhängiger Marktteilnehmer am Verkaufsmarkt agieren.

Dementsprechend sei die Abwicklung des Verkaufs der Zweitantragstellerin über eine eigene, von der Erstantragstellerin unabhängige Verkaufsmannschaft auferlegt worden; daneben auch die Besorgung der Buchhaltung, des Controllings, der Personalverwaltung und IT-Administration. Im Hinblick auf die wirtschaftliche kritische Gesamtsituation, in der sich die Zweitantragstellerin damals befunden habe, hätten die Antragstellerinnen zwecks Erreichung einer raschen Einigung den Auflagen zugestimmt; obwohl diese letztlich sogar über jene Rechte hinausgegangen seien, die der Erstantragstellerin als mitkontrollierende Gesellschafterin der Zweitantragstellerin bereits vor dem Zusammenschluss zugestanden seien.

Der getrennte Marktauftritt der Antragstellerinnen habe sich nachteilig auf die Marktposition der Zweitantragstellerin ausgewirkt: Anstelle der intendierten Stärkung des regionalen Markenwettbewerbs habe die Zweitantragstellerin kontinuierlich Kunden an die Erstantragstellerin und an andere Brauereien verloren, sodass ihr Fortbestand als marktfähiger Wettbewerber bei Verlängerung des getrennten Marktauftritts um weitere drei Jahre nicht mehr gesichert erscheine. Die in den Auflagen vorgesehene Verlängerung um drei Jahre – sofern sich die Marktbedingungen nicht maßgeblich änderten – sei daher Gegenstand des Abänderungsantrags.

Vorwegzuschicken sei, dass sich das Gesamtmarktvolumen am österreichischen Biermarkt seit Inkrafttreten der Auflagen nicht – wie in Punkt 3.13. der Auflagen für ein Absehen von der Verlängerungsoption gefordert - um mehr als 10% verringert habe (sodass die Verlängerungsoption wohl zum Tragen kommen werde). Jedoch sei es zu einer Änderung der maßgeblichen Umstände gekommen, weshalb eine Anpassung der Auflagen gemäß § 12 Abs 3 KartG sinnvoll und notwendig sei.

Nach einer Marktanalyse der Erstantragstellerin xxx

Im Ergebnis halte sich somit das Wettbewerbsverhältnis der Erstantragstellerin und der übrigen Marktteilnehmer im Wesentlichen die Waage, während es zwischen den Antragstellerinnen zu spürbaren Marktanteilsverschiebungen zu Lasten der Zweitantragstellerin gekommen sei. Deren Marktanteile hätten sich zwischen 2014 bis 2018 in der Region Kärnten und Osttirol sowohl im Horeca-Bereich als auch im LEH rückläufig entwickelt, was Ausfluss der mangelnden Marktakzeptanz des getrennten Vertriebs und der dadurch bedingten Schwächung in der Marktwahrnehmung sei.

Die in den Auflagen vorgesehenen (beträchtlichen) Investitionen in den Braubetrieb der Zweitantragstellerin seien (seit 2017) abgeschlossen (und die Auflagen sogar mehr als erfüllt worden). Die Brauerei sei in einem technisch einwandfreien Zustand, der Standort habe eine große Wertigkeit. Trotz ernsthafter Bestrebungen der Erstantragstellerin, den Brauereistandort in Villach langfristig zu erhalten, habe sich das Brauereigeschäft der Zweitantragstellerin während der Dauer der Auflagen bisher negativ entwickelt. Werde die Verpflichtung zum getrennten Marktauftritt um weitere drei Jahre verlängert, sei danach der Fortbestand der Zweitantragstellerin nicht gesichert. Dies erstens deswegen, weil die Verkaufsmannschaft der Zweitantragstellerin im Wesentlichen auf Kärnten beschränkt sei und außerhalb Kärntens keine ausreichend große Vertriebsmannschaft bestehe, um die Produkte die Zweitantragstellerin hinreichend zu vermarkten. Um deren Produkte österreichweit voranzutreiben und damit für die in den Auflagen gewünschte Markenvielfalt zu sorgen, sei ein gemeinsamer Marktauftritt der Antragstellerinnen und eine Vollintegration erforderlich. Für die Marken der Zweitantragstellerin würden sich dann, da sie von den Verkäufern der Erstantragstellerin aktiv und nicht als Fremdmarken vertrieben würden, in beiden Vertriebsschienen (LEH und HORECA) neue Erschließungspotenziale und bessere Marktchancen ergeben. Zweitens sei die Verwaltung der Zweitantragstellerin aufgrund des auferlegten Selbständigkeitspostulats betreffend Verkauf, Buchhaltung und Controlling, Personalverwaltung und IT-Administration (unnötig) kompliziert und kostspielig. Durch die Zusammenlegung der Logistik bei getrenntem Verkauf würden sich Komplikationen und Probleme in der Abwicklung ergeben, auch für die Kunden, die de facto mittels eines LKW der Brau-Union beliefert würden, dabei jedoch einen Lieferschein ohne Preise und danach eine separate Abrechnung der Zweitantragstellerin erhalten würden. Insofern sei ein eigenes System aufrecht erhalten worden, das hohe Kosten verursache und schwer umzusetzen sei, dennoch hätten die Kunden den separaten Auftritt nicht geglaubt. Auch innerhalb des Mutterkonzerns Heineken habe diese Situation – etwa wegen der mangelnden Kompatibilität der (SAP-)Systeme – zu gewissen Schwierigkeiten geführt. Es würden erhebliche Synergiepotentiale verschenkt. Die Zweitantragstellerin dürfe nicht auf die personellen und sonstigen Ressourcen der Erstantragstellerin zurückgreifen. Drittens bestehe eine Verunsicherung am Markt über den langfristigen Fortbestand des Brauereigeschäfts der Zweitantragstellerin. Infolgedessen seien einerseits Kunden bei Vertragsverlängerungen mit der Zweitantragstellerin zögerlich und bestehe andererseits die Gefahr, dass sich Schlüsselarbeitskräfte, insbesondere Außendienstmitarbeiter, aufgrund der unsicheren Prognose von der Zweitantragstellerin abwenden, was die Marktposition weiter schwäche. Durch die Zusammenlegung der Verkaufsmannschaften der Antragstellerinnen könnte diesen Unsicherheiten Einhalt geboten werden.

Insgesamt habe sich der getrennte Marktauftritt der Antragstellerinnen mangels Marktakzeptanz nicht bewährt und folglich nicht den gewünschten Innenwettbewerb herbeigeführt; er sei vielmehr unter Berücksichtigung der vorherrschenden Marktumstände für die Sicherstellung der durch die Auflagen angestrebten Ziele kontraproduktiv. Durch die Verlängerung der Bestandsgarantie der Zweitantragstellerin im derzeitigen Ausmaß sowie die ohnedies für acht Jahre vereinbarte Akquisitionssperre sei die Zielerreichung hinreichend gewährleistet.

Mit einem Personalabbau sei infolge der begehrten Auflageneinschränkung nicht zu rechnen, zumal Verkaufspersonal benötigt werde. Das Personal der Zweitantragstellerin werde wohl in jenes der Erstantragstellerin eingegliedert werden.

Zusammengefasst wurde daher die Abänderung der erteilten Auflagen dahin beantragt, dass - unter den bisherigen, in 3.13. lit a) und b) festgelegten Voraussetzungen - eine Verlängerung der Frist, für die die Auflagen gelten sollen, von fünf auf acht Jahre (nur) für folgende Auflagen stattfinden solle:

- Punkt 3.1.: Fortführung des Brauereigeschäfts der Zweitantragstellerin in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft im bestehenden Umfang – jedoch nicht mehr die „selbständige“ Fortführung;

- Punkt 3.2.a): Ausübung der Einflussmöglichkeiten der Erstantragstellerin auf die Betriebsführung der Zweitantragstellerin dahin, dass der Braubetrieb im zumindest derzeit bestehenden Umfang aufrechterhalten bleibe;

- Punkt 3.2.b): Ausübung der Einflussmöglichkeiten der Erstantragstellerin auf die Betriebsführung der Zweitantragstellerin dahin, dass die notwendigen Investitionen in den Braubetrieben durchgeführt würden;

- Punkt 3.3.: Erhalt des Braubetriebs am Standort Villach im zumindest derzeit bestehenden Umfang;

- Punkt 3.11.a): jährliche Information an die Bundeswettbewerbsbehörde über die Jahresmenge des am Standort Villach produzierten Bieres.

Für alle weiteren in den Auflagen enthaltenen Fristen (also konkret: die Punkte 3.2.c), 3.4., 3.5., 3.6., 3.9., 3.11.b) und 3.11.c)) soll die Verlängerungsoption demnach entfallen.

Die Amtsparteien beantragten zunächst die Durchführung einer Tagsatzung zwecks Konkretisierung und Erläuterung des Begehrens. Im Rahmen der Tagsatzung vom 14.5.2019, in dem die Antragstellerinnen ihr Begehren wie im Spruch ersichtlich modifizierten, sprachen sich die Amtsparteien nicht gegen die beantragte Einschränkung der Auflagen aus. Das Antragsvorbringen sei plausibel, insbesondere dass sich der getrennte Verkauf nicht bewährt habe und es zu einer Stärkung der Marken der Zweitantragstellerin kommen könne, wenn auch außerhalb Kärntens ein verstärkter Vertrieb stattfinden könne.

Die Bundeswettbewerbsbehörde legte dar, dass eine infolge der Beschwerde eines Mitbewerbers vorgenommen Überprüfung ergeben habe, dass es keinen Verstoß der Antragstellerinnen gegen die Auflagen gebe. Die Einhaltung der Auflagen für fünf Jahre, insbesondere die Vornahme der darin enthaltenen Investitionen, habe der Stärkung der Marke der Zweitantragstellerin geholfen.

Das Antragsvorbringen, wonach sich seit dem Beschluss vom 24.2.2015 die Umstände in der geschilderten Form geändert hätten, bestritten die Amtsparteien nicht; ebensowenig, dass die Verlängerung der Auflagen, soweit deren Einschränkung nun begehrt werde, nicht zweckmäßig sei. Die Amtsparteien traten letztlich dem Antrag nicht entgegen.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 12 Abs 3 zweiter Satz KartG kann das Kartellgericht auf Antrag eines am Zusammenschluss beteiligten Unternehmens die mit der Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses verbundenen Beschränkungen und Auflagen ändern oder aufheben, wenn sich nach ihrem Ausspruch die maßgeblichen Umstände ändern.

Die Antragstellerinnen haben unwidersprochen und nachvollziehbar dargestellt, dass sich die auferlegte Pflicht, wonach die Zweitantragstellerin weiterhin als unabhängige Marktteilnehmerin am Verkaufsmarkt aufzutreten habe, nachteilig auf die Marktposition der Zweitantragstellerin auswirkt. Aufgezeigt wurden Marktanteilsverschiebungen von der Zweit- zur Erstantragstellerin und ein Verlust von Marktanteilen der Zweitantragstellerin in Kärnten (inklusive Osttirol).

Insofern kam es zu einer bei Erteilung der Auflagen nicht vorhergesehenen und nicht intendierten Änderung der maßgeblichen Umstände.

Nachvollziehbar wurde weiters dargestellt, dass die Verlängerung der den getrennten Marktauftritt betreffenden Auflagen zu einer weiteren Schwächung der Marktstellung der Zweitantragstellerin – letztendlich womöglich zu einer Gefährdung des Fortbestandes – führen würde; hingegen könnte die Zusammenlegung der Verkaufsmannschaften der Antragstellerinnen zur Erschließung neuer Kundenpotenziale, zu positiven Synergieeffekten sowie zur Beseitigung der bestehenden Unsicherheiten führen.

Schließlich ist zu beachten, dass infolge der – in den Auflagen angeordneten und demgemäß vorgenommenen – Investitionen in den Braubetrieb der Zweitantragstellerin die Grundlagen für den langfristigen Erhalt dieses Brauereistandortes, welcher mit den Auflagen bezweckt war, geschaffen wurden.

Somit ist die beantragte Einschränkung der Auflagen aufgrund der geänderten Umstände sinnvoll und notwendig, um die mit den Auflagen verbundene Zielsetzung zu erreichen. Gemäß § 12 Abs 3 KartG war daher antragsgemäß zu entscheiden.


Ausdruck vom: 29.03.2024 15:45:34 MEZ