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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

28 Kt 6/20x


Bekannt gemacht am:

25.07.2023

Entscheidungsdatum:

23.11.2022


Über die Antragsgegnerinnen wird wegen einheitlicher und fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV in Form von kartellrechtswidrigen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Hoch- und Tiefbau in Österreich im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis einschließlich Oktober 2017 gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG eine Geldbuße von EUR 26,33 Mio verhängt.
 
B e g r ü n d u n g:
Die Antragstellerin beantragte zuletzt (ON 57) – nachdem im verfahrenseinleitenden Antrag (ON 1) eine Geldbuße in angemessener Höhe begehrt worden war - die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG in Höhe von EUR 26,33 Mio über die Antragsgegnerinnen. Dazu brachte sie – unter Berücksichtigung der Modifikation ihres Vorbringens in ON 57 - zusammengefasst folgendes vor:
Die Antragsgegnerinnen hätten sich jahrzehntelang an einheitlichen und fortgesetzten kartellrechtswidrigen Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Bauvorhaben im Hoch- und Tiefbau beteiligt, die sich nahezu auf das gesamte österreichische Bundesgebiet erstreckt hätten und beinahe sämtliche Sparten der Bauwirtschaft im Bereich Hoch- und Tiefbau betroffen hätten. Die an dieser Gesamtzuwiderhandlung beteiligten Unternehmen hätten jahrelang und systematisch den Wettbewerb in der Bauwirtschaft ausgeschaltet und sich gegenseitig in einem kontinuierlichen System wettbewerbswidriger bi- und multilateraler Kontakte zu Aufträgen verholfen, ohne (oder zumindest nur in einem geringeren Ausmaß) befürchten zu müssen, von einem günstigeren Angebot im Wettbewerb unterboten zu werden. Dabei hätten sie das gemeinsame Ziel verfolgt, den Wettbewerb bei Ausschreibungen zu minimieren oder auszuschließen, um sich Marktanteile und Margen zu sichern. Das etablierte System und die Selbstverständlichkeit, mit der es zu den wettbewerbsbeschränkenden Handlungen gekommen sei, weise einen hohen Unrechtsgehalt auf, zumal Ausschreibungen gerade dem Zweck dienten, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Die zahlreichen Preisabsprachen und Aufteilungen von Bauvorhaben hätten den Wettbewerb in der Bauwirtschaft – zum Schaden der öffentlichen und privaten Hand - grundlegend verfälscht und das zentrale Ziel, Auftraggebern eine unabhängige und unbeeinflusste Wahl zu ermöglichen, vereitelt. Die Antragsgegnerinnen seien dabei unmittelbar an kartellrechtswidrigen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien beteiligt gewesen.
Die Zuwiderhandlung habe Preisabsprachen, Marktaufteilungen oder den Austausch wettbewerbssensibler Informationen, wie etwa Abstimmungen über zukünftiges Verhalten bei Angebotsabgaben, und teilweise die Bildung kartellrechtswidriger ARGE und BIEGE umfasst. Bei den jeweiligen Umsetzungshandlungen sei auf die regionalen Gegebenheiten bzw die Unterschiede in den einzelnen Bausparten flexibel eingegangen worden. Auch wenn die einzelnen Elemente auf jeweils unterschiedliche Arten umgesetzt worden seien, hätten sie stets das oben genannte gemeinsame Ziel verfolgt. Es sei zu regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden, zu bilateralen Kontaktaufnahmen per Telefon, E-Mail oder Fax und dem Versenden von Deckangeboten gekommen. Dabei seien die beteiligten Unternehmen etwa überein gekommen, welche Angebotssumme der designierte Auftragsempfänger anbiete; die restlichen Kartellmitglieder hätten bewusst auf die Abgabe wettbewerbsfähiger Angebote verzichtet, indem sie entweder kein Angebot oder ein bewusst überhöhtes Angebot (sog „Deckangebot“) abgegeben hätten (sog „Zurückstehen“). Oftmals habe der Initiator der Preisabsprache den zurückstehenden Wettbewerbern eine Angebotssumme – regelmäßig auch in Form der Übermittlung eines fertigen Deckangebotes oder eines vorgefertigten Leistungsverzeichnisses (sog „Fahne“) - vorgegeben. Dieses Verhalten habe auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht, in der Erwartung, dass der Zurückstehende bei späteren Aufträgen selbst durch entsprechendes Verhalten der anderen Bauunternehmen zum Auftrag gelange und so im Ergebnis alle beteiligten Unternehmen davon profitierten. Das Prinzip sei zum Teil durch Vereinbarung von Ausgleichszahlungen oder andere Ausgleichsleistungen verstärkt worden. Es seien sensible Informationen, etwa über das zukünftige Verhalten bei Angebotsabgaben, ausgetauscht worden. Dieses im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis Oktober 2017 gewachsene, allgemein etablierte Kollusionssystem, wonach man sich über das jeweilige Angebots- und Marktverhalten abstimmen und informieren habe können, um in weiterer Folge das eigene Marktverhalten daran anzupassen, sei durch die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen von ihren jeweiligen Vorgängern übernommen worden. Neu eintretende Mitarbeiter seien in das bestehende „System“ eingeführt worden.
An der Zuwiderhandlung seien über 40 Bauunternehmen in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt gewesen, wobei die Antragsgegnerinnen neben neun weiteren Bauunternehmen als Hauptbeteiligte zu qualifizieren seien. Die Antragsgegnerinnen seien - in ganz erheblichem Ausmaß - österreichweit unmittelbar an kartellrechtswidrigen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt gewesen und hätten die Umstände der Gesamtzuwiderhandlung und deren Umsetzung maßgeblich mitgeprägt, auch wenn sie allenfalls nicht unbedingt federführend und nicht im selben Umfang wie andere Bauunternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein mochten.
2017 seien Hausdurchsuchungen von der Antragstellerin bei der Zweitantragsgegnerin und von der WKStA im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen im Bereich der Bauwirtschaft bei der Erst- und Drittantragsgegnerin durchgeführt worden. Die Zweitantragsgegnerin habe in der Folge eine Stellungnahme abgegeben. Am 10.12.2019 sei den Antragsgegnerinnen die Mitteilung der Beschwerdepunkte nach § 13 Abs 1 WettbG einschließlich der Beilagen übermittelt worden. In ihrer Äußerung hätten sich die Antragsgegnerinnen nur zu einzelnen Beweismitteln insofern geäußert, als sie das Vorliegen eines kartellrechtswidrigen Sachverhalts abstritten. Die Mehrzahl der vorgelegten Beweismittel hätten sie jedoch unkommentiert gelassen. Die rechtliche Einordnung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung sei von ihnen abgelehnt worden. Nach Einleitung des Geldbußenverfahrens sei es auf Ersuchen der Antragsgegnerinnen zu Gesprächen über eine mögliche einvernehmliche Verfahrensbeendigung gekommen. Als Ergebnis hätten die Antragsgegnerinnen im Interesse einer Kooperation außerhalb des Kronzeugenprogramms und zur Aufklärung des Sachverhalts am 5.9.2022 ein umfassendes Anerkenntnis abgegeben. Darin hätten sie ihre Teilnahme an der kartellrechtlichen Zuwiderhandlung zumindest im Hinblick auf 396 angeführte Bauvorhaben ausdrücklich anerkannt und bestätigt, dass sie mit den beschriebenen Verhaltensweisen an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (Gesamtzuwiderhandlung) iSd § 1 Abs 1 KartG und des Art 101 Abs 1 AEUV beteiligt gewesen seien und diese Verhaltensweisen die Anforderungen einer Ausnahme nach § 2 KartG 2005 bzw Art 101 Abs 3 AEUV nicht erfüllen würden. Die von der Antragstellerin in Aussicht genommene Geldbuße sei als angemessen erachtet worden.
In rechtlicher Hinsicht sei davon auszugehen, dass die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen Einschränkungen des Wettbewerbs iSd § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV bezweckt hätten und damit eine Kernbeschränkung darstellten. Die Zwischenstaatlichkeit sei zu bejahen, da sich die Gesamtzuwiderhandlung auf das gesamte österreichische Bundesgebiet und punktuell auch auf Bauvorhaben in Deutschland erstreckt habe, betroffene Projekte regelmäßig EU-weit bekannt gemacht und ausgeschrieben worden seien und ein grenzüberschreitendes Interesse an der Teilnahme an derartigen Projekten bestanden habe. Damit sei neben innerstaatlichem Recht auch Unionsrecht anzuwenden. Die getroffenen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen seien als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung (Gesamtzuwiderhandlung) zu qualifizieren, weil im Rahmen eines Gesamtplans eine Vielzahl rechtswidriger aufeinanderfolgender Verhaltensweisen gesetzt worden seien und die beteiligten Unternehmen – in der überwiegenden Mehrzahl seien dieselben Unternehmen involviert gewesen - ein gemeinsames kartellrechtswidriges Ziel – nämlich durch bi- und multilaterale Kontakte das Risiko des Wettbewerbs zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und sich so Marktanteile zu sichern – hätten erreichen wollen. Das Verschulden der beteiligten Unternehmen sei unzweifelhaft, zumal derartige Verhaltensweisen auch strafrechtlich relevant sein könnten (§ 168b StGB). Die beteiligten natürlichen Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Ihre Handlungen seien den jeweils beteiligten Unternehmen daher zuzurechnen. Ob die Unternehmensleitung von der Vereinbarung bzw der abgestimmten Verhaltensweise Kenntnis gehabt habe, sei nicht entscheidend. Die Zweit- und die Drittantragsgegnerin stünden im Alleineigentum, die Viertantragsgegnerin stehe zu 51% im Eigentum der Erstantragsgegnerin. Damit würden sämtliche Antragsgegnerinnen im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit als Hauptbeteiligte an der Gesamtzuwiderhandlung für diese im Gesamten haften.
Für die Bemessung der Geldbuße sei der im Jahr 2016 in Österreich erzielte Umsatz der Antragsgegnerinnen im Geschäftsbereich Straßenbau, welcher eine große Anzahl der Bauvorhaben betreffe, als Ausgangspunkt geeignet. Ausgehend von einem Grundbetrag, der die konkreten Merkmale der Gesamtzuwiderhandlung widerspiegle, und unter Anwendung eines Multiplikators für die Dauer der Zuwiderhandlung von 2002 bis einschließlich Oktober 2017 ergebe sich ein Betrag von EUR 30,79 Mio. Die Antragstellerin habe Abzüge für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung (aufgrund des bereits seit 29.10.2020 beim Kartellgericht anhängigen Verfahrens allerdings in deutlich geringerem Umfang als andernfalls üblich), für die Einführung eines umfassenden konzernweiten Compliance-Management-Systems und zusätzlicher interner Prüfungsschritte vor Gründung von ARGE, sowie für organisatorische Entflechtungen im Bereich der Asphaltmischanlagen vorgenommen. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren werde eine Geldbuße von EUR 26,33 Mio beantragt, die aus general- und spezialpräventiven Erwägungen als angebracht erachtet werde.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag und dem Vorbringen der Antragstellerin an. Eine Äußerung sei im Hinblick auf das öffentliche Interesse an dem mehr als zehn Jahre dauernden und das gesamte Bundesgebiet erfassenden Baukartell geboten. Der Bundeskartellanwalt sah im Hinblick auf das von ihm als schlüssig und von überaus überzeugenden Beweisen unterlegt bezeichnete Tatsachenvorbringen der Antragstellerin von der Erstattung eines weiteren Tatsachenvorbringens ab und stellte stattdessen die rechtlichen Grundlagen dar.
Die Entscheidungspraxis der Organe der Europäischen Union sei auch zur Auslegung des innerstaatlichen Kartellbegriffs heranzuziehen. Der Beweis einer Zuwiderhandlung obliege der Wettbewerbsbehörde. Bei Anwendung der Maßstäbe der Gerichte der Europäischen Union an das Beweismaß würden die vorgelegten Beweise (sich gegenseitig erhärtende Unternehmenserklärungen; Aussagen von Personen aus diesen Unternehmen; zeitnahe Dokumente) deutlich höhere als die von der Rechtsprechung geforderte Beweiskraft zeigen. Die durch diese Beweismittel nachgewiesenen langjährigen Absprachen seien rechtlich als einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu beurteilen. Eine solche sei den Antragsgegnerinnen – in Form von Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern in Bezug auf Ausschreibungen im Bereich Hoch- und Tiefbau und bezogen auf das gesamte Bundesgebiet – für den Zeitraum 2002 bis 2017 zur Last zu legen. Das zentrale Tatbestandsmerkmal des einheitlichen wirtschaftlichen Ziels, den Wettbewerb zu verfälschen, sei erfüllt. Angesichts dieses gemeinsamen Ziels, österreichweit tätiger Auftraggeber und Auftragnehmer und charakteristischer Elemente der Modalitäten sei eine Zerlegung der Zuwiderhandlung in Einzelakte oder Untergliederungen gekünstelt. Die Verjährung einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beginne erst ab der Beendigung der letzten Handlung.
Die Antragsgegnerinnen zogen mit ON 58 ihre zunächst in ON 15 und ON 38 erhobenen Einwendungen gegen den (zuletzt mit ON 57 modifizierten) Antrag auf Verhängung einer Geldbuße zurück und stellten das (insoweit ebenfalls modifizierte) Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit. Sie erachteten die von der Antragstellerin vertretene rechtliche Beurteilung als zutreffend und akzeptierten die von ihr vorgenommene Geldbußenbemessung als angemessen.
Ergänzendes Vorbringen erstatteten sie nur insoweit, als sie darauf hinwiesen, dass sie schon aufgrund ihrer untergeordneten Marktpräsenz im Vergleich zu den marktführenden Unternehmen nicht federführend an der sich im inkriminierten Zeitraum über das gesamte Bundesgebiet erstreckenden Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, zumal die Antragsgegnerinnen in manchen Bundesländern gar nicht und in anderen nur zeitweise tätig gewesen seien.
Angesichts des Akteninhalts, insbesondere der Urkunden ./A bis xxx, bestehen gegen diese Außerstreitstellungen keine Bedenken, weshalb von weiteren Erhebungen Abstand zu nehmen war (§ 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG).
 
Folgender Sachverhalt steht fest:
1. Antragsgegnerinnen:
Die Erstantragsgegnerin ist eine zu FN 89381v im Firmenbuch eingetragene GmbH mit Sitz in 4320 Perg. Sie wird zu 60% von der Halatschek Holding GmbH und zu 40% von der Heindl Holding GmbH gehalten. Sie ist die Muttergesellschaft der HABAU Unternehmensgruppe (HABAU-Group), einem internationalen Komplettanbieter in den Geschäftsbereichen Hochbau, Tiefbau, Fertigteilbau, Pipelinebau, Untertagebau und Stahl-/Anlagenbau mit weiteren Standorten in Deutschland, Polen, Rumänien, Serbien, Tschechien und Ungarn. Die HABAU Unternehmensgruppe zählt nach eigenen Angaben zu den Top vier Unternehmen der österreichischen Bauindustrie. Sie erzielte im Geschäftsjahr 2018/2019 einen Umsatz von EUR 1,410 Mrd und im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr von 1.4.2021 bis 31.3.2022 einen Umsatz von gerundet EUR 1,52 Mrd.
Die Zweitantragsgegnerin ist eine zu FN 198764a im Firmenbuch eingetragene GmbH mit Sitz in 4030 Linz. Sie steht seit 2001 im Alleineigentum der Erstantragsgegnerin. Die Zweitantragsgegnerin bietet in nahezu allen Bundesländern Österreichs sämtliche Sparten des Hoch- und Tiefbaus an.
Die Drittantragsgegnerin ist eine zu FN 77720w im Firmenbuch eingetragene GmbH mit Sitz in 8700 Leoben. Sie wird seit 2011 zu 100% von der Erstantragsgegnerin gehalten. Die Drittantragsgegnerin ist spezialisiert auf Tunnel-, Schacht- und Bergbau und bietet auch Leistungen im sonstigen Hoch- und Tiefbau an.
Die Viertantragsgegnerin ist eine zu FN 307827m im Firmenbuch eingetragene GmbH und wird zu 51% von der Zweitantragsgegnerin und zu 49% von der Straka-Bau Pfnier GmbH gehalten. Die Beteiligung an ihr erwarb die HABAU-Unternehmensgruppe im Zuge der Insolvenz der Alpine Bau GmbH im Jahr 2013. Die Viertantragsgegnerin ist im Bereich der Erzeugung von Asphaltmischgut, Recycling mineralischer Baureststoffe und Tiefbauarbeiten tätig.
(Beilage ./A)
2. Ermittlungsverfahren
Nach Hausdurchsuchungen der Antragstellerin gemäß § 12 Abs 1 WettbG und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bei einzelnen Antragsgegnerinnen im Jahr 2017 erfolgten Stellungnahmen der Antragsgegnerinnen. Sie bestritten das Vorliegen eines kartellrechtswidrigen Sachverhalts und lehnten die Einordnung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ab. Betont wurde die Bereitschaft zur Kooperation „soweit den Antragsgegnerinnen eine Kooperation [mit der Antragstellerin] ohne Gefährdung ihrer Rechtsposition“ möglich sei. Ihre Ankündigung, eine „(weitere) Kooperation im laufenden Ermittlungsverfahren“ erörtern zu wollen, lösten die Antragsgegnerinnen nicht ein. Die Antragstellerin wurde von ihnen auch nicht von Ergebnissen einer internen Aufarbeitung informiert. Nach Einbringung des vorliegenden Geldbußenantrags fanden auf Ersuchen der Antragsgegnerinnen weitere Gespräche über eine mögliche einvernehmliche Verfahrensbeendigung statt.
Am 5.9.2022 gaben die Antragsgegnerinnen schließlich ein umfassendes Anerkenntnis ab, in dem sie die Zuwiderhandlung zusammengefasst beschreiben und bestätigen, dass sie mit den beschriebenen Verhaltensweisen an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (Gesamtzuwiderhandlung) im Sinne des § 1 Abs 1 KartG und des Art 101 Abs 1 AEUV beteiligt waren, sowie die in Aussicht gestellte Geldbuße in Höhe von EUR 26,33 Mio angemessen ist. Dazu legten die Antragsgegnerinnen eine Liste mit 396 näher definierten Bauvorhaben vor, bei denen sie an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt waren. Die Antragsgegnerinnen erkannten an, dass sich wettbewerbswidrige Verhaltensweisen unter ihrer Beteiligung grundsätzlich über den gesamten von der Antragstellerin untersuchten Zeitraum erstreckten.
(Beilagen ./B, ./C, ./H, xxx)
3. Zuwiderhandlung allgemein
Die Zuwiderhandlung betraf den Wirtschaftszweig der Bauwirtschaft bzw das Baugewerbe, wobei nahezu sämtliche Sparten im Bereich Hoch- und Tiefbau, insbesondere der Bereich Straßenbau, umfasst waren. Das Kartell umfasste das gesamte österreichische Bundesgebiet und eine sehr hohe Anzahl an Bauvorhaben, wobei etwa 40 Bauunternehmen in unterschiedlichem Ausmaß daran beteiligt waren. Der Grad der Beteiligung variierte je nach Region und Art des Bauvorhabens, wobei jedes einzelne Unternehmen zur Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der Gesamtzuwiderhandlung beitrug. Die Antragsgegnerinnen und neun weitere Bauunternehmen waren Hauptbeteiligte an der Zuwiderhandlung, 34 weitere Bauunternehmen nahmen (aus derzeitiger Sicht) mit geringerer Intensität teil. Die Antragsgegnerinnen waren von Juli 2002 bis Oktober 2017 in erheblichem Ausmaß beteiligt.
Die am Kartell beteiligten Bauunternehmen verfolgten das Ziel, den Wettbewerb zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und sich so Marktanteile zu sichern. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, stimmten sie sich durch Preisabsprachen, Marktaufteilungen, den Austausch wettbewerbssensibler Informationen (wie etwa über zukünftige Verhalten bei Angebotsabgaben) sowie teilweise durch die Bildung kartellrechtswidriger Arbeitsgemeinschaften (ARGEs) und Bietergemeinschaften (BIEGEs) ab.
Die konkrete Umsetzung dieses Kollusionssystems wurde an die regionalen Gegebenheiten und die betroffene Bausparte angepasst. Die Umsetzungshandlungen umfassten insbesondere das Pflegen bi- und multilateraler Kontakte in Form von regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden, Kontaktaufnahmen per Telefon, E-Mail oder Fax und im Rahmen der Zusammenarbeit in Asphaltmischwerken, sowie das Versenden von Deckangeboten. Dabei übermittelte jenes Unternehmen, das in Übereinstimmung mit den weiteren beteiligten Unternehmen zum Zug kommen sollte, fertige höhere Leistungsverzeichnisse oder vorausgefüllte Angebotsunterlagen in Form von Deckangeboten an die Mitbewerber. Es wurde vereinbart, dass die zurückstehenden Mitbewerber ein Angebot abgeben, das über dem gemeinsam festgelegten Abgabepreis des designierten Auftragsempfängers liegt. Alternativ gaben zurückstehende Mitbewerber gar kein Angebot ab. Diese Handlungen basierten auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit in der Erwartung, dass das oder die zurückstehende(n) Unternehmen bei späteren Aufträgen selbst durch entsprechendes Verhalten der anderen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen zum Auftrag gelangen würden. Im Ergebnis konnten somit alle beteiligten Unternehmen vom mangelnden Wettbewerb profitieren. Dieses Prinzip wurde zum Teil durch die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen oder anderen Ausgleichsleistungen verstärkt.
Durch das so gewachsene, allgemein etablierte, österreichweite Kollusionssystem stimmten sich die beteiligten Unternehmen über das jeweilige Angebots- und Marktverhalten ab und informierten sich, um in weiterer Folge das eigene Marktverhalten daran anzupassen. Auf diesem Weg verhalfen sie sich gegenseitig zu Aufträgen, ohne befürchten zu müssen oder zumindest nur in geringerem Ausmaß befürchten zu müssen, von einem günstigeren Angebot im Wettbewerb unterboten zu werden.
Mitarbeiter beteiligter Unternehmen übernahmen dieses System von ihren jeweiligen Vorgängern, neu eintretende Mitarbeiter wurden in das bestehende System in Besprechungen eingeführt und ihnen wurden die Spielregeln erklärt.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx)
4. Zuwiderhandlung im Detail
Konkret waren die Antragsgegnerinnen an folgenden Zuwiderhandlungen beteiligt:
a) Preisabsprachen:
Die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen vereinbarten untereinander die im Rahmen von Ausschreibungen abzugebenden Preise oder stimmten diese miteinander ab. Sie kamen überein, zu welcher Angebotssumme der designierte Auftragsempfänger anbietet. Die restlichen beteiligten Unternehmen boten in der Folge – entsprechend der zuvor getroffenen Vereinbarung - entweder zu einem höheren Preis an (siehe sogleich b)) oder gaben überhaupt kein Angebot ab.
(etwa Beilagen xxx)
b) Deckangebote:
Die Übermittlung von Deckangeboten spielte bei der Umsetzung von Preisabsprachen eine wichtige Rolle. Sie zielte darauf ab, die Auftragserteilung an einen zuvor bestimmten Mitbewerber so weit wie möglich zu gewährleisten und so das Risiko des Wettbewerbs zu minimieren oder auszuschließen. Jenes Bauunternehmen, das in Übereinstimmung mit den weiteren beteiligten Unternehmen zum Zug kommen sollte, übermittelte fertige höhere Leistungsverzeichnisse bzw vorausgefüllte Angebotsunterlagen (als „Deckangebote“, „Fahne“, „Ente“ oder „0-Lauf“ bezeichnet). Dadurch reduzierte sich bei den beteiligten Unternehmen der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Angebotserstellung. Der zuvor gemeinsam designierte Auftragsempfänger kalkulierte die Angebotspreise der zurückstehenden Mitbewerber höher und übermittelte diese in Form eines Datenträgers per E-Mail/Fax oder auch persönlich. Die zurückstehenden Mitbewerber gaben sodann diese Deckangebote zum Schein als von ihnen selbst kalkulierte Angebote ab.
(etwa Beilagen xxx, xxx, ./LL xxx)
c) Marktaufteilungen:
Zwischen den beteiligten Unternehmen wurde auch die Aufteilung von Märkten besprochen. Häufig einigten sie sich im Vorhinein, welches Unternehmen den jeweiligen Auftrag erhalten soll. Die übrigen Unternehmen gaben im nachfolgenden Ausschreibungsverfahren der Absprache entsprechende oder keine Angebote ab. Zuweilen wurden Bauvorhaben auch auf der Grundlage von Quoten aufgeteilt (sog „fixer Schlüssel“), die den (historischen) Marktanteilen der jeweiligen beteiligten Unternehmen entsprachen. Neben solchen Kundenaufteilungen kam es auch zu Aufteilungen von Gebieten. So herrschte in manchen Regionen Einigkeit darüber, welches Bauunternehmen für Ausschreibungen in welchem Gebiet „zuständig“ war. Die anderen beteiligten Unternehmen standen bei diesen Ausschreibungen zurück.
(etwa Beilagen xxx, ./Q, ./T)
d) Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen:
Begleitend zu den systematischen Preisabsprachen und den Marktaufteilungen kam es zu einem laufenden Austausch wettbewerbssensibler Informationen, wie etwa über das zukünftige Verhalten bei Angebotsabgaben für Bauvorhaben. So wurde zwischen den Unternehmen geklärt, wer Interesse an einzelnen Bauvorhaben hat oder plant, ein Angebot abzugeben
(etwa Beilagen xxx)
e) Kartellrechtswidrige ARGEs:
Im Rahmen einer ARGE schließen sich mehrere Bauunternehmen projektbezogen zur gemeinsamen Ausführung eines Auftrags zusammen. Teilweise wurden ARGEs als Deckmantel für kartellrechtswidrige Handlungen genutzt: So wurden ARGEs gegründet, die für die Bauunternehmen objektiv nicht notwendig waren, um an der jeweiligen Ausschreibung teilnehmen zu können. Einzelne Bauunternehmen beteiligten sich an einer derartigen ARGE auch als „stille Partner“. In diesem Fall traten nicht alle ARGE-Partner als solche nach außen und gegenüber dem Auftraggeber in Erscheinung, waren aber im Innenverhältnis Beteiligte der ARGE. Dies diente insbesondere dazu, die Vorgaben des Auftraggebers in Bezug auf die Höchstzahl der zugelassenen ARGE-Partner zu umgehen.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, xxx, ./AA, ./BB, ./CC, ./DD)
f) Gesprächsrunden:
Abhängig vom Zeitpunkt der Ausschreibungen wurden je nach Bedarf ein- oder mehrmals im Jahr Gesprächsrunden zwischen den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen organisiert. Diese fanden zumeist in einer der Niederlassungen der an den Absprachen beteiligten Unternehmen statt. Im Rahmen der Gesprächsrunden wurden das Unternehmen, das den Auftrag für ein bestimmtes Bauvorhaben erhalten sollte, und dessen Abgabepreis festgelegt. Zudem wurde vereinbart, dass die zurückstehenden Mitbewerber ein Angebot abgeben, das über dem gemeinsam festgelegten Abgabepreis des designierten Auftragsempfängers liegt. Zum Teil wurden auch die Abgabepreise der zurückstehenden Mitbewerber vom designierten Auftragsempfänger vorgegeben (sog „Preisvorgabe“).
(etwa Beilagen xxx, ./T, xxx, xxx, xxx)
g) Bilaterale Kontakte:
Ergänzend zu den oben genannten größeren Gesprächsrunden, aber auch unabhängig davon, wurden sowohl telefonisch als auch im Rahmen von persönlichen Kontakten bilaterale Gespräche zu wettbewerbssensiblen Themen geführt. Bilaterale persönliche Treffen fanden in Räumlichkeiten der Niederlassungen der beteiligten Unternehmen oder außerhalb dieser (zB auf Autobahnraststationen, Tankstellen, in Lokalen oder auf Baustellen) statt. Die kartellrechtswidrigen bilateralen Kontakte unter Mitbewerbern wurden ua dazu genutzt, sich über die Interessenlage hinsichtlich bestimmter Bauvorhaben zu informieren, konkrete Vorgangsweisen zu vereinbaren oder sich über zukünftiges Verhalten bei der Angebotsabgabe auszutauschen. Dabei trat man insbesondere mit jenen Mitbewerbern in Kontakt, die man bereits aus den Gesprächsrunden, von früheren kartellrechtswidrigen Kontakten, von ARGEs oder privat kannte. Oft kam es zu solchen bilateralen Kontakten auch am Rande von notwendigen Kontakten bei laufenden ARGEs oder sonstigen Kooperationen wie zB Asphaltmischwerken, aber auch am Rande von Veranstaltungen der Bauwirtschaft. Nach einer bilateralen Vereinbarung wurden zum Teil auch weitere Mitbewerber kontaktiert und ebenso miteinbezogen, indem man diese etwa zum Zurückstehen bei einer bestimmten Ausschreibung aufforderte.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx).
h) Kontakte im Rahmen der Zusammenarbeit in Asphaltmischwerken:
Asphaltmischwerke spielen auf Grund ihrer Zulieferfunktion eine zentrale Rolle im Straßenbau. Kartellrechtswidrige Handlungen, die den Straßenbau betrafen, erfolgten daher auch im Rahmen der Zusammenarbeit von Mitbewerbern in Asphaltmischwerken, die oft als Gemeinschaftsanlagen geführt werden. Zudem waren zahlreiche Bauunternehmen, die eigene Mischanlagen (sog „Eigenanlagen“) betrieben, an kartellrechtswidrigen Handlungen beteiligt. In der Regel einigten sich die an den wettbewerbsbeschränkenden Handlungen beteiligten Unternehmen entsprechend dem in Prozent festgelegten Marktanteil am Mischgutverbrauch (angegeben in Mischguttonnen) darüber, welcher Mitbewerber für welche Bauvorhaben die Auftragserteilung erhalten sollte. Wurde der jeweilige Schlüssel am Jahresende über- oder unterschritten, wurde die Differenz in das nächste Jahr vorgetragen. Diese Aufteilung erfolgte zumeist nach Mischguttonnen, in seltenen Fällen auch nach der Anzahl der Projekte oder nach dem Umsatzvolumen auf dem jeweiligen Straßenbaumarkt. Die beteiligten Unternehmen legten auch den Preis für Mischgut anhand eines sog „Mittelpreises“, der sich am Vorjahrespreis orientierte, fest. Das Unternehmen, das den Auftrag erhalten sollte, bestimmte dann eine Angebotssumme. Die zurückstehenden Unternehmen gaben hingegen Angebote mit höheren Preisen oder keine Angebote ab.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, xxx, xxx ./F3)
i) Kontakte mittels E-Mail, Telefon und Fax:
In einer Reihe von Fällen kam es mittels E-Mail, Telefon und/oder Fax zum Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen oder auch zu Preisabsprachen und Marktaufteilungen. Diese erfolgten sowohl ergänzend zu den Gesprächsrunden und kartellrechtswidrigen bilateralen Kontakten als auch unabhängig davon. Zumeist wurde auf einen schriftlichen Austausch verzichtet. Kontakte per E-Mail wurden primär aus Praktikabilitätsgründen für das Versenden von Deckangeboten genutzt (Beilage xxx). Den unmittelbar an den Zuwiderhandlungen beteiligten Mitarbeitern war – zumindest zum Teil - bewusst, dass es sich nicht um ein „Kavaliersdelikt“ handelt. Aufzeichnungen sowie E-Mails wurden daher bewusst vermieden oder nach Abschluss der abgesprochenen Bauvorhaben vernichtet. Aufgrund der Dauer und Intensität der kartellrechtswidrigen Handlungen war es für die beteiligten Unternehmen jedoch organisatorisch nicht möglich, auf jegliche Form von Aufzeichnungen zu verzichten. Es wurden auch verschlüsselte Formulierungen verwendet, etwa wurde die als Deckangebot abzugebende Summe als „Haus Nr“ oder als „Kilometer inkl Mautkosten“ bezeichnet (Beilage ./T).
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, ./T, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx)
j) Bieterrotation und „Schutzmechanismen“:
Ein Instrument zur Aufteilung von Bauaufträgen war die Organisation mittels Bieterrotation. Dabei kamen die beteiligten Unternehmen überein, dass sie hinsichtlich bestimmter Bauvorhaben wechselseitig zum Zug kommen und sich dabei gegenseitig durch die Abgabe höherer Deckangebote oder den gänzlichen Verzicht auf eine Angebotslegung unterstützen.
Bieterrotationen kamen dabei auch im Sinne eines von den beteiligten Unternehmen so bezeichneten „Kampfschutzes“ oder „Vollschutzes“ zur Anwendung:
- Im Fall eines „Vollschutzes“ wurden alle für eine Ausschreibung relevanten Mitbewerber in die Kartellabsprache eingebunden. Die beteiligten Unternehmen können davon ausgehen, dass keine anderen (nicht an der Kartellabsprache beteiligten) Unternehmen ein Angebot legen werden. Der Wettbewerb wird im Rahmen des „Vollschutzes“ gänzlich ausgeschlossen und bietet daher eine sehr hohe Sicherheit für die Umsetzung des gewünschten Ergebnisses.
- Im Fall eines „Kampfschutzes“ wurde nur ein Teil der für eine Ausschreibung relevanten Mitbewerber (zB fünf von insgesamt zehn) in die Kartellabsprache eingebunden. Diese Gruppe einigte sich auf einen designierten Auftragsempfänger und bot folglich so an, dass sich ihre Mitglieder nicht gegenseitig unterboten. Im Unterschied zum „Vollschutz“ nehmen auch Unternehmen außerhalb der am „Kampfschutz“ beteiligten Gruppe an der Ausschreibung teil. Dennoch wurde das Risiko des Wettbewerbs im Rahmen des „Kampfschutzes“ erheblich minimiert.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, ./LL, xxx, ./I3 bis ./L3)
k) Interne Submission:
Im Vorfeld von Angebotsabgaben kam es in einigen Fällen auch zu sog „internen Angebotsöffnungen“ (auch „interne Submissionen“ genannt), bei denen die Mitbewerber vor der offiziellen Angebotsabgabe ihre Kalkulationsgrundlagen untereinander offenlegten. Das Unternehmen mit dem niedrigsten Wert erhielt den internen „Zuschlag“, die anderen standen zurück. Dieses Vorgehen diente als Mittel der Entscheidungsfindung, welches der beteiligten Unternehmen den Auftrag bei der tatsächlichen Ausschreibung erhalten soll. An derartigen „internen Submissionen“ waren die Antragsgegnerinnen jedoch nicht beteiligt.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx)
l) Fixer Schlüssel:
Eine andere Variante zur Aufteilung von Aufträgen war der sog „fixe Schlüssel“: Dabei wurde eine Quote vereinbart, die jedem beteiligten Unternehmen zustand. Der „fixe Schlüssel“ richtete sich dabei in der Regel nach den geschätzten Marktanteilen oder orientierte sich insb im Straßenbau an der geschätzten Gesamtmenge des zu verbauenden Asphaltmischguts pro Jahr. In einigen Fällen wurde mit der Verwaltung der Quoten ein bestimmtes Bauunternehmen betraut.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, ./P3)
m) Kartellstabilisierende Maßnahmen:
Die Umsetzung der Zuwiderhandlung wurde durch die nachstehenden kartellstabilisierenden Maßnahmen abgesichert und verstärkt. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich die beteiligten Unternehmen an die getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich halten, jedes in einem vorgesehenen Ausmaß zum Zug kommt und somit das Kollusionssystem aufrecht und stabil bleibt:
aa) Punktesystem:
Einer dieser kartellstabilisierenden Mechanismen war die Gegenverrechnung anhand eines sog „Punktesystems“: Da ein größerer Teil der beteiligten Unternehmen regelmäßig in verschiedenen Ausschreibungsverfahren aufeinander traf, wurde mithilfe der Vergabe von „Punkten“/„Anteilen“/„Prozenten“ der Netto-Angebotssumme (typischerweise iHv 0,5-3,5%) ein finanzieller Interessenausgleich unter den Beteiligten sichergestellt. Der durch diesen Prozentsatz errechnete Betrag wurde dem zurückstehenden Bauunternehmen als Forderung gegen den designierten Auftragsempfänger gutgeschrieben (auch als „Kontokorrentverhältnis“ bezeichnet). Diese Verbindlichkeiten wurden immer wieder saldiert oder durch Ausgleichsleistungen ausgeglichen. In manchen Fällen blieben Restforderungen und Verbindlichkeiten jedoch auch über eine längere Zeit bestehen (Beilagen xxx und xxx).
Die Kontaktaufnahme für die Aufrechterhaltung des Punktesystems erfolgte zB telefonisch. Das am Auftrag interessierte Bauunternehmen erkundigte sich bei seinen Mitbewerbern, ob diese zurückstehen würden. Für das Zurückstehen verlangte der Mitbewerber sodann Punkte (Beilage xxx, ./SS, ./Q3).
bb) Ausgleichsleistungen:
Zurückstehende Mitbewerber wurden neben den oben beschriebenen Punkten auch mit sog „Ausgleichsleistungen“ entlohnt, wie etwa mit Ausgleichszahlungen, Subaufträgen (zB im Sinne einer „Beteiligung“ am Bauvorhaben), Arbeitsabtausch, der Bildung einer (offenen oder „stillen“) ARGE, der Lieferung oder Abnahme von Leistungen unter bevorzugten Konditionen (beispielsweise Asphaltmischgut, sonstiges Material, Personal oder Geräte), dem Bezug von größeren Abnahmemengen von Asphaltmischgut oder Beton. Ausgleichsleistungen standen zurückstehenden Mitbewerbern auch dann zu, wenn der Mitbewerber, zu dessen Gunsten sie zurückstanden, den Zuschlag nicht erhielt (Beilagen xxx, xxx, xxx, ./LL, xxx, xxx, ./B3, ./F3, xxx ./S3, ./T3). In den meisten Fällen erfolgte die Ausgleichsleistung durch den Abtausch gegen andere Bauvorhaben, auch „Arbeitsabtausch“ genannt (Beilagen xxx, xxx, ./Z3). Es kam auch vor, dass Punkte und Ausgleichsleistungen, wie Ausgleichszahlungen und Arbeitsabtausch, gemeinsam vereinbart wurden, je nachdem, was die beteiligten Unternehmen für das Zurückstehen verlangten (Beilagen ./T3, ./Q3, ./A4, ./B4, ./C4, ./D4). Für die Auszahlung einer Ausgleichsleistung wurden vereinzelt auch Scheinrechnungen erstellt (Beilagen xxx, ./E4, ./F4).
5. Beteiligung der Antragsgegnerinnen
Die Antragsgegnerinnen beteiligten sich an Absprachen und/oder Abstimmungen im oben dargelegten Sinn zumindest bei 396 Bauvorhaben. Ua waren konkret folgende Auftraggeber von den Zuwiderhandlungen der Antragsgegnerinnen betroffen:
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, VERBUND, OMV, VOEST, Pensionsversicherungsanstalt, Restmüllverwertungs GmbH, Land Steiermark, Stadtamt Leoben, Energie Graz GmbH, Stadtgemeinde Trofaiach/Stadtwerke Trofaiach GmbH, REWE, Magistratsabteilungen 28 und 42 der Stadt Wien, Privatklinik Döbling, Interspar GmbH, ÖBB-Infrastruktur AG, ASFINAG, Magistrat der Stadt Villach, Magistrat der Stadt Klagenfurt, Land Kärnten, Krippner Beteiligungsverwaltungsgesellschaft m.b.H., Gemeinde Kematen, Hochwasserschutzverband, DIN Privatstiftung, Lagerhaus, Star Movie BetriebsGmbH, Pro Mente OÖ Gesellschaft, Gemeinde Mauthausen, Gemeinde Waldkirchen am Wesen, Papierfabrik Nettingsdorf, Hofer AG, Simader Bau, Realtreuhand, WAG Wohnungsanlagen GmbH, Marktgemeinde Naarn im Machland, Bezirksabfallverband Perg, Neue Eisenstädter Gemeinnütztige Bau- Wohn und Siedlungsgesellschaft m.b.H., Gemeinde St. Martin im Sulmtal.
Die Beteiligung der Antragsgegnerinnen an der konkreten Umsetzung der Zuwiderhandlung durch die oben unter 4. beschriebenen Verhaltensweisen wird nachstehend anhand der hauptsächlich betroffenen Auftraggeber exemplarisch dargestellt. Dabei ist voranzustellen, dass jeweils zumindest eine der Antragsgegnerinnen – zumeist in einer Kombination - an Preisabsprachen, Marktaufteilungen und am Austausch über zukünftiges Abgabeverhalten teilnahm:
a) Beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung waren im Zeitraum von 2011 bis 2017 von sieben Straßenbauabteilungen ausgeschriebene Baulose im Straßenbau, und zwar insgesamt nahezu mehr als 1.500 Bauvorhaben mit einem Gesamtvolumen in Höhe von mehr als EUR 195 Mio von der Gesamtzuwiderhandlung betroffen, wobei sich die Antragsgegnerinnen daran erst seit Juli 2013 tatsächlich beteiligten. Es fanden mehrmals im Jahr anlässlich der Ausschreibungen des Landes Niederösterreich im Bereich Straßenbau Gesprächsrunden statt, bei denen der Preis sowie der Bestbieter für bestimmte Bauvorhaben festgelegt wurden, und die durch bilaterale Kontakte ergänzt wurden. Die Verteilung der Baulose erfolgte nach einem bestimmten Schlüssel, der sich im Wesentlichen an den Marktanteilen der beteiligten Mitbewerber orientierte; meist kam es zu einem „Arbeitsabtausch“; vereinzelt wurde mit einzelnen Marktteilnehmern auch ein Punktesystem angewandt. Neu hinzukommende Mitbewerber wurden in dieses „geregelte“ System eingeführt. Umfasst waren vorrangig Ausschreibungen über die Lieferung und den Einbau von Asphaltmischgut sowie Nebentätigkeiten und Erdbauarbeiten. Ebenso erfasst waren aber auch Ausschreibungen über Spezialgewerke wie Brücken. Die Antragsgegnerinnen waren – laut expliziter Außerstreitstellung – bei insgesamt 344 Ausschreibungen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung in der beschriebenen Form beteiligt.
(etwa Beilagen xxx, xxx, ./T, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx)
b) Bei Ausschreibungen der Magistratsabteilung 28 für Straßenverwaltung und Straßenbau der Stadt Wien (MA 28) kam es zu langjährigen Zuwiderhandlungen, die etwa die Hälfte der jährlichen Ausschreibungen der MA 28 betrafen, wobei die Antragsgegnerinnen daran seit Juli 2013 beteiligt waren. Die Ausschreibungen umfassten neben Mischgutlosen auch die Straßensanierung und der Straßenbau sowie Kontrahentenverträge für Gussarbeiten, Asphaltbeton, Pflaster und Beton. Die beteiligten Unternehmen trafen Preisabsprachen, Marktaufteilungen, tauschten sich über zukünftiges Abgabeverhalten aus, vereinbarten einen „Arbeitsabtausch“ oder gaben Deckangebote ab. Bei Mehrjahresbauverträgen war eine fixe Gebietsverteilung nach Bezirken vereinbart. Dazu kam es entweder im Rahmen von regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden oder durch bilaterale Gespräche.
(etwa Beilagen xxx, xxx, xxx, xxx, ./Y5)
c) Bei den Ausschreibungen des Magistrats Klagenfurt betreffend Jahresbauverträge für Straßenbau und Künetteninstandsetzung bildeten vier Mitbewerber der Antragsgegnerinnen untereinander abwechselnd eine kartellrechtswidrige ARGE und vereinbarten mit einigen ihrer Mitbewerber, die nicht Teil der ARGE waren (darunter auch die Antragsgegnerinnen), dass diese als Subunternehmer für die ARGE tätig werden und im Gegenzug kein oder ein höheres Angebot abgeben sollen. Alle anderen potentiell interessierten Unternehmen wurden von den ARGE-Partnern kontaktiert und – im Sinne eines „Vollschutzes“ – zum Zurückstehen aufgefordert. Der Ausgleich für das Zurückstehen erfolgte primär über ein Punktesystem und über Arbeitsaustausch, es kam auch zu Ausgleichszahlungen. Die ARGE-Partner teilten sich die zu kontaktierenden Unternehmen auf und stimmten sich auch darüber ab, wer wie viele Punkte erhalten sollte. Die Antragsgegnerinnen waren bezüglich der Jahresbauverträge 2006, 2010, 2012 und 2014 beteiligt, indem sie jeweils auf Ersuchen ihrer Mitbewerber zurückstanden und dafür Ausgleichszahlungen erhielten (Beilagen xxx, ./N5,./P6 bis ./S6, xxx). Aber auch bei anderen Ausschreibungen des Magistrats Klagenfurt kam es zu Absprachen der Antragsgegnerinnen mit Mitbewerbern (Kanalsanierungen St. Ruprechter Straße und 10. Oktober Straße; Errichtung und Sanierung von Hausanschlüssen; Kleinbaustellen; Beilagen xxx, xxx).
d) Im Burgenland beteiligten sich die Antragsgegnerinnen im Zeitraum 2010 bis 2017 gemeinsam mit größeren und auch zahlreichen regional tätigen kleineren Mitbewerbern an Absprachen über Preise und Abgabeverhalten samt der Übermittlung von Deckangeboten im Zusammenhang mit Ausschreibungen von Hochbauprojekten. Bei den Auftraggebern handelte es sich überwiegend um gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsbaugenossenschaften sowie Gemeinden). Insgesamt waren jedenfalls 146 Bauvorhaben betroffen, wobei die Antragsgegner bei drei Bauvorhaben beteiligt waren.
(etwa Beilagen xxx, xxx, ./Y6 bis ./B7, xxx)
e) Die Zweit- und Viertantragsgegnerin beteiligten sich weiters bei zwei Ausschreibungen der Pensionsversicherungsanstalt zum Teilneubau des SKA-RZ Bad Tatzmannsdorf im Burgenland im Jahr 2014 an Absprachen über das zukünftige Abgabeverhalten (samt Zurückstehen zT im Austausch für eine Ausgleichsleistung) und die Übermittlung von Deckangeboten (etwa Beilagen ./D7, ./E7, xxx, ./T3). In Oberösterreich nahm die Erstantragsgegnerin an einer von Mitbewerbern organisierten Preisabsprache betreffend die Bestandsadaptierung und die Errichtung eines Zubaus zur SKA-RZ Bad Schallerbach teil. Neben der Besprechung des Abgabepreises und des zukünftigen Abgabeverhaltens wurde auch eine Ausgleichsleistung für das Zurückstehen vereinbart (etwa Beilagen xxx, xxx, ./W4, ./N5, xxx).
f) Im Jahr 2013 nahm die Erstantragsgegnerin an Absprachen mit Mitbewerbern betreffend das Bauvorhaben der ASFINAG hinsichtlich der Generalerneuerung der A9 Schwarzlsee-Wildon und Vorleistungen teil. Es wurde vereinbart, dass sie zurücksteht und dafür über einen Arbeitsabtausch mit Projekten im Bereich Leitungsbau und Stationsbau bei der OMV einen Ausgleich erhält (etwa Beilagen xxx, ./K3, ./N5, xxx, ./K9 bis ./M9). Im Rahmen der Errichtung der S10 Mühlviertler Schnellstraße zwischen 2009 und 2015 waren die Antragsgegnerinnen in Bezug auf das Baulos 4.0 (vorbereitende Maßnahmen für die S10 Mühlviertler Schnellstraße, Abschnitt Umfahrung Freistadt) an Preisabsprachen, Marktaufteilung und Austausch über zukünftiges Abgabeverhalten beteiligt (Beilage ./CC). Darüber hinaus nahmen die Erst- und die Zweitantragsgegnerin zwischen 2008 und 2014 auch an Preisabsprachen und Marktaufteilungen bei sieben weiteren Bauvorhaben der ASFINAG teil, wobei es auch zum Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen sowie zur Gründung kartellrechtswidriger ARGEs kam (etwa Beilagen ./SS, ./A10, ./D10, ./E10).
g) Im Rahmen von Ausschreibungen der OMV (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften GCA und TAG) betreffend „Sonderprojekte“ im Hoch- und Tiefbau in der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Oberösterreich fanden im Zeitraum von 2006 bis 2017 Absprachen der Erstantragsgegnerin mit ihren Mitbewerbern statt. Überwiegend kam es zu telefonischen Kontakten. Das am Bauvorhaben besonders interessierte Unternehmen organisierte die Absprachen, forderte Mitbewerber auf, im Tausch gegen ein anderes Bauvorhaben, für die Vergabe von „Punkten“, die Auszahlung eines Ausgleichs oder für einen Subauftrag zurückzustehen und ein Deckangebot abzugeben. Betroffen waren 36 Ausschreibungen der OMV, GCA oder TAG.
(etwa Beilagen xxx, ./LL, xxx, ./M9, xxx ./H10 bis ./J10, xxx, ./R10 bis ./V10)
h) Weitere wettbewerbsbeschränkende Handlungen in Form von Abstimmung des Abgabeverhaltens und Abgabe von Deckangeboten setzten zumindest einzelne Antragsgegnerinnen überdies im Zusammenhang mit weiteren Ausschreibungen in Niederösterreich zwischen 2009 und 2017 (KG Schmidabrücke; Brücke über Gemeindestraße in Mariathal Hollabrunn; Brücke Oberthern; HWS Türnitz; Nivelettenkorrektur L5213 und Brücke; Birago Kaserne Melk Neubau – Werkstätten und Garagen; Straßenbau Leithaprodersdorf und Wimpassing; ABA Auersthal BA 13, WVA Auersthal BA07; ua; etwa Beilagen xxx, xxx); ebenso in der Steiermark betreffend zumindest 6 Bauvorhaben im Zeitraum 2006 bis 2013 (Landesstraße 401, Sanierung Wenireith-Oberbuch; Ligist/Dietenberg; Wasserkraftwerke Kalsdorf und Gössendorf; BVH Paulisturz, Oberflächenabdichtung; BVH Hofer Zweigniederlassung Hausmannstätten; BVH Gas- und Dampfkraftwerk Mellach; etwa Beilagen xxx, xxx, ./P5, ./S5, ./T5). Darüber hinaus setzten zumindest einzelne Antragsgegnerinnen auch weitere wettbewerbsbeschränkende Handlungen in Wien bei insgesamt 5 Bauvorhaben (Beilagen ./G6 bis ./J6, ./M6); in Kärnten bei insgesamt 18 Bauvorhaben (Beilagen ./DD, ./RR, ./B4, xxx ./W6); im Burgenland bei insgesamt 7 Bauvorhaben (Beilagen xxx, xxx, xxx, ./K7, ./L7); in Oberösterreich bei insgesamt 37 Bauvorhaben (etwa Beilagen ./T7 bis ./Z7); und in Salzburg bei 2 Bauvorhaben (Beilagen ./G9, ./H9). Im Jahr 2010 nahmen die Erst- und die Drittantragsgegnerin an Absprachen bei einer Ausschreibung des VERBUND zu Ausbau- und Revitalisierungsarbeiten für das Kraftwerk Pernegg in der Steiermark teil. Dabei handelte es sich um eine der größten Kraftwerksmodernisierungen in Österreich mit einem Bauvolumen iHv EUR 60 Mio (Beilagen xxx, ./W4). In den Jahren 2009 und 2011 fanden auch Absprachen bei 3 Bauvorhaben der ÖBB (Löschwasserleitung Hauptbahnhof Villach Nord; ÖBB Strecke Ossiach; ÖBB Umbau Parkplatz Westbahnhof) statt (etwa Beilagen ./B11, ./C11).
6. Zusammenfassung
Das beschriebene Kartell umfasste das gesamte österreichische Bundesgebiet, wobei sich die Zuwiderhandlungen, an denen sich die Antragsgegnerinnen beteiligten, auf beinahe alle Bundesländer erstreckten und jedenfalls von Juli 2002 bis Oktober 2017 andauerten. Die Antragsgegnerinnen waren – wenngleich regional und je nach Bauvorhaben in unterschiedlicher Intensität - an den beschriebenen Zuwiderhandlungen in erheblichem Ausmaß beteiligt und in der Lage, deren wesentliche Umstände und das gemeinsame Ziel mitzuprägen. Damit wuchs unter Beteiligung der Antragsgegnerinnen ein das gesamte österreichische Bundesgebiet betreffendes Kollusionssystem, das als ein einheitliches Gesamtsystem zu betrachten ist. Dieses hatte den Zweck, den Wettbewerb zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und so Marktanteile zu sichern.
 
Beweiswürdigung:
Die Antragsgegnerinnen stellten den von der Antragstellerin vorgebrachten Sachverhalt außer Streit. Darüber hinaus wird er durch die jeweils in Klammer angeführten Urkunden untermauert.
 
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Einleitung:
Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellungen, die mit den von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden Beilagen ./A - xxx in Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
2. Zur Anwendbarkeit von Unionsrecht:
2.1. Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere sind nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstige Geschäftsbedingungen sowie nach Z 3 leg cit die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen verboten.
2.2. Nach Art 101 Abs 1 AEUV sind alle jene Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dazu gehören insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (lit a) sowie die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (lit c). Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003).
2.3. Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Dabei kommt Europäisches Wettbewerbsrecht dann zur Anwendung, wenn ein Sachverhalt geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel iSd Art 101 AEUV spürbar zu beeinträchtigen (RIS-Justiz RS0122076). Diese Voraussetzung ist – was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p mwN). Die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilig sein könnte (16 Ok 10/09 = RIS-Justiz RS0122076 [T2]).
2.4. Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind idR zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat nämlich schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindert (Leitlinien zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl 2004/C 101/07, Rn 77 ff). Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 7/15p; 16 Ok 8/16m; RIS-Justiz RS0120478).
2.5. Im vorliegenden Fall erstrecken sich die Zuwiderhandlungen, die als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung (Gesamtzuwiderhandlung) zu qualifizieren sind (dazu unten 5.) auf das gesamte österreichische Bundesgebiet. Allein aufgrund dieser räumlichen Dimension der Zuwiderhandlung, ihrer langen Dauer, der erheblichen Beteiligung der Antragsgegnerinnen durch Unterstützungshandlungen in immerhin 7 von 9 Bundesländern und der durch den festgestellten Gesamtumsatz zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Bedeutung der Antragsgegnerinnen (als Teil der HABAU-Group) für den Bereich Hoch- und Tiefbau in Österreich, war die Zuwiderhandlung geeignet, den zwischenstaatlichen Handel iSd Art 101 AEUV spürbar zu beeinträchtigen. Die Zwischenstaatlichkeit ist daher zu bejahen, sodass Unionsrecht anzuwenden ist.
3. Zum Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise:
3.1. Das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV erfasst – wie jenes des § 1 Abs 1 KartG – insbesondere den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen, zwischen den beteiligten Unternehmern die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. In der Praxis ist eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz, weil diese Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens gleichrangig sind (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 1 Rz 14 ff).
3.2. Der Begriff „Vereinbarung“ wird in diesem Zusammenhang weit ausgelegt: Nicht notwendig ist, dass es sich dabei um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handelt; eine Vereinbarung liegt vielmehr schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Folglich ist der Begriff der Vereinbarung durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt. Bei einer Vereinbarung zwischen Unternehmern kommt es daher weder auf die Form der Vereinbarung (diese kann schriftlich, mündlich oder schlüssig getroffen werden) noch darauf an, ob sie auch tatsächlich umgesetzt wird (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 18 f mwN).
3.3. Neben Vereinbarungen (und Beschlüssen von Unternehmervereinigungen) sind auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot erfasst. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH um jede Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmern, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Unter einer Verhaltensabstimmung ist also eine „Fühlungnahme“ zwischen den Unternehmern zu verstehen, die geeignet und bestimmt ist, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 25 ff mwN).
3.4. Erfasst ist jede unmittelbare oder mittelbare Koordination zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 31).
4. Zum „Bezwecken“ und „Bewirken“:
4.1. Vereinbarungen fallen nur dann unter das Verbot des Art 101 Abs 1 AEUV, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind diese Voraussetzungen alternativ zu verstehen, sodass sich die Notwendigkeit ergibt, zunächst den eigentlichen Zweck der Vereinbarung in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Wenn fest steht, dass eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden. Lässt jedoch die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sind ihre Auswirkungen zu untersuchen. Damit sie vom Verbot erfasst wird, müssen Umstände vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist. Die Unterscheidung zwischen „bezweckten“ und „bewirkten“ Verstößen liegt darin begründet, dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können.
4.2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthält, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Zusammenhangs sind auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Markts oder dieser Märkte zu berücksichtigen. Für einen wettbewerbswidrigen Zweck reicht es bereits aus, wenn die Vereinbarung das Potenzial hat, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten, dh wenn sie konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts zu führen (EuGH C-32/11 - Allianz Hungária, mwN). Das wesentliche Kriterium ist, dass eine solche Handlung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt (EuGH C-67/13 P - Groupement des cartes bancaires, mwN).
4.3. Sogenannte Kernbeschränkungen, namentlich die ersten drei Regelbeispiele des Art 101 Abs 1 AEUV, darunter auch Preisabsprachen und die Aufteilung von Märkten, sind als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verboten (Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht³ Art 101 AEUV Rz 78 ff; Braun in Langen/Bunte, Kartellrecht13, Nach Art 101 AEUV, Rz 20; Füller in Kölner Kommentar zum Kartellrecht, Art 101 AEUV, Rz 205ff; zu § 1 KartG: Lager/Petsche aaO § 1 Rz 57 u 104; uva). Sie sind auch von der De‑Minimis‑Bekanntmachung der Europäischen Kommission, ABl 2014/C 291/01, durch deren Pkt II.12 ausgenommen. Preisabsprachen und koordinierte Aufteilungen der Märkte oder Versorgungsquellen sind bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen.
4.4. Das zwischen den Antragsgegnerinnen und ihren Mitbewerbern im Zeitraum Juli 2002 bis Oktober 2017 etablierte System von Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch stellt einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Art 101 Abs 1 lit a und c AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG dar. Hiebei handelt es sich um Kernbeschränkungen, deren unmittelbare Auswirkung auf den Markt nicht näher zu prüfen ist. Die Verhaltensweisen der Antragsgegnerinnen widersprechen den Zielsetzungen, die hinter der Einleitung eines Vergabeverfahrens oder einer Ausschreibung stehen. So sind nach § 19 BVergG Vergabeverfahren ua entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs durchzuführen. Dafür ist die Einhaltung des Grundsatzes des geheimen Wettbewerbs unverzichtbare Voraussetzung.
5. Zum Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (Gesamtzuwiderhandlung):
5.1. Innerhalb komplexer Organisationen zu dem gleichen Zweck getroffene Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen sind für ihre gesamte Dauer als einheitliche Zuwiderhandlung zu beurteilen. Die Zerlegung eines durch ein einziges wirtschaftliches Ziel gekennzeichneten kontinuierlichen Verhaltens wäre gekünstelt. Die Verantwortlichkeit mehrerer an einer einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen erstreckt sich auf die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung und umfasst auch Verhaltensweisen anderer Kartellmitglieder, an denen das betroffene Unternehmen selbst nicht beteiligt ist, sofern sie im Rahmen des Gesamtkartells (der „Grundvereinbarung") erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen wusste oder wissen musste, dass es sich an einem auf Wettbewerbsverfälschung abzielenden Gesamtkartell beteiligte und vom Verhalten der anderen Kartellmitglieder wusste, wissen musste oder es hätte voraussehen müssen und bereit war, das Risiko auf sich zu nehmen (vgl EuGH, 8. 7. 1999, Rs C-49/92 P - Komm/Anic, Rn 82, 83; EuGH, 7. 1. 2004, Rechtssachen C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P - Komm/Aalborg Portland, Rn 258; Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht II10 Art 81 EGV Rn 36a mit weiteren Nachweisen zur europäischen Rechtsprechung; 16 Ok 5/08).
5.2. Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG kann sich somit nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt einschließlich der verwendeten Methoden und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (EuG T-27/10 - AC-Treuhand/Kommission).
5.3. Die oben im Einzelnen beschriebenen Zuwiderhandlungen, an denen sich auch die Antragsgegnerinnen beteiligten, beruhten auf einem über einen langen Zeitraum hinweg aufgebauten Gesamtsystem mit dem Grundverständnis der teilnehmenden Unternehmen, sich betreffend einzelne Bauvorhaben jederzeit kontaktieren zu können, um Preisabsprachen zu treffen, Marktaufteilungen vorzunehmen, das künftige Verhalten bei Angebotsabgaben zu erfragen oder dieses überhaupt aufeinander abzustimmen oder kartellrechtswidrige ARGE zu bilden, und dadurch den Wettbewerb im Bereich Hoch- und Tiefbau systematisch einzuschränken bzw überhaupt auszuschließen, sodass sie sich Marktanteile und Margen sichern können. Die festgestellten Verhaltensweisen sind daher als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu qualifizieren.
5.4. Die Beteiligung der Antragsgegnerinnen an einer solchen Zuwiderhandlung führt dazu, dass sie für die gesamte Zeit ihrer Beteiligung auch für das von anderen Mitbewerbern im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag gelegte Verhalten verantwortlich sind, zumal sie nach den Feststellungen durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Zielen beitragen wollten und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten zumindest wissen mussten und bereit waren, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (EuGH 26.9.2018, C-99/17 P, Infineon Technologies Rn 172; EuGH 26.1.2017, C 644/13P, Villeroy & Boch Rn 48; EuG, 12.7.2007, T-101/05 ua, BASF ua Rn 160; EuGH 8.7.1999, C-49/92, Komm/Anic Rn 83; Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht10, Band 2, Art 81 Rn 36a).
6. Zur Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung:
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH müssen die Wettbewerbsbeschränkung und die Handelsbeeinträchtigung auch spürbar sein, um vom Kartellverbot erfasst zu sein. Das Vorliegen einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt ist anhand des tatsächlichen Rahmens einer solchen Vereinbarung zu beurteilen. Vereinbarungen, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und die einen wettbewerbswidrigen Zweck haben, sind ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs (EuGH C-226/11 - Expedia, Rz 16f, 21 und 37). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
7. Zum Verschulden:
7.1. § 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind. Der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Gleiches gilt zufolge Art 23 VO 1/2003 im Unionsrecht. Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten aber die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5 f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
7.2. Vorsätzlich handelt gemäß § 5 Abs 1 StGB, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Demgegenüber handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 6 Abs 1 StGB), und wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB).
7.3. Gemäß § 3 Abs 1 VbVG ist ein Verband – ein solcher ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 leg cit insbesondere eine juristische Person – unter den weiteren Voraussetzungen des Abs 2 oder des Abs 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn 1. die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist oder 2. durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen. Die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VbVG sind hier erfüllt, weil durch die festgestellten Verhaltensweisen Pflichten der Antragsgegnerinnen verletzt wurden.
7.4. Für Straftaten eines Entscheidungsträgers ist gemäß § 3 Abs 2 VbVG der Verband verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Entscheidungsträger iSd VbVG ist nach dessen § 2 Abs 1, wer 1. Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten; 2. Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt; oder 3. sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt.
7.5. Für Straftaten von Mitarbeitern ist gemäß § 3 Abs 3 VbVG der Verband verantwortlich, wenn
1. Mitarbeiter den Sachverhalt, der dem gesetzlichen Tatbild entspricht, rechtswidrig verwirklicht haben; der Verband ist für eine Straftat, die vorsätzliches Handeln voraussetzt, nur verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat; für eine Straftat, die fahrlässiges Handeln voraussetzt, nur, wenn Mitarbeiter die nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben; und
2. die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.
7.6. Mitarbeiter iSd VbVG ist gemäß § 2 Abs 2 leg cit, wer (unter anderem) aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband erbringt.
7.7. Nach dem festgestellten Sachverhalt wurden die Kartellrechtsverstöße von Mitarbeitern der Antragsgegnerinnen gesetzt. Diese haben zumindest mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) gehandelt, was sich schon daraus ergibt, dass ihnen bewusst war, dass es sich hiebei nicht um ein „Kavaliersdelikt“ handelt. Das Verschulden ist daher zu bejahen.
8. Zur Verjährung:
8.1. Das kartellrechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerinnen umfasste einen Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2017. Die Antragsgegnerinnen zogen ihren ursprünglich erhobenen Verjährungseinwand zuletzt mit dem Schriftsatz ON 58 zurück. Dieser wäre aber inhaltlich ohnehin nicht berechtigt gewesen:
8.2. § 33 KartG idF BGBl I Nr. 176/2021 ist nach § 86 Abs 12 KartG auf Rechtsverletzungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (10.9.2021) noch nicht verjährt sind. Gemäß § 33 Abs 1 1. Satz KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer oder einer beteiligten Unternehmervereinigung eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekanntgegeben wird. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Frist neu zu laufen.
8.3. Anders als Art 25 der VO 1/2003 differenziert § 33 KartG nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen.
8.4. Bei den Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Eine dauernde Zuwiderhandlung besteht aus einer andauernden, eine fortgesetzte aus mehreren Handlungen, die jede für sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Somit handelt es sich bei einer dauernden Zuwiderhandlung um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt demgegenüber immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Traugott in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 33 Rz 6 und 7).
8.5. Der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung umfasst eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind (EuGH C-235/92 P – Montecatini/Kommission).
8.6. Wie bereits oben unter 5.3. dargestellt, liegt hier eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung der Antragsgegnerinnen gegen das Kartellrecht vor, da alle Einzelverstöße auf einem einheitlichen Gesamtplan und Gesamtsystem beruhen. In einem solchen Fall beginnt die Verjährungsfrist aber erst mit Beendigung des letzten Teilakts zu laufen (16 Ok 2/15b; 16 Ok 8/15k mwN). Da die Zuwiderhandlungen weniger als 5 Jahre vor der Einbringung des Geldbußenantrags beendet waren, ist keine Verjährung eingetreten.
9. Zur Rechtfertigung:
Ein Freistellungs- bzw Rechtfertigungsgrund nach § 2 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 3 AEUV wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar.
10. Zur Höhe der Geldbuße:
10.1. Gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 1 KartG bzw gegen Art 101 AEUV eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Darunter ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmers zu verstehen, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist.
10.2. Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 Abs 1 KartG insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen.
10.3. Ein Erschwerungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 2 KartG insbesondere, wenn
1. das Kartellgericht gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat oder
2. der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder an einer solchen Rechtsverletzung führend beteiligt war.
10.4. Ein Milderungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 3 KartG insbesondere, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung
1. an einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt war,
2. die Rechtsverletzung aus eigenem beendet hat,
3. wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hat oder
4. den aus der Rechtsverletzung entstandenen Schaden ganz oder teilweise gutgemacht hat.
10.5. Bei der Ermittlung der Höhe der beantragten Geldbuße ging die Antragstellerin von folgenden Überlegungen aus:
Da eine große Anzahl der betroffenen Bauvorhaben den Straßenbau betrifft, zog sie den im Jahr 2016 in diesem Geschäftsbereich in Österreich erzielten Umsatz der Antragsgegnerinnen als Ausgangspunkt der Bemessung heran (siehe Beilage ./N11). Ausgehend von einem Grundbetrag, der die konkreten Merkmale der Gesamtzuwiderhandlung widerspiegle (insbesondere die Art der Zuwiderhandlung), und unter Anwendung eines Multiplikators für die Dauer der Zuwiderhandlung von Juli 2002 bis einschließlich Oktober 2017, errechnete sie einen Betrag in Höhe von EUR 30,79 Mio. Für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung berücksichtigte sie einen Abschlag, der aufgrund des bereits seit 29.10.2020 anhängigen kartellgerichtlichen Verfahrens deutlich geringer ausfiel als in anderen Fällen üblich. Mildernd wertete die Antragstellerin zudem die Einführung eines umfassenden konzernweiten Compliance-Management-Systems, organisatorische Entflechtungen im Bereich der Asphaltmischanlagen sowie die Einführung zusätzlicher interner Prüfungsschritte vor Gründung von ARGEs. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren beantragte die Antragstellerin die Verhängung einer Geldbuße von EUR 26,33 Mio.
10.6. Ob eine höhere als die von der Antragstellerin beantragte Geldbuße in Frage käme, ist im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt, nicht zu prüfen.
10.7. Eine niedrigere Geldbuße als die beantragte Summe, die bei einem weltweiten Umsatz der HABAU-Group von EUR 1,52 Mrd im Geschäftsjahr von 1.4.2021 bis 31.3.2022 rund 17,3% des Höchstbetrags nach § 29 Z 1 KartG entspricht, kommt aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen jedenfalls nicht in Betracht: Die Schwere und Dauer des Verstoßes, die durch die Rechtsverletzung zwangsläufig erzielte Bereicherung, das vorsätzliche Handeln und die erhebliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerinnen sprechen dagegen.

Ausdruck vom: 28.04.2024 00:28:32 MESZ