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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 63/14


Bekannt gemacht am:

02.03.2015

Entscheidungsdatum:

18.12.2014


"Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG 2005, nämlich wettbewerbswidriger Preisabstimmungen mit Lieferanten für die Produktgruppen

 

Molkereiprodukte bezüglich der Produktsegmente weiße, gelbe, bunte Palette und gelbe Fette,

 

Fleisch- und Wurstprodukte bezüglich der Produktsegmente Rind, Schwein, Kalb, Lamm, Faschiertes, Wurst- und Schinkenspezialitäten und Geflügel,

 

Brauereiprodukte bezüglich der Produktsegmente Bier und Biermischgetränke sowie

 

nichtalkoholische Getränke bezüglich der Produktsegmente Mineralwasser, Direktsaft, Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat, Fruchtnektar, Fruchtsaftgetränke und Limonaden

 

im Zeitraum Anfang Jänner 2007 bis Ende Dezember 2012 gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 225.000,00 verhängt.

 

Begründung

 

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße nach § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 in Höhe von EUR 225.000,00. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin habe mit Lieferanten im Zeitraum Anfang 2007 bis Ende 2012 an kartellrechtswidrigen vertikalen Preisabstimmungen teilgenommen. Dabei seien Wiederverkaufspreisvorgaben der Lieferanten sowohl für Kurant- als auch für Aktionsverkaufspreise abgestimmt worden. Von diesen Absprachen seien

 

eine Reihe von Lieferanten der Produktgruppe Molkereiprodukte (insbesondere Gebrüder Woerle Ges.m.b.H, Enzing 26, 5302 Henndorf, FN 68403v; Sennerei Zillertal, Hollenzen 116, 6290 Mayrhofen, FN 18722h; DIE KÄSEMACHER GmbH, Europastraße 5, 3902 Vitis, FN 237791v; Lactalis Deutschland GmbH, Am Yachthafen 2, 77694 Kehl/Rhein, HRB 371967, und Kärntnermilch reg. Gen.m.b.H., Villacher Straße 92, 9800 Spittal a.d. Drau, FN 111018m) bezüglich der Produktsegmente weiße, gelbe, bunte Palette und gelbe Fette,

 

eine Reihe von Lieferanten der Produktgruppe Fleisch- und Wurstprodukte (insbesondere Messner Ein- und Verkaufs GmbH, Hauptplatz 21, 8510 Stainz, FN 69592t; Fleischwaren Berger GesmbH & Co KG, Koglerstraße 8, 3443 Sieghartskirchen, FN 152245s, und Wiesbauer österreichische Wurstspezialitäten GmbH, Laxenburger Straße 256, 1230 Wien, FN 53963h) bezüglich der Produktsegmente Rind, Schwein, Kalb, Lamm, Faschiertes, Wurst- und Schinkenspezialitäten und Geflügel,

 

eine Reihe von Lieferanten der Produktgruppe Brauereiprodukte (insb Stieglbrauerei zu Salzburg GmbH, Kendlerstraße 1, 5017 Salzburg, FN 240455k/Stiegl Getränke & Service GmbH & Co KG, Kendlerstraße 1, 5017 Salzburg, FN 224544m; Vereinigte Kärntner Brauereien Aktiengesellschaft, Brauhausg. 6, 9500 Villach, FN 109734z, und Brauerei Hirt Gesellschaft m.b.H., Hirt 1, 9322 Micheldorf (Ktn.), FN 102692v) bezüglich der Produktsegmente Bier und Biermischgetränke sowie

 

eine Reihe von Lieferanten der Produktgruppe nichtalkoholische Getränke (insbesondere RAUCH Fruchtsäfte GmbH & Co OG, Langgasse 1, 6830 Rankweil, FN 200147i) bezüglich der Produktsegmente Mineralwasser, Direktsaft, Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat, Fruchtnektar, Fruchtsaftgetränke und Limonaden, betroffen gewesen.

 

Dieses Verhalten sei als vertikale Preisbindung und damit als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren und stelle eine Zuwiderhandlung gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 KartG dar. Durch dieses Verhalten sei das Marktverhalten der betroffenen Unternehmen erheblich beeinflusst worden. Ein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV bzw. § 2 KartG liege nicht vor.

 

     Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die Antragsgegnerin die Verkaufspreiserhöhungen nicht aktiv veranlasst, sondern deren Umsetzung verzögert und teilweise überhaupt verweigert habe. Soweit die Antragsgegnerin auf die Verkaufspreise ihrer Mitbewerber verwiesen habe, habe es sich hierbei in der Regel um eine Verzögerungsstrategie und eine Reaktion auf Preiserhöhungsaufforderungen durch Lieferanten gehandelt. Die Lieferanten hätten in ihren Interventionen regelmäßig auf die Druckausübung durch Mitbewerber der Antragsgegnerin als Begründung verwiesen, sodass insofern auch der Verschuldensgrad bei den Lieferanten herabgesetzt sei.

 

Der von der Antragsgegnerin im Geschäftsjahr 2013 erzielte Gesamtumsatz habe EUR 567,3 Mio. (Nettoumsatz) betragen. Hinsichtlich der Höhe der beantragten Geldbuße sei die Antragstellerin aufgrund der Schwierigkeit der Ermittlung eines „tatbezogenen Umsatzes“ von einem Ausgangsbetrag von EUR 300.000,00 ausgegangen. Vor dem Hintergrund der gegenüber Mitbewerbern deutlich herabgesetzten Schwere des Verstoßes, der geringen Marktanteile der Antragsgegnerin von 2,4 % am inländischen Markt und ihrer beschränkten Finanzkraft erscheine dieser Betrag ausreichend. Weiters müsse berücksichtigt werden, dass die Preisabstimmungsmaßnahmen im Interesse der Mitbewerber der Antragsgegnerin erfolgt seien und insofern bei der Antragsgegnerin keine Bereicherung vorgelegen sei. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50 %, für die Kooperation bei der Aufklärung, die passive Rolle der Antragsgegnerin, die Ausübung wirtschaftlichen Drucks durch Lieferanten und das gegenüber den Marktführern stark herabgesetzte Verschulden der Antragsgegnerin ein Nachlass von 30 % berechnet worden. Ein weiterer Nachlass von 20 % sei für die Reduktion des Verfahrensaufwandes durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung gewährt worden. Die Außerstreitstellung des Sachverhaltes als Beitrag zu dessen Ermittlung sei nämlich geldbußenmindernd zu berücksichtigen. Daher errechne sich ein Geldbußenbetrag von EUR 225.000,00.

 

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag der Antragstellerin an.

 

Die Antragsgegnerin stellte den von der Antragstellerin vorgebrachten Sachverhalt außer Streit, erstattete kein Vorbringen zu möglichen Rechtfertigungsgründen nach Art 101 Abs 3 AEUV oder § 2 KartG und sprach sich nicht gegen die Höhe der beantragten Geldbuße aus.

 

Außergerichtlich wurde von der Antragsgegnerin folgende Erklärung abgegeben, wobei deren Datum nicht feststellbar ist:

 

MPREIS Warenvertriebs GmbH hat gelegentlich neben den ausverhandelten Einkaufspreisen mit einigen Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels, auch Wiederverkaufspreisvorgaben derselben (sowohl für Kurant- als auch Aktionspreise), insbesondere in den Produktbereichen Molkereiprodukte, Brauereiprodukte, alkoholfreie Getränke und Wurst- und Fleischwaren bis in das Jahr 2012 abgestimmt.

 

Festzuhalten ist aber jedenfalls, dass die MPREIS Warenvertriebs GmbH eine durchgehend passive Rolle gespielt hat und von den vorgegebenen Verkaufspreisen häufig zu Gunsten der Konsumenten abgewichen ist. Insbesondere hat die MPREIS Warenvertriebs GmbH keine Preisabstimmungsmaßnahmen von sich aus veranlasst. Die MPREIS Warenvertriebs GmbH hat sich wiederholt gegen die Forderungen der Lieferanten, deren Preisvorgaben einzuhalten, zur Wehr gesetzt. Wegen der aggressiven Verkaufspreisgestaltung der MPREIS Warenvertriebs GmbH wurde von ihren Lieferanten – meist auf Drängen der Mitbewerber im Lebensmittelhandel – Druck ausgeübt, bestimmte Mindestpreise bei Aktionen nicht zu unterschreiten. Als Druckmittel wurden von Lieferanten Lieferbeschränkungen und Liefersperren angedroht und teils auch umgesetzt. Die Preisabstimmungsmaßnahmen erfolgten im Interesse ihrer Mitbewerber und zum Nachteil der MPREIS Warenvertriebs GmbH, insbesondere indem dadurch die Expansion der MPREIS Warenvertriebs GmbH in neue Regionen behindert wurde.

 

Die MPREIS Warenvertriebs GmbH nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten ungeachtet dessen als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG, für welche kein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 (3) AEUV bzw § 2 KartG vorliegt, gewertet wird, und erhebt keine Einwendungen gegen diese rechtliche Beurteilung. In diesem Zusammenhang hat diese ihre Einkaufsmitarbeiter ausdrücklich über die geltenden Vorgaben und Rahmenbedingungen des Kartellrechts aufgeklärt, um kartellrechtskonformes Verhalten sicherzustellen.“

 

Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellung und des zitierten Anerkenntnisses, die auch mit den weiteren von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen im Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

 

Dass es sich im vorliegenden Fall um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen handelte, wurde von der Antragsgegnerin nicht bestritten. Nach der Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 2 KartG 2005 werden vertikale Preisbindungen bewusst nur für einen ganz bestimmten Wirtschaftszweig vom Kartellverbot ausgenommen („Buchpreisbindung“).

 

Rechtfertigungsgründe nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw. § 2 KartG 2005 sind nicht erkennbar und wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

 

Die beantragte Höhe der Geldbuße, über die das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht hinausgehen kann, steht mit den Kriterien des § 30 KartG in Einklang. Bei der Bemessung der Höhe war neben der untergeordneten Rolle der Antragsgegnerin bei den Preisabstimmungen und der Drucksituation durch Mitbewerber im Lebensmitteleinzelhandel auch maßgeblich, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhaltes mitwirkte und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes außer Streit stellte.

 

    Die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Geldbuße entspricht rund 0,4% des Höchstbetrags nach § 29 Z 1 KartG 2005. Eine niedrigere Geldbuße kommt angesichts der Schwere und der Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht."

 


Ausdruck vom: 22.12.2024 07:29:58 MEZ