zur Navigation
Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 14/14


Bekannt gemacht am:

01.08.2014

Entscheidungsdatum:

08.05.2014


 

„Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 KartG 2005, nämlich wettbewerbswidriger Preisbindung mit dem Einzelhandel betreffend Brauereiprodukte im Zeitraum Anfang 2007 bis Ende 2011, gemäß § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 52.500,-- verhängt.

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße nach § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 in Höhe von EUR 52.500,--. Sie brachte im Wesentlichen vor, im Zeitraum Anfang 2007 bis Ende 2011 habe es wettbewerbswidrige vertikale Preisvereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und maßgeblichen Unternehmen des Einzelhandels hinsichtlich von Mindestpreisen/Kurant(verkaufs)preisen von Brauereiprodukten gegeben. Die Antragsgegnerin habe insbesondere wegen Änderungen der Einkaufspreise ein Interesse an der Umsetzung der Preisvereinbarungen gehabt. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin Handelsunternehmen über korrespondierende Verkaufspreisvereinbarungen mit konkurrierenden Handelsunternehmen informiert. Damit sei der kartellrechtswidrige Zweck des Verhaltens der Antragsgegnerin zusätzlich durch horizontale Absicherungselemente zwischen den Einzelhändlern verstärkt worden. Dieses Verhalten sei als Zuwiderhandlung gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 KartG zu werten. Ein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV bzw. § 2 KartG liege nicht vor.

Hinsichtlich der Höhe der beantragten Geldbuße sei die Antragstellerin auf Grund der Schwierigkeit, im vorliegenden Fall einen „tatbezogenen Umsatz“ zu ermitteln, von einem Ausgangsbetrag von EUR 50.000,-- ausgegangen. Der Gesamtumsatz der Antragsgegnerin im Jahr 2011 sei bei EUR 7,8 Mio inkl. Nicht-Brauereiprodukten gelegen. Davon seien EUR 2,37 Mio mit dem Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt worden. Die Antragstellerin sei von einem Grundbetrag von EUR 50.000,-- ausgegangen, der ihr vor dem Hintergrund der betroffenen Umsatzzahlen angemessen erschienen sei. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50% erfolgt, woraus sich ein Betrag von EUR 75.000,-- ergebe. Für die Kooperation bei der Aufklärung sei ein Nachlass von 10%, für die Reduktion des Verfahrensaufwands durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung ein solcher von 20% gewährt worden, da die Antragsgegnerin ein umfassendes Anerkenntnis abgegeben habe. Damit errechne sich ein Geldbußenbetrag von EUR 52.500,--.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin stellte den von der BWB vorgebrachten Sachverhalt außer Streit, erstattete kein Vorbringen zu möglichen Rechtfertigungsgründen nach Art 101 Abs 3 AEUV oder § 2 KartG und sprach sich nicht gegen die Höhe der beantragten Geldbuße aus. Außergerichtlich hatte sie am 18.9.2013 folgendes Anerkenntnis abgegeben:

Im Bereich des Vertriebs von Brauereiprodukten hat es von 2007 bis in das Jahr 2011 und teilweise davor neben den Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Preisbindungen zwischen der Braucommune in Freistadt und Unternehmen des Handels gegeben. Im Rahmen dieser vertikalen Preisabstimmungsmaßnahmen wurden zwischen der Braucommune in Freistadt und Unternehmen des Handels Kurantpreise und insbesondere Aktionspreise des Handels abgestimmt. Diese Wiederverkaufspreise wurden vom Handel in vielen Fällen auch umgesetzt.

Die Braucommune in Freistadt [...] nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG u werten ist und kein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 (3) AEUV bzw. § 2 KartG dafür vorliegt. In diesem Zusammenhang hat die Braucommune in Freistadt ihre Verkaufsmitarbeiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich zukünftig an Preisbindungen nicht beteiligen dürfen.

Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellung und des zitierten Anerkenntnisses, die auch mit den weiteren von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Unterlagen im Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

Das außer Streit gestellte Verhalten der Antragsgegnerin umfasst vertikale Vereinbarungen von Endverkaufspreisen für Brauereiprodukte mit einer Reihe von Handelsunternehmen, abgestimmte Verhaltensweisen betreffend Endkundenpreise und horizontale Informationen von Handelsunternehmen über korrespondierende Verkaufspreisvereinbarungen mit konkurrierenden Handelsunternehmen. Diese Verhaltensweisen sind geeignet, den intra-brand-Wettbewerb für die betroffenen Produkte zu beschränken. Sie stellen einen Kernverstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV bzw. § 1 KartG 2005 dar und sind grundsätzlich unabhängig von ihren Auswirkungen als dem Kartellverbot widersprechende bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zu qualifizieren.

Rechtfertigungsgründe nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw. § 2 KartG 2005 sind nicht erkennbar und wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Die beantragte Höhe der Geldbuße, über die das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht hinausgehen kann, steht mit den Kriterien des § 30 KartG in Einklang. Bei der Bemessung der Höhe war auch maßgeblich, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkte und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes außer Streit stellte.

Eine niedrigere Geldbuße als die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Summe, die 0,7% des Jahresumsatzes bzw. 6,7% des Höchstbetrags nach § 29 Z 1 KartG 2005 entspricht, kommt angesichts der Schwere und der Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.“


Ausdruck vom: 22.12.2024 07:21:54 MEZ