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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 140/13


Bekannt gemacht am:

11.03.2014

Entscheidungsdatum:

19.11.2013


 

Über die Antragsgegnerin wird wegen der verbotenen Durchführung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses im Zeitraum 12.4.2013 bis 20.8.2013, nämlich des Erwerbs sämtlicher Geschäftsanteile an der ECOPRESS a.s., Slowakei, durch die Antragsgegnerin, gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße von EUR 7.000,-- verhängt.

Begründung:

Die ECOPRESS a.s. ist Herausgeberin einer slowakischen Tageszeitung und hatte zum Jahresabschluss 2012 österreichweit rund EUR XXX, im Bereich der Europäischen Union rund EUR XXX und weltweit rund EUR 7,3 Mio Umsatz.

Die Antragsgegnerin ist die Dachgesellschaft einer tschechischen Unternehmensgruppe, die in den Bereichen Landwirtschaftsbedarf, landwirtschaftliche Erzeugnisse, landwirtschaftliche Handelswaren, Lebensmittelindustrie und in der chemischen Industrie tätig ist. In Österreich hat sie keine Tochtergesellschaft oder Niederlassung. Zum Jahresabschluss 2012 erzielte sie österreichweit einen Umsatz von EUR XXX, unionsweit von rund EUR XXX und weltweit von rund EUR 5,3 Mrd. Ihre Tochtergesellschaft AGV Media, Tschechien, ist seit April 2012 Herausgeberin der kostenfreien regionalen Wochenzeitung „5 plus 2“, die in der tschechischen Republik vertrieben wird, sowie Betreiberin des tschechisch-sprachigen Internetnachrichtenportals „www.5plus2.cz“. Ihre Einnahmen erzielt sie im Wesentlichen auf dem Werbemarkt.

Am 22.7.2013 wurde bei der Bundeswettbewerbsbehörde der am 12.4.2013 erfolgte Erwerb sämtlicher Anteile an ECOPRESS a.s. durch die Antragsgegnerin nachträglich zu BWB/Z-2083 angemeldet. Am 20.8.2013 fiel das Durchführungsverbot weg.

Dieser Sachverhalt ist nicht strittig.

Mit dem am 11.10.2013 beim Kartellgericht eingelangten Antrag beantragte die Antragstellerin die Verhängung einer Geldbuße von EUR 10.000,-- gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Sie brachte im Wesentlichen vor, entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung enthalte § 8 KartG für den Begriff des Medienzusammenschlusses keine weiteren, auf den Verbreitungsort der Medien abstellenden Kriterien. Daher komme die Multiplikatorregel nicht nur dann zur Anwendung, wenn sich ein Medienunternehmen an österreichische Rezipienten wende. Auch wenn die ECOPRESS a.s. ihre Umsätze in Österreich durch die Schaltung von Werbeanzeigen für österreichische Kunden in ihren in der Slowakei verbreiteten Medienerzeugnissen erziele, sei die Multiplikatorregelung des § 8 KartG im vorliegenden Fall anwendbar. Daher wäre der Zusammenschluss anmeldepflichtig gewesen. Die Durchführung des Zusammenschlussvorhabens ohne vorherige Freigabe durch die österreichischen Wettbewerbsbehörden im Zeitraum 12.4.2013 bis zum Wegfall des Durchführungsverbots am 20.8.2013 widerspreche der Bestimmung des § 17 Abs 1 KartG und verwirkliche den Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Die Höhe der Geldbuße richte sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls und überschreite die Spürbarkeitsgrenze. Dabei werde berücksichtigt, dass die Anmelderin durch die Anmeldung aus eigenem Antrieb an der Aufklärung mitgewirkt habe, die Dauer der Rechtsverletzung auf vier Monate beschränkt gewesen sei, das Verschulden auf Grund der besonderen Umstände des Falls als leicht zu qualifizieren sei und keine Bereicherung festgestellt werden habe können.

Der Bundeskartellanwalt gab innerhalb der eingeräumten Frist keine Äußerung ab.

Die Antragsgegnerin erhob gegen die Angaben im Geldbußenantrag keine Einwendungen und gestand die darin angeführten Fakten als richtig zu. Sie bestritt auch nicht die Durchführung des Zusammenschlusses mit 12.4.2013. Sie brachte vor, dass es auch bei Anwendung der Multiplikatorregelung des § 9 Abs 3 KartG auf die von ECOPRESS a.s. im Jahr 2012 mit österreichischen Kunden erzielte Umsätze zu keiner Überschreitung der Umsatzschwellenwerte des § 9 Abs 1 Z 3 und Abs 2 KartG käme. Der Umsatz von ECOPRESS a.s. mit österreichischen Kunden mache weniger als EUR XXX, multipliziert mit 200 also weniger als EUR XXX aus. Der sonstige weltweite Umsatz von ECOPRESS a.s. belaufe sich ohne Anwendung der Multiplikatorregelung auf EUR 7,3 Mio. Wenn man im Hinblick auf § 24 Abs 2 KartG nur die österreichischen Medienumsätze von ECOPRESS a.s. der Multiplikation unterwerfe, ergebe sich ein weltweiter Gesamtumsatz von unter EUR 10 Mio. Damit läge keine Anmeldepflicht vor. Überdies sei es für die tschechische Rechtsabteilung der Antragsgegnerin faktisch nicht möglich gewesen, die Anmeldepflicht in Österreich zu erkennen, obwohl sie ihrer Anmeldepflicht sonst vorbildlich nachkäme. Daher wäre es sachgerecht, entweder gänzlich von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen oder nur eine symbolische Geldbuße zu verhängen.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Ein Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf im Sinne des § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

A) kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Kommission anmeldepflichtig ist (Artikel 21 FKVO),

B) alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

C) die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und

D) der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat.

Zu A): Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung liegt hier nicht vor, da die Umsatzschwellen des Artikel 1 Abs 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr 139/2004 (EG-Fusionskontrollverordnung) nicht erreicht werden.

Zu B): Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio,

2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und

3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio.

                  Da im Jahr 2012 die Antragsgegnerin weltweit einen Umsatz von rund EUR 5,3 Mrd und die ECOPRESS a.s. weltweit einen Umsatz von EUR 7,3 Mio erzielten und sich der Umsatz der Antragsgegnerin in Österreich auf EUR XXX belief, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG bereits ohne Anwendung der Multiplikatorregel des § 9 Abs 3 KartG überschritten.

Zu C): Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.

Nach § 9 Abs 3 KartG ist bei der Anwendung des § 9 Abs 2 Z 2 KartG auf Medienzusammenschlüsse im Sinne des § 8 KartG der Umsatzerlös eines Medienunternehmens mit 200 zu multiplizieren. Diese Multiplikatorregel kommt nur bei der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 Z 2 KartG zur Anwendung, während es bei der 5 Mio-Umsatzschwelle der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 Z 1 KartG bei den regulären Umsatzerlösen der Beteiligten bleibt. Die Multiplikatorregel bezweckt, Zusammenschlüsse im Mediensektor zur Aufrechterhaltung der Medienvielfalt einer intensiveren Kontrolle zu unterstellen (Lukaschek in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 9 Rz 33 ff).

Die Antragsgegnerin erzielt im Inland einen Umsatz von mehr als EUR 5 Mio. Der ECOPRESS a.s. ist unter Anwendung der Multiplikatorregel ein weltweiter Umsatzerlös von EUR 7,3 Mio x 200 = EUR 1,460 Mio zuzurechnen. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG liegt daher nicht vor.

Zu D): Der Zusammenschluss hat eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG.

Nach dieser Bestimmung ist für die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf ausländische Sachverhalte erforderlich, dass sich der Sachverhalt tatsächlich im Inland auswirkt (dazu Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 9 Rz 10 ff). Aufgrund der Tatsache, dass die ECOPRESS a.s. in Österreich tätig ist, indem sie mit österreichischen Kunden Verträge zur Schaltung von Werbeanzeigen in ihren in der Slowakei verbreiteten Medienerzeugnissen abschließt, ist von einer unmittelbaren Auswirkung im Inland auszugehen. Durch den Zusammenschluss erfolgen nämlich marktwirksame Ressourcenzuwächse.

Soweit die AG meint, im Lichte des § 24 Abs 2 KartG seien für die Anwendung der Multiplikatorregel auf die Ausnahme nach § 29 Abs 2 Z 2 KartG nur die vom Zielunternehmen im Inland erwirtschafteten Medienumsätze heranzuziehen, widerspricht dies dem klaren Gesetzeswortlaut. Während § 24 Abs 2 KartG auf die Auswirkungen des Sachverhalts auf das Inland abstellt, ist nach § 9 Abs 2 Z 2 KartG gerade nicht der im Inland, sondern der weltweit erzielte Umsatz maßgeblich. Eine „teleologische Kombination“ dieser Bestimmungen kommt daher nicht in Frage.

Somit waren die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des Zusammenschlusses gegeben.

Die Antragsgegnerin hat für den Zeitraum vom 12.4.2013 bis 20.8.2013 gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG verstoßen. Daher war über sie hinsichtlich dieses Zeitraums gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.

Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

Die Dauer der Rechtsverletzung betrug nur wenige Monate, die erzielte Bereicherung war nicht nennenswert.

Zum Grad des Verschuldens ist anzuführen, dass von einem international tätigen Unternehmen Kenntnisse der Grundzüge des europäischen Fusionsrechts zu erwarten sind. Dazu zählt auch das Wissen, dass es für die Frage der Anmeldebedürftigkeit eines Zusammenschlussvorhabens im Bereich der Europäischen Union insbesondere auf die weltweit und in den einzelnen Mitgliedstaaten erzielten Umsätze ankommt (RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Größere, insbesondere grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen sind wegen der großen wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens nämlich strenger zu beurteilen. Daher kann nicht mit der Verhängung einer „quasi symbolischen“ Geldbuße das Auslangen gefunden werden, wie dies die Antragsgegnerin anstrebt. Die Geldbuße muss vielmehr eine solche Höhe erreichen, dass sie spürbar ist und zum Ausdruck bringt, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein Kavaliersdelikt ist (16 Ok 2/13).

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Unterlassung der Anmeldung des Zusammenschlusses im konkreten Fall als nur leicht fahrlässig zu qualifizieren ist, und eine Fahrlässigkeit dieses Grades auch einem ansonsten rechtstreuen Unternehmen passieren kann. Dazu kommt, dass die Bestimmungen der §§ 8 und 9 KartG im Zusammenhang mit der Anwendung der Multiplikatorregel für nicht ständig mit der österreichischen Gesetzeslage Vertraute nicht ganz einfach nachzuvollziehen sind.

In Abwägung der dargestellten Bemessungskriterien des § 30 KartG erscheint die Verhängung einer Geldbuße in Höhe des gesamten Jahresumsatzes der ECOPRESS a.s. in Österreich nicht erforderlich. Eine – geringfügig reduzierte – Geldbuße von EUR 7.000,-- ist angemessen, um die general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht zu berücksichtigen.“


Ausdruck vom: 29.03.2024 06:48:49 MEZ