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Berichtigte Fassung
Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 5/20t


Bekannt gemacht am:

24.06.2021

Entscheidungsdatum:

24.02.2021


Die im Beschluss vom 16.4.2014 zu 27 Kt 164, 165/13, 29 Kt 1, 2/14, zu Punkt III. erteilten Auflagen werden aufgehoben.

Begründung:

Die Antragstellerinnen meldeten mit Zusammenschluss-anmeldung vom 22.11.2013 bei der Bundeswettbewerbsbehörde den Erwerb von 1. bestimmten Frauenzeitschriften und regionalen Tageszeitungen und Anzeigenblättern der Zweit-antragstellerin sowie 2. Programmzeitschriften („BILD Woche“, „Funk Uhr“, „Hörzu“ einschließlich „Hörzu Wissen“, „TV Digital“ und „TV Neu“) einschließlich sämtlicher Online- und Mobilportale, Events und Lizenzrechte, sowie sämtlicher Anteile an der Axel Springer Digital TV Guide GmbH (TV-Empfehlungs- und Aufnahmeservice „Watchmi“) der Zweitantragstellerin durch die Erstantragstellerin an.

Von den Amtsparteien wurde die Prüfung beider Zusammenschlüsse beantragt. Die Verfahren 27 Kt 164, 165/13 und 29 Kt 1, 2/14 wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Beschluss vom 16.4.2014 zu 27 Kt 164, 165/13, 29 Kt 1, 2/14, wurden die Zusammenschlüsse unter der Voraussetzung der Erfüllung nachstehender Auflagen nicht untersagt:

III. Auflagen

1. Keine Einflussnahme durch die Erstantragsgegnerin (im Folgenden: Funke) auf die Verlagsgruppe News („VGN“)

1.1 Verwaltungstreuhänder für Angelegenheiten betreffend VGN

(i) Funke verpflichtet sich, einen unabhängigen Treuhänder („Verwaltungstreuhänder“) mit der Wahrnehmung sämtlicher, sich zugunsten Funkes aus der indirekten Beteiligung an der Verlagsgruppe News ergebenden Gesellschafterrechte zu bevollmächtigen und zu beauftragen. Dem Umfang nach erfasst das Mandat die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte bezüglich aller mit der Herausgabe und der Vermarktung von Publikumszeitschriften in der Verlagsgruppe News verbundenen Geschäftsbereiche („VGN-Geschäft“) unabhängig davon, in welchen juristischen Personen sie angesiedelt sind, also insbesondere in folgenden: Verlagsgruppe News GmbH (FN 183971x) samt 100%-Tochtergesellschaften, Kurier Verlag (FN 107826v), Kurier Magazine (FN 122482x), TOP Media Verlagsservice (FN 130804i); News+Still (eine atypische stille Gesellschaft zwischen der VGN als Inhaberin und den stillen Gesellschaftern Verlagsgruppe News Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG (FN 25493s) und der Kurier-Magazine (FN 122482x) gemäß Vertrag vom 29.3.2001), Communication Service Verlagsgesellschaft mbH (FN 120215m).

(ii) Als Verwaltungstreuhänder ist eine natürliche Person einzusetzen, die über die notwendigen wirtschaftlichen und juristischen Fähigkeiten verfügt. Personen mit einem besonderen wirtschaftlichen oder persönlichen Naheverhältnis zu Funke, VGN, Printmedien/Medicur oder zu einer mit den Genannten konzernmäßig verbundenen Gesellschaft sind von der Funktion des Verwaltungstreuhänders ausgeschlossen.

(iii) Der Verwaltungstreuhänder hat vor Übernahme dieser Funktion sich unter Vorlage geeigneter Unterlagen über seine bisherige Tätigkeit den Amtsparteien vorzustellen und schriftlich zu erklären, dass kein besonderes Naheverhältnis zu Funke, VGN und Printmedien/Medicur iSd Pkt 1.1 (ii) vorliegt.

(iv) Der zwischen Funke und dem Verwaltungstreuhänder über dessen Mandat abzuschließende Vertrag ist zeitlich auf vier Jahre zu befristen; eine Verlängerung des Mandats ist jedoch möglich. Der Mandatsvertrag hat die Bestimmungen dieser Auflage vollumfänglich umzusetzen und bedarf – sowohl bei erstmaligem Abschluss als auch bei allfälliger Verlängerung des Mandats - zur Rechtswirksamkeit der Zustimmung der Amtsparteien.

(v) Funke teilt den Mitgesellschaftern sämtlicher vom Mandat nach Pkt 1.1. (i) betroffenen juristischen Personen mit, dass der Verwaltungstreuhänder mit der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte von Funke bevollmächtigt und beauftragt wurde. Funke stellt sicher, dass die gesamte Kommunikation mit diesen Gesellschaftern und juristischen Personen betreffend das VGN-Geschäft künftig über den Verwaltungstreuhänder erfolgt. Funke übermittelt dem Verwaltungstreuhänder sämtliche Informationen, die dieser zur Wahrnehmung seiner Aufgabe benötigt.

(vi) Der Verwaltungstreuhänder ist jederzeit abzuberufen, wenn die Amtsparteien dies schriftlich unter Angabe begründeter Zweifel an der effektiven Umsetzung dieser Auflagen durch den Verwaltungstreuhänder fordern. Der Verwaltungstreuhänder kann auch von sich aus das Mandat beenden, hat dies jedoch zumindest drei Monate vor seinem Ausscheiden Funke sowie den Amtsparteien mitzuteilen, damit die Übergabe an einen Nachfolger vorbereitet werden kann.

1.2 Rechte und Pflichten des Verwaltungstreuhänders

(i) Der Verwaltungstreuhänder ist verpflichtet, die Gesellschafterrechte von Funke im Umfang seines Mandats gemäß Pkt 1.1 (i) wahrzunehmen. In dieser Funktion ist er - an Stelle von Funke - alleinige Ansprechperson, um die Rechte von Funke als indirekter Minderheitsgesellschafterin von VGN im Sinne eines unabhängigen Finanzinvestors im besten Interesse des VGN-Geschäfts auszuüben.

(ii) Der Verwaltungstreuhänder handelt im Interesse der Amtsparteien, um sicherzustellen, dass die gesellschaftsrechtliche Verbindung Funkes zur VGN auf das für den Investitionsschutz erforderliche und durch zwingende gesetzliche Rechte gebotene Maß beschränkt bleibt.

(iii) Kraft seines Mandats nimmt der Verwaltungstreuhänder an den Sitzungen sämtlicher Organe/Gremien juristischer Personen teil, die das zu Pkt 1.1. (i) definierte VGN-Geschäft betreffen, und übt dort Stimmrechte aus. Dabei obliegt ihm auch die (Mitwirkung bei der) Entscheidung über die Besetzung von Organen in den juristischen Personen des zu Pkt 1.1 (i) definierten VGN-Geschäfts. Nach Möglichkeit wird der Verwaltungstreuhänder an Sitzungen persönlich teilnehmen. Der Mandatsvertrag enthält eine umfassende Auflistung zu den Mitwirkungs- und Entscheidungsbefugnissen des Verwaltungstreuhänders im VGN-Geschäft. Im Falle der Verhinderung kann der Verwaltungstreuhänder fallweise zur Wahrnehmung seiner Aufgaben eine natürliche Person als Vertreter einsetzen. Personen mit einem besonderen wirtschaftlichen oder persönlichen Naheverhältnis zu Funke, VGN und Printmedien/Medicur sind von der Vertretung des Verwaltungstreuhänders ausgeschlossen.

(iv) Der Verwaltungstreuhänder ist an die syndikatsvertraglichen Regelungen zwischen Funke und Printmedien/Medicur gebunden. In diesem Rahmen bleibt er hinsichtlich seines Abstimmungsverhaltens autonom und dem Sachlichkeitsgebot verpflichtet.

(v) Der Verwaltungstreuhänder stellt im Interesse der Amtsparteien sicher, dass keine das VGN-Geschäft betreffenden, wettbewerbsrechtlich sensiblen Informationen (schriftlicher wie auch mündlicher Natur) an Funke gelangen. Das sind insbesondere zukunftsorientierte Informationen über Budget und Businessplan der VGN, alle Fragen zu der Geschäftsstrategie von VGN sowie vertrauliche Angelegenheiten und Geschäftsgeheimnisse über das Tagesgeschäft von VGN und die diesbezüglichen Protokolle der Sitzungen des Gesellschafterbeirats und der Generalversammlung der VGN. Zu diesem Zweck sorgt der Verwaltungstreuhänder insbesondere dafür, dass Vertreter von Funke bei der Erörterung von Angelegenheiten betreffend das VGN-Geschäft in den verschiedenen Gremien/Organen nicht anwesend sind und ergreift anlassbezogen auch darüber hinausgehende zweckmäßige Maßnahmen.

1.3 Berichts- und Konsultationspflichten des Verwaltungstreuhänders an Funke

(i) Ordentliche Berichts- und Konsultationspflicht: Die Berichtspflicht des Verwaltungstreuhänders gegenüber Funke beschränkt sich auf die Vorlage (A) des Jahresabschlusses samt Lagebericht der VGN, (B) des Vorschlags der Geschäftsführer der VGN für die Gewinnverteilung, (C) des Prüfberichts der VGN sowie (D) allfälliger weiterer Informationen, die für die bilanzmäßige oder steuerliche Berücksichtigung der Beteiligung an VGN auf Ebene der Kurier Verlag oder Funke notwendig oder zweckmäßig sind.

(ii) Außerordentliche Berichts- und Konsultationspflicht: Darüber hinaus hat der Verwaltungstreuhänder jederzeit auch dann Funke Bericht zu erstatten bzw zu konsultieren, wenn nach seiner Einschätzung der Wert der Minderheitsbeteiligung von Funke an VGN gefährdet oder dies aufgrund zwingender gesetzlicher Rechte geboten ist.

(iii) Der Verwaltungstreuhänder informiert und konsultiert Funke ausschließlich in dem zu Pkt 1.3. geregelten Umfang.

1.4 Berichtspflichten des Verwaltungstreuhänders an die Amtsparteien

(i) Der Verwaltungstreuhänder hat bis zum 31. März eines jeden Kalenderjahres gegenüber den Amtsparteien schriftlich Bericht über die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach dieser Auflage zu erstatten. Der Bericht hat über die Tätigkeit des Verwaltungstreuhänders im vorangegangenen Kalenderjahr zu berichten. Dabei ist insbesondere kurz einzugehen auf das VGN-Geschäft betreffende Entscheidungen des Verwaltungstreuhänders, wie oft und zu welchen Themen Bericht an und Konsultationen mit Funke erfolgten sowie auf allfällige Konfliktpotenziale bei der praktischen Umsetzung der Auflage. Dem Bericht ist auch eine Aufstellung über sämtliche Sitzungen anzuschließen, an denen der Verwaltungstreuhänder oder der von ihm eingesetzte Vertreter teilgenommen hat.

(ii) Die anlassbezogene Berichterstattung über eine allfällige Ausübung der außerordentlichen Berichts- und Konsultationspflicht enthält eine detaillierte Beschreibung der diesbezüglich gegenüber Funke offengelegten Informationen/Unterlagen, allfälliger die Stimmrechtsausübung betreffende Weisungen Funkes sowie der konkreten Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch den Verwaltungstreuhänder.

(iii) Der Verwaltungstreuhänder ist verpflichtet, (A) die Teilnahme an Sitzungen in Ausübung des Mandats gemäß Pkt 1.1 (i) zu protokollieren sowie (B) sämtliche ihm im Rahmen der Ausübung seiner Funktion zugegangenen Unterlagen und die entsprechenden Protokolle für eine Dauer von fünf Jahren aufzubewahren und auf Verlangen der Amtsparteien diesen gegenüber offenzulegen.

1.5 Übergangsbestimmungen

(i) Die Frist zur Umsetzung der Auflage gemäß Pkt 1.1 bis 1.4 beträgt drei Monate ab Rechtskraft der Entscheidung des Kartellgerichts.

(ii) Im Falle der Veräußerung der indirekt von Funke gehaltenen Beteiligung an VGN an ein konzernfremdes Unternehmen treten die Beschränkungen gemäß Pkt 1.1 bis 1.4 sowie Pkt 2 mit dem Übergang der Gesellschafterrechte auf den Dritten außer Kraft.

2. Keine anderweitige Informationsbeschaffung durch Funke

Funke sorgt dafür, dass ihre Mitarbeiter, Organwalter und Eigentümervertreter es unterlassen, über (beispielsweise) Dritte, Mitarbeiter oder Mitgesellschafter von VGN an über die in Pkt 1.3 geregelten Informationen hinausgehende nicht-öffentliche Informationen betreffend das VGN-Geschäft zu gelangen.

3. Anzeigenvermarktung

(i) Funke und die Zweitantragsgegnerin (im Folgenden: Axel Springer) unterlassen jede Form der gebündelten internationalen Vermarktung (wie nachfolgend definiert) von Anzeigen in Publikumszeitschriften von Funke und Axel Springer, die in Österreich verbreitet werden.

Als gebündelte Vermarktung iSd Auflage gilt jede Anzeigenvermarktung gegenüber Werbekunden und Agenturen, die darauf abzielt, gleichzeitig Werbebuchungen in mehreren Publikumszeitschriften zu organisieren. Bündelvermarktung kann in bestimmten fixen Bündelangeboten, aber auch in individuellen Bündelangeboten an einzelne Kunden erfolgen.

Als internationale Vermarktung iSd Auflage gilt einerseits (A) die Vermarktung österreichischer Reichweiten der Publikumszeitschriften von Funke und Axel Springer (durch zusätzliche, gesonderte Entgeltleistungen für die Verbreitung in Österreich), und andererseits (B) die Vermarktung von sog Teilbelegungen, dh Werbebuchungen, die nur den nach Österreich exportierten Publikumszeitschriften von Funke und Axel Springer beigelegt/beigeheftet werden. Die Vermarktung iSd vorstehenden Satzes ist eine internationale, weil sie sich auf den österreichischen Werbemarkt bezieht, aber vom Ausland aus vermittelt/vereinbart wird oder weil sie für Werbekunden erfolgt, die nicht in Österreich ansässig sind.

(ii) Funke und Axel Springer stellen jeweils sicher, dass eine gebündelte internationale Vermarktung von Anzeigen in Publikumszeitschriften von Funke und Axel Springer auch nicht durch Dritte (Medienagenturen, Vermittler, Vermarkter etc) vorgenommen wird. Dies wird dadurch sichergestellt, dass (A) Dritten die Vermarktung nur unter dem Vorbehalt des Verbots der gebündelten internationalen Vermarktung iSd Pkt 3 (i) gestattet wird, (B) allfällige - vertragswidrige - Buchungen auch nicht vorgenommen werden und (C) dass Funke und Axel Springer solche Rechtsverstöße auch konsequent verfolgen.

(iii) Funke und Axel Springer werden insbesondere auch nicht die internationale Vermarktung von Titeln der VGN oder von Mediaprint übernehmen.

4. Sicherstellung der Medienvielfalt

(i) Funke verpflichtet sich, in der Österreich-Ausgabe der Programmzeitschrift „TV Digital“ („TV Digital Österreich“) dafür Sorge zu tragen, dass der Programmteil von „TV Digital Österreich“ unabhängig von Produkten der VGN und Mediaprint hergestellt wird, damit sichergestellt ist, dass sich diese inhaltlich unterscheiden; sofern „TV Digital Österreich“ Senderdaten von einem marktüblichen Programmdienstleister bezieht, wird sich „TV Digital Österreich“ auf ein Mindestmaß an Rohdaten (i.e. Uhrzeit, Sendungstitel, Mitwirkende, Laufzeit, Genre, Sonderzeichen, Untertitel und andere deskriptive Inhalte) beschränken und diese Rohdaten durch eigene Redakteure aufbereiten und ergänzen lassen.

(ii) Funke stellt sicher, dass „TV Digital Österreich“ unter folgenden Voraussetzungen österreichische TV-Sender einschließlich Regionalsender mit eigenen, nicht bloß kommerziellen Inhalten im Listing erfasst:

(a) der TV-Sender sendet zumindest 20 Stunden selbst produziertes Programm als Erstausstrahlung pro Woche,

(b) der Programmablauf und die Programminformation werden bis zum Redaktionsschluss von „TV Digital Österreich“ (i.e. in der Regel 5 Wochen vor Ausstrahlung der letzten im Programmlisting aufzuführenden Sendung) vom Sender verfügbar gemacht.

(iii) Funke stellt sicher, dass „TV Digital Österreich“ unter folgenden Voraussetzungen die Existenz von österreichischen TV-Sendern einschließlich Regionalsendern mit eigenen, nicht bloß kommerziellen Inhalten mit einem Hinweis auf weitere Informationsmöglichkeiten im Online-Auftritt von „TV Digital Österreich“ an zwei separaten Stellen in der österreichischen Printausgabe aufzählt.

(a) der TV-Sender sendet zumindest 5 Stunden selbst produziertes Programm als Erstausstrahlung pro Woche,

(b) der Programmablauf und die Programminformation werden rechtzeitig vom Sender verfügbar gemacht.

(iv) Als „österreichische TV-Sender“ iSd Auflage gelten TV-Sender, die Österreich-spezifische Inhalte produzieren und verbreiten. TV-Sender, die bloß über ein österreichisches Werbefenster verfügen, sind von dieser Auflage somit nicht erfasst.

Als „selbst produziertes Programm“ iSd Auflage sind im Zweifelsfall insbesondere Sendungen zu verstehen, die den Kriterien gemäß Pkt 2.1.10 der Richtlinien des Fonds zur Förderung des Privaten Rundfunks (PRRF) [siehe https://www.rtr.at/de/foe/RichtlinienPRRF_Fonds (Stand 16.4.2014)] entsprechen würden.

5. Berichtspflicht

(i) Funke hat bis zum 31. März eines jeden Kalenderjahres gegenüber den Amtsparteien schriftlich Bericht über die Umsetzung der Auflagen (dh der Funke betreffenden Verpflichtungen gem Pkt 2, 3 und 4) und über allfällige im Kontext relevante Entwicklungen betreffend Anzeigenvermarktung sowie Sicherstellung der Medienvielfalt im vorangegangenen Kalenderjahr zu erstatten.

(ii) Axel Springer hat bis zum 31. März eines jeden Kalenderjahres gegenüber den Amtsparteien schriftlich über die Umsetzung der Auflagen (dh der Axel Springer betreffenden Verpflichtungen gemäß Pkt 3) und über allfällige im Kontext relevante Entwicklungen betreffend Anzeigenvermarktung im vorangegangenen Kalenderjahr zu berichten.

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Mit dem am 21.12.2020 zu 27 Kt 5/20t eingebrachten Schriftsatz beantragte die Erstantragstellerin, diese Auflagen ab sofort aufzuheben. Dazu wurde vorgebracht, maßgeblich für alle Auflagenpunkte sei die Tatsache gewesen, dass die Erstantragstellerin zum Zeitpunkt der Zusammenschlüsse gemeinsam mit der Medicur-Holding GmbH über die Kurier Magazine GmbH eine nicht kontrollierende Minderheitsbeteiligung von 25,3% an der Verlagsgruppe NEWS („VGN“) gehalten habe. VGN habe (über die Zeitschrift „Women“) über namhafte Beteiligungen im Bereich der Frauenzeitschriften und (über die Zeitschrift „TV Media“) über namhafte Beteiligungen im Bereich der Programmzeitschriften verfügt. Auf Grund einer möglichen Koordinierung bzw. eines möglichen Informationsaustausches zwischen der Erstantragstellerin und VGN hätten die Amtsparteien Bedenken gehabt, dass die angemeldeten Zusammenschlüsse die Marktposition der Erstantragstellerin auf mehreren möglichen Leser- und Anzeigenmärkten verstärken könnten und dies zu einer Absicherung oder Verstärkung von Marktmacht von VGN bzw. der Erstantragstellerin und VGN gemeinsam führen könnte. Daher sollten der denkmögliche Einfluss der Erstantragstellerin auf VGN und der Informationsfluss zwischen diesen Unternehmen über die Auflagen begrenzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sei in den Auflagen ein unabhängiger Verwaltungstreuhänder zur Wahrnehmung sämtlicher Gesellschafterrechte, die sich aus der Beteiligung der Erstantragsgegnerin an VGN ergeben hätten, beauftragt worden. Darüber hinaus sei die Verpflichtung der Erstantragstellerin vorgesehen gewesen, jede anderweitige Informationsbeschaffung bei VGN zu unterlassen.

Die Antragstellerinnen hätten bereits mit dem Erwerb der genannten Frauen- und Programmzeitschriften auch eine gemeinsame Kooperation in der Vermarktung von (ua) Publikumszeitschriften über die Axel Springer Media Impact GmbH & Co KG („ASMI“), die von der Zweitantragstellerin kontrolliert werde, geplant. Die Amtsparteien hätten darin nicht zuletzt auf Grund der mittelbaren Beteiligung der Erstantragstellerin an VGN und deren starker Position am Anzeigenmarkt für Publikumszeitschriften die Gefahr einer „internationalen Bündel-Vermarktung“ gesehen, die dazu führen könnte, dass international tätige Werbekunden Werbeschaltungen nicht mehr oder in vermindertem Ausmaß bei rein österreichischen Medien, sondern direkt beim internationalen Vermarkter vornehmen würden. Nach Ansicht der Amtsparteien hätten so unter Umständen Anzeigenumsätze vom österreichischen Anzeigenmarkt abgezogen und die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Titel beeinträchtigt werden können. Daher sei in Punkt 3. der Auflagen die Verpflichtung aufgenommen worden, dass die Antragstellerinnen jede Form der gebündelten internationalen Vermarktung unterlassen und jeweils sicherstellen müssten, dass eine gebündelte internationale Vermarktung von Anzeigen auch nicht durch Dritte erfolge.

In der Folge habe sich die Erstantragstellerin wie geplant mit einer nicht kontrollierenden Minderheitsbeteiligung von 25,1% an ASMI sowie deren Komplementärin beteiligt (seither Media Impact GmbH & Co KG). Die Freigabe dieses Erwerbsvorgangs durch die Amtsparteien sei 2015 nach Abgabe einer Verpflichtungserklärung ohne Einleitung eines kartellgerichtlichen Verfahrens erfolgt. Mit der Verpflichtungserklärung sei im Kern das Verbot der gebündelten internationalen Vermarktung aus Punkt 3. der kartellgerichtlichen Auflagen auf die Media Impact GmbH & Co KG, die tatsächlich die Vermarktungsleistungen erbringe, überbunden worden. Zu einer inhaltlichen Änderung der kartellgerichtlichen Auflagen sei es durch die Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht gekommen.

Im Zusammenhang mit der Übernahme der Programmzeitschriften habe das Kartellgericht festgestellt, dass es am österreichischen Lesermarkt für Programmzeitschriften die beiden Marktführer „TV Media“ und „TV Digital“ gebe. TV Media sei eine Programmzeitschrift der VGN, an der die Erstantragstellerin zum damaligen Zeitpunkt noch über ihre Beteiligung an der VGN mittelbar beteiligt gewesen sei. TV Digital sei im Rahmen des Zusammenschlussverfahrens von der Erstantragstellerin erworben worden. Bei einer Zusammenschau von TV Media und TV Digital sei nur eine geringe Zahl an TV-Zeitschriften am österreichischen Markt verblieben. Daher sollte mit Punkt 4. der Auflagen sichergestellt werden, dass TV Digital nach Vollzug des Zusammenschlusses wie auch zuvor von einer eigenständigen Redaktion erstellt werde. Daher habe nach Punkt 4. der Auflagen der Programmteil von TV Digital in der Österreich-Ausgabe unabhängig von Produkten der VGN und Mediaprint, an der die Erstantragstellerin ebenfalls beteiligt sei, hergestellt werden müssen. TV Digital Österreich sollte außerdem ein Mindestmaß an österreichischen Sendern im Listing erfassen und diese Sender entsprechend im Online-Auftritt aufzählen.

Mit Beschluss des Firmenbuchgerichts sei die Kurier Magazine GmbH (FN 122482x) als 25,3%-ige Gesellschafterin der Verlagsgruppe NEWS GmbH (FN 183971x) und der TOP Media Verlagsservice GmbH (FN 130804i). Daher habe die Kurier Magazine GmbH und damit mittelbar die Erstantragstellerin rechtskräftig keine Gesellschafterstellung in der VGN mehr.

Die Punkte 1.1 bis 1.4 sowie Punkt 2. der Auflagen seien durch die Veräußerung der Beteiligung der Erstantragstellerin an der VGN an ein konzernfremdes Unternehmen im Sinne von Punkt 1.5 (ii) außer Kraft getreten.

Die Vermarktungskooperation zwischen den Antragstellerinnen über die Media Impact GmbH & Co KG sei inzwischen beendet worden. Die Erstantragstellerin habe per 31.8.2020 ihre 25,1% Beteiligung an der Media Impact GmbH & Co KG an die Zweitantragstellerin rückübertragen. Damit sei die gesellschaftsrechtlich verankerte Vermarktungskooperation, auf die sich Punkt 3. der Auflagen bezogen habe, aufgelöst worden. Die Vermarktung der Printausgaben der Publikumszeitschriften der Erstantragstellerin sei inzwischen im Wesentlichen auf die hauseigene Vermarktungseinheit „FUNKE MediaSales National“ überführt worden. Damit fehle für die Beibehaltung eines Verbots der „gebündelten internationalen Vermarktung“, wie in Punkt 3. der Auflagen vorgesehen, spätestens seit 31.8.2020 die Grundlage.

Seit dem Verlust der Gesellschafterstellung der Erstantragstellerin an der VGN und somit mittelbar an dem Titel „TV Media“ bestehe auch keine Notwendigkeit mehr, eine redaktionelle Trennung von „TV Digital Österreich“ und Produkten der VGN und Mediaprint sicherzustellen. Damit sei die Grundlage für Punkt 4. der Auflagen entfallen.

Die Aufhebung sämtlicher Punkte der Auflagen sei iSd § 12 Abs 3 letzter Satz KartG daher gerechtfertigt.

Die Zweitantragstellerin beantragte zu 27 Kt 6/20i die Aufhebung der Punkte 3. und 5. der Auflagen und brachte dazu vor, sie sei durch Punkt 3. „Anzeigenvermarktung“ und durch Punkt 5. „Berichtspflicht“, nicht aber durch die übrigen Punkte der Auflagen betroffen. Auf Grund der – von der Erstantragstellerin bereits detailliert vorgebrachten – Änderung der maßgeblichen Umstände, nämlich des Wegfalls der gesellschaftsrechtlichen Verbindung von VGN und der Erstantragstellerin sowie der Rückübertragung der 25,1% Beteiligung der Erstantragstellerin an der Media Impact GmbH & Co KG an die Zweitantragstellerin, seien die rechtlichen Voraussetzungen für die Auflagen laut Beschluss des Kartellgerichts vom 16.4.2014 weggefallen.

Beide Amtsparteien erklärten, dass der beantragten Aufhebung der Auflagen iSd § 12 Abs 3 KartG aus den von den Antragstellerinnen dargestellten Gründen ausdrücklich zugestimmt werde. Das Antragsvorbringen, wonach sich die Umstände in der dort geschilderten Form geändert hätten, bestritten die Amtsparteien nicht. Der den Anträgen zugrundeliegende Sachverhalt steht damit außer Streit und ergibt sich darüber hinaus aus den vorgelegten Beilagen ./A - ./C und ./a - ./b.

Mit Beschluss des Kartellgerichts vom 22.12.2020 wurden die Verfahren 27 Kt 5/20t und 27 Kt 6/20i zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (ON 2).

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von sämtlichen Parteien verzichtet.

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 12 Abs 3 2.Satz KartG kann das Kartellgericht auf Antrag eines am Zusammenschluss beteiligten Unternehmens die mit der Nichtuntersagung eines Zusammenschlusses verbundenen Beschränkungen und Auflagen ändern oder aufheben, wenn sich nach ihrem Ausspruch die maßgeblichen Umstände ändern.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die mittelbare Gesellschafterstellung der Erstantragstellerin an VGN inzwischen rechtskräftig weggefallen ist und diese – wie von den Parteien zutreffend ausgeführt - für sämtliche Auflagenpunkte maßgeblich war. Dazu kommt der gesellschaftsrechtliche Ausstieg der Erstantragstellerin aus der Media Impact GmbH & Co KG durch die Rückübertragung der von der Erstantragstellerin an der Media Impact GmbH & Co KG gehaltenen Anteile von 25,1% an die Zweitantragstellerin in Verbindung mit der wieder „inhouse“ übernommenen Vermarktung der Printausgaben der Publikumszeitschriften. Diese Umstände rechtfertigen zusätzlich als maßgebliche Änderung eine Aufhebung der Auflagen in Bezug auf Punkt 3..

Gemäß § 12 Abs 3 KartG war daher antragsgemäß zu entscheiden.“


 



Bekannt gemacht am 24.06.2021

Änderung

Beteiligte von Funke Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Axel Springer SE, Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt auf Funke Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Axel Springer SE, Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt, ebenso 27 Kt 6/20i geändert.


Bekannt gemacht am 24.06.2021

Änderung

Beteiligte von Funke Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Axel Springer SE, Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt, ebenso 27 Kt 6/20i auf Funke Mediengruppe GmbH & Co KGaA, Axel Springer SE, ebenso 27 Kt 6/20i geändert.


Ausdruck vom: 27.04.2024 23:28:30 MESZ