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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

29 Kt 15/14


Bekannt gemacht am:

26.08.2014

Entscheidungsdatum:

08.05.2014


"Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005, nämlich vertikaler Preisabstimmungen mit dem Einzelhandel sowie horizontaler Preisabstimmungen mit anderen Produzenten im Bereich von Dämmstoffprodukten im Zeitraum Anfang 2006 bis Ende 2011, gem § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 290.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen des Kartellverbot des Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005, nämlich vertikaler Preisabstimmungen mit dem Einzelhandel sowie horizontaler Preisabstimmungen mit anderen Dämmstoffproduzenten, eine Geldbuße von EUR 290.000,-- zu verhängen.

Dazu erstattete sie zusammengefasst folgendes Tatsachenvorbringen:

Die Antragsgegnerin sei im genannten Zeitraum an komplexen Kartellrechtsverstößen im Vertrieb von Dämmstoffen beteiligt gewesen, die sowohl vertikale als auch horizontale Elemente beinhaltet hätten. Es sei nicht nur zur Abstimmung von Endkundenpreisen mit dem Handel gekommen, vielmehr sei durch Übersendung von Preislisten bzw Ankündigungsschreiben über bevorstehende Preiserhöhungen zwischen den Wettbewerbern auch versucht worden, die Preissetzung der Wettbewerber zu beeinflussen. Zweck dieser Schreiben sei neben der Preisabstimmung auch gewesen, den anderen Produzenten zu signalisieren, dass man sich an die Preisvereinbarungen halten werde.

In rechtlicher Hinsicht führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, die von der Antragsgegnerin mitgetragenen, sich auf das gesamte österreichische Bundesgebiet erstreckenden und auf eine vertikale und horizontale Preisabstimmung des Endkundenmarkts gerichteten Verhaltensweisen erfüllten den Tatbestand des Art 101 AEUV. Es handle sich um eine fortdauernde Zuwiderhandlung in Bezug auf den Absatz von Dämmstoffprodukten mit ein und demselben Gesamtziel. Da eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliege, müsse deren tatsächliche Auswirkung im Markt nicht nachgewiesen werden. Als Verstoß gegen eine sogenannte "Kernbeschränkung" mit direktem Einfluss auf den Preiswettbewerb sei die Zuwiderhandlung als schwer und besonders bedenklich anzusehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach Art 101 Abs 3 AEUV lägen nicht vor.

Zur Höhe der Geldbuße führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, mit Blick auf die betroffenen Umsätze und die Schwere des Verstoßes werde von einem Grundbetrag von EUR 500.000,-- ausgegangen, der auch in einem Verhältnis zu den bisherigen Geldbußen im Dämmstoffbereich stehe. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50% vorzunehmen, was zu einem Betrag von EUR 750.000,-- führe. Davon seien Nachlässe von 30% für die weitgehende Kooperation bei der Aufklärung, von 20% für die Reduktion des Verfahrensaufwandes durch Abgabe eines umfassenden Anerkenntnises sowie von 10% für [...] einzuräumen. Von dem sich daraus ergebenden Betrag von EUR 300.000,-- sei ein Nachlass von EUR 10.000,-- für die Vorlage von Unterlagen betreffend einen nach der Hausdurchsuchung vorgefallenen kartellrechtlich relevanten Vorgang zu gewähren.

Die Antragsgegnerin gab den Gesamtumsatz ihrer in Österreich tätigen Konzernunternehmen mit etwa EUR [Größenklasse 9,68 bis 38,5 Mio] bekannt. Weiters stellte sie den von der Bundeswettbewerbsbehörde behaupteten Sachverhalt außer Streit, wobei sie außergerichtlich folgendes Anerkenntnis abgegeben hatte, auf welches sie auch im Gerichtsverfahren verwies:

"Im Bereich des Vertriebs von Dämmstoffprodukten hat es im Zeitraum von 2006 bis 2011 vertikale Absprachen zwischen Herstellern und dem Baustoffhandel gegeben. Die beteiligten Hersteller haben einzelnen Händlern zu verstehen gegegen (kommuniziert), welche Endkundenpreise erwartet werden. Zudem ist es in einigen Fällen auch zur Abstimmung von Preislisten und damit verbundenen Preisen mit anderen Dämmstoffproduzenten gekommen. An diesen Verhaltensweisen war auch swisspor beteiligt, wenn auch mit – im Vergleich zu den übrigen beteiligten Unternehmen, insbesondere [...] – bloß untergeordneter Bedeutung.

swisspor nimmt zur Kenntnis, dass die in diesem Anerkenntnis beschriebenen Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG zu werten sind und für diese Verhaltensweisen kein Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG vorliegt. In diesem Zusammenhang hat swisspor ihre Vertriebsmitarbeiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich zukünftig an derartigen Maßnahmen nicht beteiligen dürfen."

Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellung und dieses Anerkenntnisses, das auch mit den weiteren von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht ist der Bundeswettbewerbsbehörde zuzustimmen, dass die vorliegenden vertikalen und horizontalen Preisabstimmungsmaßnahmen zur Koordinierung des Niveaus der Endkundenpreise der betroffenen Produkte bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen und sogar "Kernverstöße" gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005 darstellen. Ebenso ist der Bundeswettbewerbsbehörde zuzustimmen, dass die einzelnen Preisabstimmungen infolge der einheitlichen Zielsetzung der komplexen Maßnahmen als fortgesetzte Zuwiderhandlung zu qualifizieren sind, sodass sich die Frage der Verjährung von mehr als fünf Jahre vor Antragstellung vorgefallener Tathandlungen nicht stellt.

Ein Rechtfertigungsgrund nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG 2005 wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar.

Eine Prüfung, ob die beantragte Geldbuße zu niedrig sein könnte, erübrigt sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Auch eine niedrigere Geldbuße ist nicht in Erwägung zu ziehen. Die Kooperation der Antragsgegnerin bei der Aufklärung der Verstöße und die Reduktion des Aufwandes der Wettbewerbsbehörden durch die Außerstreitstellung des Sachverhalts sowie [...] hat die Bundeswettbewerbsbehörde bereits berücksichtigt. Zwar ist nach § 30 KartG 2005 bei der Bemessung der Geldbuße auch die eingetretene Bereicherung zu berücksichtigen. Ob durch die Preisabstimmungsmaßnahmen eine solche Bereicherung der Antragsgegnerin eingetreten ist, kann hier aber ebenso ungeklärt bleiben wie ihre Behauptung, sie sei an den Preisabstimmungsmaßnahmen nur in untergeordneter Rolle beteiligt gewesen. Selbst im zutreffenden Fall kommt nämlich eine niedrigere Geldbuße als die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Summe, die etwa [...] des Jahresumsatzes nur der in Österreich tätigen Konzerngesellschaften (ohne Berücksichtigung des für den Höchstbetrag nach § 29 Z 1 KartG entscheidenden weltweiten Konzernumsatzes) entspricht, angesichts der Schwere und der Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 08.12.2024 04:05:10 MEZ