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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 5/23g


Bekannt gemacht am:

03.05.2024

Entscheidungsdatum:

25.01.2024


 „Über die Granit Holding GmbH, FN 58036y, wird gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG wegen verbotener Durchführung im Zeitraum zwischen 01.04.2023 bis 13.05.2023 betreffend den am 14.04.2023 zu BWB/Z-6246 angemeldeten Zusammenschluss in Form der Übernahme aller angemeldeten Mitarbeiter:innen und Fortführung aller fertigzustellender Bauvorhaben der Stvarnik Bau Gesellschaft m.b.H., FN 79337y (seit 6.4.2023 unfirmiert in SIG Bau GmbH) durch die Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin GS Bau GmbH (seit 18.4.2023 umfirmiert auf Stvarnik Bau Gesellschaft m.b.H., FN 601063t), eine Geldbuße in der Höhe von EUR 28.000, -- verhängt.
 
 
Begründung:
Die Bundeswettbewerbsbehörde (in der Folge BWB) stellte am 12.10.2023 den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße in der Höhe von EUR 28.000,-- zu verhängen und begründete dies damit, dass die Antragsgegnerin am 14.04.2023 nachträglich die Übernahme der Mitarbeiter:innen vom Unternehmen Stvarnik Bau Gesellschaft m.b.H., FN 79337y (Stvarnik ALT oder Zielunternehmens) durch die GS Bau GmbH, einem Tochterunternehmen der Antragsgegnerin anmeldete.
Mangels Stellung eines Prüfungsantrages durch die Amtsparteien sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 13.05.2023 weggefallen.
Die beteiligten Unternehmen haben die gem § 9 KartG relevanten Umsatzschwellen überschritten, weshalb das Zusammenschlussvorhaben nach dem KartG anmeldepflichtig gewesen sei und erst nach Freigabe hätte durchgeführt werden dürfen.
Bei der Höhe der beantragten Geldbuße seien mildernd die Kooperation mit der BWB und das abgegebene Anerkenntnis zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe lägen keine vor.
Die Antragsgegnerin sei ein großes, österreichisches Bauunternehmen, das Kenntnisse der Grundzüge des österreichischen Fusionsrechts aufzuweisen habe, weshalb der Antragsgegnerin die schuldhafte Verletzung des Durchführungsverbots vorzuwerfen sei.
Die Antragsgegnerin stellte das Antragsvorbringen inklusive das in der Verhandlung am 25.1.2024 modifizierte Vorbringen der BWB außer Streit.
 
Folgender Sachverhalt steht außer Streit:
 
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein großes Bauunternehmen, welches in den Bereichen Hochbau, Tiefbau, Industriebau, Generalunternehmer und Bauträger, sowie in der Immobilienverwaltung schwerpunktmäßig in Österreich tätig ist.
Die Antragsgegnerin hält 85% der Anteile an der am 15. März 2023 gegründeten GS Bau GmbH, FN 58036y, welche am 18.04.2023 in Stvarnik Bau-Gesellschaft m.b.H., FN 601063t, (in der Folge Stvarnik NEU) umfirmiert wurde.
Am 1.4.2023 übernahm die GS Bau GmbH, FN 58036y alle angemeldeten Mitarbeiter:innender Stvarnik Bau Gesellschaft m.b.H., FN 79337y (Stvarnik ALT oder Zielunternehmen), die im 100%igen Eigentum von Ing. Michael Stvarnik steht. Die GS Bau GmbH stellte anschließend entweder das übernommene Personal mit den Schlüsselarbeitskräften für die fertigzustellenden Bauvorhaben der Stvarnik ALT bereitoder handelte als Subunternehmerin der Stvarnik ALT oder stieg in die laufenden Bauvorhaben als Vertragspartnerin ein.
Das Stvarnik ALT war vor allem im Bereich Planung von Kleinwohnhäusern, landwirtschaftlichen Bauwerken und Industriebauten aktiv. Daneben führte es einen Baustoffhandel mit Grundbaustoffen.
Durch die Übernahme der Mitarbeiter:innen und Fertigstellung aller Bauaufträge der Stvarnik ALT durch die Stvarnik NEU trat diese in die Marktposition des Zielunternehmens ein.
Die Umsätze der Erwerberin und des Zielunternehmens beliefen sich im Geschäftsjahr 2022 auf:
 
 
Granit Holding GmbH,
FN 58036y
Stvarnik Bau Gesellschaft m.b.H., FN 79337y
weltweit
EUR 561,9 Mio
EUR 9,6 Mio
österreichweit
EUR 561,3 Mio
EUR 9,6 Mio
 
Am 14.04.2023 wurde das obenbeschriebene Zusammenschlussvorhaben zu BWB/Z-6246 bei der BWB angemeldet.
Da die Amtsparteien innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag iSd § 11 KartG gestellt haben, fiel das Durchführungsverbot mit 13.05.2023 weg.
Beweiswürdigung:
Da gegen die Richtigkeit der außer Streit gestellten Tatsachen, die auch mit dem Inhalt der Zusammenschlussanmeldung und den übrigen vorgelegten Urkunden im Einklang sind, keine Bedenken bestehen, waren gemäß § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
In rechtlicher Hinsicht erfüllt der in Prüfung stehende Zusammenschluss infolge Erwerbs sämtlicher fertigzustellender Bauvorhaben sowie Mitarbeiter:innen des Zielunternehmens durch die Antragsgegnerin den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 1 KartG.
Neben dem Erwerb von Unternehmen gilt auch der Erwerb eines wesentlichen Unternehmensteils als Zusammenschluss iSd § 7 Abs 1 Z 1 KartG. Wesentlich ist ein Unternehmensteil, mit dessen Übertragung der Übergang einer Marktposition des Veräußerers verbunden ist (16 Ok 6/10, 16 Ok 11/13). Nach Ansicht der Rechtsprechung und Literatur kommen als wesentlicher Unternehmensteil ua Kundenlisten und Geschäftsbereiche sowie eine Vertriebsmannschaft oder auch eine ausreichend große Anzahl von Schlüsselarbeitskräften in Betracht (16 Ok 11/13, Urlesberger § 7 KartG Rz 21).
Durch die Übernahme sämtlicher fertigzustellender Bauvorhaben sowie aller angemeldeter der Mitarbeiter:innen mit 1.4.2023 trat die Antragsgegnerin in die Marktposition des Zielunternehmens ein und erwarb damit dessen wesentlichen Teil.
Die Umsätze der Antragsgegnerin und der Zielgesellschaft überschritten die des § 9 Abs 1 KartG, weshalb vor der Durchführung des Erwerbs die Pflicht zur Anmeldung dies Vorgangs bei der BWB bestand.
Gem § 29 Abs 2 und 3 KartG haftet die Antragsgegnerin als Muttergesellschaft, die mit ihre Tochtergesellschaft eine eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit darstellt für die Zuwiderhandlung der GS Bau GmbH, FN 58036y(Stvarnik NEU).
§ 17 Abs 1 KartG normiert, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst dann durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichten oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.
Gemäß § 17 Abs 3 KartG sind Verträge unwirksam, soweit sie dem Durchführungsverbot widersprechen.
Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich bei der Rechtsfolge des § 17 Abs 3 KartG um eine bloß schwebende Unwirksamkeit (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 17 Rz 31). Die betroffenen Verträge treten nach dieser Ansicht, der sich das Kartellgericht anschließt, rückwirkend mit rechtskräftiger Nichtuntersagung des Zusammenschlusses durch das Kartellgericht bzw. nach Ablauf der in § 11 Abs 1 KartG den Amtsparteien eingeräumten Frist zur Stellung eines Zusammenschlussprüfungsverfahrens in Kraft.
Daher war wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot im Zeitraum zwischen dem erfolgten Erwerb am 01.04.2023 und dem Ablauf der Frist zur Stellung des Prüfungsantrags, die am 13.05.2023 eine Geldbuße zu verhängen
Zur Höhe der Geldbuße:
Da sich der Umsatz der Antragsgegnerin im Jahr 2022, das ist das der Entscheidung und der Zuwiderhandlung vorausgegangene Geschäftsjahr, auf EUR 561,9 Mio belief, ist der 10%ige Geldbußenrahmen gem § 29 KartG bei Weitem nicht erreicht. Im Hinblick darauf, dass die hier verhängte Geldbuße, die 0,21% der höchstmöglichen ausmacht, sich ohnedies im untersten Bereich bewegt, ist eine weitere Reduktion nicht in Erwägung zu ziehen. Die bestehenden Milderungsgründe wurden bei dieser Ausmittlung der beantragten Geldbuße ausreichend berücksichtigt.
Die Verhängung einer höheren Geldbuße kommt im Hinblick auf § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht in Betracht.
 
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Ausdruck vom: 19.05.2024 06:31:51 MESZ