Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Kartell
27 Kt 6/17k
04.04.2018
09.11.2017
Über die Antragsgegnerin wird wegen der einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG 2005 insbesondere in Form von kartellrechtswidrigen Preisabsprachen und Kundenaufteilungen, und/oder kartellrechtswidrigem horizontalen Informationsaustausch mit Mitbewerbern in Bezug auf beschränkte Vergabeverfahren im Bereich Trockenbau, insbesondere in Wien und Niederösterreich, sowie punktuell im Burgenland, in Salzburg und in Oberösterreich im Zeitraum Februar 2011 bis März 2016 gemäß § 29 Z 1 lit a KartG 2005 iVm § 11b Abs 2 WettbG eine geminderte Geldbuße in Höhe von EUR 190.000,- verhängt.
Begründung:
Zu 24 Kt 8/16f beantragte die BWB über die Antragsgegnerin eine Geldbuße in noch näher zu bezeichnender Höhe zu verhängen, weil diese in gegen § 1 Abs 1 KartG bzw 101 AEUV verstoßenden wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, insbesondere in Form von kartellrechtswidrigen Preisabsprachen und Kundenaufteilungen, und/oder abgestimmter Verhaltensweisen, insbesondere in Form von kartellrechtswidrigem horizontalen Informationsaustausch geheimer strategischer angebotsrelevanter Daten in Bezug auf vier Vergabeverfahren in Wien im Jahr 2011 dem Kartellverbot zuwidergehandelt hätten.
Der Antrag richte sich gegen die Antragsgegnerin wegen der Teilnahme an Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen von Bietern im Zusammenhang mit Vergabeverfahren bzw Ausschreibungen und Bauvorhaben im Bereich Trockenbau. Der Gegenstand der vorliegenden Vereinbarungen sei insbesondere die Abstimmung des Bieterverhaltens zwischen Wettbewerbern bei diesen Vergabeverfahren gewesen. Hiebei sei eine Verhinderung, Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs iSd § 1 KartG bzw Art 101 AEUV bezweckt und bewirkt worden. Die Zuwiderhandlungen profitierten nicht von der Bagatellregelung des § 2 Abs 2 KartG idF vor dem KaWeRÄG 2012 oder der de-minimis-Bekanntmachung der Europäischen Kommission.
90 % der Anteile der Antragsgegnerin würden von der KAEFER GmbH und 10 % der Anteile der Antragsgegnerin von KAEFER Isoliertechnik GmbH & Co. KG, jeweils mit Sitz in Bremen, gehalten. Im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr habe die KAEFER-Gruppe einen Umsatz in Höhe von EUR 1,5 Mrd. erzielt.
Im August 2014 sei eine anonyme Anzeige bei der WKStA eingebracht worden, in der unter anderem der Vorwurf geäußert worden sei, dass im Bereich des Trockenbaus Bieterabsprachen und konzertierte Verhaltensweisen durchgeführt würden. Die aufgrund Ermittlungen vorgefundenen Beweismittel, hätten den begründeten Verdacht ergeben, dass es bei mehreren Ausschreibungen zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerbern zu kartellrechtswidrigen (horizontalen) Absprachen im Bereich von Trockenbauleistungen gekommen sei.
2016 habe die BWB noch weitere Ermittlungen durchgeführt, weil der Verdacht bestanden habe, dass in Bezug auf mehrere andere Bauvorhaben, kartellrechtswidrige Absprachen stattgefunden hätten. Der gesamte Umfang der betroffenen Bauvorhaben sei aus damaliger Sicht (21.4.2016) nicht abschätzbar. Mit dem Antrag zu 24 Kt 8/16f beabsichtigte die BWB einer allfälligen Verjährung zuvorzukommen.
Der betroffene Bereich sei der Trockenbau, der einen Teilbereich des Bauwesens darstelle. Er erfasse raumbegrenzende und bauteilbekleidende Konstruktionen im Bereich des Hausbaus insbesondere von Wand, Decke und Boden. Dabei würden industrielle Halbzeuge (vor allem vorgefertigte Gipskartonplatten) in trockener Bauweise montiert. Nur bei der Bearbeitung der Oberfläche, kämen feuchte Materialien zum Einsatz (zB beim Verspachteln). Zu klassischen Beispielen des Trockenbaus zählten etwa Deckenbekleidungen, abgehängte Decken, Wandverkleidung, Montagewände oder Installationswände. Nach ihrem damaligen Ermittlungsstand, seien von den kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen Vergabeverfahren bezüglich Bauvorhaben in Wien und Niederösterreich betroffen gewesen. Bei den Auftraggebern der betroffenen Bauvorhaben, handle es sich sowohl um öffentliche Auftraggeber bzw sogenannte „Sektorenauftraggeber“ iSd BVergG 2006, als auch um private Auftraggeber (die den Auftrag nicht direkt vergeben, sondern ein Vergabeverfahren in Form eines Einladungsverfahrens organisierten).
In der Praxis würden Ausschreibungen, denen keine öffentliche Bekanntmachung vorangehe oftmals als „beschränkte Ausschreibungen“ bezeichnet. Nach Branchengebrauch fielen (i) die Direktvergabe, (ii) das Verhandlungsverfahren ohne vorige Bekanntmachung sowie (iii) das nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung jedenfalls unter den Begriff der beschränkten Ausschreibung.
Beschränkte Ausschreibungen seien durch folgende Punkte charakterisiert:
- Beschränkter Bieterkreis: Nur solche Unternehmen könnten an der Ausschreibung teilnehmen, die zur Angebotslegung durch den Auftraggeber eingeladen worden seien,
- fehlende Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung (etwa im Amtsblatt zur Wiener Zeitung)
- geringe Auftragsvolumina, sowie
- großer Ermessensspielraum seitens des Auftraggebers; dem Auftraggeber stehe es grundsätzlich frei, Unternehmen direkt zu beauftragen oder nur wenige – in der Regel drei bis fünf – Vergleichsangebote vor Auftragserteilung einzuholen.
Nach dem damaligen Ermittlungsstand der BWB, beträfen die gegenständlichen kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen beschränkte Ausschreibungen zu Bauvorhaben im Unterschwellenbereich. Private Auftraggeber hätten im Rahmen eines Einladungsverfahrens Angebote eingeholt (idR drei bis fünf), ohne an die Bestimmungen des BVergG gebunden zu sein.
Der typische Vorgang der Zuwiderhandlungen stellte sich nach damaligem Ermittlungsstand wie folgt dar: Ein Mitbewerber habe die Antragsgegnerin (und gegebenenfalls noch weitere Trockenbauunternehmen) via E-Mail kontaktiert und eine fertige Angebotskalkulation übermittelt; die Angebote seien dabei so kalkuliert worden, dass sie preislich über jenem Angebot gelegen seien, welches der Mitbewerber selbst abzugeben beabsichtigt habe; durch die Abgabe eines höheren Angebots (sogenanntes „Deckangebot“) durch die Antragsgegnerin hätte dem Mitbewerber – vor allem in Verfahren nach dem Billigstbieterprinzip – zur Auftragserteilung verholfen werden sollen. Dieser Vorgang sei teilweise auch umgekehrt abgelaufen (Übermittlung von Angebotskalkulationen durch die Antragsgegnerin an Mitbewerber, damit diese Mitbewerber der Antragsgegnerin durch Abgabe eines Deckangebots zur Auftragserteilung verholfen hätten).
Die BWB führe weitere Ermittlungen zum Ausmaß und zeitlichem Umfang sowie allfälliger Zusammenhänge der kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen durch.
Die antragsgegenständlichen Verhaltensweisen seien als Kernbeschränkungen und bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zu qualifizieren und stellten schwerwiegende Verstöße gegen das Kartellverbot dar. Kernverstöße und bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen seien stets spürbar. Durch die Abstimmung des Bieterverhaltens zwischen Wettbewerbern bei Vergabeverfahren und Ausschreibungen, werde der Preiswettbewerb beschränkt und Märkte bzw Kunden aufgeteilt. Die vorliegenden Zuwiderhandlungen profitierten nicht von der Bagatellregelung des § 2 Abs 2 KartG idF vor dem KaWeRÄG 2012 oder der de-minimis-Bekanntmachung der Europäischen Kommission.
Die von der BWB vorgelegten Unterlagen, brächten den gemeinsamen Willen der an den Absprachen beteiligten Unternehmen und somit die bestehenden Vereinbarungen klar zum Ausdruck. Aus den in diesen Unterlagen enthaltenen Hinweisen, wonach zB „wie besprochen“ (oä.) um eine Angebotslegung gebeten werde, ergebe sich eindeutig, dass zwischen den Beteiligten eine Absprache über ein gemeinsames Vorgehen stattgefunden habe. Auch die Übermittlung eines vorgefertigten Leistungsverzeichnisses an einen Wettbewerber zur Abgabe an den Auftraggeber durch diesen Wettbewerber allein, impliziere eine vorangegangene Einigung über eine konzertierte Vorgehensweise.
Die gegenständlichen Vereinbarungen hätten dazu gedient, den an den Absprachen beteiligten Unternehmen zu ermöglichen, Angebote an Auftraggeber im Sinne reduzierter, wenn nicht ausgeschlossener wettbewerblicher Unsicherheit abzugeben, da sie absprachegemäß erwarten hätten können, dass sie ihre Wettbewerber nicht unterbieten würden oder weil ihnen die Angebote ihrer Wettbewerber bereits bekannt gewesen seien. Es hätte damit insgesamt dafür Sorge getragen werden sollen, dass bei Ausschreibungen bestimmte, aus Sicht der Absprachepartnern günstige Ergebnisse erzielt werden, zB vorteilhafte Preise oder die Auftragserteilung an bestimmte Unternehmen, die unter normalen wettbewerblichen Bedingungen nicht oder anders zustande gekommen wären. Diese Verhaltensweisen bezweckten daher unmittelbar eine Beschränkung der autonomen Preisfestsetzung durch Wettbewerber und damit des Preiswettbewerbs. So hätten einzelne Wettbewerber überhaupt auf die eigenständige Preisfestsetzung verzichten können, und sich von ihren Absprachepartnern vorgelegte Deckangebote zusenden lassen und hätten diese als eigene Angebote an die ausschreibende Stelle geschickt. Diese Angebote wären damit im Sinne des gemeinsamen Willens der betroffenen Unternehmen unter reduziertem – wenn nicht völlig ausgeschlossenen – wettbewerblichen Risiko der Bieter zustande gekommen, und keineswegs einzig und allein auf Basis eigener Einschätzung und Bewertung, wie dies in einem „gesunden“ Wettbewerb anzustreben wäre (Selbstständigkeitspostulat).
Da man nach dem damaligen Ermittlungsstand nicht ausschließen habe können, dass die gegenständlichen Zuwiderhandlungen die Eignung hätten, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (ua aufgrund der Involvierung von Gesellschaften die Teil internationaler Unternehmen seien, wie die Antragsgegnerin selbst und zum Teil ihre Absprachepartner, weil man Projekte im Unterschwellenbereich EU-weit bekannt machen hätte können, und weil ein grenzüberschreitendes Interesse an der Teilnahme an derartigen Projekten bestünde) und im Hinblick darauf, dass die parallele Anwendung des innerstaatlichen und des Unionsrechts bei der Beurteilung von Wettbewerbsverstößen nicht zu divergierenden, die Wirksamkeit der EU-Wettbewerbsvorschriften konterkarierenden Ergebnissen führen dürfe, sei im Antrag 24 Kt 8/16f neben § 1 KartG auch auf Art 101 AEUV Bezug zu nehmen.
Es bestehe kein Zweifel am Verschulden der Antragsgegnerin, zumal die relevierten Verhaltensweisen kartellrechtliche Kernverstöße darstellten.
Im Verfahren 24 Kt 8/16f trat in weiterer Folge Ruhen ein (siehe ON 5 und 7).
Nachdem das Verfahren 24 Kt 8/16f ordnungsgemäß fortgesetzt wurde (ON 9), brachte die BWB zu 27 Kt 6/17k einen weiteren Antrag auf Verhängung einer Geldbuße gegen die Antragsgegnerin ein und beantragte die Verbindung mit dem Verfahren 24 Kt 8/16f. In diesem neuen Antrag beantragte die BWB wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte im Wesentlichen vor, dass schon im Bußgeldantrag zu 24 Kt 8/16f angemerkt worden sei, dass noch Ermittlungen im Bereich Trockenbau durchgeführt würden und der gesamte Umfang der betroffenen Bauvorhaben noch nicht abschätzbar gewesen sei. Mittlerweile habe die Antragstellerin die Ermittlungen betreffend die Antragsgegnerin abschließen können und sei dabei zum Ergebnis gelangt, dass es in Bezug auf weitere 166 Bauvorhaben, die nicht Gegenstand des Bußgeldantrages vom 21.4.2016 gewesen seien, zu kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen gekommen sei.
Dieses (weitere) Ermittlungsergebnis sei der Antragsgegnerin in einer Mitteilung gemäß § 13 Abs 1 WettbG am 21.3.2017 zur Kenntnis gebracht und der Antragsgegnerin die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Antragsgegnerin habe in weiterer Folge ein Anerkenntnis abgegeben, wonach dem Ermittlungsergebnis der BWB in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht entgegengetreten werde.
Die antragsgegenständlichen (27 Kt 6/17k) Verhaltensweisen stünden in einem engen tatsächlich und rechtlichem Zusammenhang mit den Zuwiderhandlungen die Gegenstand des Verfahrens 24 Kt 8/16f seien. Insbesondere hätten sie nach einem gleichen oder ähnlichen Ablauf erfolgt und hätten auf demselben Gesamtverständnis bzw Tatvorsatz beruht. Die Antragsgegnerin habe Mitbewerber kontaktiert und habe via E-Mail oder Fax eine fertige Angebotskalkulation für ein bestimmtes Bauvorhaben übermittelt. Das Angebot sei in diesen Fällen so kalkuliert, dass es preislich über jenem Angebot gelegen sei, welches die Antragsgegnerin selbst an die ausschreibende Stelle abzugeben beabsichtigt habe. Durch die Abgabe des höheren Angebotes („Deckangebot“) durch Mitbewerber sollte die Antragsgegnerin – vor allem in Verfahren nach dem Billigstbieterprinzip – zur Auftragserteilung verholfen werden. Dieser Vorgang habe hauptsächlich umgekehrt stattgefunden (Übermittlung einer Angebotskalkulation durch Mitbewerber an die Antragsgegnerin). Dies sei auch deshalb möglich gewesen, weil zwischen den beteiligten Unternehmen ein Grundverständnis dahingehend bestanden habe, sich bei beschränkten Ausschreibungen vor Angebotsabgabe wechselseitig über das jeweilige Angebotsverhalten zu informieren bzw abstimmen zu können. Diese Abstimmungen seien nicht in allen Fälle erfolgreich gewesen (etwa weil nicht alle zur Angebotsabgabe eingeladenen Unternehmen an den diesbezüglichen kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen beteiligt gewesen seien).
Aus den Ermittlungen habe sich weiters ergeben, dass mit der gegenseitigen Vorbereitung von Angeboten und der Abgabe derselben, teils auch dafür Sorge getragen worden hätte sollen, dass die beteiligten Unternehmen nicht aus „Angebotspools“, also aus einem Kreis von Unternehmen, die für einen gegebenen Auftraggeber von Interesse seien und bei Ausschreibungen zur Angebotslegung eingeladen würden, herausfallen. Durch die Abgabe vorbereiteter Angebotsvorlagen, habe Auftraggebern mit möglichst geringem Aufwand die stete Bereitschaft zur Angebotslegung signalisiert werden können. Zum Teil sei die Abgabe von Deckangeboten zu dem Zweck für den Auftraggeber erfolgt, die ausreichende Anzahl von Angeboten sicherzustellen, sodass diesem die Vergabe an ein bestimmtes Unternehmen ermöglicht werde.
Im Zeitraum Februar 2011 bis März 2016 sei es bei zahlreichen weiteren Bauvorhaben zwischen der Antragsgegnerin und zehn weiteren Mitbewerbern zu kartellrechtswidrigen horizontalen Absprachen und/oder zu einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch gekommen. Bei diesen zehn Mitbewerbern handle es sich um die zu RZ 8 in ihrem Antrag vom 9.6.2017 genannten Unternehmen.
Die Antragsgegnerin habe am 24.5.2017 freiwillig und im Interesse einer Kooperation mit der BWB, dem Bundeskartellanwalt und dem Kartellgericht zum Zweck der Aufklärung des Sachverhalts und im Hinblick auf eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung folgendes Anerkenntnis abgegeben:
„Die KAEFER Isoliertechnik Gesellschaft m.b.H. („KAEFER“) hat in den Jahren Februar 2011 bis März 2016 an einen Informationsaustausch und Absprachen mit mehreren Wettbewerbern (3P Trockenbau GmbH, Tüchler Ausbau GmbH, Akustik Blasch Schall- u. Wärmedämmung GmbH, E & H Trockenbau GmbH, rhtb: projekt gmbh, Willich TB GmbH, Perchtold Trockenbau Wien GmbH, Perchtold Trockenbau Gmunden GmbH; Hermann Albrecht GmbH, Ing. Rudolf Duschek, Akustro Systemtechnik) im Rahmen der Auftragsvergabe im Bereich Trockenbau teilgenommen. Gegenstand der Absprachen war die wechselseitige Unterstützung bei Aufträgen durch private und öffentliche Auftraggeber im Unterschwellenbereich bei beschränkter Teilnehmerzahl. Die entsprechende Unterstützungsleistung wurde durch den Austausch von Angeboten und die Legung sogenannter Deckangebote geleistet. Die Übermittlung der entsprechenden Informationen, fand dabei zwischen Mitarbeitern des Unternehmens entweder persönlich, telefonisch oder durch Austausch schriftlicher Unterlagen statt. KAEFER hat dabei seinen Wettbewerbern Unterstützung in Form von Deckangeboten gegeben und in geringem Ausmaß auch selbst erhalten.
KAEFER nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG, für welche kein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 (3) AEUV bzw § 2 KartG vorliegt, gewertet wird und erhebt keine Einwendungen gegen diese rechtliche Beurteilung. KAEFER erachtet eine Geldbuße in Höhe von EUR 190.000,- als angemessen iSd § 30 KartG und wird einer Festsetzung der Geldbuße in dieser Höhe nicht entgegentreten.“
Neben den bereits von der BWB im Bußgeldantrag 24 Kt 8/16f vorgetragenen Bauvorhaben sei es im Zeitraum Februar 2011 bis März 2016 bei 93 weiteren Bauvorhaben zu kartellrechtswidrigen Zuwiderhandlungen in Form von horizontalen Absprachen und/oder horizontalem Informationsaustausch zwischen der Antragsgegnerin und Mitbewerbern gekommen, die die Antragstellerin zu RZ 3.11. auf den Seiten 7 bis 11 des Bußgeldantrags zu 27 Kt 6/17k aufgelistet hat. Bei 41 auf den Seiten 12 und 13 dieses Bußgeldantrages aufgelisteten Bauvorhaben habe die Antragsgegnerin Deckangebote zu Gunsten eines anderen Unternehmens abgegeben. Es sei jedoch nicht mehr feststellbar, für welche Unternehmen das jeweilige Deckangebot ergangen sei (RZ 3.12.). Bei 32 (auf den Seiten 13 und 14, RZ 3.13. des Bußgeldantrages aufgelisteten) Bauvorhaben habe die Antragsgegnerin andere Wettbewerber aufgefordert, Deckangebote zu Gunsten der Antragsgegnerin zu legen. Es sei allerdings nicht mehr ermittelbar, mit welchen Unternehmen die Antragsgegnerin diesbezüglich in Kontakt gestanden sei.
Die Antragstellerin hat in ihrem (zweiten) Bußgeldantrag gegen die Antragsgegnerin die von ihr geschilderten Verhaltensweisen anhand einiger ausgewählter Bauvorhaben und den vorgelegten Bescheinigungsmitteln veranschaulicht (S 15 bis 31).
Insgesamt ergebe sich aus den angeführten (und vorgelegten) Unterlagen, dass es zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerbern im Zusammenhang mit den 166 in diesem Antrag aufgelisteten Bauvorhaben (Ausschreibungen von Trockenbauleistungen) zu kartellrechtswidrigen Absprachen gekommen sei, indem die Antragsgegnerin von einem Mitbewerber konzertierte Angebote zur Angebotslegung übermittelt bekommen habe oder die Antragsgegnerin an Mitbewerber konzertierte Angebote zur Abgabe übermittelt habe. In anderen Fällen sei es zu abgestimmten Verhaltensweisen in Form von kartellrechtswidrigem Austausch von geheimen Informationen über Angebote und Detailkalkulationen gekommen.
Insbesondere der Text und die Kürze der E-Mails zeigten, dass zwischen der Antragsgegnerin und bestimmten Mitbewerbern ein Grundverständnis dahingehend bestanden habe, sich bei beschränkten Ausschreibungen vor Angebotsabgabe wechselseitig über die jeweiligen Angebotsverhältnisse zu informieren bzw. abstimmen zu können.
In einzelnen Fällen hätten die Absprachen ihr Ziel verfehlt, da eines an der Absprache beteiligte Unternehmen nicht zur Angebotsabgabe eingeladen worden sei oder es verabsäumt habe, ein (fristgerechtes) Angebot zu legen. Auch in diesem Fällen werde jedoch bereits durch die Versendung der vorgefertigten Angebotskalkulationen ein selbständiges und kompetitives Bieterverhalten der beteiligten Unternehmen verhindert. Denn durch die Nicht-Legung eines kompetitiven Angebots werde das gleiche Ergebnis wie durch die Legung eines Deckangebotes erreicht: In beiden Fällen würde die Möglichkeit des Auftraggebers, zwischen auf Wettbewerb gerichteten Angeboten wählen zu können, eingeschränkt. Zumindest läge jeweils ein kartellrechtswidriger Austausch geheimer und strategisch relevanter Daten, und zwar detaillierte Kalkulationen, teils heruntergebrochen auf Preise für einzelne Leistungsbestandteile für entsprechende Bauvorhaben, vor. In anderen Fällen habe die Absprache ihr Ziel verfehlt, weil ein drittes Unternehmen, das selbst nicht an der Absprache beteiligt gewesen sei, den Zuschlag erhalten habe.
Zusammengefasst bewertete die Antragstellerin die aufgezeigten Verhaltensweisen als Kernbeschränkungen und bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen. Durch die Abstimmung des Bieterverhaltens zwischen Wettbewerbern bei Vergabeverfahren und Ausschreibungen werde der Preiswettbewerb beschränkt und Märkte bzw. Kunden aufgeteilt. Die vorliegenden Zuwiderhandlungen profitierten nicht von der Bagatellausnahme des § 2 Abs 2 KartG 2005. Rechtfertigungsgründe nach § 2 Abs 1 KartG 2005 lägen nicht vor.
Aus den vorgefunden E-Mails ergebe sich eindeutig, dass zwischen den beteiligten Unternehmen eine Willensübereinkunft/Vereinbarung stattgefunden habe, die darin bestanden habe, sich bei Ausschreibungen für Trockenbauleistungen durch die Abgabe von vorgefertigten Angeboten – teilweise auch durch die Nicht-Teilnahme an der betreffenden Ausschreibung – gegenseitig zu unterstützen.
Durch die Übermittlung von Leistungsverzeichnissen oder sonstige Kontaktaufnahme habe auch ein Austausch von strategisch relevanten Daten stattgefunden. Dadurch seien nicht nur die Unsicherheiten über das Markgeschehen – insbesondere über das Verhalten bzw. die Preisgestaltung von Wettbewerbern bei Ausschreibungen – für die beteiligten Trockenbauunternehmen verringert worden, sondern es sei in weiterer Folge auch zur Übernahme von Angebotskalkulationen bzw. der Nichtteilnahme an Ausschreibungen gekommen. Somit liege zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise in Form eines Informationsaustausches vor.
Es handle sich bei den inkriminierten Verhaltensweisen um ein fortgesetztes Delikt und bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, die (wie gegenständlich) in der Regel auch nicht nach § 2 Abs 2 KartG 2005 freistellungsfähig seien.
Da eine einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliege, habe die Verjährungsfrist frühestens mit der Beendigung der Zuwiderhandlung im Jahr 2016 zu laufen begonnen. Gemäß § 33 KartG 2005 sei daher noch keine Verjährung eingetreten.
Auch der Bagatelltatbestand des § 2 Abs 2 Z 1 KartG 2005 idF vor dem KaWeRÄG 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. Der relevante Markt werde durch das jeweilige Vergabeverfahren gebildet. Die Teilnehmer an den jeweiligen Zuwiderhandlungen entsprächen jeweils einem Anteil von mehr als 5% der zu den Ausschreibungen eingeladenen Unternehmen. Wegen der Verletzung von Kernbeschränkungen, sei auch die Bagatellkartellausnahme nach § 2 Abs 2 Z 1 KartG 2005 idgF ausgschlossen.
Es bestehe kein Zweifel am Verschulden der Antragsgegnerin. Einem regelmäßig an Ausschreibungen teilnehmenden Unternehmen müsse zugemutet werden, darüber Bescheid zu wissen, dass die hier relevierten Verhaltensweisen kartellrechtliche Kernverstöße darstellten.
Die Antragsgegnerin habe am 29.4.2016 bei der BWB einen Marker für einen Kronzeugenantrag eingebracht und diesen in weiterer Folge vervollständigt und durchgehend und umfassend kooperiert. Diese Informationen und Beweismittel stellten einen erheblichen Mehrwert für die BWB dar. Die Antragsgegnerin habe auch im Rahmen von Beantwortungen von zahlreichen Auskunftsverlangen zu verschiedenen Aspekten des Sachverhalts und der Zuwiderhandlung immer fristgerecht Informationen zur Verfügung gestellt. Die Antragsgegnerin habe dadurch einen zusätzlichen Beitrag zur Aufklärung der Zuwiderhandlung geleistet. Sie habe auch ihre Zuwiderhandlungen eingestellt und in der Folge wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der BWB zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhalts zusammengearbeitet und sämtliche Beweismittel für die Zuwiderhandlungen, die sich in ihrem Besitz befunden hätten oder auf die sie Zugriff gehabt habe, vorgelegt und andere Unternehmen nicht zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen. Sämtliche Voraussetzungen für eine geminderte Geldbuße seien gegeben.
Bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße habe die BWB den (näherungsweisen) Umsatz der Antragsgegnerin im Trockenbaubereich im Unterschwellenbereich aus dem Jahr 2015, den Umsatz, der von der Antragsgegnerin mit Bauvorhaben erzielt worden sei, die von den oben beschriebenen Zuwiderhandlungen der Antragsgegnerin betroffen gewesen seien, sowie die Schwere der Rechtsverletzung (Kernbeschränkung), die Anzahl der betroffenen Bauvorhaben sowie den Umstand berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin in einigen Fällen Zuwiderhandlung durch die Übermittlung von Angebotskalkulationen initiiert habe, berücksichtigt. Danach sei eine Geldbuße in Höhe von (gerundet) EUR 370.000,-- angemessen.
Da die Antragsgegnerin jedoch bei der BWB einen Marker für einen Kronzeugenantrag eingebracht habe und diesen in weiterer Folge vervollständigt sowie durchgehend umfassend kooperiert habe, sei ein Nachlass von 35% zu gewähren. Die Antragsgegnerin habe zudem die wesentlichen Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes frühzeitig außer Streit gestellt und eine Reduktion des Verfahrensaufwands ermöglicht, wofür ein weiterer Nachlass von 20% gebühre.
Unter Berücksichtigung der erwähnten Faktoren habe die BWB sodann ein Bußgeld von EUR 190.000,-- beantragt. Dieses Bußgeld werde als ausreichend general- und spezialpräventiv eingeschätzt. Mit der beantragten Geldbuße werde die Obergrenze des § 29 KartG nicht überschritten.
Da die antragsgegenständlichen Verhaltensweisen in einem engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den Zuwiderhandlungen im Verfahren 24 Kt 8/16f stünden, insbesondere einem gleichen oder vergleichbaren Ablauf folgten und auf dem selben Gesamtverständnis bzw. Tatvorsatz beruhten, beantragte die BWB die Verbindung der Verfahren 24 Kt 8/16f mit 27 Kt 6/17k und stellte klar, dass die im Antrag ON 1 zu 24 Kt 8/16f genannten Bauvorhaben vom Antrag in 27 Kt 6/17k umfasst seien und der aus dem Spruch ersichtliche Antrag daher den gesamten Antrag für das verbundene Verfahren darstellte.
Mit Beschluss vom 21.6.2017 wurden die beiden Verfahren verbunden.
Der Bundeskartellanwalt beteiligte sich am verbundenen Verfahren nicht.
Die Antragsgegnerin erhob keine Einwände gegen die Verbindung der beiden Verfahren 24 Kt 8/16f und 27 Kt 6/17k. Sie erhob auch keine Einwände gegen den Antrag der BWB auf Verhängung einer geminderten Geldbuße in der im Antrag genannten Höhe und trat der rechtlichen Beurteilung der BWB nicht entgegen (Stellungnahme vom 25.7.2017, ON 11).
Da gegen die Richtigkeit des nicht bestrittenen Sachverhalts auch im Hinblick auf die vorgelegten Urkunden Beilagen ./A - ./X1 keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG 2005 keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
Zur Vermeidung von weiteren Wiederholungen wird zur rechtlichen Beurteilung auf jene der Bundeswettbewerbsbehörde in ihren Bußgeldanträgen verwiesen.
Gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG 2005 darf das Kartellgericht keine höhere Geldbuße verhängen als beantragt wurde. Die Antragstellerin hat die von ihr beantragte Geldbuße hinreichend begründet. Weitere Milderungsgründe sind nicht ersichtlich, weshalb die Geldbuße in der Höhe des beantragten Betrages zu verhängen war.