zur Navigation
Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 4/18k


Bekannt gemacht am:

22.05.2019

Entscheidungsdatum:

24.01.2019


1. Über die Erstantragsgegnerin wird wegen der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses durch Herbeiführung der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe der Erstantragsgegnerin sowie der Zweitantragsgegnerin (§ 7 Abs 1 Z 4 KartG) im Zeitraum von 12.10.2016 bis 22.9.2018 gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 15.000,-- verhängt.

2. Über die Zweitantragsgegnerin wird wegen der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses durch Erwerb von Anteilen an der Zweitantragsgegnerin in einem 25% überschreitenden Beteiligungsgrad durch die Baritonos Invest GmbH & Co KG (§ 7 Abs 1 Z 3 KartG) im Zeitraum von 23.12.2016 bis 25.9.2018 gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 15.000,-- verhängt.

Begründung:

Unstrittig ist:

Die Erstantragsgegnerin meldete mit nachträglicher Zusammenschlussanmeldung vom 24.8.2018 die mit 12.10.2016 erfolgte Bestellung von Stephan Zöchling zu ihrem Geschäftsführer (§ 7 Abs 1 Z 4 KartG) bei der Antragstellerin an (GZ BWB/Z-4081).

Die Zweitantragsgegnerin meldete mit nachträglicher Zusammen­schlussanmeldung vom 24.8.2018 den am 23.12.2016 erfolgten, einen Beteiligungsgrad von 25% an der Zweitantragsgegnerin überschreitenden Erwerb weiterer Geschäftsanteile durch die Baritonos Invest GmbH & Co KG (§ 7 Abs 1 Z 3 KartG) bei der Antragstellerin an (GZ BWB/Z-4084).

Mangels Stellung eines Prüfungsantrags durch die Amtsparteien fiel das Durchführungsverbot (unter Berücksichtigung des Einlangensdatums) mit Wirkung vom 22.9.2018 (Z-4081) bzw 25.9.2018 (Z-4084) weg.

Bei diesen Zusammenschlüssen, die in einem weiteren Kontext mit den bei der Antragstellerin zu GZ Z-2966 und Z-3590 angemeldeten Zusammenschlüssen erfolgten, handelt es sich um folgende Vorgänge:

a) Die ARP Twentyone GmbH (infolge Umfirmierung nunmehr und daher in der Folge: die Zweitantragsgegnerin) erwarb einen kontrollierenden 74,9-%-Anteil an der Remus & Sebring Holding AG. An der Zweitantragsgegnerin war mit 83,3% die ZMH GmbH beteiligt, welche im Alleineigentum der Haselsteiner Familien Privatstiftung – HFPS steht (weshalb die Umsätze jener Stiftung, darunter insbesondere die Umsätze der STRABAG SE, zuzurechnen sind). Weiterer Anteilseigner der Zweitantragsgegnerin mit 16,7% war die Baritonos Invest GmbH & Co KG (in der Folge: Baritonos), welche Stephan Zöchling zuzurechnen ist. Stephan Zöchling war seit 21.12.2015 alleiniger Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin.

Die Erstantragsgegnerin, die von Stephan Zöchling am 4.10.2016 über eine Treuhandkonstruktion unter Einbringung der von der Melina Privatstiftung gehaltenen Glaukonit Vermögensverwaltung GmbH erworben wurde, hält als Holdinggesellschaft kontrollierende Beteiligungen an den operativen Gesellschaften der Erne-Gruppe, insbesondere an der Erne Fittings GmbH, Elb-Form GmbH, Erne Middle East Co Ltd und Siekmann Fittings GmbH & Co KG. Am 12.10.2016 wurde Stephan Zöchling (neben einem weiteren Geschäftsführer) zum Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin bestellt.

b) Mit Notariatsakt vom 23.12.2016 erwarb die Baritonos Invest GmbH & Co KG von der ZMH GmbH weitere Anteile an der Zweitantragsgegnerin und erreichte dadurch einen Beteiligungsgrund von 26,67%.

Die in Punkt a) geschilderte Transaktion betrifft die Geschäftszweige (i) Herstellung von Fittings aus Edelstahl, (ii) Herstellung von Komponenten für Abgasanlagen zur Erstausrüstung von Kraftfahrzeugen sowie (iii) Herstellung von Komponenten des Kühlsystems zur Erstausstattung von Kraftfahrzeugen. Der von der Transaktion laut Punkt b) betroffene Geschäftszweig ist die Herstellung von Abgasanlagen für Kraftfahrzeuge (Beilage ./A).

Im Geschäftsjahr 2015 erzielten die beteiligten Unternehmen folgende Umsätze:

Zweit-AG Erst-AG

Remus/Sebring HFPS/Strabag samt Töchter

weltweit 61 Mio 13.200 Mio 114 Mio

Österreich 18 Mio 2.000 Mio 2,7 Mio

In den folgenden Geschäftsjahren ergaben sich bei den Umsätzen dieser Unternehmen nur minimale Änderungen.

Die Antragstellerin beantragt mit ihrem Antrag vom 8.10.2018 die Verhängung einer Geldbuße von je EUR 15.000,-- über die beiden Antragsgegnerinnen gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG.

Sie brachte im Wesentlichen vor, durch die Bestellung des Stephan Zöchling zum (einen von zwei) Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin am 12.10.2016 sei eine Personengleichheit iSd § 7 Abs 1 Z 4 KartG hinsichtlich der Erst- und der Zweitantragsgegnerin herbeigeführt worden, zumal Stephan Zöchling auch (alleiniger) Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin sei. Weiters erfülle die Anteilserhöhung durch die Baritonos an der Zweitantragsgegnerin am 23.12.2016 den Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG, da ein Beteiligungsgrad von 25% überschritten worden sei. Die Umsatzschwellen des § 9 KartG seien bei den beteiligten Unternehmen deutlich überschritten. Der Zweitantragsgegnerin seien nach unten die Umsätze ihrer kontrollierenden Beteiligung an Remus & Sebring samt Tochtergesellschaften, nach oben die Umsätze ihrer zweiten Mutter, der Haselsteiner-Gruppe, zuzurechnen. Diese im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss erzielten Umsätze der iSv § 22 KartG zusammenzurechnenden Unternehmen seien für beide Sachverhalte relevant.

Infolge der beiden gegenständlichen Zusammenschluss­anmeldungen sei das Durchführungsverbot zu den genannten Zeitpunkten weggefallen. Zuvor seien die Zusammenschlüsse in verbotener Weise durchgeführt worden.

Die Antragstellerin sei im Zuge der oben erwähnten weiteren Anmeldungen auf die Vorgänge aufmerksam geworden. Die Antragsgegnerinnen hätten am 8.10.2018 freiwillig und im Interesse einer Kooperation mit den Amtsparteien ein Anerkenntnis abgegeben.

Bei Bemessung der Geldbuße seien die Kriterien des § 30 KartG heranzuziehen. Demnach sei zu berücksichtigen, dass, nachdem die Antragsgegnerinnen von der Antragstellerin auf die Sachverhalte aufmerksam gemacht worden seien, eine umfassende Kooperation stattgefunden habe; die Zusammenschlüsse keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen gehabt hätten; betreffend die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der größte Teil des Umsatzes außerhalb des hier relevanten Bereiches durch die Strabag SE erzielt werde; sich die Dauer der Rechtsverletzung auf 1 Jahr und 10 ½ Monate (bzgl Z-4081) und auf 1 Jahr und 9 Monate (bzgl Z-4084) belaufen habe; und sich eine unmittelbare Bereicherung lediglich durch die Nicht-Anmeldung (Kostenersparnis) hätte ergeben können, allerdings durch die nachträgliche Anmeldung die entsprechenden Kosten wieder angefallen seien. Zum Verschulden sei auszuführen, dass es sich um grenzüberschreitend tätige Unternehmen handle, bei denen grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien und die wegen der wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens grundsätzlich strenger zu beurteilen seien. Die wiederholte Anmeldung von Zusammenschlüssen durch die Antragsgegnerinnen zeige, dass jene und die mit ihnen verbundenen Unternehmen grundsätzlich um die Einhaltung der fusionskontrollrechtlichen Bestimmungen bemüht seien und kein Verschleierungsvorsatz bestanden habe. Das Unterbleiben der Anmeldungen sei als bloßes Versehen, welches sich aus der komplizierten Beteiligungsstruktur und den daran anschließenden Zurechnungsfragen ergeben habe, zu werten. Mildernd sei zu werten, dass die Antragsgegnerinnen, insbesondere durch das Anerkenntnis, zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hätten.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerinnen stellten das Tatsachenvorbringen außer Streit und wendeten sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Antragstellers sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie verwiesen auf ihr Anerkenntnis.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

1. Da gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

2. Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig (ua) dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG) zuwiderhandelt, eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.

Das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG bestimmt, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.

3. Den Parteien ist darin zuzustimmen, dass die beiden Erwerbsvorgänge jeweils einen Zusammenschluss nach § 7 KartG darstellten, zumal betreffend den zu a) wiedergegebenen Sachverhalt eine Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der Geschäftsführung der beiden Antragsgegnerinnen iSd § 7 Abs 1 lit 4 KartG herbeigeführt wurde, sowie betreffend den zu b) wiedergegebenen Sachverhalt der unmittelbare Erwerb von Anteilen an der Zweitantragsgegnerin, durch den ein Beteiligungsgrad von 25% überschritten wurde, stattfand.

4.1. Ein solcher Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf iSd § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

- kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig ist (Art 21 FKVO),

- alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

- die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und

- der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 4).

4.2. Hier liegt ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht vor, da die Umsatzschwellen des Artikel 1 Abs 2 und 3 FKVO nicht erreicht werden.

4.3. Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von (1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio, (2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und (3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio erzielten.

Da im maßgeblichen Geschäftsjahr 2015 die Erstantragsgegnerin samt den ihr zurechenbaren Unternehmen weltweit einen Umsatz von rund EUR 114 Mio und die Unternehmensgruppe, mit der die Zweitantragsgegnerin iSd §§ 22 iVm 7 KartG verbunden sind, weltweit einen Umsatz von EUR 13.261 Mio erzielten und sich der Umsatz letzterer in Österreich auf EUR 2.018 Mio belief, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.

4.4. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.

Der weltweite Umsatz beider Antragsgegnerinnen überstieg jeweils EUR 30 Mio, weshalb eine Ausnahme iSd § 9 Abs 2 KartG nicht vorliegt.

4.5. Der Zusammenschluss hat eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG (vgl dazu Urlesberger aaO § 9 Rz 10 ff), zumal die Antragsgegnerinnen erhebliche Umsätze in Österreich erzielen.

5. Damit waren bei beiden Vorgängen die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht der Zusammenschlüsse gegeben. Die Antragsgegnerinnen haben in den im Antrag genannten Zeiträumen - also für 1 Jahr 10 ½ Monate bzw 1 Jahr 9 Monate - gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG verstoßen. Daher war über sie gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.

6. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre. Eine feststellbare Bereicherung wurde hier nicht erzielt.

Zum Grad des Verschuldens ist auf die Erwägungen der Antragstellerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Die Entscheidung muss zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavaliersdelikt" ist (16 Ok 2/13). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Unterlassung der Anmeldung des Zusammenschlusses im konkreten Fall wohl als Versehen, jedenfalls aber als leicht fahrlässig zu qualifizieren ist und eine Fahrlässigkeit dieses Grades auch einem ansonsten rechtstreuen Unternehmen passieren kann.

Zusammengefasst erscheint – unter Beachtung der general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht - die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt keinesfalls angezeigt. Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.


Ausdruck vom: 27.04.2024 22:54:47 MESZ