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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

16 Ok 2/15


Bekannt gemacht am:

27.12.2016

Entscheidungsdatum:

08.10.2015


"Dem Rekurs der Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert- und Siebentantragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.


Den Rekursen der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er insgesamt zu lauten hat wie folgt:


1. Über die Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert- und Siebentantragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich vertikaler Verkaufspreisabstimmungen in Bezug auf Kurant- und Aktionspreise mit Lieferanten von Molkereiprodukten im Zeitraum Juli 2002 bis März 2012, zur ungeteilten Hand eine Geldbuße von 30 Millionen EUR verhängt.


2. Das Mehrbegehren, wegen derartiger Verkaufspreisabstimmungen auch über die Fünft- und Sechstantragsgegnerin sowie über die Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert- und Siebentantragsgegnerin auch wegen Zuwiderhandlungen im Zeitraum April bis Oktober 2012 eine Geldbuße zu verhängen, wird abgewiesen.“


B e g r ü n d u n g :


Die Antragstellerin begehrte die Verhängung einer angemessenen Geldbuße über die konzernverbundenen Antragsgegnerinnen wegen vertikaler Abstimmung der Endverkaufspreise (Kurant- und Aktionsverkaufspreise) mit Lieferanten sowie zusätzlicher horizontaler Absicherung dieser vertikal abgestimmten Endverkaufspreise unter anderem mittels Einflussnahme auf die Endverkaufspreise der Mitbewerber (insbesondere Unternehmen der R-Gruppe) über ihre Lieferanten im Zeitraum Juli 2002 bis zumindest Oktober 2012 im Bereich der Molkereiprodukte und in Bezug auf 16 weitere Produktgruppen.


Zu den Absprachen im Bereich der Molkereiprodukte brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerinnen konzernrechtlich verbundene Unternehmen seien, die sich an einer - das gesamte österreichische Bundesgebiet betreffenden - komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG beteiligt hätten. Im Rahmen dieser Zuwiderhandlung seien im Zeitraum von Juli 2002 bis zumindest Oktober 2012 österreichweit unter anderem die Endverkaufspreise für Molkereiprodukte zwischen Lieferanten dieser Produkte und den Antragsgegnerinnen abgesprochen worden. Dabei seien insbesondere Fest- und Mindestverkaufspreise, zu denen der betroffene Konzern die gelieferte Ware weiterverkaufen habe sollen, durch Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweisen direkt und indirekt festgesetzt worden. Diese vertikalen Preisbindungen seien auch durch eine (indirekte) horizontale Absicherung diverser Wettbewerbsparameter ergänzt worden, indem - jeweils im Bewusstsein gemeinsamen Handelns der betreffenden Handelsunternehmen - im Zusammenhang mit den parallel auch von anderen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit den Lieferanten der Produkte getroffenen vertikalen Vereinbarungen auch auf die Verkaufspreisstellung anderer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Einfluss genommen und die jeweilige Einhaltung der parallelen vertikalen Preisvereinbarungen überwacht worden sei.


Die Antragsgegnerinnen hätten starken Druck auf ihre Lieferanten ausgeübt, die zwischen ihnen und den Lieferanten vertikal abgestimmten Preise mittels weiterer bzw paralleler vertikaler Vereinbarungen im gesamten Einzelhandel durchzusetzen. Die Antragsgegnerinnen hätten von ihren Lieferanten erwartet, dass diese „stabilisierend“ auf die Verkaufspreise der anderen Händler einwirkten, also ein Preispflegesystem umsetzten, damit die Preise der Antragsgegnerinnen nicht unterschritten würden.


Die Antragsgegnerinnen beantragten die Abweisung des Antrags. Sie brachten im Wesentlichen vor, die von der Antragstellerin vorgelegten Beweismittel belegten in Wahrheit ein mit dem Kartellrecht in Einklang stehendes Verhalten der Antragsgegnerinnen im Wettbewerb. Der Vorwurf eines Kartellrechtsverstoßes falle deshalb in sich zusammen, weil das Tatbestandselement einer Vereinbarung bzw abgestimmten Verhaltens überhaupt nicht gegeben sei. Dazu komme, dass die Antragstellerin mit diesem Verfahren den betroffenen Konzern „an den Pranger stelle“ und dabei weder die spezifischen Marktgegebenheiten, noch die Funktionsweise des österreichischen Lebensmitteleinzelhandels berücksichtige.


Der Antrag umfasste folgende Produktgruppen:

Molkereiprodukte,

Obst/Gemüse,

Fleisch/Wurst,

Geflügel/Eier,

Nahrungsfette/Öle,

Feinkost/Würzen/Convenience (vorgefertigte Lebensmittel),

Eis/Tiefkühlkost,

Konserven/Fertig-/Fixprodukte,

Grundnahrungsmittel,

Frühstück/Baby-/sonstige Spezialnahrung,

Heißgetränke,

Brot,

Süßwaren/Dauerbackwaren,

Wein/Sekt/Spirituosen/sonstige alkoholhaltige Getränke,

Tiernahrung,

Waschmittel/-hilfsmittel, Putz-/Reinigungsmittel,

Kosmetik/Körperpflege und

Hygiene/Papier.


Über Auftrag des Kartellgerichts konkretisierte die Antragstellerin diese Produktgruppen dahingehend, dass die Produktgruppe „Grundnahrungsmittel“ nicht den Bereich „Mehl“ umfasse und die Produktgruppe „Bier/Radler“ nicht in der Produktgruppe „Wein/Sekt/Spirituosen/sonstige alkoholhaltige Getränke“ enthalten sei. Zu diesen Produktbereichen würden gesonderte Bußgeldanträge eingebracht werden. Die Produktgruppe „Fleisch/Wurst“ wurde fallen gelassen.


Das Kartellgericht trug der Antragstellerin die Verbesserung des Geldbußeantrags in Bezug auf die Produktgruppen durch Erstattung konkreten Vorbringens und Vorlage entsprechender Urkunden binnen acht Wochen auf.


Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Fristerstreckung bis zum 22. 8. 2014. Der betroffene Konzern habe bei den den kartellgerichtlichen Verfahren vorangehenden Hausdurchsuchungen einen Teil der Unterlagen versiegeln lassen. Die Antragstellerin könne erst nach einer allfälligen Entsiegelung und Ausfolgung der entsiegelten Unterlagen an die Antragstellerin eine Auswertung der Unterlagen vornehmen. Mit einer Entscheidung über die versiegelten Datenbestände sei bis 22. 4. 2014 zu rechnen. Für den Fall, dass eine Entscheidung über die Versiegelung nicht bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen würde, kündigte die Antragstellerin weitere Fristerstreckungsanträge an.


Mit Beschluss vom 5. 3. 2014 (ON 12) bewilligte das Kartellgericht die beantragte Fristerstreckung bis zum 22. 8. 2014. Den dagegen erhobenen Rekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 22. 5. 2014 (16 Ok 5/14t) zurück.


Mit weiterem Fristerstreckungsantrag beantragte die Antragstellerin die Erstreckung der Frist bis 30. 6. 2015; über den Entsiegelungsantrag der Antragstellerin sei nach wie vor nicht entschieden.


Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit Bewilligungsstampiglie am 12. 8. 2014 (ON 37).


Mit Teilbeschluss vom 26. 11. 2014 (ON 74) verhängte das Erstgericht über die Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert- und Siebentantragsgegnerin wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich vertikaler Verkaufspreisabstimmungen in Bezug auf Kurant- und Aktionspreise mit Lieferanten von Molkereiprodukten im Zeitraum Juli 2002 bis März 2012, eine Geldbuße von drei Millionen EUR. Das Mehrbegehren, wegen derartiger Verkaufspreisabstimmungen auch über die Fünft- und Sechstantragsgegnerin eine Geldbuße zu verhängen, wies es ab.


Das Erstgericht traf unter anderem folgende Feststellungen:


Der österreichische Lebensmitteleinzelhandel ist durch eine hohe Marktkonzentration gekennzeichnet: Der REWE-Konzern (mit den Vertriebslinien Billa, Merkur, Penny sowie ADEG) hat einen Marktanteil von rund 35 %, gefolgt vom SPAR-Konzern mit knapp 30 % und dem Diskonter Hofer mit knapp 20 %. Es gibt kaum mehr kleinstrukturierte Betriebe, also solche ohne Filialen. Es gibt - insbesondere im Vergleich zu Deutschland - eine sehr hohe Dichte an Filialen der großen Lebensmitteleinzelhändler, was für diese mit hohen Kosten verbunden ist. Seit dem Jahr 2002 hat es keinen Markteintritt eines relevanten (ausländischen) Unternehmens gegeben.


Der Lebensmitteleinzelhandel ist durch zunehmende „Aktionitis“ geprägt, das heißt die einzelnen Händler setzen sehr häufig Aktionen, die oftmals sehr „preisaggressiv“ sind, indem sich die Händler immer wieder beim Aktionsverkaufspreis unterbieten oder auch Angebote wie „1 + 1 gratis“ zur Kundengewinnung einsetzen. Die Durchführung der Aktionen wird von den Lieferanten mitfinanziert, indem diese dem Handel für den Aktionszeitraum niedrigere Einkaufspreise und für besondere Angebote, wie etwa eine „1 + 1 gratis“-Aktion, eine zusätzliche Aktionsstützung gewähren.


Die Erstantragsgegnerin ist die Alleinaktionärin der Drittantragsgegnerin, die ihrerseits Alleingesellschafterin der Siebentantragsgegnerin ist. Diese ist wiederum Alleinaktionärin der Viertantragsgegnerin. Letztere ist Alleingesellschafterin sowohl der Zweitantragsgegnerin als auch der Fünftantragsgegnerin. Die Zweitantragsgegnerin ist Alleingesellschafterin der Sechstantragsgegnerin.


Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin sind Dr. Gerhard Drexel, Mag. Friedrich Poppmeier und Hans Klaus Reisch. Die drei Genannten sowie Mag. Rudolf Staudinger bilden außerdem den Vorstand der Drittantragsgegnerin und der Viertantragsgegnerin und sind überdies die Geschäftsführer der Siebentantragsgegnerin. Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin sind Dr. Gerhard Drexel und Mag. Markus Kaser. Geschäftsführer der Fünftantragsgegnerin sind Mag. Friedrich Poppmeier, Hans Klaus Reisch und Mag. Alois Huber. Geschäftsführer der Sechstantragsgegnerin sind Thomas Schrenk und Mag. Markus Kaser; Dr. Gerhard Drexel, Hans Klaus Reisch, Mag. Friedrich Poppmeier und Mag. Rudolf Staudinger bilden den Aufsichtsrat dieser Gesellschaft. Im Lebensmitteleinzelhandel operativ tätig sind lediglich die Zweit-, die Viert- und die Sechsantragsgegnerin, nicht aber die übrigen Antragsgegnerinnen.


Ab 27. 2. 2012 führte die Antragstellerin über Auftrag des Kartellgerichts acht Tage lang eine Hausdurchsuchung in der Zentrale des REWE-Konzerns in Wiener Neudorf durch, in deren Rahmen REWE eine sehr weitgehende Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen erwirkte.


Mit Schreiben vom 26. 6. 2012 teilte der Vertreter der Antragsgegnerinnen der Viertantragsgegnerin mit, die Entwicklungen in der gegen REWE durchgeführten Kartelluntersuchung bestätigten seine ursprünglichen Vermutungen, dass die Generalversiegelung die wirksamste Verteidigungsmaßnahme im Fall einer Hausdurchsuchung sei. Bekanntlich habe REWE einen Großteil der Dokumente versiegeln lassen. Dies bedeute, dass beim Kartellgericht ein einzelner Richter über die Zulässigkeit der Einsichtnahme hinsichtlich jedes einzelnen Dokuments befinden müsse. Dies nehme in der Regel mehrere Jahre in Anspruch, und bis zur endgültigen Entscheidung über die Versiegelung könne das Ermittlungsverfahren nicht fortgeführt werden.


Zumindest im Zeitraum von Juli 2002 bis März 2012 kam es im Rahmen von Einkaufspreisverhandlungen zwischen den bei der Viertantragsgegnerin angestellten (sowohl für diese als auch für die Zweitantragsgegnerin tätigen) Einkäufern, das heißt zwischen den für die einzelnen Kategorien von Molkereiprodukten zuständigen Sortimentsmanagern und Mitarbeitern der Lieferanten von Molkereiprodukten regelmäßig und flächendeckend auch zu Absprachen über Verkaufspreise (sowohl Kurant- als auch Aktionspreise) von SPAR. Die für SPAR auftretenden Einkäufer verlangten nämlich im Zusammenhang mit von Lieferanten geforderten Einkaufspreiserhöhungen regelmäßig „Margenneutralität“, was bedeutet, dass die Marge (Spanne) von SPAR bei einer Einkaufspreiserhöhung gleichbleiben müsse; dies setzte voraus, dass ein entsprechend höherer Verkaufspreis umsetzbar war. Zu diesem Zweck verlangten die genannten Einkäufer von ihren Lieferanten, dass diese „empfohlene Verkaufspreise“ als Richtpreise festsetzten und diese auch den Wettbewerbern von SPAR, insbesondere dem REWE-Konzern, aber auch Zielpunkt und M*****, mitteilten. Auf diese Weise sollte erreicht werden, dass auch die Wettbewerber von SPAR entsprechende Verkaufspreiserhöhungen in Bezug auf die von der Einkaufspreiserhöhung betroffenen Produkte vornehmen. Zum Nachweis der Umsetzung hatten die Lieferanten jeweils Preisspiegel bzw Kassabons der Wettbewerber von SPAR zu übermitteln.


Diese Forderung von SPAR wurde von den Lieferanten auch jeweils befolgt; sie erwirkten regelmäßig, wenn auch nicht in allen Fällen, im Sinne der Vorgabe von SPAR eine entsprechende Verkaufspreisanpassung auch bei den Wettbewerbern von SPAR.


Derartige Absprachen gab es - im Sinne eines Gesamtplans im Form eines einheitlichen Schemas, also einer ständig angewandten Methode und eines gegenüber allen Lieferanten identen Verhaltensmusters von SPAR - jedenfalls mit - im Einzelnen näher angeführten - Lieferanten von Molkereiprodukten im Zeitraum Juli 2002 bis März 2012.


Mit Schreiben vom 3. 5. 2011 wurde Dr. Drexel vom österreichischen Verband der Markenartikelindustrie darauf hingewiesen, dass dem Hersteller von FMCG (Fast Moving Consumer Goods) jede Einflussnahme auf die Preisgestaltung eines Wiederverkäufers verboten sei. Dies würde einen schweren Wettbewerbsverstoß darstellen, der von den Kartell- und Wettbewerbsbehörden in Österreich und auf europäischer Ebene mit hohen Sanktionen geahndet werden würde.


Im Einzelnen kann auf die Seiten 35 bis 62 des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden.


Auf den Seiten 62 bis 100 begründete das Kartellgericht eingehend die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung und illustrierte die Richtigkeit der von ihm getroffenen Feststellungen durch zahlreiche Verweise auf Beilagen. In einem E-Mail wird etwa der vom Mitbewerber angebotene Aktionspreis als „Provokation“ bezeichnet; sollte dieses Aktionspreisniveau bestätigt werden, so sehe SPAR sich gezwungen, auch das ursprüngliche Preisniveau sowohl für Kurant- als auch für Aktionspreise wieder einzufordern und umzusetzen. In einem anderen E-Mail wird festgehalten, dass die vereinbarten (Einkaufs-)Preiserhöhungen nur unter der Voraussetzung gelten, dass im gesamten österreichischen Lebensmitteleinzelhandel die Verkaufspreise zumindest auf das Niveau der empfohlenen Verkaufspreise angehoben werden (angefochtener Beschluss S 69).


Im Zuge eines „Storecheck“ wurde die „Preisgestaltung“ bei SPAR und den Mitbewerbern kontrolliert. In einem E-Mail ist ausdrücklich von einem Abstimmen des Verkaufspreises mit SPAR die Rede (angefochtener Beschluss S 71). Nach einer weiteren Urkunde lag es im Interesse von B*****, dass die Mitbewerber von SPAR ihren Verkaufspreis für ein bestimmtes Produkt um zumindest 20 Cent erhöhen, damit SPAR die gewährte Einkaufspreiserhöhung um 16 Cent nicht rückgängig mache. In einem E-Mail vom 24. 4. 2007 ist davon die Rede, dass in beiderseitigem Interesse (SPAR und B*****) sowie aller Mitbewerber B***** versuchen sollte, „endgültig eine Preisdisziplin bei den Markenartikeln der B***** bei unserem Mitbewerber P***** hineinzubringen, damit wir über solche Dinge nicht mehr diskutieren müssen“ (angefochtener Beschluss S 73).


Ein Zeuge bezeichnete unterschiedlich hohe Verkaufspreise der einzelnen Händler als „Wettbewerbsverzerrungen“ und gab an, er sei um „Marktberuhigung“ bemüht gewesen (angefochtener Beschluss S 78). In einer Reihe von Urkunden ist ausdrücklich vom „vereinbarten Verkaufspreis“ die Rede (angefochtener Beschluss S 83). Ein anderer Lieferant wies darauf hin, dass der Verkaufspreis bei einem Mitbewerber „nach mehrmonatigen Bemühungen“ von 1,09 EUR auf 1,19 EUR angehoben worden sei; SPAR habe auch bei den letzten beiden Terminen „unsere Bemühungen zur Preispflege in Österreich selbst als sehr positiv bewertet“ (angefochtener Beschluss S 97 f). Nach einem weiteren E-Mail desselben Lieferanten sei der Verkaufspreis für ein bestimmtes Produkt bei I***** „nach meiner letzten Intervention mit kurzfristiger Umsetzung auf 1,19 EUR zugesagt“ gewesen; nach nochmaliger Intervention seitens SPAR sei mitgeteilt worden, dass die „Änderung untergegangen“ sei. In einem E-Mail ist ausdrücklich von einer anlässlich der letzten Preiserhöhung im März 2011 getroffenen „Vereinbarung“ die Rede (angefochtener Beschluss S 95).


Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats erstreckten, in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet seien, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können.


Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art 101 Abs 1 AEUV bzw § 1 Abs 1 KartG sei weit auszulegen; dabei müsse es sich nicht um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handeln. Die Voraussetzungen, dass eine Vereinbarung eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezwecken“ oder „bewirken“ müsse, seien alternativ zu verstehen. Es handle sich um ein im gesamten Lebensmitteleinzelhandel seit langem praktiziertes System. Die Händler forderten bei der Neueinführung von Produkten und bei Einkaufspreisänderungen von den Lieferanten „Preisempfehlungen“, die nicht einem (kartellrechtlich zulässigen) unverbindlich empfohlenen Verkaufspreis entsprachen, sondern nach dem (damals) generellen Verständnis der Branche durchaus verbindlich sein und damit „preisberuhigend“ wirken sollten.


Während die Diskussion um erzielbare Wiederverkaufspreise allein noch nicht verbotswidrig wäre, liege ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor, wenn sich der Händler an einem objektiv auf Preismoderation gerichteten Informationsaustausch beteilige oder gar mit dem Lieferanten eine Vereinbarung in Bezug auf die Preise bei anderen Handelsunternehmen treffe, weil damit einerseits das Preissetzungsverhalten des Herstellers gegenüber den anderen Händlern (vertikal) beschränkt werde und sich andererseits der eine Händler gegenüber dem anderen in seinem Preissetzungsverhalten - mit der Folge eines abgestimmten Preises auf der Handelsstufe - horizontal beschränke.


Die Vereinbarung eines Aktionsverkaufspreises sei dann kartellrechtswidrig, wenn der Händler dem Lieferanten die Aufgabe übertrage, für ein (möglichst) einheitliches Aktionsverkaufspreisniveau zu sorgen, also mit den Wettbewerbern des Händlers im Wesentlichen gleich hohe Aktionsverkaufspreise zu vereinbaren. Die Vorgabe eines Mindestaktionsverkaufspreises sei jedenfalls unzulässig.


Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtssubjekten. Da nämlich in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit seien und damit ein Unternehmen iSd Art 101 AEUV bildeten, könne auch der Muttergesellschaft eine Geldbuße auferlegt werden. Halte die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft, die einen Verstoß gegen das Kartellverbot begangen hat, bestehe die widerlegbare Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt.


Gemäß § 33 KartG dürfe eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt worden sei. Damit differenziere § 33 KartG nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut müsse das Verhalten insgesamt beendet werden, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen. Im vorliegenden Fall liege eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht vor, weil alle Einzelverstöße auf einem einheitlichen „Gesamtplan“ beruhten. Da die festgestellten Zuwiderhandlungen weniger als fünf Jahre vor Einbringung des Geldbußenantrags beendet worden seien, sei der Verjährungseinwand nicht berechtigt.


Im Verfahren gegen REWE sei eine Geldbuße von insgesamt 20.800.000 EUR wegen kartellrechtswidriger Absprachen in Bezug auf insgesamt 20 Produktgruppen verhängt worden, wobei Verstöße während eines Zeitraums von fünf Jahren zugrunde gelegt worden seien. Ausgehend davon sei der Umsatz von REWE mit jenem von SPAR in ein Verhältnis zu setzen. In einem zweiten Schritt sei zu berücksichtigen, dass die über REWE verhängte Geldbuße unter Berücksichtigung eines „Settlementabschlags“ von 20 % errechnet worden sei, der den Antragsgegnerinnen nicht zugute komme; außerdem sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Geldbußenantrag ausschließlich auf Molkereiprodukte beziehe. Andererseits sei den Antragsgegnerinnen eine rund doppelt so lange Deliktsdauer anzulasten wie dem REWE-Konzern. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheine deshalb eine Geldbuße in Höhe von drei Millionen EUR angemessen.


Gegen diesen Beschluss richten sich die rechtzeitigen Rekurse der Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert und Siebentantragsgegnerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Teilbeschluss im antragsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt, in eventu die Abänderung dahin beantragt, dass lediglich eine symbolische Geldbuße in Höhe von 1.000 EUR verhängt werde.


Außerdem bekämpfen sämtliche Antragsgegnerinnen den Fristverlängerungsbeschluss aus den Rekursgründen der Nichtigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragen, diesen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Fristerstreckungsantrag nicht Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.


Der Bundeskartellanwalt und die Antragstellerin bekämpfen den Teilbeschluss und beantragen die angemessene Erhöhung der Geldbuße.


In ihren Rekursbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, den Rechtsmitteln der Gegenseite nicht Folge zu geben.


Rechtliche Beurteilung


Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:


1. Zur Bekämpfung der Fristverlängerung


1.1. Der Oberste Gerichtshof hat in dem - gleichfalls die Antragsgegnerinnen betreffenden - Beschluss 16 Ok 5/14t bereits ausgesprochen, dass der Beschluss über die Fristverlängerung zur Verbesserung des Antragsvorbringens im Kartellverfahren als verfahrensleitender Beschluss gemäß § 45 AußStrG nicht gesondert anfechtbar ist.


1.2. Damit kann ein derartiger Beschluss aber nach § 45 AußStrG erst im Rahmen der Bekämpfung der Endentscheidung angefochten werden; eine solche liegt noch nicht vor. Anders als nach der ZPO ist nach dem Außerstreitgesetz nämlich ein nicht abgesondert anfechtbarer Beschluss nicht gleichzeitig mit der nächsten selbstständig anfechtbaren Entscheidung bekämpfbar (§ 515 ZPO; zu dieser Rechtslage im Streitverfahren vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 515 ZPO Rz 1 ff), sondern erst mit der jeweiligen Endentscheidung. Damit ist es aber nicht möglich, die - andere Produktgruppen betreffende - Fristverlängerung im Rahmen des Rekurses gegen den vorliegenden Teilbeschluss anzufechten.


1.3. Das Argument der Rekurswerberinnen, dann sei die bewilligte Fristverlängerung überhaupt nicht anfechtbar, geht ins Leere, weil die Zulässigkeit eines Rechtsmittels kein Selbstzweck ist. Verfahrensleitende Beschlüsse dienen der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und führen kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben (16 Ok 5/14t). Eine behauptete rechtswidrige Verlängerung von Fristen durch das Gericht begründet nach herrschender Auffassung regelmäßig keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die noch bei der Entscheidung über die Sache (§ 45 Satz 2 AußStrG) relevant ist (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 23 FN 73; 16 Ok 5/14t). Dies ist Folge des Umstands, dass der Gesetzgeber die Anfechtung einer Entscheidung wegen Verfahrensmängeln sinnvollerweise auf solche Mängel beschränkt, die die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet sind. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, ließe man die selbstständige Anfechtung des Fristverlängerungsbeschlusses zu.


1.4. Damit ist aber auf das Rekursvorbringen zur angeblichen Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht einzugehen, setzt die Wahrnehmung einer Nichtigkeit doch das Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels voraus (RIS-Justiz RS0041907). Im Übrigen reicht es im Verfahren Außerstreitsachen aus, wenn sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses aus der Aktenlage nachvollziehen lässt (vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 55 Rz 57 Rz 16 mwN). Im Zusammenhalt mit dem Antragsvorbringen und der Aktenlage kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass das Erstgericht mit der angefochtenen Fristverlängerung dem Umstand Rechnung getragen hat, dass die Antragsgegnerinnen durch die Strategie einer (nahezu) Generalversiegelung bewusst die Ermittlungen der Antragstellerin behindern und verzögern wollten.


2. Zur Bekämpfung von Feststellungen


2.1. Der Oberste Gerichtshof wird auch im Verfahren in Kartellrechtssachen ausschließlich als Rechts- und nicht als Tatsacheninstanz tätig. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung in keinem Fall berufen (RIS-Justiz RS0123662; vgl auch RS0109206 [T5a, T6, T10, T11]). Auch die Frage, ob das Kartellgericht zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise benötigt, ist eine nicht der Kognition des Obersten Gerichtshofs unterliegende Frage der Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043414, RS0043320 [T17]). Diese Rechtsprechung gilt auch für das Geldbußenverfahren (vgl etwa 16 Ok 6/12).


2.2. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder die allgemeine Lebenserfahrung, der eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen würde und mit Rechtsrüge wahrzunehmen wäre (vgl 16 Ok 6/12; RIS-Justiz RS0043404, RS0043168), liegt nicht vor. Ein derartiger Verstoß gegen die Denkgesetze würde nämlich voraussetzen, dass der Schluss des Richters logisch unmöglich (E. Kodek in Rechberger ZPO4 § 503 Rz 26) oder mit den Gesetzen der Logik und Erfahrung unvereinbar ist (RIS-Justiz RS0043356). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Das Erstgericht hat detaillierte Feststellungen zum Sachverhalt getroffen und diese ausführlich und nachvollziehbar begründet. Die diesbezüglichen Rekursausführungen stellen lediglich den unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch dar, die nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegende Beweiswürdigung des Erstgerichts anzufechten.


3. Zur Aktenwidrigkeit


3.1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, weil also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und in Folge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (vgl RIS-Justiz RS0041773). Erwägungen der Tatsacheninstanzen, aus welchen Gründen ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden konnten, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung und bilden daher keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043347). Auch in der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen liegt keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0043189). Dies würde auch dann gelten, wenn die betreffende Schlussfolgerung unrichtig wäre (16 Ok 8/10).


3.2. Die Voraussetzungen einer Aktenwidrigkeit vermögen die Antragsgegnerinnen hier nicht aufzuzeigen. Die diesbezüglichen Rekursausführungen sind lediglich der Versuch, die Unzulässigkeit der Anfechtung der Beweiswürdigung zu umgehen (vgl RIS-Justiz RS0117019). Dass das Erstgericht den Aussagen einiger Zeugen nicht zur Gänze folgte, ist Ausfluss der freien Beweiswürdigung und nach dem Gesagten einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht zugänglich. Im Übrigen hat das Erstgericht seine Beweiswürdigung ausführlich und nachvollziehbar begründet.


3.3. Soweit die Antragsgegnerinnen rügen, dass sich das Erstgericht auf das REWE-Anerkenntnis bezog, das nicht Aktenbestandteil sei, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass über das Kartellverfahren gegen REWE in den Medien eingehend berichtet wurde. Im Übrigen hat das Erstgericht dieses Anerkenntnis gar nicht unmittelbar gegen die Antragsgegnerinnen verwendet, sondern ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es a priori durchaus denkbar wäre, dass sich SPAR - im Gegensatz zu REWE - rechtmäßig verhalten habe. Die Anerkenntnisse der gemeinsamen Lieferanten von REWE und SPAR liegen im Übrigen alle im Akt und wurden vom Kartellgericht auch durch eingehende Zeugeneinvernahmen erläutert bzw überprüft und - wie auch andere Beweismittel - im Rahmen der Beweiswürdigung als Indizien verwertet.


4. Zu den behaupteten Verfahrensmängeln


4.1. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblicken die Antragsgegnerinnen darin, dass das Erstgericht den Geldbußenantrag nicht vollständig erledigt hat. Das Erstgericht habe mit dem angefochtenen Teilbeschluss nämlich nicht über den gesamten Antrag der Antragstellerin zu Molkereiprodukten abgesprochen. In zeitlicher Hinsicht hätte eine Abweisung für den Zeitraum April bis Oktober 2012 erfolgen müssen.


4.2. Die Nichterledigung der Sachanträge als besondere Erscheinungsform der Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann - entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin - grundsätzlich von allen Parteien des Verfahrens geltend gemacht werden, muss doch auch dem Antragsgegner das Recht zugebilligt werden, eine abschließende und damit die Einleitung eines weiteren Verfahrens oder Verhängung einer weiteren Geldbuße verhindernde Sachentscheidung zu erwirken.


4.3. Aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Erstgerichts ergibt sich aber, dass das Erstgericht den Bereich der Molkereiprodukte abschließend erledigen wollte. Insoweit war der angefochtene Beschluss daher mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antrag hinsichtlich des Zeitraums April bis Oktober 2012 abgewiesen wird. Damit ist auch klargestellt, dass dieser Zeitraum für den Bereich der Molkereiprodukte nicht Gegenstand einer neuerlichen Verhängung einer Geldbuße darstellen kann.


4.4. Von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Erstgericht zu Recht Abstand genommen. SPAR hat dieses Gutachten zum Beweis des Nichtvorliegens einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 KartG bzw des Art 101 Abs 3 AEUV, zur mangelnden Spürbarkeit eines allfälligen Kartellverstoßes, zur Marktabgrenzung sowie zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung beantragt. Dieser Beweisantrag war - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - schon aus rechtlichen Gründen unerheblich. Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, so kommt es auf die Auswirkungen dieses Verhaltens nicht an. Auch die Spürbarkeit des Verhaltens von SPAR kann keinem Zweifel unterliegen. Entgegen dem Rechtsstandpunkt von SPAR ist in diesem Rahmen nämlich nicht etwa auf einzelne - für sich genommen möglicherweise noch nicht ausreichend spürbare - Geschäftsfälle abzustellen, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.


4.5. Ein Verstoß gegen § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO liegt nicht vor. Vielmehr wurde SPAR wiederholt vom Erstgericht aufgefordert, auf die Vorwürfe der Antragstellerin näher einzugehen. Dazu erklärten die Antragsgegnerinnen ausdrücklich, keine zusätzlichen Anträge zu stellen (zB S 22 ff in ON 70).


4.6. Die gegen SPAR erhobenen Vorwürfe waren aus dem Geldbußenantrag sowie den im Verfahren von der Antragstellerin erstatten Stellungnahme ausreichend erkennbar. Daher ist unerfindlich, inwiefern SPAR durch die Entscheidung des Erstgerichts „überrascht“ werden konnte. Im Übrigen muss ein Rechtsmittelwerber, der eine Verletzung des § 182a ZPO rügt, im Rechtsmittel vorbringen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte; der Rechtsmittelwerber muss auch dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann (vgl 1 Ob 215/05g). Ein deratiges Vorbringen enthält der Rekurs aber nicht.


5. Zur Rechtsrüge


5.1. Allgemeines


5.1.1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts - abgesehen von der Höhe der verhängten Geldbuße - sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung billigt (§ 60 Abs 2 AußStrG), sodass insoweit auf die Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden kann.


5.2. Innerstaatliches Kartellverbot


5.2.1. Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere ist nach § 1 Abs 2 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen verboten.


5.3. Unionsrechtliches Kartellverbot


5.3.1. Nach Art 101 AEUV (vormals Art 81 EG) sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere (lit a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003).


5.3.2. Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist - was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist - weit zu verstehen (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 196 mwN).


5.3.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet sind, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat nämlich schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindert. Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13).


5.4. Preisabsprachen


5.4.1. Kartellrechtswidrige Preisabsprachen können Absprachen über Mindestpreise, Preisintervalle, Preisaufschläge und -abzüge oder die Koordination der Höhe und des Zeitpunkts einer Preissteigerung sein (Schroeder in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union [54. Ergänzungslieferung 2014] Art 101 AEUV Rz 776). Außerdem erfasst Art 101 Abs 1 AEUV auch Vereinbarungen über Margen und Rabatte, Kreditbedingungen und Richtpreise (Schroeder aaO Art 101 AEUV Rz 776 mwN).


5.4.2. Auch vereinbarte Preisempfehlungen können verboten sein. So wurde eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern, Preisempfehlungen zu veröffentlichen, als Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV (ex Art 81 EG) angesehen, obwohl die tatsächlichen Endpreise individuell festgelegt wurden (Schroeder aaO Art 101 AEUV Rz 776 mwN). Preisbindungen durch Nachfrager sind von Art 101 Abs 1 AEUV erfasst, wenn dadurch eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 276).


5.4.3. Eine Form solcher Preisbindung sind die sogenannten Meistbegünstigungsklauseln (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV; vgl auch M. Walter, Die „besten Preise“ im Fokus - Renaissance von Meistbegünstigungsklauseln im Internet im Licht des deutschen und europäischen Kartellrechts, ZweR 2015, 157). Eine Meistbegünstigungsklausel liegt etwa vor, wenn ein Abnehmer seinem Lieferanten auferlegt, dass dieser seine Waren oder Dienste an andere Abnehmer nicht zu günstigeren Preisen verkaufen darf. Hierdurch wird der Anbieter in seiner Preisfestsetzung rechtlich beschränkt, was einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV begründet (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 276 mwN). Eine grundsätzlich unzulässige Meistbegünstigung ist aber auch gegeben, wenn die Bindung des Lieferanten nur wirtschaftlicher Natur ist. Eine solche - das Verhältnis zu anderen Abnehmern betreffende - wirtschaftliche Bindung ist anzunehmen, wenn der Lieferant sich verpflichtet, dem ihn bindenden Abnehmer immer einen mindestens genauso günstigen Preis einzuräumen wie irgendeinem anderen Abnehmer (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 276 mwN).


5.4.4. Unverbindliche Preisempfehlungen sind grundsätzlich zulässig. Eine Preisempfehlung kann aber als abgestimmte Verhaltensweise einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV darstellen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sie wie eine mittelbare Preisbindung wirkt (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 277). Die Europäische Kommission hat eine Verpflichtung von Abnehmern durch den Lieferanten, bei der Weiterveräußerung an Einzelhändler Endverkaufspreise zu empfehlen, als unzulässig erachtet (Kommission 22. 12. 1987, ABl EG 1987, L 45/34, Tz 32, ARG/UniPart). Dies muss aber auch für den hier vorliegenden Fall gelten, dass ein Abnehmer den Lieferanten dazu bewegt, ein bestimmtes Preisniveau bei anderen Abnehmern durchzusetzen.


5.4.5. SPAR ist einzuräumen, dass einzelne Autoren, insbesondere Vertreter der Chicago School of Antitrust Analysis, die Auffassung vertreten, Preisbindungen in Vertriebssystemen könnten Ausdruck einer effizienten Marktstruktur sein und beeinträchtigten den Wettbewerb nicht (Bork, The Antitrust Paradox 288; zu angeblich wettbewerbsfördernden Wirkungen vertikaler Preisbindungen auch Kasten, WUW 2007, 994 [999]). Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Rechtsprechung und Europäische Kommission haben bis in die jüngste Vergangenheit daran festgehalten, dass (vertikale) Preisbindungen in Vertriebssystemen schädlich sein können (vgl Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 274 mwN).


5.4.6. Die Entscheidung 16 Ok 11/13 -Pressegrosso III, wonach der Preis nicht das einzige Kriterium bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Preisbindungsmaßnahmen sei, ist im vorliegenden Fall insoweit nicht einschlägig, als es sich um die Beurteilung eines Medienzusammenschlusses handelte. In dieser Entscheidung ging es maßgeblich um das vom Gesetzgeber in diesem Bereich verfolgte Anliegen der Titelvielfalt und Ubiquität bei Presseprodukten, somit um die Wahrung der Medienvielfalt. Diese Voraussetzungen lassen sich aber nicht in gleicher Weise auf den Lebensmitteleinzelhandel übertragen.


5.5. Vertikale Preisabsprachen


5.5.1. Vertikale Preisabsprachen sind zweifellos offenkundige Wettbewerbsbeschränkungen, weil sie ein hohes Potential negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, und zwar nicht zuletzt auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf Handelsebene (vgl zB Faull/Nikpay, The EU Law of Competition³ [2014] Rz 3.188). Dem entspricht, dass auch vertikale Preisbindungen („Preisbindungen der zweiten Hand“) in Art 4 lit a) VO 330/2010 (Gruppenfreistellung für Vertikalvereinbarungen) als grundsätzlich unzulässige Kernbeschränkungen eingestuft werden (vgl Kuhn, Die Abgrenzung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nach Art 101 AEUV, ZWeR 2014/2, 148).


5.5.2. Die Europäische Kommission legt in ihren Leitlinien für vertikale Vereinbarungen, ABl 2010/C 130/01, ausführlich dar, in welcher Hinsicht vertikale Preisbindungen eine Gefahr für den funktionierenden Wettbewerb bewirken, und dass vertikale Verkaufspreisabsprachen auch auf indirektem Weg durchgesetzt werden können, zB über Abmachungen über Absatzspannen. Als sogar besonders schädlich im Hinblick auf die Gefahr des erhöhten Preisniveaus auf Verbraucherebene beurteilt wurde auch die weitere Gefahr, dass wettbewerbsschädliche Wirkungen von vertikalen Preisbindungen auch in der Begünstigung von Kollusionsergebnissen zwischen Abnehmern, das heißt Unternehmen auf Handelsebene, bestehen (VLL Rz 224).


5.5.3. Vertikale Preisbindungen sind als Kernbeschränkung vom Rechtsvorteil der gruppenweisen Freistellung ausgeschlossen. Die mit den tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmtes Verhalten) verbundenen horizontalen oder vertikalen Preisregulierungen sind als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sodass es auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen nicht mehr ankommt (Stockenhuber in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union [54. Ergänzungslieferung 2014] Art 101 AEUV Rz 179). Vereinbarungen, die Preisabsprachen enthalten, profitieren auch nicht von der Bagatell- Bekanntmachung und sind somit stets spürbar (Stockenhuber aaO Art 101 AEUV Rz 179 aE mwN). Art 101 Abs 1 AEUV verbietet ausdrücklich die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Preisabsprachen verletzen demnach per se das Kartellverbot. Das Verbot ist weit auszulegen und betrifft jede Vereinbarung, die direkt oder indirekt geeignet ist, Preiswettbewerb zu behindern. Nicht notwendig ist es, dass ein Kartell tatsächlich funktioniert oder keinerlei Ausnahmen vorsieht (Schroeder in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union [54. Ergänzungslieferung 2014] Art 101 AEUV Rz 775).


5.6. Beweisanforderungen


5.6.1. Bei vertikalen Preisbestimmungs-maßnahmen ist kein höheres Beweisniveau zu verlangen als im Rahmen einer horizontalen Beziehung (EuGH C-260/09 P, Aktivision Blizzard/Kommission, Rz 71). Auch ein mittelbarer Beweis anhand von Indizien aufgrund der gesamten Umstände des Falls reicht aus, wenn diese vernünftigerweise allein den Schluss auf eine zugrundeliegende Vereinbarung der Beteiligten zulassen (Europäische Kommission 8. 7. 2009, COMP 39.401 - E. ON/GDF Tz 187 ff).


5.6.2. Ein Nachweis über eine „Verpflichtung“ zur Umsetzung von Fest- bzw Mindestpreisen ist demgegenüber für einen Kartellverstoß nicht erforderlich; eine „Verpflichtung“ ist weder für den Nachweis einer kartellrechtlichen Vereinbarung noch einer diesbezüglichen Abstimmung konstitutiv. Vielmehr sind auch sogenannte Gentlemen-Agreements, bei denen kein Bindungswille im Sinne einer gewollten Einklagbarkeit besteht, zumindest aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Auch etwaige innere Vorbehalte, die „Vereinbarung“ nicht, nicht konsequent oder nur abweichend zu beachten, sind hierbei ebensowenig relevant wie die Behauptung, es würde nur zum Schein oder aus Gründen der „Verhandlungstaktik“ so gehandelt (16 Ok 8/10; EuG T-67/01, JCB/Kommission, Rz 103, 107; vgl auch EuGH Rs 19/77 Rz 6f: „psychologische Bedeutung“; zu Gentlemen-Agreements auch Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5 [2014] § 1 GWB Rz 83 ff).


5.7. Sonderformen von Vereinbarungen


5.7.1. Eine Vereinbarung kann nicht nur eine isolierte Handlung sein, sondern auch aus einer Reihe von Akten, einem kontinuierlichen Verhalten und einer Gesamtheit von Absprachen, Abstimmungen und Regeln bestehen, sofern sie sich in einen Gesamtplan einfügen (EuGH 21. 9. 2006 RS C-105/04 P, Nederlanske Federatieve Vereeniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission Rz 110; Langen/Bunte, Kartellrecht I12, § 1 GWB Rz 75). Ein Gesamtplan muss nicht von Anfang an existiert haben, sondern kann auch erst im Laufe der Zeit ausgearbeitet worden sein (Kommission 16. 12. 2003, C.38.240, Industrierohre, Rz 182). In der Literatur angeführte Beispiele sind etwa die Gründung eines „Arbeitskreises“ von Wettbewerbern zur Koordination von Preisen oder anderen Geschäftsstrategien (Langen/Bunte aaO) oder der Austausch sensibler Geschäftsdaten (Langen/Bunte aaO mwN).


5.7.2. Auch nach deutschem Recht werden in diesem Fall die einzelnen Absprachen oder Abstimmungen durch die Grundvereinbarung zu einer „Bewertungseinheit“ zusammengefasst, sodass sämtliche Teilakte eine einheitliche Tat im prozessualen Sinn bilden (BGH 28. 6. 2005, KRB 2/05, Berliner Transportbeton I).


5.7.3. Eine besondere Form der Vereinbarungen sind sogenannte Sternverträge („hub and spoke“), die nicht durch Vertrag zwischen den Beteiligten, sondern durch eine Mehrzahl von Vereinbarungen der Beteiligten mit einem identischen Partner abgeschlossen werden. Bei Sternverträgen ist nicht problematisch, ob überhaupt eine Vereinbarung getroffen wurde, denn zwischen dem Partner und den einzelnen Beteiligten wurden offensichtlich Vereinbarungen geschlossen. Fraglich ist vielmehr, ob durch das Bündel koordinierter Vertikalverträge eine (horizontale) Vereinbarung zwischen den Beteiligten bewirkt wurde (Langen/Bunte I12 § 1 GWB Rz 81 mwN).


5.7.4. Auch zum deutschen Recht ist anerkannt, dass bei Sternverträgen eine Vereinbarung zwischen den einzelnen Beteiligten gegeben sein kann. Für den praktisch relevanten Fall einer etwaigen horizontalen Vereinbarung aufgrund einer Vielzahl vertikaler Austauschverträge kann dies insbesondere dann anzunehmen sein, wenn entweder die Wirksamkeit des Einzelvertrags nach dem Willen der Beteiligten von den übrigen Verträgen abhängig ist, die parallelen Bindungen nach der Zielsetzung der Beteiligten also nur im Zusammenwirken sinnvoll sind, oder wenn sie auf horizontaler Abstimmung zwischen den gebundenen Unternehmen beruhen (Langen/Bunte I12 § 1 GWB Rz 82 mN aus der Rsp). Der Hauptzweck der Vertikalverträge muss dabei nicht in der horizontalen Abstimmung liegen; es reicht bereits aus, wenn die Vertikalverträge so gestaltet sind, dass man das vertikale Vertragsverhältnis gar nicht eingehen kann, ohne einer horizontal wirkenden Abstimmung zuzustimmen (Langen/Bunte aaO Rz 82 aE). Auch zu Art 101 Abs 1 AEUV ist anerkannt, dass ein „Bündel“ vertikaler Vereinbarungen einen vertraglichen Rahmen schaffen kann, der eine horizontale Vereinbarung darstellt (Langen/Bunte I12 § 1 GWB Rz 83; EuGH 3. 7. 1985 243/83 - Binon/AMP).


5.8. Zur angeblichen „Neuartigkeit“ des Verstoßes


5.8.1. SPAR versucht die festgestellten Verhaltensweisen als „neuartige Kategorie“ eines kartellrechtlichen Verstoßes darzustellen, die nicht unter Art 101 AEUV bzw § 1 KartG falle. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr handelt es sich bei den festgestellten Verhaltensweisen um die Ausprägungsform einer komplexen Kernbeschränkung, die sich insofern von einer „klassischen“ Verkaufsabsprache unterscheidet, als hier die vertikalen Preisabstimmungen (unter anderem in Form der vereinbarten sogenannten „Margenneutralität“) durch ausgeprägte horizontale Elemente der „Absicherung“ der vertikalen Vereinbarungen im Hinblick auf das horizontale Verhältnis zwischen Wettbewerbsunternehmen der Handelsebene in ihrer kartellrechtlichen Schädlichkeit noch verstärkt wurden.


5.8.2. Im Rahmen des vom betroffenen Konzern gepflogenen Gesamtsystems sollte sichergestellt werden, dass einerseits die Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Konzernunternehmen unverändert gleich bleibt, andererseits ein einheitliches Preisniveau bestehen bleibt; Verkaufspreise sollten harmonisiert, moderiert oder in sonstiger Weise beeinflusst werden. Zu diesem Zweck wurde den Lieferanten die Aufgabe der Preismoderation und Preisberuhigung übertragen (angefochtener Beschluss S 110 f). Dass solche Verhaltensweisen denselben wettbewerbsbeschränkenden Zweck wie „klassische“ Absprachen verfolgten, kann keinem Zweifel unterliegen.


5.8.3. „Neuartig“ daran ist lediglich das den Unwertgehalt deutlich erhöhende Element der „horizontalen Absicherung“ der vertikalen Absprachen auf Händlerebene durch ein System der Stabilisierung der Verkaufspreise und Erhöhung der Planungssicherheit durch Interventionen bei Lieferanten in Bezug auf Verkaufspreise anderer Handelsunternehmen (angefochtener Beschluss S 71).


5.8.4. An der Marktmacht des betroffenen Konzerns (im Sinne von Einkaufsmacht) gegenüber seinen Lieferanten besteht kein Zweifel. Entgegen der Auffassung im Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen können in diesem Zusammenhang nicht die selben Kriterien wie beim Tatbestand des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung verlangt werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass Lieferanten regelmäßig geringe Gewinnmargen haben und deshalb den Wegfall eines wesentlichen Absatzkanals (wie jenen des betroffenen Konzerns) nicht kompensieren können, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Entgegen der Auffassung der Rekurswerberinnen hat das Kartellgericht ausdrücklich festgestellt, dass ein „Kräfteungleichgewicht“ zwischen den beteiligten Unternehmen besteht und der betroffene Konzern angesichts seiner hohen Marktanteile gegenüber den Lieferanten eine sehr starke Marktmacht besitzt (angefochtener Beschluss S 65 f). Auch insoweit geht der Rekurs daher nicht von den getroffenen Feststellungen aus.


5.8.5. Entgegen dem Rekursvorbringen der Antragsgegnerinnen hat das Erstgericht die Marktstruktur im Lebensmitteleinzelhandel und den wirtschaftlichen Zusammenhang der Absprachen ausführlich gewürdigt und dazu detaillierte Feststellungen getroffen (angefochtener Beschluss S 35 bis 39, 51 ff und 65 ff).


5.8.6. Der Verweis der Antragsgegnerinnen auf die Entscheidung des EuGH vom 11. 9. 2014, RS C-97/13p, Groupement des Cartes Bancaires/Kommission, geht ins Leere. Diese Entscheidung ist in völlig anderem Zusammenhang ergangen. Dort ging es um eine Vereinbarung, die den Kampf gegen „Trittbrettfahrer“ im Rahmen eines Systems zur Interoperabilität von Zahlungs- und Abhebungssystemen der Mitglieder dieses Systems betraf. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Preisbindungen wurde in dieser Entscheidung in keiner Weise thematisiert.


5.9. Zum Ausnahmetatbestand nach Art 101 Abs 3 AEUV


5.9.1. Völlig zutreffend verneinte das Erstgericht auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art 101 Abs 3 AEUV. Im Übrigen wäre es an den Antragsgegnerinnen gelegen, die von ihnen behaupteten prokompetitiven Marktwirkungen ihrer Verhaltensweisen darzulegen.


5.9.2. Das vorgelegte Privatgutachten geht von unzutreffenden Prämissen aus. Es berücksichtigt nämlich nicht, dass der betroffene Konzern im Rahmen der hier zu beurteilenden Preisbindungsmaßnahmen Druck auf seine Lieferanten ausgeübt hat, die Verkaufspreise seiner Wettbewerber zu beeinflussen, um auf diese Weise die mit den Lieferanten vertikal vereinbarten Verkaufspreise des Konzerns in Bezug auf andere Handelsunternehmen horizontal abzusichern.


5.10. Zur Spürbarkeit


5.10.1. Angesichts des Marktanteils des betroffenen Konzerns im Lebensmitteleinzelhandel und des festgestellten Umfangs der Absprachen, die sich im Regelfall - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - auf das gesamte Bundesgebiet bezogen, besteht kein Zweifel an der „Spürbarkeit“ der festgestellten Verhaltensweisen. Zutreffend hat das Kartellgericht erkannt, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt, wenn sich der Händler an einem objektiv auf Preismoderation gerichteten Informationsaustausch beteiligt oder sich gar gegenüber Lieferanten auf eine Vereinbarung in Bezug auf Preise bei anderen Handelsunternehmen beruft, weil dadurch einerseits das Preissetzungsverhalten der Lieferanten gegenüber den anderen Händlern (vertikal) beschränkt wird und sich andererseits der eine Händler gegenüber den anderen in seinem Preissetzungsverhalten - mit der Folge eines abgestimmten Preises auf der Handelsstufe - (horizontal) beschränkt (Röhling/Haus, Hub and spoke - Kartelle im Handel, KSZW 01.2011, 32 [36]).


5.10.2. Zu Art 101 AEUV ist anerkannt, dass die zu beurteilende Maßnahme nicht isoliert zu betrachten ist. Der Effekt für den zwischenstaatlichen Handel kann sich aus dem Zusammenwirken der zu beurteilenden Maßnahme mit anderen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, Beschlüssen oder Verhaltensabstimmungen des selben oder anderer Unternehmen ergeben. Solche Wirkungen sind bei der Feststellung der Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu berücksichtigen (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 202). Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang formuliert, dass die Wirkungen in dem Rahmen zu betrachten sind, in dem sie auftreten, dass heißt in dem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang, in dem die Verträge, Beschlüsse oder Verhaltensweisen stehen und zusammen mit den anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen können (EuGH 12. 12. 1967 Rs 23/67, De Haecht/Janssen, ähnlich EuGH 11. 12. 1980, Rs 31/80, L'Oréal Rz 19).


5.10.3. Eine derartige Gesamtbetrachtung spielt insbesondere bei ganze Märkte umfassenden Vertragssystemen eine Rolle. In Fällen dieser Art würde eine isolierende Betrachtungsweise, die nur auf den konkreten wettbewerbsbeschränkenden Vertrag abstellt, nicht dem Umstand gerecht, dass die Auswirkungen dieses Vertrags durch das Zusammenspiel mit anderen gleichartigen Verträgen verstärkt werden können. Diese „Bündeltheorie“ ist auch bei der Feststellung der Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung relevant (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 202 und 208). In diesem Sinne kann die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels auch deshalb spürbar sein, weil ein Vertrag Teil eines umfassenden Vertragssystems ist, das in seiner Gesamtheit geeignet ist, den Binnenmarkt spürbar zu beeinträchtigen (Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 208).


5.11. Zur Zurechnung


5.11.1. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann einer Muttergesellschaft das kartellrechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Mutter befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtsobjekten. In einem solchen Fall sind die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden somit ein Unternehmen iSd Art 101 AEUV, weshalb auch der Muttergesellschaft eine Geldbuße auferlegt werden kann, ohne dass ihre persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen ist. Hält die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft, die einen Verstoß gegen das Kartellverbot begangen hat, besteht die widerlegbare Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt; in diesem Fall obliegt es der Muttergesellschaft, diese Vermutung zu widerlegen, also unter Beweis zu stellen, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (EuGH, C-97/08 P, Akzo Nobel ua/Kommission, Slg 2009, I-8237, Rn 60 f; EuGH 20. 1. 2011, C-90/09 P, General Química SA mwN; dazu krit Koppensteiner, Compliance und Kartellrecht, GES 2013, 432).


5.11.2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht davon ausging, dass die Erst-, Dritt- und Siebentantragsgegnerin für das Fehlverhalten der Viertantragsgegnerin als ihre Tochter-, Enkel- bzw Urenkelgesellschaft einzustehen habe. Dass die Viertantragsgegnerin auf dem Markt eigenständig auftrete, haben die Antragsgegnerinnen gar nicht behauptet. Zutreffend verweist das Erstgericht auch darauf, dass eine solche Annahme angesichts der festgestellten weitgehenden Personenidentität in der Unternehmensleitung lebensfremd wäre.


5.11.3. Die Entscheidung 16 Ok 5/08 betrifft die Zusammenrechnungsregel des § 2a KartG 1988 (nunmehr § 22 KartG 2005), behandelt jedoch die hier relevante Frage der Passivlegitimation von Muttergesellschaften nicht.


5.12. Verjährung


5.12.1. Zutreffend gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Kartellrechtsverstöße der Antragsgegnerinnen nicht verjährt sind. Gemäß § 33 KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Damit differenziert § 33 KartG - im Gegensatz zur unionsrechtlichen VO 1/2003 - nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen (Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 33 Rz 6).


5.12.2. Bei Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Eine dauernde Zuwiderhandlung besteht aus einer andauernden Handlung, eine fortgesetzte aus mehreren Handlungen, die jede für sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Somit handelt es sich bei einer dauernden Zuwiderhandlung um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt demgegenüber immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinanderfolgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 33 Rz 7 f mwN).


5.12.3. Nach der Definition des Europäischen Gerichtshofs umfasst der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind (EuGH 8. 7. 1999, C-235/92 P - Montecatini/Kommission).


5.12.4. Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (EuG 6. 2. 2014, T-27/10 - AC-Treuhand/Kommission, Rz 238).


5.12.5. Ein Verstoß gegen Art 101 AEUV kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (EuG 6. 2. 2014, T-27/10).


5.12.6. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die Rechtsverletzung in Vertragsbestimmungen begründet ist, der Verstoß nicht nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern für die Dauer des aufrechten Vertrags besteht (16 Ok 4/07; vgl auch Bauer/Müller, Verjährung im Kartellrecht, OZK 2009, 23). Bei fortgesetzten Delikten, also solchen Verstößen, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind, beginnt die Verjährungsfrist erst mit Beendigung des letzten Teilakts zu laufen (Bauer/Müller, Verjährung im Kartellrecht, OZK 2009, 23 [26]; vgl auch Maritzen, Die einheitliche und fortdauernde Zuwiderhandlung - ein kartellrechtliches Oxymoron?, OZK 2010, 92).


5.12.7. Nach den Feststellungen des Erstgerichts lag im vorliegenden Fall eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht vor, beruhten doch alle Einzelverstöße auf einem einheitlichen Gesamtplan und Gesamtsystem. Da die Zuwiderhandlungen weniger als fünf Jahre vor Einbringung des Geldbußenantrags beendet waren, ist der Verjährungseinwand nicht berechtigt. Auf die strafrechtliche Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt (vgl 13 Os 1/07g) kommt es aufgrund der besonderen Rechtsgrundlagen im Kartellrecht nicht weiter an.


5.12.8. Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerinnen ist die dreijährige Verjährungsfrist des § 143c KartG 1988 im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil ein Delikt vorliegt, das über den Wirksamkeitsbeginn des Kartellgesetzes 2005 hinaus fortgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Geldbußenantrag bereits am 28. 11. 2013 und damit innerhalb von weniger als drei Jahren nach Beendigung des kartellrechtswidrigen Verhaltens eingebracht.


6. Zur Höhe der Geldbuße


6.1. Rekurslegitimation und Beschwer


6.1.1. Vorweg ist festzuhalten, dass - entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerinnen - dem Bundeskartellanwalt im vorliegenden Verfahren Rekurslegitimation zukommt. Der Bundeskartellanwalt ist als Treuhänder der von ihm gesetzlich wahrzunehmenden Interessen (§ 75 Abs 1 KartG) anzusehen (16 Ok 1/08; 16 Ok 13/04). Als Amtspartei ist der Bundeskartellanwalt der Bundeswettbewerbsbehörde aus verfahrensrechtlicher Sicht gleichgestellt (Hoffer, KartG 328 mwN; vgl auch E. Solé, Das Verfahren in Kartellsachen Rz 68 ff) und hat wie diese die Möglichkeit, alle nach dem Kartellgesetz vorgesehenen Anträge einzubringen sowie jederzeit auch in Verfahren, in denen er nicht Antragsteller ist, als Partei aufzutreten und Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Kartellgerichts zu erheben (Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht³, 304 mwN).


6.1.2. Der Bundeskartellanwalt hat sich am vorliegenden Verfahren - wenn auch nicht durch eigene Antragstellung - beteiligt. Rekurslegitimation käme ihm aber sogar dann zu, wenn er sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hätte (16 Ok 6/10; E. Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 282).


6.1.3. Auch die Beschwer als besondere Erscheinungsform des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anrufung einer höheren Instanz (vgl 16 Ok 1/07) ist im vorliegenden Fall gegeben. Bei Anträgen auf Verhängung einer Geldbuße wird im Allgemeinen - außerhalb des Falls des § 36 Abs 2 KartG - keine bestimmte Geldbuße beantragt. Es reicht grundsätzlich aus, wenn die Amtsparteien die Verhängung einer „angemessenen“ Geldbuße beantragen; die Anführung einer bestimmten beantragten Strafhöhe ist nicht erforderlich (16 Ok 8/07). Daran hat auch das KaWeRÄG 2012 nichts geändert (ErläutRV KaWeRÄG 2012 1804 BlgNR 22. GP 9).


6.1.4. Dies entspricht auch der Rechtslage in anderen Rechtsgebieten, insbesondere im Strafverfahren (vgl § 255 Abs 1 Satz 2 StPO, dazu Danek in WK-StPO § 255 Rz 6) und im Exekutionsverfahren (vgl schon 3 Ob 92/81 SZ 54/115; Klicka in Angst, EO² § 355 Rz 11a). Auch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, wonach bei einer Anklage gegen einen Landeshauptmann ein Antrag der Bundesregierung auf bloße Feststellung der Gesetzesverletzung nicht zulässig ist, sondern ein derartiger Ausspruch nur angeregt werden kann (VfGH E 1/84 VfSlg 10.314; vgl auch VfGH E 2/84 VfSlg 10.510), beruht auf der Erwägung, dass die Sanktionsbemessung von Amts wegen und weitgehend unabhängig von Anträgen der Parteien erfolgen soll.


6.1.5. Daraus kann aber entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerinnen nicht abgeleitet werden, dass der Antragstellerin oder dem Bundeskartellanwalt keine Möglichkeit zukäme, die Höhe der vom Erstgericht verhängten Geldbuße zu bekämpfen. Vielmehr genügt immer dann, wenn kein konkreter Antrag gestellt wird, für das Vorliegen des entsprechenden Rechtsschutzinteresses zur Erhebung eines Rechtsmittels das Vorliegen materieller Beschwer (dazu Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 50).


6.1.6. Dabei erfordert das Kriterium der materiellen Beschwer nicht einen Eingriff in die eigene individuelle Rechtsposition einer Verfahrenspartei; es genügt, dass dieser Eingriff von der betreffenden Partei wahrzunehmende öffentliche Interessen betrifft. Dass die Höhe einer im kartellgerichtlichen Verfahren zu verhängenden Geldbuße von den Amtsparteien wahrzunehmende Interessen (§ 75 Abs 1 KartG) betrifft, kann keinem Zweifel unterliegen.


6.2. Bemessungsfaktoren


6.2.1. Gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 1 KartG bzw gegen Art 101 AEUV eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Gesamtumsatz ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmers, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist. Für die Bemessungsgrundlage sind demnach nicht nur die Umsätze des unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmers heranzuziehen, sondern auch die Umsätze derjenigen Unternehmer, an der der unmittelbar beteiligte Unternehmer eine Beteiligung inne hat. Aufgrund der Bestimmung über die Berechnung von Umsatzerlösen in § 22 KartG gelten Unternehmen, die iSd § 7 KartG verbunden sind, als ein einziges Unternehmen, dessen Gesamtumsatz heranzuziehen ist (Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 29 Rz 13).


6.2.2. Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 Abs 1 KartG insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen.


6.2.3. Ein Erschwerungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 2 KartG insbesondere, wenn


1. das Kartellgericht gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat oder


2. der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder einer solchen Rechtsverletzung führend beteiligt gewesen ist.


6.2.3. Ein Milderungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 3 KartG insbesondere, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung


1. an einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt war;


2. die Rechtsverletzung aus eigenem beendet hat oder


3. wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hat.


6.3. Präventionszweck


6.3.1. Der Geldbuße kommt nach dem Willen des Gesetzgebers Präventionsfunktion zu (ErläutRV 1005 BlgNr 21. GP 32; vgl 16 Ok 3/06; zur Höhe der Geldbuße auch Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das „Kartellstrafrecht“! Zur Rechtsnatur der Geldbußen nach § 142 Z 1 KartG idF KartG-Novelle 2002, JBl 2003, 907). Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen (16 Ok 4/07; 16 Ok 5/08 mwN; 16 Ok 4/09). Auch die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, Abl C 210 vom 1. 9. 2006 (LL Geldbußen), weisen darauf hin, dass Geldbußen eine ausreichend abschreckende Wirkung zu entfalten haben (Einleitung Z 7; Rz 30, 37). Der Zweck der Geldbußen besteht nämlich darin, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden sowie der Wiederholung unabhängig davon vorzubeugen, ob das Verhalten noch andauert oder dessen Wirkungen noch bestehen (16 Ok 4/07).


6.3.2. Eine Kartellstrafe kann nur dann abschreckend wirken, wenn die Höhe und Wahrscheinlichkeit der Strafe den zu erwartenden Kartellgewinn übersteigt (LL Geldbußen Rz 31). Zutreffend wird daher in der Literatur ausgeführt, die theoretisch optimale Höhe der Geldbuße für einen materiell-rechtlichen Wettbewerbsverstoß sei der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiert, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist (Bechthold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht³ [2014], VO I/2003 Art 23 Rz 30; 16 Ok 5/08).


6.4. Ermessensentscheidung


6.4.1. Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den - nicht taxativ aufgezählten - gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich dabei um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes (16 Ok 3/06; 16 Ok 4/07; 16 Ok 8/07 SZ 2008/5; 16 Ok 5/08; 16 Ok 4/09; 16 Ok 2/13).


6.4.2. Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich danach, inwieweit das Kartellgericht bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (16 Ok 5/10; 16 Ok 4/09; 16 Ok 5/08; 16 Ok 4/07).


6.5. Zu den Leitlinien der Kommission


6.5.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Geldbußensystem des Unionsrechts (Art 23 VO 1/2003) mit jenem des nationalen Rechts nicht deckungsgleich ist. Die LL Geldbußen (dazu etwa Reidlinger, Verfolgung und Sanktionierung von Kartellverstößen durch die Europäische Kommission - Update 2006, in Schick/Hilf, Kartellstrafrecht [2007] 124 ff) können deshalb im Verfahren über eine nach österreichischem Recht zu verhängende Geldbuße nur in jenem Umfang sinngemäß angewendet werden, in dem die entsprechenden Normen und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen vergleichbar sind (16 Ok 4/09 - Industriechemikalien = ecolex 2009, 507 [Brugger] = ÖZK 2009, 151 [Polster/Zellhofer]).


6.5.2. Eine sinngemäße Anwendung der LL Geldbußen ist lediglich insofern unbedenklich, als sich das Kartellgericht an der europäischen Geldbußenpraxis orientiert, ohne dabei jedoch das eigenständige inländische Sanktionensystem zu missachten und eigene Überlegungen zu vernachlässigen (16 Ok 4/07 - Europay; 16 Ok 5/08 - Aufzugskartell OZK 2008, 224 [Lukaschek] = ÖBl 2009/25 [Hoffer/Innerhofer]).


6.5.3. Ein wichtiger Unterschied betrifft die Frage, welcher Umsatz als Basis für die Ermittlung der Höhe der Geldbuße heranzuziehen ist. Nach der Rechtsprechung ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut auf den Gesamtumsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns abzustellen (16 Ok 4/09 - Industriechemikalien). Die in § 29 KartG vorgesehene Obergrenze ist nicht bloß "Kappungsgrenze", sondern bildet den Strafrahmen, innerhalb dessen sich das Kartellgericht bei der Bemessung der Geldbuße zu orientieren hat (ebenso zum deutschen Recht BGH 26. 2. 2013, KRB 20/12). Demgegenüber ist nach den LL Geldbußen auf den tatbezogenen Umsatz abzustellen; ein bestimmter Prozentsatz (idR maximal 30 %) dieses Betrags bildet dann den - je nach Erschwerungs- und Milderungsgründen zu erhöhenden oder verringernden - Grundbetrag der Geldbuße (LL Geldbußen Rz 12 ff). Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass diese Vorgangsweise nach österreichischem Recht nicht in Betracht kommt, weil dadurch die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt würde (16 Ok 4/09; 16 Ok 5/08).


6.5.4. Die LL Geldbußen, wonach zur Bestimmung des Grundbetrags je nach Schwere des Verstoßes ein bestimmter Anteil am Umsatz des betroffenen Geschäftszweigs (bis zu 30 %) berechnet und mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert wird, sind daher für das Kartellgericht nicht bindend (16 Ok 2/13). Aus diesem Grund ist auch eine detaillierte Ermittlung von „tatbezogenen“ Umsätzen nicht erforderlich.


6.6. Zur Bedeutung der Settlement-Verfahren


6.6.1. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts kann hier die Höhe der Geldbuße nicht gleichsam mechanisch aus der gegen einen Mitbewerber des betroffenen Konzerns im Zuge eines abgeschlossenen Settlement-Verfahrens festgesetzten Geldbuße abgeleitet werden. Abgesehen davon, dass in diesem Fall die Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 36 Abs 2 KartG eine Geldbuße in bestimmter Höhe beantragt hatte, über die das Kartellgericht nicht hinausgehen konnte, weshalb dieser Entscheidung von vornherein nur geringe Aussagekraft zukommt, unterlagen die in Settlement-Verfahren im Lebensmitteleinzelhandel verhängten Geldbußen keiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Auch sind Settlement-Verfahren in der Praxis vielfach dadurch gekennzeichnet, dass die Bundeswettbewerbsbehörde den betreffenden Unternehmen auf zweifache Weise, nämlich bei der Umschreibung des zugestandenen Sachverhalts und bei der Höhe der Geldbuße, entgegenkommt, was im Schrifttum auch auf Kritik gestoßen ist (vgl G. Kodek, Absprachen im Kartellverfahren, ÖJZ 2014, 443, 444).


6.6.2. Weiters ist zu beachten, dass die gegen den Mitbewerber im Settlement-Verfahren verhängte Geldbuße in Höhe von 20,8 Mio EUR 20 Produktgruppen betroffen hat, wobei nicht beurteilt werden kann, in welchem Ausmaß Molkereiprodukte in die dort verhängte Gesamtbuße eingeflossen sind. Auch aus diesem Grund ist das Ergebnis dieses Settlement-Verfahrens für die Höhe der hier festzusetzenden Geldbuße nicht maßgeblich.


6.7. Höhen bisher verhängter Geldbußen


6.7.1. Im Fall bargeldloser Zahlungssysteme (16 Ok 4/07) wurde eine Geldbuße in Höhe von 7,7 % des Umsatzes für ein Absichtskartell kombiniert mit Marktmissbrauch verhängt; beim Industriechemikalienkartell (16 Ok 4/09) betrug die Geldbuße rund 10 % des betroffenen Regionalumsatzes, beim Aufzugskartell (16 Ok 5/08) rund 30 % des Inland-Umsatzes (vgl Brugger, Die Geldbußenbemessung nach § 30 KartG, ÖZK 2009, 172 [178]). Für einen sogar relativ kurzzeitigen Verstoß im vertikalen Bereich wurden 2,2 % des Gesamtumsatzes verhängt (16 Ok 3/06).


6.8. Zusammenfassende Würdigung


6.8.1. Schon das Kartellgericht hat zutreffend ausgesprochen, dass das Verhalten der Antragsgegnerinnen im Verfahren keinen Erschwerungsgrund bildet, hat sich dieses doch auf die zulässige Rechtsverteidigung beschränkt. Neutral wirkt sich auch der sehr weit gehende Versiegelungsantrag der Antragsgegnerinnen aus, über den noch nicht entschieden wurde, da derzeit nicht beurteilt werden kann, ob dieser Rechtsbehelf grundlos und mutwillig ergriffen worden ist.


6.8.2. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Kartellrechtsverstoß, der - gemessen an den Kriterien Schwere (Kernverstoß), Dauer (zehn Jahre), Vorsatzgrad und Finanzkraft des betroffenen Konzerns - jeweils als deutlich überdurchschnittlich anzusehen ist. Die Antragsgegnerinnen haben ihr Verhalten zudem auch noch nach Hinweisen auf dessen Rechtswidrigkeit durch den Österreichischen Verband der Markenartikelindustrie fortgesetzt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich das festgestellte Verhalten der Antragsgegnerinnen nur auf einen kleinen Teil der von ihnen angebotenen Produkte bezog.


6.8.3. Die Antragsgegnerinnen gestanden selbst einen konsolidierten Konzernumsatz für das Jahr 2013 in Höhe von 8,67 Mrd EUR zu, wovon über 400 Mio EUR Molkereiprodukte betreffen (S 21 in ON 70). Damit beträgt die vom Erstgericht verhängte Geldbuße lediglich 0,0346 % des Gesamtumsatzes oder - umgerechnet auf jedes einzelne Jahr der Zuwiderhandlung - sogar nur 0,00346 % des Gesamtumsatzes. Die Festsetzung einer Geldbuße von 3 Mio EUR wäre nach dem zuvor zur abschreckenden Wirkung Gesagten (Punkt 6.3.2.) nur dann angemessen, wenn man davon ausgehen kann, dass der potentielle Nutzen des festgestellten Kartellverstoßes in jedem Jahr des Verstoßes unter 300.000 EUR, in 10 Jahre sohin unter 3 Mio EUR, lag. Dass dies völlig lebensfremd ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Bei einem Abstellen auf die bei Molkereiprodukten erzielten Umsätze entspricht die verhängte Geldbuße einer Gesamtbelastung von 0,7 % bzw gar nur 0,07 % bei jährlicher Betrachtung.


6.8.4. Zusammenfassend erscheint daher eine Geldbuße von 30 Mio EUR angemessen, was etwa 3,5 % der gesetzlich möglichen Obergrenze von 867 Mio EUR entspricht.


7. Ergebnis


Der angefochtene Beschluss war daher spruchgemäß abzuändern, wobei zur Klarstellung auch zu verdeutlichen war, dass sich die Antragsabweisung nicht nur auf die Fünft- und Sechstantragsgegnerin, sondern auch auf die übrigen Antragsgegnerinnen für den Zeitraum April bis Oktober 2012 bezog."


Ausdruck vom: 19.04.2024 12:17:15 MESZ