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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 1/18d


Bekannt gemacht am:

18.07.2018

Entscheidungsdatum:

28.03.2018


Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG 2005 wegen verbotener Durchführung des am 12.12.2016 bei der Antragstellerin angemeldeten Zusammenschlusses (BWB/Z-3656) betreffend den indirekten Erwerb von 50% der Anteile der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin im Zeitraum 28.7.2016 bis zum 10.1.2017, eine Geldbuße von EUR 40.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte mit ihrem Antrag vom 29.1.2018 wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte hiezu vor, dass die Erst- und Zweitantragsgegnerinnen am 12.12.2016 nachträglich den am 28.7.2016 erfolgten indirekten Erwerb von 50% der Anteile an der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin bei der Antragstellerin zu BWB/Z-3316 angemeldet habe. Mangels Stellung eines Prüfungsantrags durch die Amtsparteien sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 10.1.2017 weggefallen. Im Rahmen der Anmeldung sei auch der im nächsten Schritt beabsichtigte indirekte Erwerb der verbleibenden 50% der Anteile der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin angemeldet worden. Dieser Erwerb sei erst nach Wegfall des Durchführungsverbots erfolgt. Der Verstoß gegen das Durchführungsverbot sei deshalb nur durch den vorzeitigen Erwerb der ersten 50% am 28.7.2016 erfolgt. Die Antragsgegnerinnen hätten sohin vom 28.7.2016 bis zum 10.1.2017, also insgesamt 4 ½ Monate, gegen das Durchführungsverbot verstoßen.

Zu den beteiligten Unternehmen führte die Antragstellerin aus, dass die Erstantragsgegnerin indirekt von der H.I.G. Europe Capital Partners II LP beherrscht werde. Dabei handle es sich um einen Investmentfonds der H.I.G. Capital-Gruppe. Diese sei 1993 gegründet worden und sei ein weltweit aktives Private Equity-Unternehmen. Sie sei auf Management Buyouts, Umstrukturierungen mittelständischer Unternehmen sowie auf Investitionen in Wachstumsbranchen fokussiert.

Die Zweitantragsgegnerin sei eine familiengeführte italienische Gesellschaft, die in der Herstellung und im Vertrieb von Vliesstoffen für verschiedene Anwendungen aktiv sei, einschließlich Hygiene (...% der Gesamtumsätze), Baumaterialien (...%), Körperpflege (...%), Haushaltsanwendungen, Filtration, Landwirtschaft und Medizin. Das Zielunternehmen habe eine Fertigungsstätte in Rovereto, Trient, Italien, mit einer Gesamtkapazität von ca. ... Tonnen. Sein Geschäftsschwerpunkt liege in Italien und Zentraleuropa.

Im Geschäftsjahr 2015 hätten die beteiligten Unternehmen folgende Umsatzerlöse erzielt:

- Erstantragsgegnerin weltweit ca. 15 Mrd €, EU-weit ca. ... € und in Österreich ca. ... €;

- Zweitantragsgegnerin weltweit ca. ... €, EU-weit ca. ... € und in Österreich ca. ... €.

Die Antragsgegnerinnen haben am 23.1.2018 folgendes Anerkenntnis abgegeben:

(1) Die Anmelderin hatte in einem ersten Transaktionsschritt mittelbar über ihre 100%-ige Tochtergesellschaft Texbond Holding S.r.l. („New Co“) im Jahr 2016 50% der Anteile und alleinige Kontrolle an dem Zielunternehmen Texbond S.p.a. („Texbond“) erworben. Da der Umsatz der beteiligten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Umsatzschwellen des § 9 KartG überschritten hatte, wäre dieser Transaktionsschritt in Österreich als Zusammenschluss vor seiner Durchführung anmelde- und genehmigungspflichtig gewesen.

(2) Am 12.12.2016 meldete die Anmelderin diesen Transaktionsschritt nachträglich sowie die geplante (aber noch nicht erfolgte) Durchführung des zweiten Transaktionsschritts, nämlich des mittelbaren Erwerbs der verbleibenden 50% der Anteile an Texbond, bei der Bundeswettbewerbsbehörde an. Mit Schreiben vom 10.1.2017 gaben die Amtsparteien bekannt, dass sie keinen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses vor dem Kartellgericht gestellt haben und das Verbot der Durchführung des Zusammenschlusses mit Wirkung zu demselben Tag weggefallen ist. Der Vollständigkeit halber weist die Anmelderin darauf hin, dass NewCo zwischenzeitlich in Texbond hinein verschmolzen wurde.

(3) Die Anmelderin erkennt an, dass die Durchführung des oben dargestellten ersten Transaktionsschritts vor seiner Nichtuntersagung durch die österreichischen Behörden einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot gemäß § 17 KartG darstellt, welcher gemäß § 29 Z 1 lit a) KartG mit einer Geldbuße von bis zu 10% des im vorangegangenen Jahr erzielten Gesamtumsatzes bestraft werden kann. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der anwendbaren Erschwerungs- und Milderungsgründe mit den Amtsparteien erkennt die Anmelderin weiters an, dass im konkreten Fall eine Geldbuße von EUR 40.000,-- schuld- und tatangemessen ist, und bestätigt, dass sie einer diesen Betrag nicht übersteigenden Geldbuße nicht entgegentreten wird.“

In rechtlicher Hinsicht führte die Antragstellerin aus, dass die gegenständliche Transaktion die Umsatzschwellen gemäß § 9 KartG überschritten hätte. Der gegenständliche Erwerb sei ein Zusammenschluss iSd § 7 Abs 1 Z 1 und Z 5 KartG und bedürfe der Anmeldung. Er dürfe erst nach Freigabe durchgeführt werden (§ 17 Abs 1 KartG). Bei der Bemessung der Geldbuße gemäß § 30 KartG sei im vorliegenden Fall Folgendes zu berücksichtigen: 1. die freiwillige Selbstanzeige durch die Antragsgegnerinnen, 2. keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses, 3. die geringe Dauer der verbotenen Durchführung in Höhe von nur 4 ½ Monaten, 4. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerinnen, 5. dass im Ergebnis keine Bereicherung der Antragsgegnerinnen eingetreten sei. Zum Verschulden führte die Antragstellerin aus, dass die Antragsgegnerinnen mit der Prüfung der zusammenschlussrechtlichen Aspekte einen auf Kartellrecht spezialisierten italienischen Rechtsanwalt beauftragt hätten und bezüglich Österreich sei jedoch auf Grund einer falschen Auslegung des § 9 Abs 2 KartG die Anmeldepflicht übersehen worden.

Als Milderungsgrund führte die Antragstellerin auch aus, dass die Antragsgegnerinnen insbesonders durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hätten. Die aus dem Spruch ersichtliche Geldbuße sei angemessen.

In ihrer Stellungnahme vom 6.3.2018, ON 3, führten die Antragsgegnerinnen aus, dass sich der Antrag inhaltlich mit dem Anerkenntnis, dass die Erstantragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23.1.2018 (Beilage ./C) abgegeben habe, decke. Weder die Erstantragsgegnerin noch die Zweitantragsgegnerin hätten weitere Anmerkungen zu dem Antrag vom 29.1.2018.

Da gegen die Richtigkeit des Vorbringens auch im Hinblick auf die Stellungnahme der Antragsgegnerinnen vom 6.3.2018 und den vorgelegten Urkunden (Beilagen ./A - ./C) keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG 2005 keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht ist den Parteien zuzustimmen, dass der vorliegende Erwerbsvorgang einen Zusammenschluss darstellt, der auch anmeldebedürftig gewesen war.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die rechtlichen Ausführungen der Antragstellerin verwiesen.

Die Verhängung einer Geldbuße ist aus generalpräventiven Überlegungen notwendig.

Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.


Ausdruck vom: 29.03.2024 08:57:08 MEZ