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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

28 Kt 6/23a


Bekannt gemacht am:

05.02.2024

Entscheidungsdatum:

11.10.2023


 Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG wegen der verbotenen Durchführung des am 22.3.2013 angemeldeten Zusammenschlusses betreffendden die 25 %-Anteilsschwelle überschreitenden Erwerb von Stimmrechtsanteilen der Uponor Oyj, Finnland – nämlich von insgesamt 25,13 % der Stimmrechtsanteile mit 20.12.2022 – im Zeitraum von 20.12.2022 bis 13.4.2023 eine Geldbuße von EUR 85.000 verhängt.
 
Begründung:
 
Folgender Sachverhalt ist unstrittig:
Beteiligte Unternehmen:
Die Antragsgegnerin ist eine finnische Holdinggesellschaft, die sich auf das Halten von Beteiligungen an Industrieunternehmen spezialisiert hat.
Uponor Oyj ist ein Industrieunternehmen mit Sitz in Finnland. Die Geschäftsfelder liegen in den Segmenten Sanitär-, Innenraumklima- und Infrastrukturlösungen. Uponor ist über verschiedene verbundene Unternehmen vor allem in Europa und Nordamerika tätig.
Zusammenschluss:
Bis zum 15.12.2022 hielt die Antragsgegnerin 24,63 % der Stimmrechtsanteile der Uponor Oyj. Durch mehrere Akquisitionen an den Folgetagen stiegen ihre Stimmrechtsanteile mit 20.12.2022 auf 25,13 % (24,95 % der Kapitalanteile) (vgl xxx).
Die Antragsgegnerin hatte Rechtsberatung eingeholt, die sich vor allem auf die finnische Rechtslage bezog, nach der bei Überschreiten einer Anteilsschwelle von 25 % keine Anmeldepflicht vorgesehen ist. Folglich meldete die Antragsgegnerin den Zusammenschluss in Österreich zunächst nicht an. Im März 2023 ließ sie aber durch eine deutsche Rechtsanwaltskanzlei eine etwaige Anmeldepflicht ua nach österreichischem Recht prüfen. Nachdem diese bejaht worden war, meldete die Antragsgegnerin am 22.3.2023 (Veröffentlichung auf der Website der Antragstellerin am 23.3.2023) den mit 20.12.2022 durchgeführten Zusammenschluss – durch den die 25 %-Anteilsschwelle überschreitenden Erwerb von Stimmrechtsanteilen der Uponor Oyj, nämlich von dann insgesamt 25,13 % mit 20.12.2022 – nachträglich bei der Antragstellerin an. Zu diesem Zeitpunkt hielt die Antragsgegnerin 25,87 % der Stimmrechtsanteile bzw 25,72 % der Kapitalanteile der Uponor Oyj. Die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte wurden in der Hauptversammlung der Uponor Oyj am 17.3.2023 nicht ausgeübt (vgl xxx).
Am 13.4.2023 verzichteten die Antragstellerin und der Bundeskartellanwalt auf die Stellung eines Prüfungsantrags gemäß § 11 Abs 4 KartG, sodass das Durchführungsverbot mit Wirkung zum 13.4.2023 wegfiel.
Im Geschäftsjahr 2021 erzielten die beteiligten Unternehmen folgende Umsätze (in EUR; Zirkawerte; vgl xxx):
weltweit EU-weitÖsterreich Antragsgegnerin 233,46 Mio xxx xxx
Uponor Oyj1,31 Mrdxxxxxx
 
Die Umsätze für das Geschäftsjahr 2022 gestalteten sich wie folgt (in EUR; Zirkawerte; vgl xxx):
weltweit EU-weitÖsterreich Antragsgegnerin 243,93 Mio xxx xxx
Uponor Oyj1,386 Mrdxxxxxx
Die Antragstellerin beantragte am 17.7.2023 die Verhängung einer Geldbuße von EUR 85.000 über die Antragsgegnerin gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Die Antragsgegnerin habe von 20.12.2022 bis 13.4.2023 gegen das Durchführungsverbot verstoßen, weil (aus dem Vorbringen erkennbar) durch den oben beschriebenen Erwerb mit 20.12.2022 die Anteilsschwelle von 25% iSd § 7 Abs 1 Z 3 KartG überschritten worden sei. Die Umsatzschwellen des § 9 KartG seien bei den beteiligten Unternehmen ebenfalls überschritten. Mangels rechtzeitiger Zusammenschlussanmeldung sei der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht.
Die Antragsgegnerin habe am 14.6.2023 im Interesse einer Kooperation mit den Amtsparteien ein Anerkenntnis abgegeben, in dem der zusammenschlussrechtlich relevante Beteiligungserwerb und der Verstoß gegen das Durchführungsverbot anerkannt worden seien. Sie habe sich mit der Verhängung einer Geldbuße von EUR 85.000 einverstanden erklärt.
Bei der Bemessung der Geldbuße seien va als mildernd zu berücksichtigen: die Dauer des Verstoßes von etwa 3 Monaten und 3 ½ Wochen, die nachträgliche Anmeldung des Zusammenschlusses auf Eigeninitiative der Antragsgegnerin, die Kooperation mit den Amtsparteien, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses geführt habe, der Umstand, dass es sich in Ermangelung wettbewerblicher Bedenken um einen untersagungsfernen Zusammenschluss handle sowie der Umstand, dass dem Kriterium der erzielten Bereicherung nur eine untergeordnete Rolle zukomme.
Zum Verschulden führte die Antragstellerin aus, dass es sich hier um grenzüberschreitend tätige Unternehmen handle, von denen Kenntnisse der Grundzüge des europäischen, aber auch des nationalen Fusionskontrollrechts zu erwarten und die wegen der wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens strenger zu beurteilen seien.
Die Antragsgegnerin stellte das Tatsachenvorbringen außer Streit und wendete sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung der Antragstellerin sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie verwies auf ihr Anerkenntnis vom 14.6.2023 (xxx).
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
1. Da gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten, inhaltlich nicht bestrittenen Urkunden im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
2. Gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig (ua) dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG) zuwiderhandelt, eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.
Das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG bestimmt, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.
3. Der Erwerbsvorgang der Antragsgegnerin stellte einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG dar, weil durch den unmittelbaren Erwerb von Anteilen an der Uponor Oyi ein Beteiligungsgrad von 25% überschritten wurde. Dabei reichte der Erwerb von zumindest 25 % der Stimmrechte aus, auch wenn der Anteil der Erwerberin am Kapital diese Schwelle zunächst noch nicht erreicht hatte (vgl Kühnert in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 7 Rz 70). Ein Zusammenschluss gilt dann als durchgeführt, wenn, wie hier, schon die Möglichkeit der Einflussnahme besteht (vgl Ruech in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 9 Rz 41).
4.1. Ein solcherZusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf iSd § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ
- kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig ist (Art 21 FKVO),
- alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,
- die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und
- der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 4).
4.2. Hier liegt ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht vor, da die Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO nicht erreicht werden.
4.3. Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von (1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio, (2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und (3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio erzielten.
Da im maßgeblichen Geschäftsjahr 2021 die beteiligten Unternehmenweltweit jeweils einen Umsatz von mehr als 5 Mio und gemeinsam einen Umsatz von EUR xxxsowie österreichweit gemeinsam einen Umsatz von xxxerzielten, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.
4.4. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.
Da beide beteiligte Unternehmen in Österreich einen EUR xxx übersteigenden Umsatz erzielten, liegteine AusnahmeiSd § 9 Abs 2 KartG nicht vor.
4.5. Der Zusammenschluss hat demnach auch eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG (vgl dazu Urlesberger aaO § 9 Rz 10 ff; Kühnert in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 24 Rz 7ff).
5. Damit waren die Voraussetzungen für eine Pflicht zur Anmeldung des Zusammenschlusses gegeben. Die Antragsgegnerin hat in dem im Antrag genannten Zeitraum - also 3 Monate und 25 Tage lang-gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG verstoßen. Daher war über sie gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Abs 1 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.
6. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.
Zum Grad des Verschuldens istauf die Erwägungen der Antragstellerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Die Entscheidung musszum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavaliersdelikt" ist (16 Ok 2/13). Andererseits ist aus dem unstrittigen Sachverhalt abzuleiten, dass es hier zunächst versehentlich bzw irrtümlich nicht zur Anmeldung des Zusammenschlusses kam und insofern nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Denweiteren von der Antragstellerin ins Treffen geführten Milderungsgründen schließt sich das Gericht ebenfalls an.
Unter Beachtung der general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflichterscheint aber die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt nicht angezeigt. Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.“

Ausdruck vom: 27.04.2024 17:02:50 MESZ