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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 74/13


Bekannt gemacht am:

19.02.2014

Entscheidungsdatum:

19.07.2013


 

Der von der Antragsgegnerin am 28.5.2013 bei der Erstantragstellerin zu deren Zahl BWB/Z-2046 angemeldete Zusammenschluss wird nicht untersagt.


Begründung:


Die Antragsgegnerin hält derzeit eine Beteiligung von 13,89 % am Stammkapital der New Telecom Holding GmbH (im Folgenden: NTH GmbH).

Gegenstand der Zusammenschlussanmeldung ist der beabsichtigte Erwerb weiterer Anteile an der NTH GmbH durch die Antragsgegnerin, sodass diese letztlich 49 % der Anteile hält.

Die Antragsgegnerin ist ein österreichischer Fonds für Unternehmensbeteiligungen und Anbieter von Eigenkapital. Der Fonds wurde Ende 2009 durch die Förderbank der Republik Österreich, die Austria Wirtschaftsservice GmbH (im Folgenden: AWS) gegründet. Einzige Kommanditistin der Antragsgegnerin ist die AWS, und ihr alleiniger Komplementär ist die aws Fondsmanagement GmbH, eine 100 %-Tochter der AWS. Der Gesellschaftsvertrag der aws Fondsmanagement GmbH sieht vor, dass deren Geschäftsführer hinsichtlich der Beteiligungsprojekte keinen Weisungen des Gesellschafters (der AWS) unterliegen.

Die NTH GmbH steht vor dem Zusammenschluss im Eigentum der eeg Beteiligungs- und Beratungs GmbH und bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation an.

Die Anteile an der AWS werden zu 100 % von der Republik Österreich gehalten. Als Eigentümervertreter der AWS agieren der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) und die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT).

Die Antragstellerin beantragte fristgerecht die Prüfung des angemeldeten Zusammenschlusses. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, dass mehrere Märkte des Telekommunikationsdienstleistungssektors betroffen seien. Deren genaue Definition könne jedoch bis auf weiteres unterbleiben, weil der Zusammenschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit bei jeder denkbaren Marktdefinition unbedenklich sei, wenn der Tatbestand des § 7 Abs 4 KartG zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG nicht erfüllt sei, und mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit bei jeder denkbaren Marktdefinition bedenklich sei, wenn der Tatbestand des § 7 Abs 4 KartG zwischen den Genannten erfüllt sei. Es stelle sich nämlich die Frage, ob die Antragsgegnerin und die Telekom Austria AG iSd § 7 Abs 4 KartG verbundene Unternehmen seien und deren Marktpositionen dementsprechend als gemeinsame zu betrachten seien.

Für die Erfüllung des Tatbestands des § 7 Abs 4 KartG zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG spreche insbesondere die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung zwischen den Genannten, die sich aus dem mittelbaren (Mit-)Eigentum der Republik Österreich an der Antragsgegnerin (100 % über AWS bzw aws Fondsmanagement GmbH) einerseits und der Telekom Austria AG (28,42 % über die ÖIAG) andererseits ergebe.

Gegen die Erfüllung des Tatbestands des § 7 Abs 4 KartG spreche insbesondere Folgendes:

- Die organisatorische Verknüpfung zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG sei insofern eingeschränkt, als die Republik Österreich zwar Eigentümerin sowohl der Antragsgegnerin als auch (mittelbar zu 28,42 %) der Telekom Austria AG sei, die Eigentümerrechte aber jeweils von unterschiedlichen Bundesministerien wahrgenommen würden, und jeder Bundesminister für die ausschließlich ihm zugewiesenen Verwaltungsaufgaben allein verantwortlich sei.

- § 11 Abs 2 ÖIAG-G schließe ein Konzernverhältnis zwischen der ÖIAG und deren Konzerngesellschaften und damit auch den Tatbestand des § 7 Abs 4 KartG aus.

- Zwischen der Republik Österreich und der Antragsgegnerin einerseits und der Telekom Austria AG andererseits bestehe keine durchgehende Weisungskette, weil die Geschäftsführer der aws Fondsmanagement GmbH gegenüber ihrer Gesellschafterin AWS weisungsfrei gestellt seien, sodass auch die Republik Österreich der aws Fondsmanagement GmbH keine Weisungen erteilen könne, und der Vorstand der Telekom Austria AG gesetzlich weisungsfrei gestellt sei (§ 70 AktG), sodass auch die Republik Österreich keinen Durchgriff zur Telekom Austria AG haben sollte.

Sollte das Prüfungsverfahren des Kartellgerichts zu diesem Ergebnis führen, ergäbe sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die kartellrechtliche Unbedenklichkeit des Zusammenschlusses.

Der Bundeskartellanwalt hat sich zum Antrag nicht geäußert.

Die Antragsgegnerin führte in ihrer Stellungnahme (ON 3) aus, dass zwischen ihr und der Telekom Austria AG kein kartellrechtliches Konzernverhältnis bestehe. Zwar stünden sowohl die Antragsgegnerin als auch ein Teil der Aktien an der Telekom Austria AG letztlich (mittelbar) im Eigentum des Bundes. Der Bund sei aber im Rahmen seiner verschiedenen Beteiligungen nur dann als Konzern iSd § 7 Abs 4 KartG iVm § 15 AktG anzusehen, wenn bereits eine einheitliche Leitung bestehe oder wenn bei einer beherrschenden gesellschaftlichen Beteiligung gesetzliche organisationsrechtliche Bestimmungen oder sonstige gesetzliche Vorgaben der Festlegung einer einheitlichen Geschäftspolitik nicht entgegenstünden oder dies dadurch schon vorgegeben sei (16 Ok 20/02). Eine einheitliche Leitung oder die Möglichkeit einer Festlegung einer einheitlichen Geschäftspolitik gebe es bei der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG nicht. Insbesondere ergebe sich aus den anwendbaren gesetzlichen und satzungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftspolitik der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG, dass der Bund nicht dazu in der Lage sei, die jeweilige Geschäftspolitik nach seinem Belieben zu steuern oder aufeinander abzustimmen. Es werde also weder tatsächlich eine einheitliche Leitung durch den Bund ausgeübt noch bestehe eine theoretische Möglichkeit zur einheitlichen Leitung. Die „Entkonzernierungklausel“ des § 11 Abs 2 ÖIAG-G 2000 verhindere die Anwendbarkeit des § 7 Abs 4 KartG.

Mit Beschluss vom 27.6.2013, ON 4, informierte das Kartellgericht die Parteien darüber, dass nach seiner Rechtsansicht zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG auch nach Durchführung des angemeldeten Zusammenschlusses kein Konzern iSd § 7 Abs 4 KartG bestehen werde, und forderte im Hinblick darauf die Antragstellerin auf, binnen 14 Tagen weiteres Vorbringen zu erstatten, inwieweit sonstige wettbewerbliche Bedenken gegen den angemeldeten Zusammenschluss bestünden; für den Fall, dass dies unterbleibe, werde der Zusammenschluss ohne weiteres Verfahren freigegeben.

Die Antragstellerin teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 3.7.2013, ON 5, Folgendes mit:

1. Spruchpunkt 1.) wird zur Kenntnis genommen.

2. Weiteres Vorbringen iSd Spruchpunktes 2.) wird nicht gemacht.

3. Diese Mitteilung ist nicht über ihren Wortsinn hinaus umzudeuten.“

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Es liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor, weil die Schwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG überschritten sind. Das angemeldete Vorhaben begründet einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG.

Gemäß § 12 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht dann, wenn die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragt wurde, 1. den Antrag zurückzuweisen, wenn kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorliegt, 2. den Zusammenschluss zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, oder, wenn dies nicht der Fall ist, 3. auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird.

Die Antragstellerin hat ihren Prüfungsantrag ausschließlich darauf gestützt, dass (möglicherweise) „der Tatbestand des § 7 Abs 4 KartG zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG erfüllt“ sei.

§ 7 Abs 4 KartG beinhaltet das sogenannte „Konzernprivileg“: Gehören alle beteiligten Unternehmen einem Konzern an, so liegt kein Zusammenschluss vor.

Da die Telekom Austria AG kein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen ist, kommt eine unmittelbare Anwendung des § 7 Abs 4 KartG – die zu einer Zurückweisung des Prüfungsantrags mangels Zusammenschlusses führen müsste – hier keinesfalls in Betracht. Die Antragstellerin will mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen allerdings offensichtlich darauf hinaus, dass zwischen der Antragsgegnerin und der Telekom Austria AG nach Durchführung des Zusammenschlusses ein Konzern bestünde, was zur Folge hätte, dass die Antragsgegnerin und die Telekom Austria AG als ein einziges Unternehmen anzusehen wären (§ 21 Z 2 KartG); dies könnte in der Tat erhebliche wettbewerbliche Bedenken gegen den Zusammenschluss begründen.

Das (künftige) Bestehen eines solchen Konzerns ist allerdings aus den von der Antragstellerin selbst angeführten Gründen zu verneinen:

Was unter einem Konzern zu verstehen ist, definieren § 15 Abs 1 AktG und § 115 Abs 1 GmbHG gleichlautend dahin, dass rechtlich selbständige Unternehmen, die zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, einen Konzern bilden, wobei die einzelnen Unternehmen Konzernunternehmen sind. Nach § 15 Abs 2 AktG bzw § 115 Abs 2 GmbHG gelten dann, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen aufgrund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens steht, das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen.

Während es im Gesellschaftsrecht um den Schutz des beherrschten Unternehmens, der Gesellschafter und der Gläubiger geht, besteht der wesentliche Zweck der Zusammenschlussprüfung darin, präventiv das allgemeine Interesse an der Aufrechterhaltung einer Marktstruktur, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht, zu fördern; es geht also um die Beurteilung des Wettbewerbspotenzials. Ausgehend davon ist nach der Rechtsprechtung des Kartellobergerichts (16 Ok 20/02 mwN) im Bereich des Kartellrechts beim Konzernbegriff schon auf die bloße Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme abzustellen, weil es der herrschenden Gesellschaft jederzeit offen steht, ihre Kontrolle zu verstärken und die beherrschten Tochter- oder Enkelgesellschaften zu einer einheitlichen Leitung zusammenzuführen.

Grundsätzlich ist die „öffentliche Hand“ unter dem Aspekt der Beurteilung des Konzerns gleich zu behandeln. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass als Eigentümervertreter der AWS – und damit indirekt auch der Antragsgegnerin – der BMWFJ und die BMVIT agieren, während die Rechte der Republik Österreich an der ÖIAG – und damit indirekt an der Telekom Austria AG – von der BMF wahrgenommen werden. Jeder Bundesminister ist aber für die ausschließlich ihm zugewiesenen Verwaltungsaufgaben grundsätzlich alleine verantwortlich (16 Ok 20/02 mwN).

Dazu kommt, dass § 11 Abs 2 ÖIAG-Gesetz 2000 ausdrücklich klar stellt, dass die Bildung eines Konzernverhältnisses zwischen der ÖIAG und ihren Beteiligungsgesellschaften ausgeschlossen ist.

Im Übrigen besteht auch deshalb keine Möglichkeit für die Republik Österreich, der Antragsgegnerin und/oder der Telekom Austria AG Weisungen zu erteilen, weil die Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Antragsgegnerin gegenüber der AWS weisungsfrei gestellt sind und auch der Vorstand der Telekom Austria AG zufolge § 70 Abs 1 AktG das Unternehmen unter eigener Verantwortung – also ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme Dritter, wie etwa der ÖIAG – zu leiten hat.

Im Hinblick darauf ist das Entstehen eines Konzernverhältnisses zwischen der Telekom Austria AG und der Antragsgegnerin nach Durchführung des angemeldeten Zusammenschlusses auszuschließen.

Die Antragstellerin hat nach Bekanntgabe dieser Rechtsansicht durch das Kartellgericht ausdrücklich kein weiteres Vorbringen erstattet, also keine (sonstigen) wettbewerblichen Bedenken geäußert, ja nicht einmal Ausführungen zum konkret betroffenen Markt gemacht.

Das Kartellgericht hat zwar aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes sämtliche relevanten Beweisaufnahmen und Tatsachenerhebungen von Amts wegen durchzuführen, dies aber nur im Rahmen der gestellten Anträge. Der Verfahrensgegenstand wird nämlich auch im Außerstreitverfahren vom Antrag und dem Tatsachenvorbringen der Antragsteller bestimmt (16 Ok 14/08 mwN).

Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin ist aber, wie oben dargelegt, kein Grund ersichtlich, aus dem der angemeldete Zusammenschluss zu untersagen wäre, sodass er ohne weitere Beweisaufnahmen freizugeben war.“


Ausdruck vom: 28.03.2024 10:35:06 MEZ