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Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 3/19x


Bekannt gemacht am:

08.09.2020

Entscheidungsdatum:

07.11.2019


I. Der Antrag, das Kartellgericht möge den Antragsgegnerinnen gemäß § 26 KartG auftragen,

a) das Verschlüsselungssignal der Antragstellerin weiterhin mit dem ORF-Bild-/Tonsignal zu übertragen und dafür erforderliche technische Dienstleistungen entsprechend der einen Bestandteil dieses Beschlusses bildenden Simulcrypt-Vereinbarung Beilage ./G, insbesondere deren Anhang A, zu erbringen; und

b) es zu unterlassen, von der Antragstellerin für die Leistung gemäß Punkt a) ein Entgelt zu fordern, welches höher ist als ein vom Kartellgericht zu bestimmendes angemessenes Entgelt, wird

a b g e w i e s e n .

II. Der Eventualantrag, das Kartellgericht möge für den Fall, dass die Antragsgegnerinnen bis zur Entscheidung des Kartellgerichts die Zuwiderhandlung eingestellt haben sollten, gemäß § 28 Abs 1 KartG feststellen, dass die Antragsgegnerinnen durch

a) die Weigerung, das Verschlüsselungssignal der Antragstellerin weiterhin mit dem ORF-Bild-/Tonsignal zu übertragen und dafür erforderliche technische Dienstleistungen entsprechend der Simulcrypt-Vereinbarung Beilage ./G, insbesondere deren Anhang A, welche einen Bestandteil dieses Beschlusses bildet, zu erbringen;

und/oder

b) die Forderung eines Entgelts für die Leistung gemäß Punkt a), welches höher ist als ein vom Kartellgericht zu bestimmendes angemessenes Entgelt;

gegen § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV verstoßen haben, wird

a b g e w i e s e n .

Begründung:

Vorbringen:

Die Antragstellerin stellte die im Spruch zu Punkt I. und II. angeführten Anträge auf Abstellung und in eventu Feststellung.

Zur Sicherung des Abstellungsantrags begehrte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, den Antragsgegnerinnen möge aufgetragen werden, es zu unterlassen, die Übertragung des Verschlüsselungssignals der Antragstellerin gemeinsam mit dem Bild/Ton-Signal sämtlicher ORF-Programme, das heißt ORF eins HD, ORF 2 HD (in allen Bundesland-Varianten), ORF III HD, ORF SPORT+ HD zu den Bestimmungen der Simulcrypt-Vereinbarung Beilage ./G, welche einen Bestandteil dieser Entscheidung bilde, einzustellen.

Sie brachte im Wesentlichen vor, dass sie seit über 20 Jahren als Anbieterin von Satelliten-TV-Diensten in mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig sei. In Österreich betreibe sie unter der Marke „HD Austria“ eine Plattform zur Übertragung von TV-Programmen via Satellit und biete Programmpakete einschließlich Zusatzdienste als Programmaggregator an. Als Betreiber der Satelliten-Plattform ermögliche die Antragstellerin ihren Kunden den Empfang von durch Kommunikationssatelliten verschlüsselt ausgestrahlten TV-Programmen mit Hilfe eines Endgeräts (SAT-Modul oder SAT-Receiver), das von der Antragstellerin vertrieben werde. Gegen eine technisch Gebühr von EUR 17,99 für fünf Jahre oder EUR 6,-- pro Jahr bei jährlicher Zahlung könnten Kunden österreichische Free-TV-Kanäle empfangen, darunter die Fernsehprogramme des ORF. Darüber hinaus vertreibe die Antragstellerin gegen eine monatliche Gebühr auch zu einem Programmpaket zusammengefasste Rundfunkprogramme und Zusatzdienste, die auch Pay-TV-Kanäle umfassten. Die HD Austria Programmpakete würden primär über die von der Antragstellerin selbst betriebene, aber auch über die im Auftrag des Erstantragsgegners betriebene ORF DIGITAL-Plattform an Nutzer der ORF DIGITAL-SAT-Karte vertrieben.

Der Erstantragsgegner sei der öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter Österreichs. Die Zweitantragsgegnerin sei für die Errichtung und den Betrieb der technischen Einrichtungen und die Verbreitung des TV-Angebots des ORF zuständig. Deren Tochtergesellschaften, insbesondere simpli Services GmbH & CO KG („SimpliTV“) böten als Programmaggregator Bündel aus eigenen TV-Kanälen sowie Free- und Pay-TV-Kanälen anderer Content-Provider an. Die Verbreitung über Satellit erfolge über das im Auftrag des Erstantragsgegners betriebene Zugangsberechtigungssystem ORF DIGITAL-Plattform.

Die Antragstellerin und der Erstantragsgegner und seine Konzernunternehmen stünden auf zwei Marktebenen im Wettbewerb. Zum einen böten sie als Betreiber von Satelliten-Plattformen Kunden Lösungen zur Entschlüsselung verschlüsselt ausgestrahlter TV-Programme inklusive des Vertriebs bzw der Lizenzierung von Empfangsgeräten an. Zum anderen seien die Antragstellerin und SimpliTV als Programmaggregatoren tätig und böten Kunden Programmpakete aus Free- und Pay-TV-Programmen sowie Zusatzdienste an.

Um ihren Kunden den Empfang der ORF-Programme zu ermöglichen, sei die Antragstellerin auf eine Vereinbarung mit den Antragsgegnerinnen angewiesen, die die Entschlüsselung des ORF-Signals ermögliche. Im September 2015 sei zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen eine Simulcrypt-Vereinbarung geschlossen worden, die es den Kunden der Antragstellerin ermögliche, mit Hilfe des entsprechenden SAT-Moduls oder SAT-Receivers die ORF HD-Kanäle entschlüsselt zu empfangen. Als Gegenleistung für die technischen Dienstleistungen der Zweitantragsgegnerin, die zur Unterstützung bzw Umsetzung der Simulcrypt-Lösung erforderlich seien, sei ein jährliches Fixentgelt in Höhe von EUR XXX netto bei einer Reduktion dieses Fixentgelts um EUR X pro freigeschaltetem Kunden vereinbart worden. Die Simulcrypt-Vereinbarung sei auf unbestimmte Zeit mit einem Verzicht auf die ordentliche Kündigung für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen worden. Allerdings sei ein Sonderkündigungsrecht des Erstantragsgegners zum 31.3.2019 vorgesehen worden, das von diesem damit begründet worden sei, dass der Simulcrypt-Vertrag mit SKY zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ende.

Am 27.3.2018 sei die Simulcrypt-Vereinbarung per 31.3.2019 tatsächlich gekündigt worden. Erst am 28.11.2018 sei der Entwurf einer Folgevereinbarung vorgelegt worden, der neben dem bisherigen fixen Serviceentgelt ein derart hohes variables Entgelt pro Nutzer und Jahr vorsehe, dass sich dadurch das von den Antragsgegnerinnen geforderte Simulcrypt-Entgelt um fast 900% erhöhe. Eine Weiterreichung dieser geforderten variablen Entgeltkomponente würde eine Erhöhung des Preises für 5 Jahre gegenüber Endkunden erfordern, die einer Steigerung von 183% entspreche. Mit einem derartigen Preis wäre die Antragstellerin gegenüber der Freischaltungsgebühr der ORF-Plattform von EUR 18,-- für 5 Jahre nicht mehr konkurrenzfähig, sodass diese eklatante Erhöhung dauerhaft das gesamte Geschäftsmodell der Antragstellerin gefährde. Eine Weitergabe der Preiserhöhung an Endkunden wäre der Antragstellerin auf Grund der Marktgegebenheiten und der Konkurrenz mit ORF Tochterunternehmen auf dem nachgelagerten Markt nicht möglich. Vielmehr werde ein Verbleib der Antragstellerin am Markt gefährdet.

Den Antragsgegnerinnen komme sowohl auf dem Großhandelsmarkt für Free-TV-Sender als auch auf dem Markt „Zugangsdienstleistungen für den Satellitenempfang“ eine marktbeherrschende Stellung zu. Diese werde von ihnen iSd § 5 Abs 1 KartG und Art 102 AEUV missbraucht, da das von den Antragsgegnerinnen geforderte Entgelt gegen das Verbot der Forderung unangemessener Preise verstoße und eine missbräuchliche Diskriminierung darstelle. Das nunmehr geforderte Entgelt sei fast 900% höher als das bisherige. Es weiche maßgeblich von sachlichen Referenzpreisen ab, da die Kosten anderer Simulcrypt-Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und österreichischen Sendern deutlich unter den von den Antragsgegnerinnen geforderten Preisen liege.

Eine Beteiligung der Antragstellerin an den Ausstrahlungskosten des ORF im Wege des neu geforderten Entgelts pro Endgerät und Jahr sei unangemessen. Diese Ausstrahlungskosten seien unabhängig von der genutzten Plattform und dem Verschlüsselungssystem. Von Nutzern der eigenen marktdominanten Plattform verlangten die Antragsgegnerinnen keine entsprechende Kostenbeteiligung. Überdies lukrierten die Antragsgegnerinnen Werbeeinnahmen, die den Ausstrahlungskosten gegenüberstünden und ihnen und nicht der Antragstellerin zugute kämen. Die Antragstellerin eröffne mit der Umsetzung des Simulcrypt die ORF-Programme den Nutzern ihrer Plattform und somit einem weiteren Zuschauerkreis. Überdies sei die Verbreitung der Programme via Satellit Teil des gesetzlich vorgeschriebenen Auftrags des ORF, für dessen Erfüllung er die Rundfunkgebühren erhalte.

Die Antragsgegnerinnen forderten von Kabelnetzbetreibern wie UPC Austria und IP-TV Anbietern wie A1 kein Entgelt für die Zugänglichmachung ihrer HD-Programme. Daher wendeten sie zu Lasten der Antragstellerin unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen an. Dies stelle eine missbräuchliche Diskriminierung iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG und Art 102 AEUV dar.

Das kartellrechtswidrige Verhalten dauere nach wie vor an, da jedenfalls immer noch die Forderung nach überhöhten Preisen bestehe.

Die Antragstellerin habe darüber hinaus ein berechtigtes Interesse an dem aus prozessualer Vorsicht in eventu gestellten Antrag auf Feststellung. Es bestehe die Gefahr, dass die Antragsgegnerinnen in Zukunft ihr wettbewerbswidriges Verhalten wiederholen und Kündigungsrechte erneut nutzen würden, um unangemessen hohe Forderungen zu stellen. Damit liege ein besonderes Bedürfnis an der Klärung der Rechtslage vor.

Die Antragsgegnerinnen bestritten das Vorbringen der Antragstellerin und beantragten die Abweisung der Hauptanträge sowie des Provisorialantrags. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass sie der Antragstellerin praktisch zeitgleich mit deren Antragstellung im Provisorialverfahren von sich aus eine Übergangslösung angeboten hätten, die eine nahtlose Fortsetzung des Simulcrypt bis zur rechtlich bindenden Klärung der Frage gewährleistet hätte.

Mit der Einführung der digitalen Sendetechnik durch die Antragsgegnerinnen im Jahr 2000 habe der ORF die Verbreitung seiner Fernsehprogramme über Satellit aufgenommen. Damals sei als Verschlüsselungssystem Beta Crypt eingeführt worden, das von Unternehmen der KirchMedia-Gruppe entwickelt worden sei. Diese habe den Pay-TV-Sender Premiere (heute SKY) betrieben. Die Antragstellerin sei auch noch nicht auf dem Markt gewesen. Es habe somit zunächst in Österreich eine einheitliche Plattform zur Entschlüsselung aller kodiert ausgestrahlten Sender gegeben. Im Zuge der Insolvenz der KirchMedia-Gruppe im Jahr 2002 sei den Antragsgegnerinnen die Beta Crypt-Lizenz gekündigt worden. Daher sei von ihnen 2003 ein neues Verschlüsselungssystem (Crypto Works) eingeführt worden. Seither gebe es in Österreich mehrere Plattformen zur Entschlüsselung von digitalen SAT-Programmsignalen. Das Auseinanderfallen der Entschlüsselungstechnologie hätte damals dazu geführt, dass rund 150.000 Konsumenten, die sowohl Premiere als auch ORF über ihren SAT-Receiver empfangen hätten, ein neues Endgerät gebraucht hätten. Um dies zu vermeiden, sei die erste Simulcrypt Vereinbarung zwischen ORF und SKY/Premiere abgeschlossen worden. Die Antragsteller hätten von SKY/Premiere kein Entgelt für das Recht der Entschlüsselung der ORF-Signale über deren Plattform verlangt. Die Überlegung sei gewesen, dass sich eine wechselseitige Verrechnung erübrige, da die von den Antragsgegnerinnen und von SKY erbrachten Leistungen im Wesentlichen gleichwertig seien. Der Vertriebsleistung von SKY zur Verbreitung der ORF-Programme samt Werbung und die Bereitstellung des Programmsignals durch den ORF, wodurch SKY die Vereinbarung zusätzlicher Abo-Erlöse ermöglicht worden sei, seien nach Ansicht der Beteiligten im Wesentlichen gleichwertig gewesen. Allerdings sei durch die Zunahme der Distributions-Plattformen wie IPTV und breitbandbasierte Over-the-Top-Plattformen der Wert der Vertriebsleistung der etablierten Plattformen erheblich gesunken. Daher hätten sich die Antragsgegnerinnen entschieden, die bisherige Form der Zusammenarbeit mit SKY zu beenden. Ab 31.3.2019 werde von SKY für das Recht zur Entschlüsselung des ORF-Programmsignals pro freigeschaltetem Endkunden ein Entgelt in gleicher Höhe wie von der Antragstellerin verlangt. Da Letztere bei Abschluss der Simulcrypt-Vereinbarung im September 2015 vehement eine Gleichbehandlung mit SKY gefordert habe, sei ihr zwar eine gewisse Zeit das entgeltfreie Recht zur Entschlüsselung der ORF-Signale zugestanden worden. Die Antragsgegnerinnen hätten sich aber vorbehalten, mit Auslaufen des SKY-Vertrags auch die Entgelte gegenüber der Antragstellerin neu zu regeln. Das in der Simulcrypt-Vereinbarung enthaltene Sonderkündigungsrecht zu Gunsten der Antragsgegnerinnen sei auf diese Situation zurückzuführen gewesen. Daher habe die Antragstellerin in keiner Weise davon überrascht gewesen sein können, dass die Antragsgegnerinnen von diesem Sonderkündigungsrecht mit Schreiben vom 23.3.2018 Gebrauch gemacht hätten. Über den von den Antragsgegnerinnen am 28.11.2018 vorgelegten Entwurf einer Simulcrypt-Folgevereinbarung sei zwischen den Streitteilen bisher kein Einvernehmen erzielt worden. Das an die Zweitantragsgegnerin zu bezahlende Serviceentgelt für deren technische Leistungen sei im Wesentlichen gleich geblieben. Die wesentliche Änderung betreffe die Forderung eines Entgelts in Höhe von EUR X pro Nutzer und Jahr für das Recht zur Entschlüsselung der programmtragenden ORF-Signale. Die Antragsgegnerinnen seien nicht mehr bereit, eine Vermittlungsprovision an die Antragstellerin zu bezahlen, sondern strebten ein von dieser zu bezahlendes Entgelt an.

Zahlungen, die die Antragsgegnerinnen im Zusammenhang mit den abgeschlossenen Simulcrypt-Vereinbarungen von der Antragstellerin oder von SKY erhielten, minderten das Programmentgelt. Die Antragsgegnerinnen müssten für die Satellitenausstrahlung Transponderkosten in Höhe von mehreren Millionen Euro pro Jahr tragen. Diese ließen sich im Hinblick auf die sinkenden Werbeerlöse des ORF aus den bestehenden Programmentgelten nicht mehr finanzieren. Um die Programmsignale Pay-TV-Anbietern wie der Antragstellerin oder SKY kostenlos bereitstellen zu können, müssten die Antragsgegnerinnen das Programmentgelt mittelfristig erhöhen. Dies sei nicht vertretbar. Vielmehr müssten die Transponderkosten zuzüglich eines angemessenen Gemeinkostenaufschlags samt Eigenkapitalverzinsung auf die Gesamtzahl der SAT-Haushalte umgelegt werden, sodass im Ergebnis jeder SAT-Plattform-Betreiber wirtschaftlich gleich belastet werde. Die Antragstellerin und SKY seien mit Kabelnetzbetreibern wie UPC oder IPTV Anbietern wie A1 schon deswegen nicht vergleichbar, weil sie keine Investitionen in die viel höheren Kosten dieser Verbreitungswege, wie vor allem Grabarbeiten, tätigen müssten. Von einer Diskriminierung sei daher keine Rede.

Am 30.1.2019 habe es ein Vermittlungsgespräch zwischen den Streitteilen vor der KommAustria als Mediator gegeben. Eine bindende Entscheidung über die Simulcrypt-Folgevereinbarung habe von der Komm Austria nicht getroffen werden können, da dies nicht in ihre Zuständigkeit falle. Bei diesem Gespräch sei vereinbart worden, dass die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin den Entwurf für eine Übergangsvereinbarung senden würden, um eine Serviceunterbrechung Ende März 2019 bei deren Kunden zu vermeiden. Bis Ende Februar habe es ein klärendes Direktgespräch zwischen den Streitteilen geben sollen. Der Generaldirektor des ORF habe die Antragstellerin zu einem Gespräch am 25.2.2019 eingeladen. Am 16.2.2019, also am Tag nach der Antragstellung beim Kartellgericht, sei der Antragstellerin die in Aussicht genommene Übergangsvereinbarung (Beilage ./2) übermittelt worden. Diese gewährleiste die Fortsetzung des Simulcrypts bis zu einer bindenden Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde über die Angemessenheit der Preisvorstellungen des ORF. Nur für den Fall von deren Angemessenheit wäre die Antragstellerin verpflichtet, ab 1.4.2019 die neuen Entgelte zu bezahlen. Nur das Serviceentgelt der Zweitantragsgegnerin wäre jedenfalls zu bezahlen. Dessen Angemessenheit werde von der Antragstellerin nicht bestritten. Die Antragstellerin habe auf diesen Vorschlag nicht geantwortet, sondern ihrerseits eine Punktation für das Gespräch am 25.2. übermittelt. Diese gehe weit über das Thema Simulcrypt-Folgevereinbarung hinaus und sei mit der Bereitschaft des Erstantragsgegners junktimiert, in Verhandlungen über einen Verkauf der Zweitantragsgegnerin oder von SimpliTV an die Antragstellerin einzutreten. Zudem wünsche die Antragstellerin, dass der Erstantragsgegner seine Digitalplattform an sie verkaufe oder in ein Gemeinschaftsunternehmen einbringe.

Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen, das einem Kontrahierungszwang unterliege, müsse nicht jeden vom Geschäftspartner gewünschten Vertrag abschließen und könne autonom entscheiden, mit wem, auf welcher Grundlage und zu welchem Preis es kontrahieren wolle. Damit sei die von den Antragsgegnerinnen ausgesprochene Änderungskündigung der Simulcrypt-Vereinbarung, die keine Lieferverweigerung darstelle, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Eine wettbewerbswidrige Geschäftsverweigerung durch die Antragsgegnerinnen liege schon deshalb nicht vor, da sie ohnehin zum Vertragsabschluss mit der Antragstellerin bereit seien. Im vorliegenden Verfahren seien lediglich für den Abschluss der Folgevereinbarung geforderten Bedingungen auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen. Die Antragsgegnerinnen hätten auf die Verrechnung des Entgelts von EUR X pro Nutzer und Jahr für die Dauer der gerichtlichen Klärung der Angemessenheit verzichtet. Die Antragstellerin trage nur das Risiko, im Falle eines Prozessverlustes die entsprechenden Zahlungen rückwirkend ab 1.4.2019 leisten zu müssen. Lediglich die Vertriebsprovision in Höhe von EUR X pro freigeschaltetem Kunden entfalle in der Simulcrypt-Folgevereinbarung. Darin liege sicherlich kein Marktmachtmissbrauch. Jedenfalls seien die Preisvorstellungen des Erstantragsgegners nicht exzessiv iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG bzw. Art 102 lit a AEUV, sondern vielmehr nicht höher als marktüblich. Dies zeige ein Vergleich mit den Vergütungen, die die Antragstellerin an private Rundfunkunternehmen wie RTL und Pro 7 leiste.

Eine Diskriminierung iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG und Art 102 lit c AEUV liege nicht vor, weil der Erstantragsgegner in Bezug auf die Vergabe von Lizenzen zur Entschlüsselung der ORF Programmsignale kein anderes Unternehmen, das sich in einer vergleichbaren Position wie die Antragstellerin befinde, in Bezug auf gleichwertige Leistungen günstiger behandle.

Eine missbräuchliche Behinderung durch eine Preis-Kosten-Schere liege nicht vor, da der Erstantragsgegner für die Freischaltung von Endkunden auf seiner eigenen SAT-Plattform ein spürbar höheres Entgelt einhebe als er es für das Recht zur Entschlüsselung seiner Programmsignale von der Antragstellerin verlange.

Dazu komme, dass die Formulierung des Unterlassungsbegehrens für eine Behandlung durch das Kartellgericht nicht geeignet sei. Die Antragstellerin fordere vom Kartellgericht letztlich die Festsetzung eines angemessenen Entgelts für Leistungen der Antragsgegnerin im Rahmen der Simulcrypt-Vereinbarung. Das Kartellgericht sei aber keine Preisfestsetzungsbehörde sondern könne nur darüber entscheiden, ob ein konkret gefordertes Entgelt exzessiv sei.


 

Sachverhalt:

A) Technische Grundlagen:

Bei Verbreitung über Satellit können die ausgestrahlten Fernsehprogramme technisch im gesamten Empfangsbereich bzw Footprint des Satelliten empfangen werden. Aus lizenzrechtlichen Gründen werden daher praktisch alle österreichischen Sender über Satellit verschlüsselt ausgestrahlt. Durch die Verschlüsselung können Sendeinhalte gezielt von Endkonsumenten in Österreich gesehen werden und Content-Rechte müssen daher nur für Österreich (und insbesondere nicht für Deutschland) eingekauft werden

Damit Sendeinhalte von Endkonsumenten empfangen werden können, muss das Signal entschlüsselt werden. Ver- bzw. Entschlüsselung der Sender erfolgt über Plattformbetreiber, welche eine Vielzahl an Sendern über ihr Verschlüsselungssystem zugänglich machen. Der Endkonsument kann somit alle relevanten Sender mit einem einzigen vom Plattformbetreiber freigeschalteten Endgerät (SAT-Modul oder SAT-Receiver) empfangen. Zu diesem Zweck werden gemeinsam mit dem Bild/Ton-Signal auch Verschlüsselungsinformationen übertragen. Das Bild/Ton-Signal ist für alle Plattformen gleich, die Verschlüsselungsinformationen sind jedoch für jede Plattform unterschiedlich. Das Verschlüsseln eines Bild/Ton-Signals mit mehreren Verschlüsselungsinformationen wird als Simulcrypt bezeichnet. Zur Illustration wird auf die folgende Abbildung verwiesen, welche die derzeitige Verschlüsselung des ORF-Signals illustriert:


 


B) Parteien des Verfahrens:

Die Antragstellerin ist eine im luxemburgischen Handelsregister zu B 148.073 nach luxemburgischen Recht eingetragene Aktiengesellschaft (Sociéte anonyme). Sie ist seit über 20 Jahren als Anbieterin von Satelliten-TV-Diensten in mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig. In Österreich ist sie unter der Marke „HD Austria“ aktiv, ihre Tochterfirma in Österreich ist die Eviso Austria GmbH. Ihre Tätigkeit in Österreich umfasst (1) den Betrieb einer Plattform zur Übertragung von TV-Programmen via Satellit und (2) das Anbieten von Programmpaketen einschließlich Zusatzdiensten als Programmaggregator iSd § 9 Abs 5 AMD-G (BGBl I Nr. 84/2001 idgF). Sie ist hingegen nicht in der Gestaltung und Produktion von TV-Programmen tätig.

Als Betreiber einer Satellitenplattform (Entschlüsselungssystem) ermöglicht die Antragstellerin Kunden den Empfang von TV-Programmen, welche über die Kommunikationssatelliten Astra 19.2oE ausgestrahlt werden. Die zum Empfang und zur Entschlüsselung der verschlüsselt ausgestrahlten Programme benötigten Endgeräte (SAT-Modul oder SAT-Receiver) werden von der Antragstellerin vertrieben. Gegen eine technische Gebühr von EUR 17,99 für 5 Jahre oder EUR 6,-- pro Jahr bei jährlicher Zahlung können Kunden österreichische Free-TV Kanäle empfangen, darunter die Fernsehprogramme des ORF.

Als Programmaggregator fasst die Antragstellerin darüber hinaus Rundfunkprogramme und Zusatzdienste zur Verbreitung über Satellit zu einem Programmpaket zusammen und vertreibt dieses an Endkunden. Hierzu bietet sie mehrere Programmpakete, die auch Pay-TV Kanäle und Zusatzdienste umfassen, gegen eine monatliche Gebühr an.

Die Verbreitung der HD Austria Programmpakete erfolgt primär über die von der Antragstellerin selbst betriebene SAT-Plattform. Ferner werden ihre Programmpakete auch über die ORF DIGITAL-Plattform, die im Auftrag des Erstantragsgegners betrieben wird, an Nutzer der ORF DIGITAL-SAT-Karte vertrieben. Das von der ORF DIGITAL-Plattform eingesetzte kartenbasierte Verschlüsselungssystem wird jedoch mittelfristig durch ein neues, kartenloses Verschlüsselungssystem („ORF DIGITAL DIREKT“) ersetzt. Eine Kooperation hinsichtlich dieses kartenlosen Verschlüsselungssystems wurde von der Antragstellerin seit November 2016 nachgefragt, jedoch erst kürzlich in Aussicht gestellt.

Der Erstantragsgegner ist eine nach dem ORF-Gesetz eingerichtete und zu FN 71451a beim Handelsgericht Wien eingetragene Stiftung öffentlichen Rechts. Er ist der öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter Österreichs (§ 1 ORF-G).

Zum Versorgungsauftrag des ORF zählt unter anderem die Ausstrahlung von Programmen über Satellit.

Die Ausstrahlung von Programmen über Satellit hat gemäß § 3 Abs. 4 ORF-G nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu erfolgen. Das bedeutet, dass es sich dabei zwar um einen öffentlich-rechtlichen (Versorgungs)auftrag des ORF handelt, dieser allerdings unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Tragbarkeit steht. Der ORF darf daher z.B. einen finanziellen Beitrag vom Gebührenzahler einheben. Dieser darf allerdings nur so hoch sein, dass eine Kostendeckung erzielt wird. In seinem Erkenntnis Ro 2014/03/0067-4 vom 22. Juni 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof einen solchen finanziellen Beitrag des Gebührenzahlers für zulässig erklärt und die Voraussetzungen dafür präzisiert.

Das im Auftrag von ORF betriebene Zugangsberechtigungssystem, die ORF DIGITAL-Plattform, wird aktuell von einem kartenbasierten auf ein kartenloses Verschlüsselungssystem unter dem Markennamen „ORF DIGITAL DIREKT“ umgestellt. Für dieses sind neue Empfangsgeräte nötig, welche von ORF bzw. seinen Konzernunternehmen direkt und indirekt vertrieben bzw. lizenziert werden.

Der ORF hebt für den Smart-Card Tausch von seinen Kunden ein maximal kostendeckendes Entgelt ein. Ein laufender Kostenbeitrag für die Smart-Card (abgesehen von der ohnehin zu entrichtenden GIS-Gebühr) wird nicht verrechnet.

Die Abwicklung eines Teils der Leistungen für den Smart-Card Tausch hat der ORF an die beiden Tochtergesellschaften, nämlich die Zweitantragsgegnerin und die ORF-KONTAKT Kundenservice GmbH & Co KG, ausgelagert (Stellungnahme KommAustria ON 17).

Die Zweitantragsgegnerin steht zu 60% im Eigentum des ORF und ist innerhalb der Gruppe für die Errichtung und den Betrieb der technischen Einrichtungen und die Verbreitung des TV-Angebots zuständig (Sendernetzbetreiber des ORF).

C) Marktabgrenzung und Marktbeherrschung:

Der Erstantragsgegner und dessen Konzernunternehmen sind in der gesamten TV-Wertschöpfungskette tätig:

Der Erstantragsgegner gestaltet und produziert Inhalte und Fernsehprogramme, nämlich ORF eins, ORF 2 (in allen Bundesländervarianten) ORF III und ORF SPORT+. Diese Programme werden verschlüsselt ausgestrahlt und können sowohl terrestrisch als auch via Satellit über Plattformen empfangen werden. Zwischen der vorgelagerten Tätigkeit des Erstantragsgegners in der Gestaltung und dem Vertrieb von Fernsehprogrammen („vorgelagerter Großhandelsmarkt für TV-Sender“) und den nachgelagerten Aktivitäten der Plattformbetreiber besteht somit ein Vertikalverhältnis. Auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt für TV-Sender kommt dem Erstantragsgegner eine marktbeherrschende Stellung zu (unstrittig).

Auf den nachgelagerten Märkten stehen die Konzernunternehmen des Erstantragsgegners mit der Antragstellerin im Wettbewerb. Beide betreiben Satelliten-Plattformen und lizenzieren Entschlüsselungslösungen teilweise an Hersteller von Empfangshardware (SAT-Modul oder SAT-Receiver), teilweise verkaufen sie derartige Hardware direkt selbst an Endkunden. Die Antragsgegnerinnen stehen mit der Antragstellerin auf zwei Marktebenen im Wettbewerb: zum einen bieten sie und die Antragstellerin als Betreiber von Satellitenplattformen Kunden Lösungen zur Entschlüsselung verschlüsselt ausgestrahlter TV-Programme an, inklusive des direkten und indirekten Vertriebs bzw. der Lizenzierung von Empfangsgeräten. Zum anderen sind die Antragstellerin und simpli services GmbH & Co KG (SimpliTV) als Programmaggregatoren tätig, die Kunden Programmpakete aus Free- und Pay-TV-Programmen sowie Zusatzdienste anbieten. Weiters bieten sie im Rahmen des Plattformbetriebs den Besitzern der entsprechenden Empfangshardware die Freischaltung der wichtigsten österreichischen Sender (ORF eins, ORF 2, ORF III, ORF SPORT+, ATV, ATV 2, PULS 4 und Servus TV Österreich) gegen Entgelt an. Um dies zu ermöglichen, werden mit den Sendern entsprechende Simulcrypt-Verträge abgeschlossen („Markt für den Betrieb von Satelliten-Plattformen/Entschlüsselungssystemen“).

Auf der Endkunden-Ebene bieten SimpliTV und die Antragstellerin erweiterte Programmpakete aus Free- und Pay-TV-Programmen sowie Zusatzdienste an.

Da in Österreich praktisch alle Sender über Satellit verschlüsselt ausgestrahlt werden, ist die Antragstellerin als Plattformbetreiberin darauf angewiesen, mit dem Erstantragsgegner eine Vereinbarung über die Mitübertragung der Verschlüsselungsinformationen der Antragstellerin mit dem ORF Bild/Ton-Signal zu treffen, um ihren Kunden den Empfang der ORF-HD-Programme zu ermöglichen.

Auf der Marktebene „Betreiber von Satelliten-Plattformen“, die Lösungen zur Entschlüsselung der Satellitensignale anbieten, gibt es in Österreich neben der Antragstellerin und der Simpli TV als weiteren Programmaggregator die Sky Österreich Fernsehen GmbH (SKY). Sie bietet aufgrund der Anzeige vom 14.05.2014, KOA 6.130/14-001, ein kostenpflichtiges Programmangebot an (Stellungnahme der KommAustria ON 17). SKY ist in diesem Bereich nicht sehr aktiv. Weitere Betreiber von Satelliten-Plattformen gibt es derzeit nicht. Der hauptsächliche Wettbewerb findet daher zwischen den Antragsgegnerinnen und der Antragstellerin statt. Dabei sind die Antragsgegnerinnen mit einem Marktanteil von ca. 90% der mit Abstand größte Marktteilnehmer. Während Plattformbetreiber und Sender in der Regel voneinander unabhängig sind, besteht am österreichischen SAT-TV-Markt die besondere Situation, dass die größte Sendergruppe auch gleichzeitig die dominante Plattform betreibt.

D) Simulcrypt-Vereinbarungen zwischen den Parteien:

Im September 2015 schlossen die Antragsgegnerinnen nach mehr als einjähriger Verhandlung und Vermittlung durch die KommAustria mit der Antragstellerin die Simulcrypt-Vereinbarung 2015 Beilage ./G ab, die einen integrierten Bestandteil dieser Entscheidung bildet. Sie ermöglichte es Kunden der Plattform der Antragstellerin, mit Hilfe der entsprechenden Hardware, nämlich eines SAT-Moduls oder SAT-Receivers, die ORF-HD-Kanäle entschlüsselt zu empfangen. In Punkt 4.2. der Simulcrypt-Vereinbarung wurde als Gegenleistung für die technischen Dienstleistungen der Zweitantragsgegnerin, die zur Unterstützung und Umsetzung der Simulcrypt-Lösung erforderlich werden, ein jährliches Fixentgelt in Höhe von EUR XXX netto vereinbart. In Punkt 4.3. wurde eine Reduktion des jährlichen Fixentgelts um EUR X pro freigeschaltetem Kunden vereinbart, da die Antragstellerin mit der eigenen HD-Austria-Plattform einen weiteren Vertriebsweg für die ORF-Fernsehprogramme eröffnete und Kundendienstleistungen übernahm. Nach Punkt 7.4.1. wurde die Simulcrypt-Vereinbarung auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beide Parteien verzichteten für die Dauer von 5 Jahren auf die ordentliche Kündigung. In Punkt 7.4.3. der Simulcrypt-Vereinbarung war ein Sonderkündigungsrecht des Erstantragsgegners zum 31.3.2019 vorgesehen (Beilage ./G).

Hintergrund für dieses Sonderkündigungsrecht war, dass die zwischen SKY und dem Erstantragsgegner bestehende Simulcrypt-Vereinbarung mit 31.3.2019 auslief. Der Erstantragsgegner verlangte bis zu diesem Zeitpunkt für das Recht, die ORF-Signale über die eigene Plattform von SKY zu entschlüsseln, kein Entgelt. Er entschied sich jedoch, die bisherige Form der Zusammenarbeit mit SKY zu beenden und auf eine neue wirtschaftliche Basis zu stellen. Ab 1.4.2019 wollte der Erstantragsgegner von SKY für das Recht zur Entschlüsselung des ORF-Programmsignals pro freigeschaltetem Endkunden ein Entgelt verlangen.

Mit Schreiben vom 23.3.2018 machte der Erstantragsgegner von diesem Sonderkündigungsrecht gegenüber der Antragstellerin Gebrauch und kündigte die Simulcrypt-Vereinbarung zum 31.3.2019. Im Kündigungsschreiben war enthalten, dass der Erstantragsgegner der Antragstellerin ein Angebot über die Fortsetzung der Kooperation zu nicht diskriminierenden Bedingungen unterbreiten werde, sobald mit dem Wettbewerber SKY eine Vereinbarung getroffen worden sei (Beilage ./H).

Die Verhandlungen zwischen den Parteien über die Simulcrypt-Folgevereinbarung zogen sich bis November 2018 hin. Mit E-Mail vom 28.11.2018 übermittelte der Erstantragsgegner einen Entwurf einer Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 (Beilage ./R) an die Antragstellerin. Er sah statt des bisherigen jährlichen Fixentgelts für die technischen Dienstleistungen der Zweitantragsgegnerin, welches pro freigeschaltetem Kunden um EUR X gemindert wird, ein höheres Serviceentgelt von jährlich EUR XXX netto vor. Die Minderung pro freigeschaltetem Kunden wurde gestrichen. Darüber hinaus war in Punkt 4.1.1. des Entwurfs ein neues Entgelt von EUR X pro freigeschaltetem Endgerät enthalten (Beilage ./R). Das hätte für die Antragstellerin bedeutet, dass sich der von ihr pro Jahr an die Antragsgegnerinnnen für die Entschlüsselung zu bezahlende Preis bei gleichbleibenden Leistungen der Antragsgegnerinnen auf das über 9-fache erhöht hätte. Dabei ist die Anzahl der Kunden der Antragstellerin steigend.

Diese Preissteigerung hätte für die Antragstellerin zur Folge gehabt, dass sie ihr Produkt nicht mehr verkaufen hätte können:

Auf der Basis der Simulcrypt-Vereinbarung 2015 betrug der Preis für Endkunden der Antragstellerin für die Entschlüsselung EUR 6,-- pro Jahr oder EUR 17,99 für 5 Jahre. Dem gegenüber beträgt die Freischaltungsgebühr der Antragsgegnerinnen EUR 18,-- für 5 Jahre. Überdies gibt es derzeit ein Gratisumstiegsangebot von ORF-DIGITAL-Plattform auf ORF-DIGITAL-DIREKT, sodass die Kunden für 5 Jahre keine Freischaltungsgebühr bezahlen. Wenn die Antragstellerin die Kosten pro Kunde pro Jahr, die laut Entwurf der Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./R von ihr an die Antragsgegnerinnen zu bezahlen wäre, auf ihre Kunden umlegt und der von der Antragstellerin verrechnete Betrag für 5 Jahre hinzukommt, so ergibt sich ein Preis für Kunden der Antragstellerin, mit dem die Antragstellerin gegenüber einem Preis der Antragsgegnerinnen von EUR 18,-- für 5 Jahre nicht mehr konkurrenzfähig gewesen wäre.

Aus diesen Gründen war die Antragstellerin nicht bereit, die Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./R zu unterfertigen. Es war von den Antragsgegnerinnen beabsichtigt und sämtlichen Beteiligten klar, dass dann, wenn bis 31.3.2019 keine neue vertragliche Regelung zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen über den Simulcrypt getroffen werde, die Kunden der Antragstellerin ab 1.4.2019 die ORF-Programme nicht mehr empfangen können würden.

Am 31.1.2019 kam es zwischen den Parteien zu einem Gespräch bei der KommAustria. Da Letztere sich nicht in der Lage sah, eine für die Parteien bindende Entscheidung über die Basis der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien zu treffen, wurde bei diesem Gespräch vereinbart, dass der Erstantragsgegner der Antragstellerin bis spätestens 14.2.2019 eine Zusatzvereinbarung schicken solle, mit der das Entgeltmodell laut Punkt 4.1.1. der Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./R herausgenommen und einer späteren Vereinbarung vorbehalten werden sollte. Weiters wurde ein direktes Gespräch zwischen den Parteien mit dem ORF-Generaldirektor ins Auge gefasst.

Am 16.2.2019 übermittelten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin die Zusatzvereinbarung (Beilage ./2) zur Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./R. Darin war enthalten, dass mit Annahme dieser Vereinbarung die Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./R mit Beginn des 1.4.2019 mit den in der Zusatzvereinbarung Beilage ./2 enthaltenen Änderungen in Kraft trete. In Beilage ./2 wurde festgehalten, dass zwischen dem Erstantragsgegner und der Antragstellerin keine Einigkeit im Zusammenhang mit dem strittigen Thema einer Vergütung für den Erstantragsgegner für die Erteilung der Erlaubnis zur Freischaltung der ORF-Programme sowie sonstige Leistungen des Erstantragsgegners im Rahmen der Simulcrypt-Vereinbarung dem Grunde und der Höhe nach bestehe. Daher würden die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Simulcrypt-Folgevereinbarung Beilage ./R mit Beginn des 1.4.2019 ohne Geltung von Punkt 4.1. der Simulcrypt-Folgevereinbarung Beilage ./R, also ohne Regelung des Entgelts, in Kraft trete, wobei ausdrücklich keine Unentgeltlichkeit vereinbart werde. Bis zum 30.6.2019 werde eine einvernehmliche Lösung gesucht und von rechtlichen Schritten im Hinblick auf das strittige Thema einer Vergütung für den Erstantragsgegner Abstand genommen. Ab 1.7.2019 seien sowohl der Erstantragsgegner als auch die Antragstellerin zur Beschreitung des gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Wegs zwecks Klärung des strittigen Themas berechtigt. Der Erstantragsgegner könne seine Ansprüche rückwirkend ab 1.4.2019 geltend machen. Nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines österreichischen Gerichts oder einer österreichischen Behörde zum strittigen Thema der Vergütung seien sowohl der Erstantragsgegner – auch mit Wirkung für die Zweitantragsgegnerin – als auch die Antragstellerin jeweils berechtigt, die Simulcrypt-Folgevereinbarung Beilage ./R binnen 3 Monaten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten außerordentlich zu kündigen (Beilage ./2).

Die Antragstellerin war mit dem Inhalt der Zusatzvereinbarung Beilage ./2 nicht einverstanden. Sie ging davon aus, dass sie mit der Unterfertigung von Beilage ./2 die Simulcrypt-Folgevereinbarung Beilage ./R zur Gänze übernehmen müsste. Die Rechtsvertreterin der Antragstellerin wollte die Simulcrypt-Folgevereinbarung Beilage ./R schon aus rein rechtlichen Überlegungen von der Antragstellerin nicht unterschreiben lassen, da in deren Punkt 2.3. kein abschließender Katalog der Maßnahmen enthalten war, die von der Antragstellerin zur Sicherung der Freischaltung der ORF-Programme für alle Benützer der Plattform der Antragstellerin und dem auf das Gebiet Österreich beschränkten räumlichen Empfang mit Endgeräten bzw Smartkarten der Antragstellerin zu setzen seien. Vielmehr wurden diese Maßnahmen in Beilage ./R mit dem Wort „insbesondere“ aufgezählt. Sie wünschte für die Antragstellerin jedoch einen abschließenden Katalog dieser Maßnahmen. Somit bestand zwischen den Parteien kein Konsens zum Inhalt der Zusatzvereinbarung Beilage ./R. Die Antragstellerin ging weiters davon aus, dass sie mit der Unterfertigung der Zusatzvereinbarung Beilage ./2 keinen Anspruch auf das bisher von den Antragsgegnerinnen an sie bezahlte Entgelt von EUR X pro Kunde pro Jahr mehr hätte, sondern vielmehr sie ein der Höhe nach noch nicht bestimmtes Entgelt an die Antragsgegnerinnen bezahlen müsse. Damit war die Antragstellerin nicht einverstanden.

Zur Vorbereitung des Gesprächs beim Generaldirektor des ORF am 25.2.2019 übermittelte die Antragstellerin eine Punktation zu ihrer zukünftigen Zusammenarbeit mit dem Erstantragsgegner. In dieser wurde vorgeschlagen, die mit Wirkung zum 31.3.2019 gekündigte Simulcrypt-Vereinbarung 2015 bis zur endgültigen Klärung des anhängigen kartellrechtlichen Verfahrens zu verlängern und die von der Antragstellerin an die Zweitantragsgegnerin zu zahlenden technischen Kosten auf EUR XXX zzgl USt pro Jahr zu erhöhen, während die sonstigen Konditionen der Simulcrypt-Vereinbarung 2015 unverändert bleiben sollten. Weitere Punkte betrafen den Plattform-Mitbenützungsvertrag, der am 21.1.2019 von den Antragsgegnerinnen der Antragstellerin über die Mitbenützung der digitalen ORF-Digital-Direktplattform angeboten wurde und den die Antragstellerin annehmen wollte, sowie das Interesse der Antragstellerin am Erwerb der Zweitantragsgegnerin und an Verhandlungen mit dem Erstantragsgegner über eine Veräußerung oder Einbringung der ORF-DIGITAL-Plattform in ein Gemeinschaftsunternehmen (Beilage ./4). Bei Annahme dieser Punktation durch die Antragsgegnerinnen wäre die Antragstellerin bereit gewesen, den Provisorialantrag im kartellrechtlichen Verfahren nicht weiter zu verfolgen (Beilage ./3).

Der Vorschlag der Verlängerung der Simulcrypt-Vereinbarung 2015 laut Punktation Beilage ./4 wurde von den Antragsgegnerinnen nicht akzeptiert. Das Gespräch am 25.2.2019 blieb ohne Ergebnis.

Nach weiteren intensiven Verhandlungen übermittelte ein Mitarbeiter des Erstantragsgegners an die Antragstellerin einen neuen Entwurf der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 samt einer Zusatzvereinbarung (Beilage ./11). In der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 Beilage ./11 war das von der Rechtsvertreterin der Antragstellerin in Punkt 2.1. der Vereinbarung Beilage ./R noch enthaltene Wort „insbesondere“ im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin zum Empfang der ORF-Programme zu setzenden Maßnahmen nicht mehr enthalten.

Die Zusatzvereinbarung Beilage ./11 lautete wie folgt:

Die Vertragsparteien vereinbaren, dass mit Beginn des 1.4.2019 die Simulcrypt-Vereinbarung mit dem Inhalt laut Anlage 1 zu dieser Zusatzvereinbarung (im Folgenden: „Simulcrypt Vereinbarung 2019“) nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Zusatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien abgeschlossen gilt und in Kraft tritt.

1. zu Punkt 4.1. der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 besteht keine Einigkeit zwischen dem ORF und M7. Die Vertragsparteien vereinbaren daher, dass die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 mit Beginn des 1.4.2019 ohne Geltung von deren Punkt 4.1. in Kraft tritt.

2. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien die Frage einer Vergütung für den ORF für die Erteilung der Erlaubnis zur Freischaltung der ORF-Programme sowie sonstige Leistungen des ORF im Rahmen der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 dem Grunde und der Höhe nach strittig ist (im Folgenden kurz „strittiges Thema einer Vergütung für den ORF“ oder nur „strittiges Thema“) und, sofern eine Einigung im Verhandlungsweg nicht erreicht werden kann, einer Entscheidung im Rechtsweg zugeführt werden soll. Es wird daher ausdrücklich keine Vereinbarung über eine allfällige Unentgeltlichkeit getroffen.

3. Der ORF als auch M7 sind berechtigt, den gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Weg in Österreich zwecks Klärung des strittigen Themas bzw zwecks Durchsetzung ihres jeweiligen Standpunktes (bzw auf diesem beruhender Ansprüche) zu beschreiten. Zur Klarstellung wird festgehalten, dass der ORF oder M7 seine Ansprüche auch anteilig (zB pro Monat oder Quartal), einschließlich Zinsen und Wertsicherung und auch betreffend die Zeit ab 1.4.2019 geltend machen kann.

4. Die Vertragsparteien halten (auch im Einklang mit Punkt 7.2. der Simulcrypt-Vereinbarung 2019) fest, dass das strittige Thema einer Vergütung für den ORF oder M7 sowie allfällige künftige Vereinbarungen oder Rechtsstreitigkeiten zu diesem strittigen Thema nur das Vertragsverhältnis zwischen ORF und M7 betreffen und jenes zwischen M7 und ORS nicht berühren. Allfällige künftige Vereinbarungen oder Rechtsstreitigkeiten bzw Verfahren zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF oder M7 bedürfen daher keiner Teilnahme oder Zustimmung der ORS.

5. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass ORF und M7 die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 binnen XXX nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines österreichischen Gerichts oder einer österreichischen Behörde zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF oder M7 entsprechend den Entscheidungsergebnissen umsetzen und bei Bedarf erforderliche Änderungen, insbesondere zu Punkt 4.1. der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 unverzüglich vereinbaren. Unbeschadet dessen sind ORF und M7 jeweils berechtigt, die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 binnen XXX nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines österreichischen Gerichts oder einer österreichischen Behörde zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von XXX, zum Monatsende außerordentlich zu kündigen, dies auch mit Wirkung für ORS.

6. Diese Zusatzvereinbarung wird allseits ohne Präjudiz für die unterschiedlichen Auffassungen zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF sowie die dahingehende Sach- und Rechtslage abgeschlossen.

7. Die Punkte 7.1. (Schriftform), 7.2. (Abtretung, Rechtsnachfolge), 7.3. (Teilnichtigkeit), 7.9. (Ausfertigungen) und – in Bezug auf die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 – 7.10. (Anhänge) der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 gelten sinngemäß auch für diese Zusatzvereinbarung.

8. Zur Entscheidung aller Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dieser Zusatzvereinbarung und/oder der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 – einschließlich solcher über das Bestehen oder Nichtbestehen – ist ausschließlich das für Handelssachen wertzuständige Gericht in Wien zuständig. Es gilt österreichisches materielles Recht unter Ausschluss der Verweisungsnormen und des UN-Kaufrechts.“

Die als „Anlage 1“ bezeichnete Simulcrypt-Vereinbarung 2019 ist in Beilage ./11 enthalten.

Im Zusammenhang mit der Bestimmung des Entgelts laut Punkt 4.1. der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 Beilage ./11 wiesen die Antragsgegnerinnen ausdrücklich auf die Bestimmung des § 354 UGB hin.

Die in Punkt 3. der Zusatzvereinbarung Beilage ./11 enthaltene Möglichkeit der rückwirkenden Geltendmachung des Entgelts ab 1.4.2019 durch die Antragsgegnerinnen wäre von der Antragstellerin ausdrücklich nur auf Grund des hohen Zeitdrucks und des wirtschaftlichen Risikos bei Wegfall des Simulcrypt akzeptiert worden (E-Mail vom 6.3.2019 Beilage ./11). Allerdings war die Antragstellerin mit dem vom Erstantragsgegner geforderten Kündigungsrecht nach Feststellung des angemessenen Entgelts durch ein Gericht oder eine Behörde nicht einverstanden. Aus ihrer Sicht konnte ein von einem Gericht oder einer Behörde als angemessen beurteiltes Entgelt keinen objektiven Grund für eine Vertragsbeendigung darstellen. Daher unterfertigte sie weder die Simulcrypt-Folgevereinbarung 2019 Beilage ./11 noch die Zusatzvereinbarung Beilage ./11.

In der Tagsatzung vom 27.2.2019 schlossen die Parteien letztendlich als Zusatzvereinbarung zur Simulcrypt-Vereinbarung folgenden gerichtlichen

V e r g l e i c h :

Die Vertragsparteien vereinbaren, dass mit Beginn des 01.04.2019 die Simulcrypt-Vereinbarung mit dem Inhalt laut Anlage 1 zu dieser Zusatzvereinbarung (im Folgenden “Simulcrypt Vereinbarung 2019") nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Zusatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien abgeschlossen gilt und in Kraft tritt.

1. Zu Punkt 4.1 der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 besteht keine Einigkeit zwischen dem ORF und M7. Die Vertragsparteien vereinbaren daher, dass die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 mit Beginn des 01.04.2019 ohne Geltung von deren Punkt 4.1 in Kraft tritt.

2. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien die Frage einer Vergütung für den ORF für die Erteilung der Erlaubnis zur Freischaltung der ORF-Programme sowie sonstige Leistungen des ORF im Rahmen der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 dem Grunde und der Höhe nach strittig ist (im Folgenden kurz „strittiges Thema einer Vergütung für den ORF" oder nur „strittiges Thema") und, sofern eine Einigung im Verhandlungsweg nicht erreicht werden kann, einer Entscheidung im Rechtsweg zugeführt werden soll. Es wird daher ausdrücklich keine Vereinbarung über eine allfällige Unentgeltlichkeit getroffen (§ 354 Abs 1 UGB), weder eine Vereinbarung über (i) die von M7 geforderte Unentgeltlichkeit für die Erteilung der Erlaubnis der Freischaltung, noch über (ii) das von M7 geforderte Distributionsentgelt von EUR X/Nutzer/Jahr, noch (iii) das von ORF geforderte Entgelt in Höhe von EUR X/Nutzer/Jahr.

3. Der ORF als auch M7 sind berechtigt, den gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Weg in Österreich zwecks Klärung des strittigen Themas bzw zwecks Durchsetzung ihres jeweiligen Standpunktes (bzw auf diesem beruhender Ansprüche) zu beschreiten. Zur Klarstellung wird festgehalten, dass der ORF oder M7 seine Ansprüche auch anteilig (zB pro Monat oder Quartal), auch betreffend die Zeit ab 1.4.2019 – vorbehaltlich des letzten Satzes - geltend machen kann. Der ORF wird bei der Einführung eines Entgelts für die Erteilung der Erlaubnis der Freischaltung auch hinsichtlich des Zeitpunktes der Einführung, das Gleichbehandlungsgebot nach § 2 Abs 4 ORF-G beachten.

4. Die Vertragsparteien halten (auch in Einklang mit Punkt 7.2 der Simulcrypt-Vereinbarung 2019) fest, dass das strittige Thema einer Vergütung für den ORF oder M7 sowie allfällige künftige Vereinbarungen oder Rechtsstreitigkeiten zu diesem strittigen Thema nur das Vertragsverhältnis zwischen ORF und M7 betreffen und jenes zwischen M7 und ORS nicht berühren. Allfällige künftige Vereinbarungen oder Rechtsstreitigkeiten bzw Verfahren zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF oder M7 bedürfen daher keiner Teilnahme oder Zustimmung der ORS.

5. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass ORF und M7 die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 binnen XXX nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines österreichischen Gerichts oder einer österreichischen Behörde zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF oder M7, entsprechend den Entscheidungsergebnissen umsetzen und bei Bedarf erforderliche Änderungen, insbesondere zu Punkt 4.1 der Simulcrypt Vereinbarung 2019, unverzüglich vereinbaren.

6. Diese Zusatzvereinbarung wird allseits ohne Präjudiz für die unterschiedlichen Auffassungen zum strittigen Thema einer Vergütung für den ORF sowie die dahingehende Sach- und Rechtslage abgeschlossen.

7. Die Punkte 7.1 (Schriftform), 7.2 (Abtretung, Rechtsnachfolge), 7.3 (Teilnichtigkeit), 7.9 (Ausfertigungen) und - in Bezug auf die Simulcrypt-Vereinbarung 2019 - 7.10 (Anhänge) der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 gelten sinngemäß auch für diese Zusatzvereinbarung.

8. Zur Entscheidung aller Streitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit dieser Zusatzvereinbarung und/oder der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 - einschließlich solcher über das Bestehen oder Nichtbestehen - ist ausschließlich das für Handelssachen wertzuständige Gericht in Wien zuständig. Es gilt österreichisches materielles Recht unter Ausschluss der Verweisungsnormen und des UN-Kaufrechts.

Die Antragsgegnerinnen verpflichten sich, vom ordentlichen Kündigungsrecht gemäß Punkt 7.4.1. der Simulcrypt-Vereinbarung laut Vergleich bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens 27 Kt 2/19z keinen Gebrauch zu machen.“

Die Parteien stellten in der Tagsatzung klar, dass ihnen bewusst ist, dass auch eine gravierende Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig von den Umständen ein Grund für die außerordentliche Auflösung des Vertrages wegen Unzumutbarkeit sein kann.

Die Amtsparteien erhoben gegen den abgeschlossenen Vergleich keine Einwände.

Das Provisorialverfahren war mit diesem Vergleich erledigt.

Am 14.6.2019 brachte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerinnen eine Beschwerde bei der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) wegen des Verstoßes gegen das Verbot der wettbewerbsverzerrenden Verwendung von Programmentgelten gemäß § 31c Abs 1 ORF-G und gegen das Diskriminierungsverbot gemäß § 2 Abs 4 ORF-G ein. Gegenstand der Beschwerde waren die nach Ansicht der Antragstellerin nicht kostendeckenden Endkundenangebote des Plattformbetriebs von ORF DIGITAL und ORF DIGITAL DIREKT. Die Antragstellerin brachte dort vor, dass diese Angebote infolge des Nettokostenprinzips entgegen § 31c ORF-G aus Programmentgelten quersubventioniert würden. Darüber hinaus brachte die Antragstellerin vor, dass sie gegenüber den nachgelagerten Diensten der ORF-Gruppe durch Verrechnung des Vorleistungsentgelts von EUR X pro Nutzer und Jahr diskriminiert werde und dies gegen § 2 Abs 4 ORF-G verstoße (Beilage ./12).

Über diese Beschwerde wurde bei der KommAustria noch nicht entschieden.

Ein Verfahren beim Handelsgericht Wien zur Bestimmung des angemessenen Entgelts gemäß § 354 UGB laut Vergleich vom 27.3.2019 wurde bisher weder von den Antragsgegnerinnen noch von der Antragstellerin eingeleitet.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und das Vorbringen der Parteien, soweit es übereinstimmt.

Rechtliche Beurteilung:

Zum Abstellungsantrag:

a) Missbrauchsverbot im nationalen und europäischen Wettbewerbsrecht:

Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dabei gelten all jene Verhaltensweisen als missbräuchlich, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, somit Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 23). Voraussetzung für den Anwendungsbereich des nationalen Missbrauchsverbots ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt. Dies kann den gesamten Markt oder nur Teile des Markts umfassen. Nach dem Auswirkungsprinzip des § 24 Abs 2 KartG ist nicht relevant, ob der Sachverhalt im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist, sofern er sich auf den inländischen Markt auswirkt.

Nach Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

b) Zur „Zwischenstaatlichkeit“:

Gemäß Art 5 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl 2003 L 1/1 (VO Nr. 1/2003) sind die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig. Sie können von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflichtungszusagen annehmen und Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige Sanktionen verhängen.

Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gilt das Prinzip des umfassenden Vorrangs von europäischem Kartellrecht vor nationalem Kartellrecht insofern nur eingeschränkt, als es auf Grund der Ausnahme in Art 3 Abs 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 den Mitgliedstaaten bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt ist, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen – wie missbräuchliche Verhaltensweisen iSd Art 102 AEUV – vorzusehen. Damit können bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auch strengere innerstaatliche Vorschriften wie etwa § 4 Abs 3 KartG angewendet werden (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 11).

Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilige sein könnte. Es kommt daher nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Art 102 AEUV kann auch in Fällen anwendbar sein, in denen sogar nur ein Teil des Mitgliedstaats betroffen ist (Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, 83 Rz 21 mwN).

Damit kann auf denselben Sachverhalt im Bereich der Missbrauchsaufsicht sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht einschließlich der im KartG normierten strengeren Bestimmung des § 4 Abs 3 KartG zur Anwendung gelangen.

Der in Rede stehende Sachverhalt wirkt sich iSd § 24 Abs 2 KartG auf den inländischen Markt aus und die Zwischenstaatlichkeit ist zu bejahen. Daher ist grundsätzlich sowohl europäisches als auch nationales Wettbewerbsrecht anzuwenden.

B) Marktabgrenzung

Die Missbrauchsaufsicht des § 5 KartG und des Art 102 AEUV setzen eine marktbeherrschende Stellung und deren Missbrauch voraus. Kommt einem Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung zu, scheidet der Missbrauch per se aus. Da die Feststellungen der marktbeherrschenden Stellung die Abgrenzung des relevanten Markts nach sachlichen und geografischen Kriterien voraussetzt, ist die Frage der Marktabgrenzung für die Missbrauchsaufsicht grundlegend.

Der Markt ist der zentrale Grundbegriff des Wettbewerbsrechts. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist er der ökonomische Ort des Tausches, definiert durch die Marktteilnehmer, die sich als Anbieter und Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen mit gegensätzlichen und wirtschaftlichen Interessen gegenüberstehen (16 Ok 15/08 mwN; 16 Ok 8/14h). Die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte liegt darin, Wettbewerbsbeziehungen zu identifizieren. Mit der Abgrenzung eines Marktes sowohl in seiner sachlichen als auch in seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RIS-Justiz RS0129158).

Der sachlich relevante Markt ist nach dem Bedarfsmarktkonzept zu ermitteln. Nur solche Waren oder Dienstleistungen können ein und denselben relevanten Markt bilden, die aus der Sicht des durchschnittlichen Nachfragers als Bedarfsträger austauschbar sind. Daher kommt es auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an (RIS-Justiz RS0124671; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 7). Der hier sachlich relevante Markt ist der Markt „Betreiber von Satelliten-Plattformen, die Lösungen zur Entschlüsselung der Satelliten-Signale anbieten“.

Der geografisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmer die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (RIS-Justiz RS0123677 = 16 Ok 4/08).

Maßgebliche Faktoren für die Bestimmung des geografisch relevanten Marktes sind ua die Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, die Existenz von Marktzutrittsschranken oder Verbraucherpräferenzen, deutlich unterschiedliche Marktanteile der Unternehmen zwischen räumlich benachbarten Gebieten oder wesentliche Preisunterschiede (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 8).

Ein bestimmter Produktmarkt im Bereich des Marktbeherrschungstatbestands kann sich auf einzelne regionale oder lokale Teilmärkte im Gebiet von Österreich, auf das gesamte Bundesgebiet oder auch auf einen anderen, nicht mit dem Inland begrenzten räumlich relevanten Markt beschränken (16 Ok 14/02; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 30f).

Da die Ausstrahlung über Satelliten-Plattformen österreichweit erfolgt und die österreichischen Fernsehprogramme der Antragsgegnerinnen betrifft, ist der Markt örtlich mit dem österreichischen Bundesgebiet abzugrenzen.

c) Marktbeherrschung:

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 4 Abs 1 Z 1 KartG) oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat, wobei insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen sind, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken (§ 4 Abs 1 Z 2 KartG; RIS-Justiz RS0119451). Ein marktbeherrschendes Unternehmen ist somit in der Lage, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, weil es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten. Die Erlangung und Behauptung einer marktbeherrschenden Stellung per se stellt jedoch für sich allein keine vom KartG untersagte Verhaltensweise dar. Verpönt ist nur der Missbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung iSd § 5 KartG (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 9).

Wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt einen Anteil von mindestens 30% hat, dann trifft ihn die Beweislast, dass er nicht marktbeherrschend ist (§ 4 Abs 2 Z 1 KartG). Diese Marktbeherrschungsvermutung des KartG ist strenger als das europäische Wettbewerbsrecht, da die Europäische Kommission die Schwelle für eine beherrschende Stellung idR erst ab einem Marktanteil von über 40% ansetzt und der EuGH bei besonders hohen Marktanteilen von über 50% ohne weiteres vom Vorliegen einer beherrschenden Stellung ausgeht (EuGH 3.7.1991, Rs C-62/86 Kommission/AKZO).

Nach den Feststellungen sind die Antragsgegnerinnen auf dem Markt „Betreiber von Satelliten-Plattformen“ mit einem Marktanteil von ca. 90% der mit Abstand größte Marktteilnehmer. Ihnen kommt daher eine marktbeherrschende Stellung zu.

Die Erlangung und Behauptung einer marktbeherrschenden Stellung ist für sich allein keine von § 5 KartG verpönte Verhaltensweise. Die Sicherung bzw Verstärkung der wirtschaftlichen Position eines marktbeherrschenden Unternehmens mit wettbewerbskonformen Mitteln ist daher erlaubt. § 5 KartG soll ebenso wie Art 102 AEUV nicht gewährleisten, dass sich Wettbewerber, die weniger effizient als das Unternehmen in beherrschender Stellung sind, weiterhin auf dem Markt halten. Verboten ist nur der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 5 Rz 17).

Die Liefer- bzw Abschlussverweigerung, also der Abbruch oder die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen mit Handelspartnern, ist als Missbrauch iSd Generalklausel des Art 102 AEUV und des § 5 Abs 1 KartG verboten. Der Abbruch oder die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen mit Handelspartnern ist missbräuchlich, da den aktuellen oder potenziellen Vertragspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens auf Grund der marktbeherrschenden Position auf dem sachlich relevanten Produktmarkt keine oder nur geringe Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen und daher eine Leistungsbeschränkung bzw Leistungsverweigerung das betreffende Unternehmen im Wettbewerb massiv beeinträchtigen kann (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 76; Schröter/Bartl in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer Europäisches Wettbewerbsrecht2 901f). Lediglich dann, wenn es eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens gibt, kann der Abbruch bestehender oder die Verweigerung der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen nicht als Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung angesehen werden. Da beim Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen aktiv in das funktionierende Marktgeschehen eingegriffen wird, sind dabei strengere Maßstäbe anzulegen als bei der Verweigerung der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen. Der Abbruch laufender Geschäftsbeziehungen ist nur in Ausnahmefällen, insbesondere aus zwingenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen gerechtfertigt. Dazu gehören etwa die finanzielle Unzuverlässigkeit des Handelspartners, die mangelnde Qualität seiner Produkte, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsmoral, Haftungsverhältnisse, schwerwiegende Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen oder geschäftsschädigendes Verhalten, verbunden mit der Zerstörung der Vertrauensbasis (Vartian/Schuhmacher aaO Rz 78).

Der Abbruch der laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien als Folge der Ausübung des Sonderkündigungsrechts der Antragsgegnerinnen hätte für die Antragstellerin bedeutet, dass für sie ab 1.4.2019 eine Entschlüsselung der ORF-Programme für ihre Kunden nicht mehr möglich gewesen wäre. Dies hätte für die Antragstellerin fatale Konsequenzen gehabt. Es versteht sich von selbst, dass ihre Kunden nicht bereit gewesen wären, auf den Empfang der Fernsehprogramme des ORF zu verzichten oder andere technische Geräte zu verwenden, um den ORF-Empfang sicherzustellen. Vielmehr wären wohl ein Großteil der Kunden der Antragstellerin zu einem anderen Anbieter, somit wohl zu den Antragsgegnerinnen oder zu SKY, gewechselt. Damit hätte die Antragstellerin nicht nur ihr Geschäftsmodell nicht weiter ausbauen können, sondern wäre wohl mit dem Verlust eines großen Teils ihrer Kunden vom Markt verschwunden.

Diese Problematik war den Antragsgegnerinnen durchaus bewusst. Sie gingen vom Angebot der Simulcrypt-Vereinbarung 2019 Beilage ./R, die eine Erhöhung des Preises um das über 9-fache beinhaltete und auf die die Antragstellerin ihren Abstellungsantrag stützte, bereits vor dem 1.4.2019 ab. Bereits in Beilage ./11 forderte sie einen angemessenen Preis iSd § 354 UGB.

Nach dieser Bestimmung gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen, wenn in einem beiderseitigen Unternehmensgeschäft kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart ist. Der gesetzliche Vergütungsanspruch des § 354 UGB greift somit nur dann ein, wenn die Parteien keine Vereinbarung hinsichtlich des Entgelts getroffen haben. Weil das Entgelt zu den essentialia negotii jedes Vertrags gehören, wäre dieser ohne die Ersatzregelung des § 354 UGB nicht ausreichend bestimmt. Erst die Dispositivnorm des § 354 UGB lässt den Vertrag den Anforderungen der Bestimmbarkeit genügen. Ihr kommt die entscheidende Aufgabe zu, den Vertrag hinsichtlich Preis bzw Entgelt zu ergänzen und ihn damit vor der Unwirksamkeit wegen Dissens durch Unbestimmtheit (§ 869 ABGB) zu retten. Diese vertragsergänzende Funktion des § 354 UGB ist aber freilich nur von Bedeutung, wenn die Parteien überhaupt gebunden sein wollen. Ist dies nicht der Fall, so ist § 354 UGB mangels endgültigen Bindungswillens nicht anwendbar (W. Schumacher in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 354 Rz 6 [Stand 8.12.2017, rdb.at]).

In der Zusatzvereinbarung Beilage ./11 gab es hinsichtlich des für ein Vertragsverhältnis wesentlichen Punktes der Kündigungsmöglichkeit noch keinen Konsens zwischen den Parteien. Hingegen einigten sich die Parteien in dem am 27.3.2019 abgeschlossenen Vergleich in sämtlichen Punkten einschließlich der Kündigungsmöglichkeit. Damit ist § 354 UGB auf Grund des endgültigen Bindungswillens der Parteien anwendbar. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach der subjektiven Vorstellung der Antragsgegnerinnen der Preis von EUR X pro Nutzer und Jahr den angemessenen Preis iSd § 354 UGB darstellt, während dies für die Antragstellerin keineswegs der Fall ist. Mit dem Vergleichsabschluss gaben die Parteien die Festlegung des angemessenen Preises in die Hände eines Dritten, sodass der angemessene Preis Inhalt der zwischen den Parteien geschlossenen Simulcrypt-Vereinbarung ist. Es liegt an ihnen, das entsprechende Verfahren zur Bestimmung des angemessenen Preises beim Handelsgericht Wien, dessen Zuständigkeit von ihnen im Vergleich vereinbart wurde, einzuleiten.

Die Vereinbarung eines angemessenen Preises kann per se keine Forderung nach unangemessen hohen Preisen iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG darstellen.

Die von der Antragstellerin ins Treffen geführte Diskriminierung iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG baut argumentativ ebenfalls auf dem von den Antragsgegnerinnen ursprünglich geforderten Simulcrypt-Entgelt je Endgerät auf. Mit der Vereinbarung eines angemessenen Entgelts ist der Argumentation der Diskriminierung der Boden entzogen.

Auch ein Abbruch der Geschäftsbeziehung zur Antragstellerin iSd § 5 Abs 1 KartG bzw. Art 102 Satz 1 AEUV darstellen könnte, ist mit Abschluss des Vergleichs vom 27.3.2019 jedenfalls nicht gegeben.

Punkt I.a) des Abstellungsantrags ist darauf gerichtet, dass den Antragsgegnerinnen aufgetragen werden möge, das Verschlüsselungssignal der Antragstellerin weiterhin mit dem ORF-Bild-/Tonsignal zu übertragen und dafür erforderliche technische Dienstleistungen im Sinne der Simulcrypt-Vereinbarung Beilage ./G Anhang A zu erbringen. Von der Antragstellerin wird nicht einmal behauptet, dass die Antragsgegnerinnen das Verschlüsselungssignal derzeit nicht übertragen und die erforderlichen technischen Dienstleistungen nicht erbringen. Diesem Punkt des Antrags kommt daher keine Berechtigung zu.

In Punkt I.b) des Abstellungsantrags begehrt die Antragstellerin, dass es die Antragsgegnerinnen unterlasse, von ihr für die Leistung gemäß Punkt I.a) des Antrags ein Entgelt zu fordern, das höher sei als ein vom Kartellgericht zu bestimmendes angemessenes Entgelt. Die Bezahlung des angemessenen Entgelts ist Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs. Eine Preisfestsetzung gemäß § 354 UGB hat nach den Bestimmungen des Zivilrechts durch das zuständige Handelsgericht Wien zu erfolgen.

Insgesamt kommt dem Abstellungsantrag daher keine Berechtigung zu.

3. Zum Eventualantrag:

Die Antragstellerin beantragte eventualiter für den Fall, dass die Antragsgegnerinnen bis zur Entscheidung des Kartellgerichts die Zuwiderhandlung eingestellt haben sollten, deren Feststellung gemäß § 28 Abs 1 KartG. In diesem Umfang wurde der Antrag daher an die – außergerichtlich eintretende – Bedingung der Einstellung der Zuwiderhandlung vor der Entscheidung des Kartellgerichts geknüpft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind bedingte Prozesshandlungen grundsätzlich unzulässig, sofern die Verfahrensgesetze nicht Ausnahmeregelungen enthalten oder die Bedingung nicht in einem Anknüpfen an einen innerprozessualen Umstand oder Vorgang besteht (RIS-Justiz RS0006429 [T1 und T2]; RS0006445; RS0006441). Somit ist insbesondere auch die bedingte Erhebung einer Klage, in der die Verfahrenseinleitung vom Ausgang des Verfahrens gegen eine andere Partei abhängig gemacht wird, oder die bedingte Erhebung eines Rechtsmittels unzulässig (9 ObA 80/14a).

In der Tagsatzung am 7.11.2019 stellte die Antragstellerin den Eventualantrag auf Feststellung jedoch auch für den Fall, dass dem zuvor gereihten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Dieser Eventualantrag ist zulässig (RIS-Justiz RS0006429 [T8]).

Gemäß § 28 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht für den Fall, dass ein Kartellrechtsverstoß zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits beendet ist, die Zuwiderhandlung festzustellen, soweit daran ein berechtigtes Interesse besteht. Die Formulierung in § 28 Abs 1 KartG erklärt sich aus der Anlehnung an Art 7 Abs 1 VO Nr 1/2003 und wurde vom Gesetzgeber gewährt, um einen Gleichklang zum Unionsrecht herzustellen (926 BlgNR 22.GP, 8).

§ 36 Abs 4 Z 4 KartG verwendet im Zusammenhang mit der Antragslegitimation den Begriff des rechtlichen Interesses, der auch in § 228 ZPO vorkommt. Auch für das kartellgerichtliche Verfahren kann daher auf Rechtsprechung und Lehre zu dieser Bestimmung zurückgegriffen werden (16 Ok 2/16d mwN). Damit deckt das berechtigte Interesse des § 28 Abs 1 KartG alle Bereiche ab, die auch vom rechtlichen Interesse des § 228 ZPO erfasst werden, und geht für den Fall, dass ausschließlich öffentliche Interessen durch die Amtsparteien oder die Regulatoren befolgt werden, allenfalls sogar noch darüber hinaus (idS J.P. Gruber, Feststellungsentscheidungen, ÖZK 2019, 132). Im vorliegenden Fall der Antragstellung durch ein Unternehmen iSd 36 Abs 4 Z 4 KartG kann für die Beurteilung des berechtigten Interesses an der Feststellung gemäß § 28 Abs 1 KartG jedenfalls auf die Lehre und Rechtsprechung zu § 228 ZPO zurückgegriffen werden.

Das rechtliche Interesse ist eine spezifische Erscheinungsform des Rechtsschutzbedürfnisses als Rechtsschutzvoraussetzung für bloß feststellende Entscheidungen und wird in der Rechtsprechung als Anspruchsvoraussetzung behandelt (16 Ok 2/16d mwN).

Voraussetzungen für das Vorliegen eines rechtlichen Interesses gemäß § 228 ZPO sind die unmittelbare rechtliche Wirkung des festzustellenden Rechts auf die Rechtsstellung des Klägers und eine unmittelbare Gefährdung von dessen Rechtsposition. Diese Gefährdung muss eine ernstliche, wirkliche und gegenwärtige sein. Ein bereits beendetes Rechtsverhältnis, an dessen Feststellung ein rechtliches Interesse besteht, muss jedenfalls für die gegenwärtige Rechtslage von Bedeutung sein (RIS-Justiz RS0039186; Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny3 III/1 § 228 ZPO Rz 82 ff).

Die Antragstellerin begründete ihr rechtliches Interesse am Feststellungsantrag mit der Gefahr, dass die Antragsgegnerinnen ihr Zukunft ihr wettbewerbswidriges Verhalten wiederholen und Kündigungsrechte erneut nutzen würden, um unangemessen hohe Forderungen zu stellen (ON 1 AS 39).

Im Vergleich vom 27.3.2019 wurde die Simulcrypt-Vereinbarung zwischen den Parteien auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist zum Monatsende schriftlich gekündigt werden. Bis zu einem bestimmten Termin verzichtete der Erstantragsgegner auf das Recht zur ordentlichen Kündigung (Punkt 7.4.1. in Anlage 1 zur Zusatzvereinbarung). Weiters verpflichteten sie sich im Vergleich, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Kartellverfahrens von diesem ordentlichen Kündigungsrecht keinen Gebrauch zu machen. Sollten die Antragsgegnerinnen das Kündigungsrecht danach ausüben, so wird unter Berücksichtigung der hiefür ins Treffen geführten Gründe zu beurteilen sei, ob damit ein kartellrechtlich relevanter Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen verbunden ist. Die Ausübung des zwischen den Parteien in der Vergangenheit bis zum 31.3.2019 vereinbarten Sonderkündigungsrechts kann mangels Präjudizialität für die Beurteilung der Frage einer in Zukunft allenfalls stattfindenden Kündigung kein rechtliches Interesse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung begründen.

Weiters stützte die Antragstellerin ihr rechtliches Interesse an der Feststellung darauf, dass es zu Nachforderungen der Antragsgegnerinnen gegenüber Antragstellerin seit 1.4.2019 kommen könnte. Wenn gerichtlich festgestellt würde, dass bereits die Forderung eines solchen Entgelts missbräuchlich sei, müsste die Antragstellerin derartiges Entgelt nicht leisten.

Bei diesen Überlegungen übersieht die Antragstellerin, dass laut Vergleich vom 27.3.2019 von den Antragsgegnerinnen lediglich ein angemessenes Entgelt iSd § 354 UGB ab 1.4.2019 gefordert werden kann. Die Forderung eines angemessenen Entgelts kann jedoch keinen Missbrauch iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG und Art 102 lit a AEUV darstellen. Daher besteht auch hier kein rechtliches Interesse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung.

Der Feststellungsantrag war daher abzuweisen.


Ausdruck vom: 28.04.2024 10:42:32 MESZ