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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 9/19d


Bekannt gemacht am:

21.01.2020

Entscheidungsdatum:

01.10.2019


Über die Antragsgegnerin wird wegen verbotener Durchführung des am 21.8.2018 angemeldeten Zusammenschlusses (BWB/Z-4077) betreffend den Erwerb eines 25% überschreitenden Anteils an der ASOS Plc durch die Antragsgegnerin im Zeitraum 27.4.2012 bis 19.9.2018 gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße von EUR 75.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Teil der HEARTLAND-Gruppe, die in den Geschäftsbereichen Bekleidung und Accessoires, weiters Haushaltsgeräte, Lebensmittel und Getränke, Möbel und Accessoires, Schmuck, Immobilien und Landwirtschaft tätig ist.

Das Zielunternehmen ASOS Plc ist ein weltweiter Modehändler mit Sitz im Vereinigten Königreich und verkauft eine vielfältige Auswahl von Modeartikeln (Bekleidung und Schuhe) über das Internet an Endverbraucher. ASOS Plc bietet sowohl Marken- als auch Eigenmarkenprodukte an.

Am 22.3.2010 erwarb die Antragsgegnerin einen Anteil von 0,12% an ASOS Plc. Es folgte der Erwerb von weiteren Anteilen. Am 27.4.2012 hielt die Antragsgegnerin erstmals mehr als 25% der Anteile an ASOS Plc. Am 1.10.2017 waren es 29,51% der Anteile. Nach einem geringefügigen Verkauf im November 2017 beläuft sich der Anteil der Antragsgegnerin auf 29,05% (Beilage ./B).

Im Geschäftsjahr 2011 erzielte die HEARTLAND-Gruppe einen weltweiten Umsatzerlös von EUR 2,7 Mrd und einen Umsatzerlös in Österreich von EUR 68,9 Mio. Im Geschäftsjahr 2016/2017 (1.8.2016 – 31.7.2017) betrug der weltweite Umsatz über EUR 5 Mrd und der Umsatz in Österreich über EUR 80 Mio. Daran änderte sich im darauffolgenden Geschäftsjahr nichts wesentliches.

Die ASOS Plc erzielte 2011 weltweit einen Umsatz von EUR 610,5 Mio und in Österreich von EUR 1,8 Mio. Im Geschäftsjahr 2017 (1.3.2017 – 28.2.2018) belief sich der Umsatz weltweit auf EUR 2,1 Mrd und in Österreich auf über EUR 10 Mio.

Der Anteilserwerb vom 27.4.2012 wäre im Hinblick auf die Umsätze des Geschäftsjahres 2011, die die Umsatzschwellen des § 9 KartG überschritten, gemäß § 7 Abs 1 Z 3 KartG anmeldepflichtig gewesen.

Die Antragsgegnerin wurde im Rahmen eines anderen Zusammenschlussvorhabens im Modeeinzelhandel, nämlich des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung an ABOUT YOU (angemeldet am 16.8.2018 zu BWB/Z-4068) auf die Anmeldepflicht im Jahr 2012 für die 25% übersteigende Minderheitsbeteiligung an ASOS Plc in Österreich aufmerksam (Beilage ./B). Daher meldete sie am 21.8.2018 nachträglich den am 27.4.2012 erfolgten Erwerb eines 25% überschreitenden Anteils an ASOS Plc bei der Antragstellerin zu BWB/Z-4077 an. Da die Amtsparteien keinen Prüfungsantrag stellten, fiel das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 19.9.2018 weg.

Dieser Sachverhalt ist nicht strittig.

Mit dem am 7.6.2019 beim Kartellgericht eingelangten Antrag beantragte die Antragstellerin die Verhängung einer Geldbuße von EUR 75.000,-- gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin habe mit dem Erwerb der Anteile an ASOS Plc, ohne diesen in Österreich anzumelden, im Zeitraum vom 27.4.2012 bis zum 19.9.2018 gegen das Durchführungsverbot verstoßen. Der Zusammenschluss habe die Umsatzschwellen gemäß § 9 Abs 1 KartG überschritten und sei daher anmeldepflichtig gewesen. Damit sei der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht. Die Antragsgegnerin habe dies anerkannt.

Bei der Bemessung der Geldbuße sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin eine freiwillige Selbstanzeige erstattet habe, der Zusammenschluss keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen gehabt habe, eine Bereicherung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich sei und die Antragsgegnerin insbesondere durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen habe. Beim Verschulden sei zu berücksichtigen, dass von der Antragsgegnerin als grenzüberschreitend tätiges Unternehmen grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien. Andererseits sei die Antragsgegnerin grundsätzlich um die Einhaltung der fusionskontrollrechtlichen Bestimmungen bemüht, was die wiederholte Anmeldung von Zusammenschlüssen zeige. Es habe kein Vorsatz zur Verschleierung von relevanten Sachverhalten bestanden. Die Anmeldung sei auf Grund der schrittweisen Erhöhung der Beteiligungen versehentlich unterblieben. Die Dauer des Verstoßes habe 6 Jahre und 5 Monate betragen. In der Gesamtschau erscheine eine Geldbuße in der Höhe von EUR 75.000,-- angemessen.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin vertrat in ihrer Äußerung zwar die Auffassung, die Geldbuße sei im Vergleich zu ähnlich gelagerten Verstößen gegen das Durchführungsverbot sehr hoch. Im konkreten Fall lägen keine erschwerenden Umstände, jedoch eine ganze Reihe von Milderungsgründen vor, die es aus Sicht der Antragsgegnerin durchaus zulassen würden, auch eine niedrigere Geldbuße anzusetzen. Sie erhob aber gegen das Vorbringen im Geldbußenantrag keine Einwendungen, stellte die darin angeführten Fakten außer Streit und trat der beantragten Geldbuße letztlich nicht entgegen.

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

Ein Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf im Sinne des § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

A) kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Kommission anmeldepflichtig ist (Artikel 21 FKVO),

B) alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

C) die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und

D) der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat.

Zu A): Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung liegt hier nicht vor, da die Umsatzschwellen des Artikel 1 Abs 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr 139/2004 (EG-Fusionskontrollverordnung) nicht erreicht werden.

Zu B): Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio,

2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und

3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio.

Da die HEARTLAND-Gruppe im Geschäftsjahr 2011 weltweit einen Umsatz von rund EUR 2,7 Mrd und die Zielgesellschaft weltweit einen Umsatz von EUR 610,5 Mio erzielten und sich der Umsatz der HEARTLAND-Gruppe in Österreich auf EUR 68,9 Mio belief, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.

Zu C): Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.

Hier erzielte im Jahr 2011 zwar nur die Antragstellerin im Inland einen EUR 5 Mio übersteigenden Umsatz. Allerdings erreichte das weitere beteiligte Unternehmen, nämlich das Zielunternehmen, weltweit einen Umsatz von mehr als EUR 30 Mio. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG liegt daher nicht vor.

Zu D): Der Zusammenschluss hat eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG.

Nach dieser Bestimmung ist für die Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf ausländische Sachverhalte erforderlich, dass sich der Sachverhalt tatsächlich im Inland auswirkt (dazu Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 10 ff). Aufgrund der Tatsache, dass sowohl die Antragsgegnerin als auch das Zielunternehmen Umsätze in Österreich erzielten, ist von einer unmittelbaren Auswirkung im Inland auszugehen.

Somit waren die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des Zusammenschlusses im Sinne des § 7 Abs 1 Z 3 KartG gegeben.

Die Antragsgegnerin verstieß für den Zeitraum vom 27.4.2012 bis 19.9.2018 gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG. Daher war über sie hinsichtlich dieses Zeitraums gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.

Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

Die Dauer der Rechtsverletzung war mit 6 Jahren und 5 Monaten erheblich, die erzielte Bereicherung war nicht nennenswert.

Zum Grad des Verschuldens ist anzuführen, dass von einem international tätigen Unternehmen Kenntnisse der Grundzüge des europäischen Fusionsrechts zu erwarten sind. Dazu zählt auch das Wissen, dass es für die Frage der Anmeldebedürftigkeit eines Zusammenschlussvorhabens im Bereich der Europäischen Union insbesondere auf die weltweit und in den einzelnen Mitgliedstaaten erzielten Umsätze ankommt (RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Größere, insbesondere grenzüberschreitend tätig werdende Unternehmen sind wegen der großen wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens nämlich strenger zu beurteilen. Die Geldbuße muss eine solche Höhe erreichen, dass sie spürbar ist und zum Ausdruck bringt, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein Kavaliersdelikt ist (16 Ok 2/13).

Die Bemessung einer Geldbuße hat nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu erfolgen und ist nicht Ergebnis eines bloß auf den Gesamtumsatz abstellenden Rechenvorgangs, weil damit das Gebot der Berücksichtigung aller Faktoren nicht beachtet würde. Eine niedrigere Geldbuße kommt hier nicht in Betracht. Dem die Bemessung der Geldbuße regelnden § 30 KartG ist kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass das dort genannte Kriterium der Dauer der Rechtsverletzung bei nur fahrlässigen Verstößen außer Betracht zu bleiben hätte. Auf die von der Antragsgegnerin aufgelistete Rechtsprechung zur Höhe der Geldbußen muss deshalb nicht näher eingegangen werden (16 Ok 2/13).

Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.


Ausdruck vom: 27.12.2024 00:32:35 MEZ