Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
27 Kt 14/21t
AMATIC Entertainment AG
Österreichische Lotterien GmbH
Casinos Austria AG
Abstellung
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (§ 5 KartG und Art 102 AEUV)
Glücksspiel
Online-Glücksspiel
Glücksspielautomaten
gemeinsamer Marktauftritt
Werbung
Hebelwirkung (Leveraging)
06.10.2023
21.06.2022
a) auf der Website der Zweitantragsgegnerin www.casinos.at das Angebot „win2day“ als „Die Spieleseite von Casinos Austria & den Österreichischen Lotterien“ bezeichnet und ein gemeinsames Spielangebot der Erst- und Zweitantragsgegnerin dargestellt wird;
b) auf der Website der Erstantragsgegnerin ein gemeinsames „Mission Statement“ der Erst- und Zweitantragsgegnerin angeführt wird, welches gegenüber Kunden ein einheitliches Spieleangebot und einheitliche Qualitäts-Standards suggeriert;
c) im Werbeauftritt der Erstantragsgegnerin Spiele beworben werden, die Konzessionen unterliegen, über die nur die Zweitantragsgegnerin verfügt bzw. – umgekehrt – im Werbeauftritt der Zweitantragsgegnerin Spiele beworben werden, die Konzessionen unterliegen, über die nur die Erstantragsgegnerin verfügt, wird abgewiesen.
2. Der Antrag, das Kartellgericht möge der Erstantragsgegnerin auftragen, den von ihr begangenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 5 KartG und Art 102 AEUV dadurch abzustellen, dass sie es unterlässt, auf ihrer Website sowie auf den von ihr betriebenen VLTs Glücksspiele anzubieten, die im terrestrischen Bereich im Rahmen von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten oder in Spielbanken angeboten werden (wie insbesondere „Slots“, das Spiel „Book of Ra“ sowie Black Jack, Roulette und Poker), wird abgewiesen.
3. Der Antrag das Kartellgericht möge der Erst- und Zweitantragstellerin auftragen, den von ihnen begangenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 5 KartG und Art 102 AEUV dadurch abzustellen, dass sie Werbemaßnahmen unterlassen, die
a) das Glücksspiel als besonders vielfältig, emotional erfüllend und gewinnbringend (zB durch Schaltung von Werbekampagnen mit dem Slogan „Das Glück ist, wo du bist“) darstellen; und/oder
b) das Glücksspiel als Problemlösung zur Bewältigung finanzieller Schwierigkeiten oder als erstrebenswerte Alternative zur Erwerbstätigkeit (zB durch Schaltung von Werbekampagnen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellen und/oder Werbekampagnen mit dem Slogan „Alles ist möglich.“) darstellen; und/oder
c) Kinder und Jugendliche sowie andere vulnerable Gruppen besonders ansprechen (zB durch Verwendung von Comic-Figuren, wie insbesondere dem „Lotto-Schweinchen“ und dem Rubbellos Adventkalender); und/oder
d) falsche bzw. übertriebene Gewinnwahrscheinlichkeiten kommunizieren (zB durch Schaltung von Werbekampagnen mit dem Slogan „1 Mio € garantiert“), wird abgewiesen.
4. Das Eventualbegehren, das Kartellgericht möge feststellen, dass die Erst- und Zweitantragsgegnerin gegen § 5 KartG und Art 102 AEUV verstoßen haben, indem sie gegenüber Kunden einen gemeinsamen Marktauftritt betrieben und in ihrem Marktauftritt Querverweise zum sowie gegenseitige Werbung für ihr jeweiliges Spieleangebot vorgenommen haben, insbesondere indem
a) auf der Website der Zweitantragsgegnerin www.casinos.at das Angebot „win2day“ als „Die Spieleseite von Casinos Austria & den Österreichischen Lotterien“ bezeichnet und ein gemeinsames Spielangebot der Erst- und Zweitantragsgegnerin dargestellt wurde;
b) auf der Website der Erstantragsgegnerin ein gemeinsames „Mission Statement“ der Erst- und Zweitantragsgegnerin angeführt wurde, welches gegenüber Kunden ein einheitliches Spieleangebot und einheitliche Qualitäts-Standards suggerierte;
c) im Werbeauftritt der Erstantragsgegnerin Spiele beworben wurden, die Konzessionen unterliegen, über die nur die Zweitantragsgegnerin verfügt bzw. – umgekehrt – im Werbeauftritt der Zweitantragsgegnerin Spiele beworben wurden, die Konzessionen unterliegen, über die nur die Erstantragsgegnerin verfügt, wird abgewiesen.
5. Das Eventualbegehren, das Kartellgericht möge feststellen, dass die Erstantragsgegnerin gegen § 5 KartG und Art 102 AEUV verstoßen hat, indem sie ihrer Website sowie auf den von ihr betriebenen VLTs Glücksspiele angeboten hat, die im terrestrischen Bereich im Rahmen von Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten oder in Spielbanken angeboten werden (wie insbesondere „Slots“, das Spiel „Book of Ra“ sowie Black Jack, Roulette und Poker), wird abgewiesen.
6. Das Eventualbegehren, das Kartellgericht möge feststellen, dass die Erst- und Zweitantragstellerin gegen § 5 KartG und Art 102 AEUV verstoßen hat, indem sie Werbemaßnahmen gesetzt hat, die
a) das Glücksspiel als besonders vielfältig, emotional erfüllend und gewinnbringend (zB durch Schaltung von Werbekampagnen mit dem Slogan „Das Glück ist, wo du bist“) dargestellt haben; und/oder
b) das Glücksspiel als Problemlösung zur Bewältigung finanzieller Schwierigkeiten oder als erstrebenswerte Alternative zur Erwerbstätigkeit (zB durch Schaltung von Werbekampagnen, die bedeutende Gewinne in Aussicht gestellt haben und/oder Werbekampagnen mit dem Slogan „Alles ist möglich.“) dargestellt haben; und/oder
c) Kinder und Jugendliche sowie andere vulnerable Gruppen besonders angesprochen haben (zB durch Verwendung von Comic-Figuren, wie insbesondere dem „Lotto-Schweinchen“ und dem Rubbellos Adventkalender); und/oder
d) falsche bzw. übertriebene Gewinnwahrscheinlichkeiten kommuniziert haben (zB durch Schaltung von Werbekampagnen mit dem Slogan „1 Mio € garantiert“), wird abgewiesen.
Begründung:
Außer Streit steht:
Parteien des Verfahrens:
Die Antragstellerin AMATIC Entertainment AG (idF AMATIC), FN 367527g mit Sitz in 4845 Rutzenmoos, ist eine 100 % Tochtergesellschaft der PG Enterprise AG. AMATIC ist Inhaberin einer Bewilligung für Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten in Automatensalons nach § 5 GSpG in Niederösterreich und Kärnten; die PG Enterprise AG hat eine diesbezügliche Bewilligung in der Steiermark. Die Konzession der AMATIC für Kärnten läuft bis 30.10.2025; ihre Konzession für Niederösterreich bis 21.7.2032. Über weitere Konzessionen nach dem GSpG verfügt die AMATIC nicht.
Die Erstantragsgegnerin Österreichische Lotterien GmbH (idF ÖLG), FN 54472g, mit Sitz in 1038 Wien, Rennweg 44, ist einzige Konzessionärin des Bundes im Rahmen des Glücksspielmonopols gemäß § 14 GSpG und betreibt auf Basis dieser Konzession eine Reihe von Lotteriespielen.
Seit der Einführung des elektronischen Glücksspiels ist sie auf Basis ihrer Konzession auch befugt elektronische Lotterien und Online Glücksspiele anzubieten, die sie auf der Webseite www.win2day.at in ganz Österreich anbietet.
Darüber hinaus berechtigt sie diese Lotteriekonzession auch zum Betrieb von Video Lotterie Terminals (idF VLT), die den Zugang zu elektronischen Lotterien ermöglichen. Dabei handelt es sich um gemäß § 12 Abs 2 GSpG zentralseitig vernetzte Terminals, die an ortsfesten, öffentlich zugänglichen Standorten (außerhalb von Spielbanken) betrieben werden.
Operativ durchführt wird das VLT Geschäft von der Glücks- und Unterhaltungsspiel Betriebsges.m.b.H, einer 100% Tochtergesellschaft der ÖLG unter der Marke „WINWIN“. Die Lotterienkonzession der ÖLG ist bis 30.9.2027 gültig.
Die ÖLG betreibt in Niederösterreich 3 VLT Standorte mit 147 VLT´s in Krems, St. Pölten und Wr. Neustadt.
In Kärnten betreibt sie zwei Standorte mit insgesamt 90 VLT´s.
Die ÖLG steht indirekt über die ÖLG Holding GmbH (100 % Tochtergesellschaft der Zweitantragsgegnerin) zu ca. 74% im Eigentum der Zweitantragsgegnerin. Die restlichen Anteile an der ÖLG werden von der Loto Toto Holding gehalten. Die ÖLG wird letztlich von der Zweitantragsgegnerin allein kontrolliert.
Die Novomatic AG hält über mehrere Beteiligungsgesellschaften durchgerechnet einen Anteil vom 9,45 % an der ÖLG.
Die Zweitantragsgegnerin Casinos Austria AG (idF CASAG), FN 99639d, mit Sitz in 1038 Wien, Rennweg 44, verfügt in Österreich als Einzige über sämtliche aufrechte Konzessionen für Spielbanken gemäß 21 GSpG. Sie betreibt in Österreich insgesamt 12 Spielbanken. In den Spielbanken befinden sich auch Automaten.
In Niederösterreich betreibt die CASAG eine Spielbank (Casino Baden); dort befinden sich derzeit 266 Glücksspielautomaten.
Auch in Kärnten betreibt die CASAG eine Spielbank (Casino Velden); dort befinden sich derzeit 252. Spielautomaten.
Marktabgrenzung:
Im Bereich des Glücksspiel gibt es folgende sachlich und räumlich relevanten Märkte:
Spielbanken: Der Markt für Spielbanken (ohne Automatenglücksspiel) mit einem Einzugsradius von 60 Minuten rund um den Standort
Automatenglücksspiel: Dies umfasst das Automatenangebot in VLT-Outlets, Automatensalons und Spielbanken (Markt für Automatenglücksspiel). Die räumlichen Märkte im Bereich des Automatenglücksspielmarkt sind bundeslandweit zu betrachten.
Online-Glücksspiel: Das in Österreich online angebotene Glücksspiel.
Die Antragstellerin begehrte die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerinnen, eventaliter die Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich.
Dazu brachte sie zusammengefasst vor: Die ÖLG und CASAG gemeinsam seien sowohl im Bereich des Automatenglücksspiels, als auch im Bereich des Online-Glücksspiel und im Bereich der Spielbanken marktbeherrschend.
Gerechnet nach der Anzahl an Glücksspielautomaten in VLT-Outlets, Spielbanken und Automatensalons, würden die ÖLG und CASAG gemeinsam rund 43 % der Glücksspielautomaten in Kärnten betreiben; es treffe sie daher die Marktbeherrschungsvermutung § 4 Abs 2 Z 1 KartG.
In Niederösterreich würden sie rund 23 % der Glücksspielautomaten betreiben. Die Admiral (Novomatic) betreibe in Niederösterreich 1.175 Spielautomaten. Die Novomatic sei ein enger Kooperationspartner der ÖLG und CASAG; insgesamt würden Novomatic, ÖLG und CASAG rund 88 % der Glücksspielautomaten in Niederösterreich betreiben. Damit sei auch für Niederösterreich die gesetzliche Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 4 Abs 2 a Z 1 KartG erfüllt.
Jedenfalls komme der ÖLG als einzige Konzessionärin gemäß § 14 GSpG Monopolstellung auf dem Markt für Online-Glücksspiel zu. Der CASAG komme als einzige Konzessionärin im Bereich des Betriebs von Spielbanken gemäß § 21 GSpG Monopolstellung auf dem Markt für Spielbanken zu. Die ÖLG/CASAG-Gruppe sei daher auch auf diesen Märkten als marktbeherrschend gemäß § 4 Abs 1 KartG anzusehen. Selbst im Fall, dass die ÖLG/CASAG-Gruppe auf den relevanten räumlichen Märkten für Automatenglücksspiel nicht marktbeherrschend sein sollten, stelle ihr Verhalten dennoch einen Verstoß gegen § 5 KartG sowie Art 102 AEUV dar, weil die Monopolmärkte eng mit dem Markt für Automatenglücksspiel verbunden seien.
Die ÖLG/CASAG Gruppe dehne ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich Online- Glücksspiel bzw. VLT´s bzw. Spielbanken über ihre Monopolmärkte hinaus aus bzw. verfestige diese. Die Antragsgegnerinnen würden ihrer besonderen Verantwortung als Marktbeherrscherinnen nicht nachkommen, indem sie
a) ihr Spielangebot als einheitliches Angebot darstellen, obwohl es auf unterschiedlichen Konzessionen beruhe und sich wechselseitig bewerben bzw querverweisen würden,
b) die ÖLG Online Produkte anbiete, die nur bei äußerst weiter Auslegung der Lotterien-Konzession nach § 12a GSpG gedeckt betrachtet werden können und
c) die Antragsgegnerinnen exzessive, gegen die einschlägigen Vorgaben verstoßende Werbung betreibe.
Dadurch bediene sich die ÖLG/CASAG Gruppe nicht marktkonformer, also nicht dem Leistungswettbewerb entsprechender, sondern nur aufgrund ihrer Sonderstellung (Monopol) zur Verfügung stehender Mittel. Diese Verhaltensweisen seien für sich genommen und umso mehr in Kombination unzulässig im Sinne der Generalklausel des § 5 Abs 1 KartG bzw. Art 102 AEUV, da die ÖLG/CASAG Gruppe ihre Marktmacht in den konzessionierten Bereichen missbrauche, um ihre Marktposition auf Märkte mit Wettbewerb zu übertragen und diese abschotte. Konkret wären die genannten Verhaltensweisen der ÖLG/CASAG Gruppe geeignet, den Markt für terrestrisches Automatenglücksspiel in Niederösterreich und Kärnten für die AMATIC (und andere Wettbewerber auf diesen Märkten) abzuschotten, weil Kunden auf diesen Märkten zu den „Monopolmärkten“ der Antragsgegnerinnen hin „abgesaugt“ werden (könnten).
Die Antragsgegnerinnen beantragten die Abweisung sämtlicher Anträge. Sie bestritten die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerinnen im Bereich des Automatenglücksspiels in Niederösterreich und Kärnten. Die Berechnung der Marktanteile lediglich auf Basis der Anzahl der Spielautomaten sei nicht sachgerecht, vielmehr müsse auch die Auslastung der Automaten berücksichtigt werden. Zwischen den Antragsgegnerinnen und Novomatic/Admiral bestehe ein wesentlicher Wettbewerb, sodass für die Anwendung von § 4 Abs 1 a KartG kein Raum bleibe.
Die Frage der Marktbeherrschung könne jedoch insgesamt dahingestellt bleiben, da die beanstandeten Verhaltensweisen nicht als Missbrauch im Sinne des § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV zu qualifizieren seien und auch nicht geeignet wären, den Markt für Automatenglücksspiel in Niederösterreich und Kärnten abzuschotten.
Rechtlich folgt:
1. Allgemeines:
Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dabei gelten all jene Verhaltensweisen als missbräuchlich, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, somit Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 23).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs unterliegen auch im Glücksspielsektor tätige Unternehmen dem (europäischen) Wettbewerbsrecht (vgl. 16 Ok 11/16b); dies wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.
Voraussetzung für den Anwendungsbereich des nationalen Missbrauchsverbots ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt - ob nun auf den gesamten oder auf Teile des solchen - auswirkt.
Nach Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Die sogenannte Zwischenstaatlichkeitsklausel im Art 102 AEUV grenzt den Anwendungsbereich des mitgliedstaatlichen von dem des Unionsrechts ab (J.P. Gruber, Kartellrecht3 Art 102 AEUV, E 9). Das Prinzip des umfassenden Vorrangs von europäischem Kartellrecht vor nationalem Kartellrecht gilt im Bereich des Missbrauchsverbots einer marktbeherrschenden Stellung insofern nur eingeschränkt, als es auf Grund der Ausnahme in Art 3 Abs 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 den Mitgliedstaaten bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt ist, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen – wie missbräuchliche Verhaltensweisen iSd Art 102 AEUV – vorzusehen.
Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilig sein könnte. Es kommt daher nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates erstrecken, sind in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedsstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13 mwN). Art 102 AEUV kann auch in Fällen anwendbar sein, in denen sogar nur ein Teil des Mitgliedstaats betroffen ist (Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, 83 Rz 21 mwN).
Vorliegend bezieht sich der Missbrauchsvorwurf in erster Linie auf den Internetauftritt bzw die Werbemaßnahmen der Antragsgegnerinnen, die sich - wie zwischen den Parteien unstrittig - auf das gesamte österreichische Bundesgebiet erstrecken.
Daher könnte nach den oben dargelegten Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels vorliegen.
Damit kann auf den vorliegenden Sachverhalt im Bereich der Missbrauchsaufsicht sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht zur Anwendung gelangen. Dies wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Marktabgrenzung / marktbeherrschende Stellung:
Die Missbrauchsaufsicht des § 5 KartG und des Art 102 AEUV setzen eine marktbeherrschende Stellung und deren Missbrauch voraus. Kommt einem Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung zu, scheidet der Missbrauch per se aus.
Die Feststellungen der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens setzt die Abgrenzung des relevanten Markts nach sachlichen und geografischen Kriterien voraus.
Der sachlich relevante Markt ist nach dem Bedarfsmarktkonzept zu ermitteln. Nur solche Waren oder Dienstleistungen können ein und denselben relevanten Markt bilden, die aus der Sicht des durchschnittlichen Nachfragers als Bedarfsträger austauschbar sind. Daher kommt es auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an (RS0124671; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 7).
Der geografisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmer die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (RS0123677 = 16 Ok 4/08).
Maßgebliche Faktoren für die Bestimmung des geografisch relevanten Marktes sind ua die Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, die Existenz von Marktzutrittsschranken oder Verbraucherpräferenzen, deutlich unterschiedliche Marktanteile der Unternehmen zwischen räumlich benachbarten Gebieten oder wesentliche Preisunterschiede (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 8).
Nach Erörterung in der Tagsatzung am 21.6.2022 sind im Bereich des Glücksspiels sachlich und geografisch unstrittig folgende Märkte abzugrenzen:
Der Markt für Spielbanken (ohne Automatenglücksspiel) mit einem Einzugsradius von 60 Minuten rund um den Standort.
Der Markt für Automatenglücksspiel, umfassend das Automatenangebot in VLT-Outlets, Automatensalons und Spielbanken. Die räumlichen Märkte im Bereich des Automatenglücksspielmarkt sind bundeslandweit zu betrachten.
Der Markt für Online-Glücksspiel, der sich räumlich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt.
Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat wiederholt ausgesprochen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem eingesetzten missbräuchlichen Verhalten nicht erforderlich ist (16 Ok 3/01; 16 Ok 11/04; RS0115793). Daraus wird abgeleitet, dass ein verbotener Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung auch auf einem anderen Markt als dem, der beherrscht wird, erfolgen kann (Marktmissbrauch bei Marktdivergenz) (vgl. 16 Ok 11/04).
Marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 4 Abs 1 Z 1 KartG) oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat, wobei insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen sind, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken (§ 4 Abs 1 Z 2 KartG; RS0119451).
Kollektive Marktbeherrschung im Sinne § 4 Abs 1a KartG wird angenommen, wenn zwei oder mehr Unternehmer, zwischen welchen kein wesentlicher Wettbewerb besteht, in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen nach Abs 1 leg.cit erfüllen.
Zur marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerinnen:
Hinsichtlich der Marktbeherrschung der Antragsgegnerinnen im Bereich des Markts für Automatenglücksspiel in Kärnten ist zwischen den Parteien (nur) strittig, ob – wie von der Antragstellerin behauptet – auf die Anzahl der Glücksspielautomaten abzustellen ist, oder - wie von den Antragsgegnerinnen behauptet – die quantitative Auslastung (Nutzung) dieser mitzuberücksichtigen ist.
Bezogen auf den Markt für Automatenglücksspiel in Niederösterreich ist zwischen den Parteien darüber hinaus strittig, ob Admiral (Novomatic) ein enger Kooperationspartner der Antragsgegnerinnen ist, sodass – wie von der Antragstellerin behauptet - mangels wesentlichen Wettbewerbs im Sinne § 4 Abs 1a KartG kollektive Marktbeherrschung anzunehmen sei.
Bezogen auf den Markt für Online-Glücksspiel bestreiten die Antragsgegnerinnen - trotz der rechtlichen Monopolstellung der Erstantragsgegnerin im Sinne § 4 Abs 1 Z 1, 1. Fall KartG als einzige Konzessionärin des Bundes im Rahmen des Glücksspielmonopols gemäß § 14 GSpG - ihre marktbeherrschende Stellung. Bei der Prüfung der marktbeherrschenden Stellung seien auch die in Österreich konzessionslos Online-Glücksspiel anbietenden Marktteilnehmer zu berücksichtigen.
Die Prüfung, ob den Antragsgegnerinnen auf den genannten Märkten tatsächlich eine marktbeherrschend Stellung zukommt, kann aber unterbleiben, weil die beanstandeten Verhaltensweisen der Antragsgegnerinnen – nach Ansicht des erkennenden Senats – die Grenze zur Missbräuchlichkeit iSd § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV nicht überschreiten.
3. Missbrauchsverbot:
Die Antragstellerin bringt vor, die Antragsgegnerinnen treffe aufgrund ihrer gesetzlichen Sonderstellung im Bereich Spielbanken und Online-Glücksspiel eine besondere Verantwortung. Wenngleich sich die vorgeworfenen Verhaltensweisen unter keinen der in § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV genannten Tatbestände subsumieren lassen würden, schließe dies einen Verstoß gegen die diesen Bestimmungen immanente Generalklausel nicht aus. Für die Missbräuchlichkeit komme es (unabhängig davon, ob eine Verhaltensweise im Katalog des § 5 KartG bzw. des Art 102 AEUV explizit genannt werde) darauf an, ob die in Frage stehende Verhaltensweise die Struktur eines Marktes beeinflussen kann, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen. Unerheblich sei, ob die marktbeherrschende Stellung und das missbräuchliche Verhalten unterschiedlichen Märkten zuzuordnen seien, oder sich das Verhalten des Marktbeherrschers auf einem anderen Markt als dem beherrschten auswirke. Es komme allein auf die objektive Gefährdung des Wettbewerbs an, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und dem eingesetzten missbräuchlichen Verhalten nicht erforderlich sei. Somit sei schon die Ausdehnung einer marktbeherrschenden Stellung auf einen (nicht beherrschten) anderen Markt verpönt. Nach der aktuellen Entscheidungspraxis stelle „Leveraging“ eine eigenständige Form des Missbrauchs dar, der darin bestehe, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Marktmacht auf einem bestimmten Markt als Hebel benutzt, um seine Marktposition auf einem benachbarten Markt zu verstärken oder zu übertragen. Wenngleich in der Vergangenheit Fälle von Leveraging spezifischen Kategorien z.B. Geschäftsverweigerungen, Koppelungen zugeordnet w& lt; span style="font-variant-numeric: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-alternates: normal;">orden seien, könne ein Marktmachtmissbrauch auch durch andere Verhaltensweisen erfolgen. Aus der aktuellen Google Shopping Entscheidung ergebe sich, dass Leveraging eine eigenständige Form des Missbrauchs darstelle. Der Glücksspielsektor eigne sich besonders gut für Leveraging-Strategien, weil er aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen in manchen Bereichen monopolistisch geprägt sei (Lotterien, Online-Lotterien, Spielbanken), während in anderen Bereichen, wie bei Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten Wettbewerb herrsche. In anderen regulierten Wirtschaftssektoren würden Verhaltensweisen, wie von den Antragsgegnerinnen im Glücksspielbereich an den Tag gelegt, gesetzlich unterbunden. So verbiete beispielsweise § 14 Abs 7 ORF-G Cross Promotion zwischen Hörfunkprogrammen und Fernsehprogrammen. Dass derartige gesetzliche Regelungen im Bereich des Glücksspiels fehlen, sei kein Indiz dafür, dass das Verhalten zulässig wäre und zu dulden sei.
Dass die Bewerbung des Online-Glücksspiels der Erstantragsgegnerin über die Webseite der Zweitantragsgegnerin sowie der gemeinsame Marktauftritt, der den Kunden suggeriere das gesamte Glücksspielangebot komme aus einer Hand, den Wettbewerb im Bereich des Automatenglücksspiels beeinträchtige sei evident.
Auch die extensive Ausnutzung der Lizenz nach § 12a GSpG dahingehend, dass die Erstantragsgegnerin sowohl im Bereich des Online-Glücksspiels, als auch in den von ihr betriebenen VLT Outlets Spiele anbiete, die jenen auf den Automaten der Antragstellerin gleiche, sei geeignet die Antragstellerin zu behindern.
Letztlich verstoße die exzessive Werbung der Antragsgegnerinnen, gegen die Vorgaben des Unionsrechts und das Gebot der maßvollen Werbung nach § 56 Abs 1 GSpG, was auf lange Sicht evident zur Verdrängung alternativer Anbieter führe.
Dazu hat der Senat erwogen:
Die hier vorgeworfenen Verhaltensweisen fallen in keine der etablierten Fallgruppen nach § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV, was die Antragstellerin selbst anerkennt. Zutreffend ist, dass § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV missbräuchliche Verhaltensweisen nicht abschließend aufzählt, sondern darüber hinausgehende Verhaltensweisen von der Generalklausel dieser Bestimmungen erfasst sein können.
In der Anwendung besteht allerdings insoweit ein Unterschied, als ein Verstoß gegen einen in den genannten Bestimmungen explizit angeführten Tatbestand, in aller Regel als missbräuchlich im Sinne der Generalklausel zu qualifizieren ist, während sonstige Verhaltensweisen des Marktbeherrschers, durch welche Wettbewerber, Handelspartner oder Verbraucher geschädigt oder die Strukturen des Marktes beeinträchtigt werden, den Vorwurf des Missbrauchs nur bei Hinzutreten weiterer Tatumstände begründen. Zu diesen zählen das Fehlen objektiver Rechtfertigungsgründe, die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die Verwendung unlauterer oder leistungsfremder Mittel sowie eine erhebliche Behinderung der Restwettbewerbs (vgl. Schröter/Bartl in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht2 Art 102 AEUV Rz 175 mwN).
Unter Leveraging versteht man den Einsatz einer Hebelwirkung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, mit dem dieses seine bestehende marktbeherrschende Stellung ausnützt, um selbige auf einen anderen Markt auszudehnen.
Zutreffend ist, dass die europäische Rechtsprechung bejaht, dass ein Marktmissbrauch auch im Wege des Einsatzes einer Hebelwirkung erfolgen kann (EuG 6.10.1994, T-83/91 , Slg 1994, II-755, Tetra Pak II; EuGH 14.11.1996, C-333/94P, Slg 1996, - Tetra Pak II.)
Zur Entfaltung einer Hebelwirkung kommen unterschiedliche Verhaltensweisen, insbesondere Kopplungen, Lieferverweigerungen (Geschäftsverweigerung) und Preisunterunterbindungen (Diskriminierungsmissbrauch) in Frage (Pellech, Grundsätze und Meinungsstand nach der Europäischen Rechtsprechung zum Leveraging, ÖZK 2011, 105.)
Die bisherige Entscheidungspraxis zum Marktmachttransfer basiert – soweit überblickbar – im Wesentlichen auf der Fallgruppe der Kopplung (vgl EK 24.3.2004, COMP/C-3/37.792, Microsoft; 16 Ok 11/04, TikTak Tarif).
Maßgeblich für eine kartellrechtswidrige Kopplung ist, dass es sich bei den angebotenen Produkten / Dienstleistungen um Komplimentärgüter bzw. Dienstleistungen handelt. Obwohl das EuG ausgesprochen hat, dass es keine Voraussetzung für eine kartellrechtswidrige Kopplung darstellt, dass „Verbraucher gezwungen sind, das gekoppelte Produkt zu nutzen, oder gehindert sind, das von einem Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens gelieferte Produkt zu nutzen“ (EuG 19.7.2007, T-201/04, Microsoft), wird der Zwang zur Abnahme in der Literatur teilweise als „konstitutive Voraussetzung für ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft“ gesehen (vgl. Holzweber, ÖBl 2018/25 Zum Verfahren der EK gegen Google Shopping mwN).
Jedenfalls aber ist nach der bisherigen Entscheidungspraxis davon auszugehen, dass sich der eng verbundene Markt so darstellt, dass die Bedarfsmarktträger des einen Markts, notwendigerweise als potentielle Kunden des anderen Markts in Frage kommen (vgl. EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft; 16 Ok 11/04, TikTak Tarif).
Aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung Tetra Pak II ergibt sich, dass der EuGH davon ausgeht, dass nur besondere Umstände eine Anwendung von Artikel 86 (nunmehr 102 AEUV) auf ein Verhalten rechtfertigen, das auf dem verbundenen, nicht beherrschten Markt festgestellt wurde und sich dort auswirkt (EuGH 14.11.1996, C-333/94P – Tetra Pak II, Rz 27).
In der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 16 Ok 11/04 (TikTak Tarif) wurde nicht allein das Anbieten von Verbindungsleistungen durch die den Markt für Anschlussleistungen monopolartige beherrschende Antragsgegnerin als missbräuchlich gewertet, sondern vielmehr der Umstand, dass die Antragsgegnerin ihren Kunden die komplementären Dienstleistungen Anschlussleistung und Verbindungsentgelt als – von den übrigen Marktteilnehmern nicht vergleichbar und konkurrenzfähig anbietbare – Kombination mit erheblichen wirtschaftlichen Anreizen (Anschlussleistung gratis oder kostenvermindert und Freiminuten), angeboten hat. Diese - nicht dem leistungsgerechten Dienstleistungswettbewerb entsprechende – Tarifstruktur führe für Mitbewerber am Markt für Verbindungsleistungen zu einer Beeinträchtigung, die über die wettbewerbsnormale Tätigkeit und Verdrängungswirkung durch die Existenz der den Markt für Anschlussleistungen beherrschende Antragsgegnerin hinausgehe.
Wesentliche Bedeutung zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Zusammenhang Leveraging kommt der Entscheidung in Sachen Microsoft zu. Microsoft wurde vorgeworfen, sein Quasi-Monopol auf dem Markt für Betriebssysteme für Client-PCs mittels einer Hebelwirkung zur Beeinflussung des Marktes für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver genutzt zu haben. Als missbräuchliches Verhalten wurde nicht die beherrschende Marktmacht an sich angesehen, sondern zusammengefasst, dass sich Microsoft gweigert habe, ihren Konkurrenten „Interoperabilitätsinformationen“ zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten, die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrierten. Die Kommission vertrat die Ansicht, dass die ausgesprochene Weigerung Teil eines generellen Verhaltensmusters sei. Das Microsoft zur Last gelegte Verhalten bedeute eine Abkehr vom früheren höheren Lieferniveau, drohe den Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auszuschalten und wirke sich negativ auf die technische Entwicklung und die Verbraucherinteressen aus.
Das zweite Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Verhalten bestand darin, dass Microsoft die Bereitstellung des Windows-Betriebssystems für Client-PCs vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig gemacht habe. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass das genannte Verhalten den Tatbestand eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im Sinne von Art. 82 EG (nunmehr Art 102 AEUV) erfülle. Microsoft nehme eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs ein. Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten und die Betriebssysteme für Client-PCs seien gesonderte Produkte. Microsoft gebe den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, Windows ohne den Windows Media Player zu kaufen. Das fragliche Kopplungsgeschäft beeinträchtige den Wettbewerb auf dem Markt der Medienabspielprogramme. Das EuG bestätigte in seiner Entscheidung vom 17.9.2007 die Einschätzung der Kommission zum missbräuchlichen Verhalten von Microsoft (EuG 17.9.2007, T-201/04, Microsoft; vgl. insbesondere Rz 229f, 376f, 619f, 862f, 945f, 1062f).
Die rezente Entscheidung der Europäischen Kommission im Fall Google Shopping (Europäische Kommission vom 27.6.2017, AT.39740, Google Search (Shopping) (2017)) befasst sich mit der Frage, wieweit die Handlungsfreiheit von marktbeherrschenden Unternehmen in der digitalen Ökonomie durch Art 102 AEUV eingeschränkt wird.
Gegenstand des Verfahrens war der Vorwurf, dass Google seinen eigenen Produktvergleichsservice Google Shopping durch einen speziellen Algorithmus gezielt besser reihen würde, als die Produktvergleichsdienste von Mitbewerbern, wodurch deren Sichtbarkeit abnahm. Google Shopping ermöglicht die Suche nach Produkten. Anbieter haben für die Einbeziehung ihrer Produkte Entgelt zu bezahlen. Bei einem Klick auf ein Produkt werden die Internetsucher direkt auf die Webseite des Anbieters weiter geleitet (EK 27.6.2017, CASE AT.39740, Google Search (Shopping), Rz 33ff). Die Besserstellung von Google Shopping gegenüber anderen Produktvergleichsdiensten führte nach Feststellung der Kommission dazu, dass die Anzahl der Nutzer, die von der Suchmaschine Google auf konkurrierende Produktvergleichsdienste gelangten, in verschiedenen Mitgliedstaaten um bis zu 92 % sank, während der Traffic (= Benutzeraufkommen) zu Google Shopping anstieg. Da es für die einzelnen Produktvergleichsdienste - nach der Feststellung der Kommission - nicht möglich sei, durch andere Wege genügend Traffic zu genieren, schotte Google durch die verbesserte Reihung von Google Shopping den Markt für Produktvergleichssuchmaschinen ab. Die Kommission ging unter Berücksichtigung empirischer Studien davon aus, dass Internetsucher einen Anreiz haben, auf besonders prominent platzierte Links zu klicken. Die Geschäftspraktik der unsachlich prominenteren Platzierung eigener Dienste sei daher geeignet, einen wettbewerbswidrigen Marktmachttransfer nach sich zu ziehen (vgl. auch Holzweber aaO)
Mit Urteil vom 10.11.2021 schloss sich das EuG weit überwiegend der rechtlichen Würdigung der Kommission an. Begründend stellte es insbesondere die generelle Bedeutung der Google-Suche für Preisvergleichsdienste und das Verhalten von Internetusern, die üblicherweise auf eines der ersten Ergebnisse klicken in den Vordergrund. Davon ausgehend führe die bessere Platzierung des eigenen Preisvergleichsdienstes zu einer Schwächung der Wettbewerber und des Wettbewerbs (EuG 10.11.2021, T‑612/17, Google Shopping).
Wie die Antragstellerin selbst ausführt, ist im Verfahren der französischen Wettbewerbsbehörde (Autorité de la concurrence) gegen den Monopolisten im Bereich Offline-Pferdewetten Pari Mutuel Urbain (PMU), infolge von Verpflichtungszusagen nicht über den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch das Pooling von Offline- und Onlinepferdewetten abgesprochen worden (Autorité de la concurrence, Entscheidung 14-D-04). Entscheidend war im vorliegenden Fall aber jedenfalls, dass PMU als Monopolist im terrestrischen Wettbereich durch das Pooling der offline und online Pferdewetten einen wesentlichen größeren Gewinntopf auch für alle online Wettenden generieren konnte, als dies anderen Online-Pferdewettanbietern möglich war.
Allen zitierten Entscheidungen ist immanent, dass sich Unternehmen ihre auf einem Markt bestehende Marktmacht zu nutze machen, um im Bereich eines Komplimentärmarkts - auf dem Wettbewerb besteht - Marktmacht zu erlangen oder diese auszubauen.
Vorliegend behauptet aber die Antragstellerin gar nicht, dass die Antragsgegnerinnen ihre (behauptete) Marktmacht (jedenfalls) im Bereich des konzessionierten Glücksspielmarkts als Hebel zur Ausweitung ihrer Marktmacht im Bereich des terrestrischen Automatenglücksspiel nützen würden.
Tatsächlich wendet sich die Antragstellerin vorliegend allgemein gegen die Verdrängung des terrestrischen Automatenglücksspiel durch das Online-Glücksspiel. Der generelle - durch die Pandemie und damit einhergehende Betretungsverbote verstärkte - Trend zur Digitalisierung muss aber vorliegend nicht weiter untersucht werden, weil die hier von der Antragstellerin als Leveraging vorgeworfenen Verhaltensweisen der Antragsgegnerinnen mit den inkriminierten Verhaltensweisen in den zitierten Entscheidungen, gemessen am Beispielkatalog des § 5 KartG und Art 102 AEUV, nicht annähernd vergleichbar sind. Wenngleich – zwischen den Parteien unstrittig – davon auszugehen ist, dass der Markt für Automatenglücksspiel und der Markt für Online-Glücksspiel verwandt sind, sind Kunden des einen Markts nicht notwendiger Weise potentielle Kunden des anderen Markts.
Dass potentiellen Kunden am Markt für Automatenglücksspiel ein besonderer Anreiz zur Inanspruchnahme des Spielangebots der Antragsgegnerinnen, im Sinne der zitierten Entscheidungen geboten werden würde, behauptet die Antragstellerin nicht einmal.
Allein die – unstrittig hier gesetzlich nicht verbotene - gegenseitige Bewerbung und die vorgenommenen Querverweise bzw. der gemeinsame Marktauftritt von im Sinne des § 7 Abs 4 KartG iVm § 15 Abs 2 AktG verbundenen Unternehmen, weichen - nach Ansicht des erkennenden Senats - noch nicht von den Mitteln eines leistungsgerechten Dienstleistungswettbewerbs ab.
Inwieweit die Erstantragsgegnerin durch das von ihrer Konzession nach § 12a GSpG und der Aufsichtsbehörde unstrittig gedeckte Anbieten von mit im Bereich des terrestrischen Automatenglücksspiels vergleichbaren Glücksspielen die Struktur des Marktes für Automatenglücksspiel mit leistungsfremden Mitteln zu beeinflussen versucht, vermag die Antragstellerin selbst nicht plausibel darzustellen.
Das Missbrauchsverbot nach § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV geht jedenfalls nicht so weit, dass jedes auf die Erhaltung einer marktbeherrschenden Stellung ausgerichtete Verhalten als verpönt anzusehen ist. Vielmehr sind auch gesamtwirtschaftliche Interessen miteinzubeziehen (vgl. 16 Ok 12/02; RS0114137).
Vorliegend sind die den Glücksspielbereich regulierenden Rechtsvorschriften in die Beurteilung miteinzubeziehen. Zutreffend weisen die Antragsgegnerinnen hier auf ihre Betriebspflicht nach § 14 Abs 5 GSpG hin.
Soweit die Antragstellerin ein missbräuchliches Verhalten der Antragsgegnerinnen darin erblicken will, dass diese ihr Spieleangebot in exzessiver, gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßender Weise bewerben, ist sie zunächst auf die rezenten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit dem Online Glücksspiel in Österreich zu verweisen. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen des VfGH (E 945/2016, E 3282/2016; E 883/2017; E 2172/2017; E 2341/2017; E 3302/2017) und des VwGH (Ro 2015/17/0022; Ra&a mp;n bsp;2018/17/0048; Ra 2018/17/0203; Ra 2019/17/0054; Ra 2021/17/0031) judiziert der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die (auch vorliegend inkriminierten) Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinn der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben nicht gegen Unionsrecht verstößt (RS0130636; 4 Ob 125/18p; 3 Ob 57/19g).
Wenn aber nun - zumindest im Rahmen einer Gesamtwürdigung - auch die Werbemaßnahmen der Konzessionärinnen den strengen europarechtlichen Vorgaben, die den freien Wettbewerb am europäischen Markt bezwecken, genügen bzw. zur Zielerreichung der Kanalisierung weg vom illegalen Glücksspiel erforderlich erscheinen, vermögen diese auch nicht die Schwelle der Missbräuchlichkeit iSd § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV zu überschreiten.
Daran vermag der Umstand, dass die Einhaltung des verantwortungsvollen Maßstabs der Werbeauftritte gemäß § 56 Abs 1 GSpG ausschließlich im Aufsichtsweg zu überwachen und nicht dem Klageweg nach §§ 1 UWG ff. zugänglich ist, nichts zu ändern.
Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat zudem entschieden, dass absatzfördernde Werbemaßnahmen eines Alleinimporteurs nicht allein deswegen missbräuchlich sind, weil sie (teilweise) nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen für die Einzelhändler haben (KOG 14. 12. 1993, Okt 7/93 – Fiat-Vertriebsbindung; KOG 14. 6. 1993, Okt 3/93 – Werbung mit Preisherabsetzungen II.)
Die hier von der Antragstellerin als nicht dem „verantwortungsvollen Maßstab“ qualifizierten Werbemaßnahmen, die das Glücksspiel als vielfältig, emotional erfüllend und gewinnbringend, als Problemlösung zur Bewältigung finanzieller Schwierigkeiten bzw. als Alternative zur Erwerbstätigkeit bzw. Kinder, Jugendliche und andere vulnerable Gruppen ansprechen bzw. übertriebene Gewinnwahrscheinlichkeiten versprechen, enthalten überdies ausschließlich für das gesamte Glücksspiel geltende Botschaften. In wie weit die konkret inkriminierten, generell das Glücksspiel betreffenden Werbeaussagen, objektiv geeignet sein könnten, die Antragstellerin bzw. andere Wettbewerber vom Markt für Automatenglücksspiel in Niederösterreich und Kärnten zu verdrängen, vermag die Antragstellerin ebenso nicht plausibel darzustellen.
Insgesamt fehlt es aber damit vorliegend an den vom EuGH geforderten besonderen Umständen für einen Marktmissbrauch, die die Verhaltensweisen der Antragsgegnerinnen als missbräuchlich im Sinne § 5 KartG bzw. Art 102 AEUV erscheinen lassen.
Ausgehend vom außer Streit gestellten Sachverhalt und diesen rechtlichen Erwägungen, konnten weitere Beweisaufnahmen unterbleiben.
Davon ausgehend war sowohl der Abstellungsantrag, als auch der Eventualantrag auf Feststellung abzuweisen.“