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Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 1/24w


Bekannt gemacht am:

25.02.2025

Entscheidungsdatum:

23.09.2024


 „Über die Österreichische Post Aktiengesellschaft, Rochusplatz 1, 1030 Wien, wird gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a und d KartG wegen Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung iSd § 5 KartG und Art 102 AEUV, der dadurch erfolgte, dass sie
1. Konsolidierern im Zeitraum ab 2017 bis zum 20.01.2022 auf das Entgelt für die Beförderung von persönlich adressierten Massendrucksachen (Info.Mail) bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte oder geringere Jahresboni gewährte
und
2. die mit Großkunden vereinbarten Rabattstaffeln und Rabattsätze (Jahresboni) für den Zeitraum ab 2017 bis zum 20.01.2022 einer Geheimhaltungsverpflichtung unterwarf,
eine Geldbuße in Höhe von EUR 9,2 Mio verhängt.

Begründung:
Mit Antrag vom 22.1.2024 begehrte die Bundeswettbewerbsbehörde über die Antragsgegnerin wegen Missbrauchs ihrer marktbeherrschenden Stellung eine Geldbuße in angemessener Höhe zu verhängen. Die Verletzung des § 5 KartG und Art 102 AEUV sei dadurch erfolgt, dass die Antragsgegnerin 1. Konsolidierern im Zeitraum ab 2017 bis zum 20.1.2022 auf das Entgelt für die Beförderung von persönlich adressierten Massendrucksachen (Info.Mail) bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte oder geringere Jahresboni gewährt habe und 2. sie die mit Großkunden vereinbarten Rabattstaffeln und Rabattsätze (Jahresboni) für Info.Mail einer Geheimhaltungsverpflichtung unterworfen habe.
Mit Schriftsatz vom 28.5.2024 konkretisierte die Bundeswettbewerbsbehörde infolge eines erfolgreichen Settlementabschlusses mit der Antragsgegnerin ihren Geldbußenantrag und beantragte die Verhängung einer Geldbuße in der Höhe von EUR 9,2 Mio.
Die BWB brachte dazu im Wesentlichen vor, dass dem gegenständlichen Geldbußenverfahren der bereits mit (Teil-)Beschluss des Kartellgerichts vom 22.7.2021 zu 27 Kt 8/19g-77 rechtskräftig der Antragsgegnerin erteilte Abstellungsauftrag, der vom KOG mit Beschluss vom 11.11.2021 zu 16 Ok 3/21h bestätigt worden sei, vorausgehe. In diesem Ausgangsverfahren habe das Kartellgericht ausgesprochen, dass die Österreichische Post Aktiengesellschaft als dortige Antragsgegnerin gegenüber der dortigen erstantragstellenden Konsolidiererin den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung, der darin bestehe, dass 1. der erstantragstellenden Konsolidiererin auf das Entgelt für die Beförderung von persönlich adressierten Massendrucksachen (Info.Mail) bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden, eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte oder geringere Jahresboni gewährt worden seien und 2. die mit Großkunden vereinbarten Rabattstaffeln und Rabattsätze (Jahresboni) für Info.Mail einer Geheimhaltungsverpflichtung unterworfen habe, abzustellen habe.
Nach § 43 Abs 1 AußStrG trete mit Rechtskraft eines Beschlusses Vollstreckbarkeit und Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung ein. Wie Entscheidungen im Zivilprozess komme auch Beschlüssen im Außerstreitverfahren Einmaligkeits-, Bindungs- und Präklusionswirkung zu. Diese Wirkungen - mit anderen Worten die materielle Rechtskraft - würden zum Zeitpunkt der formellen Rechtskraft eintreten (§ 42 AußStrG), also dann, wenn ein Beschluss nicht mehr anfechtbar sei. Der Teilbeschluss im Ausgangsverfahren sei seit 21.12.2021 formell rechtskräftig.
Die formell rechtskräftige Entscheidung sei in künftigen Verfahren, in denen sich die im Vorverfahren entschiedene Rechtsfrage als Vorfrage stelle, der zu fällenden Entscheidung ohne weitere Prüfung zugrunde zu legen (Bindungswirkung). Die Feststellung einer Zuwiderhandlung sei Vorfrage für die Verhängung einer Geldbuße. Nach eingehender Prüfung halte es die BWB in ihrer Funktion als Amtspartei aus spezial-, aber insbesondere auch generalpräventiven Gründen für geboten, einen Geldbußenantrag wegen der im Teilbeschluss vom 22.7.2021, 27 Kt 8/19g-77 rechtskräftig festgestellten Verstöße zu stellen. Die Verhängung von - abschreckenden - Geldbußen spiele aus generalpräventiven Gründen eine wesentliche Rolle bei der Sicherstellung der Befolgung kartellrechtlicher Normen. Im Anlassfall lägen spezialpräventive Gründe für den vorliegenden Geldbußenantrag vor allem darin, die besondere Verantwortung der Antragsgegnerin klarzustellen, die ihr als marktbeherrschendem Unternehmen mit öffentlich-rechtlichem Versorgungscharakter infolge teils reservierter Geschäftsbereiche für den Wettbewerb zukomme. Weiters gäben auch die festgestellten schwerwiegenden Folgen der Kartellverstöße spezialpräventiven Anlass für das gegenständliche Vorgehen der BWB.
Das Antragsbegehren auf Verhängung einer Geldbuße nach §§ 29ff KartG sei zwar nicht ident mit dem rechtskräftig entschiedenen Ausgangsverfahren, das in einem Abstellungsauftrag gemündet habe, jedoch sei Parteienidentität auf Antragsgegnerinseite und Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben. Die Bindungswirkung an die rechtkräftige Entscheidung im Vorverfahren umfasse konkret die im Spruch des Teilbeschlusses als missbräuchlich qualifizierten Verhaltensweisen, alle dafür entscheidungserheblichen Sachverhaltsfeststellungen sowie deren rechtliche Bewertung durch das KG bzw das KOG. Die BWB stütze ihren Antrag auch ausdrücklich auf die vom Kartellgericht im Teilbeschluss zu 27 Kt 8/19g-77 sowie die vom KOG in 16 Ok 3/21h getroffenen Feststellungen und erhebe diese zu ihrem Vorbringen.
Der Umfang und die Auswirkung der inkriminierten Rabattpraxis der Antragsgegnerin, deren Anwendung letztlich zum Marktaustritt der Erstantragstellerin im Ausgangsverfahren aus dem Markt für Info.Mail geführt hätten, hätten erhebliche Beeinträchtigungen des Wettbewerbs verursacht und seien somit keinesfalls wettbewerbsneutral im Sinne der EuGH-Entscheidung im Fall bpost, C-340/13, gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Zuwiderhandlungen auch schuldhaft begangen, da ihr Verhalten darauf abgezielt habe, den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beeinflussen, womit sie diesen beeinträchtigt habe.
Bei der Ausmittlung der beantragten Geldbuße seien gem § 30 KartG der Umsatz von Antragsgegnerin im von der Zuwiderhandlung betroffenen Bereich Info.Mail im Jahr 2021 (letztes Geschäftsjahr vor Einstellung der Zuwiderhandlung), die Schwere der Zuwiderhandlung (Auswirkungen des Verstoßes), das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin sowie die Dauer des Verstoßes von 5 Jahren berücksichtigt worden. Die BWB habe einen Abschlag für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung gewährt. Ebenfalls mildernd sei die bereits erfolgte Wiedergutmachung des Schadens (§ 30 Abs 3 Z 4 KartG) berücksichtigt worden.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der BWB an.
Die Antragsgegnerin anerkannte die Zuwiderhandlung und stellte das Tatsachenvorbringen im verfahrenseinleitenden Antrag, in der Antragskonkretisierung sowie die im Teilbeschluss des Kartellgerichts vom 22.7.2021, 27 Kt 8/19g-77 und die im Beschluss des KOG vom 16 Ok 3/21h getroffenen Feststellungen außer Streit.
Folgender Sachverhalt steht fest:
1. Die Antragsgegnerin:
Die Antragsgegnerin steht zu 52,85 % im Eigentum der Österreichischen Beteiligungs AG, deren Alleinaktionär die Republik Österreich ist. 47,15 % der Anteile an der Antragsgegnerin befinden sich in privatem und institutionellem Streubesitz. Die Antragsgegnerin wurde gemäß § 1 des Poststrukturgesetzes (BGBl Nr 201/1996) zur Besorgung der ehemals der staatlichen Post- und Telegraphenverwaltung vorbehaltenen Aufgaben errichtet und ist gemäß § 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Regulierung des Postmarktes (Postmarktgesetz – PMG) Universaldienstbetreiber. Universaldienst ist gemäß § 6 PMG ein Mindestangebot an Postdiensten, die allgemein zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung als notwendig angesehen werden, flächendeckend im Bundesgebiet angeboten werden und zu denen alle Nutzerinnen und Nutzer zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben. Dabei umfasst der Universaldienst die Abholung und Sortierung sowie den Transport und die Zustellung von Postsendungen bis 2 kg und von Postpaketen bis 10 kg sowie die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen. Nach § 6 Abs 3 PMG werden die dem Universaldienst zugrundeliegenden Verträge durch die Aufgabe in Postbriefkästen oder durch die Übergabe der Postsendungen an einem anderen Zugangspunkt abgeschlossen.
Die Antragsgegnerin erzielte im Geschäftsjahr 2021 weltweite Gesamtumsätze (konsolidierte Gruppenumsätze) in der Höhe von ca EUR 2,5 Mrd (Geschäftsjahr vor Einstellung der Zuwiderhandlung), im Geschäftsjahr 2022 ebenfalls ca EUR 2,5 Mrd und im Geschäftsjahr 2023, dem letzten Geschäftsjahr vor Einbringung des Geldbußenantrags, EUR 2,7 Mrd.
2. Betroffener Markt:
In die Produktkategorie „Info.Mail“ fallen vom Format und Gewicht idente Sendungen mit werblichem Inhalt und ausschließlich gedruckter Anschrift, von denen mindestens 400 Stück aufgegeben werden. Sie müssen maschinenfähig sein. Es handelt sich um persönlich adressierte Drucksachen, also Direktmarketing-Aussendungen in Briefform, wie etwa adressierte Werbung.
Die Datenaufbereitung, der Druck, die Kuvertierung oder das Einschweißen in eine Folie, die Adressierung und Frankierung von Info.Mail-Sendungen sowie deren Auflieferung in einem Verteilzentrum der Antragsgegnerin können vom Großkunden selbst oder von einem vom Großkunden beauftragten Konsolidierer erbracht werden.
Die Konsolidierer holen die Poststücke beim Großkunden ab, sortieren sie nach Produktkategorien, Produkten, Verteilzentren etc, erstellen Versanddokumente, avisieren die Sendungen bei der Antragsgegnerin und liefern die vorsortierten Postmengen zu bestimmten Verteilzentren der Antragsgegnerin. Großkunden, die selbst aufliefern, erledigen alle diese Arbeitsschritte selbst.
Nur die Antragsgegnerin verfügt über ein bundesweit flächendeckendes Zustellsystem für Briefe und Info.Mail.
Da nach § 3 Z 6 PMG Verteilzentren keine Zugangspunkte iSd § 6 Abs 3 PMG sind, liegt nach der innerstaatlichen Rechtslage kein Universaldienst vor, wenn – wie im vorliegenden Fall – bei einem Verteilzentrum oder Hauspostamt eingeliefert wird.
Der horizontal sachlich relevante Markt ist aus der nachgelagerten Endkundensicht mit „Info.Mail“ abgegrenzt. Der räumlich relevante Markt erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet.
Im Markt „Info.Mail“ liegt der Marktanteil der Antragsgegnerin bei etwa 99 %. Die Antragsgegnerin ist daher marktbeherrschend.
3. Diskriminierende Rabattgewährung an Konsolidierer:
Mit dem Konsolidieren ist eine Optimierung der Versandkosten der jeweiligen Absender, aber auch der Verarbeitungskosten der Antragsgegnerin verbunden.
Die Antragsgegnerin schließt für das Produkt Info.Mail sowohl mit Konsolidierern als auch mit selbsteinliefernden Großkunden längerfristige Vereinbarungen, in der Regel Jahresverträge, ab. In diesen wird festgelegt, unter welchen Bedingungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Antragsgegnerin Rabatte gewährt werden. Weiters sind in diesen Vereinbarungen die Versandbedingungen sowie die Rabattstaffeln geregelt.
In einem Anhang zur jeweiligen Vereinbarung sind die einzuhaltenden Versandvorbereitungen aufgelistet, ohne die kein Rabatt gewährt wird. Dazu gehören die Voraussetzungen für die maschinelle Les – und Bearbeitbarkeit, einzuhaltende Mindestmaße, die Aufbereitung mit der Software „Postversandmanager Professional“ ab einer Menge von 60.000 Stück sowie die Ankündigung dieser Menge spätestens fünf Werktage vor Auflieferung. Für Sendungen zum Info.Mail-Vorteilstarif muss der „Post-Versandmanager“ ab Auslieferung einer Menge von 50.000 Stück verwendet werden. Die Sendungen müssen nicht nach Postleitzahl des Empfängers sortiert, jedoch stehend, Anschrift auf Anschrift mit einem Freimachungsvermerk oben, in den von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Briefbehältern oder geeigneten Kuvertkartons in Rollcontainern oder auf Europaletten aufgeliefert werden.
Im Bereich Info.Mail ist die Antragsgegnerin nicht im Bereich Druck/Vorleistungen tätig. In diesem Bereich sind Vorleistungen Bestandteil der Produktdefinition und der Vereinbarung. Das heißt, dass die Vorleistungen jedenfalls von den Kunden der Antragsgegnerin erbracht werden müssen, damit die Preise der Antragsgegnerin für Info.Mail zur Anwendung kommen. Daher werden für Info.Mail-Sendungen von der Antragsgegnerin keine zusätzlichen Vorleistungsrabatte gewährt.
Die von der Antragsgegnerin ihren Endkunden (Großkunden) einerseits und den Konsolidierern andererseits gewährten Rabatte im Bereich Info.Mail waren im Durchschnitt bis zum Jahr 2017 vergleichbar. Ab diesem Zeitpunkt gingen die Rabatte für Konsolidierer stark zurück. Im Jahr 2019 entsprach der Rabatt der Konsolidierer nur noch rund 34 % jenes Rabatts, den Endkunden der Antragsgegnerin enthielten.
Vergleicht man den Rabatt der Konsolidierer im Jahr 2017 mit jenem im Jahr 2019, so betrug er 2019 nur mehr 28 % des Ursprungswerts. Im Jahr 2017 waren unter den 50 größten Kunden der Antragsgegnerin noch sechs Konsolidierer mit einem gesamten Anteil von [5% - 10%] an den Umsätzen der Antragsgegnerin im Bereich Info.Mail. Im Jahr 2019 reduzierte sich dies auf vier Konsolidierer, die [unter 5%] der Umsätze im Info.Mail-Bereich bewirkten.
2017 waren vier Großkunden der Antragsgegnerin besser gestellt als der bestgestellte Konsolidierer. Diese Großkunden hatten einen gesamten Anteil von [20% bis 30%] am Info.Mail-Umsatz der Antragsgegnerin und lukrierten einen durchschnittlichen Rabatt von knapp 40 %.
Im Jahr 2019 erhöhte sich der Anteil der besser als der bestgestellte Konsolidierer gestellten Kunden auf 40, die mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes im Info.Mail-Bereich erreichten. Der von ihnen erhaltene durchschnittliche Rabatt sank zwar von knapp 40 % auf etwa 14 %, war jedoch immer noch mehr als dreimal höher als jener der Konsolidierer. Diese Kunden sind daher für die Konsolidierer als Zielgruppe nicht erreichbar.
Die Rabatte im Info.Mail-Bereich enthalten eine signifikante operative Komponente und sind keine reinen Mengenrabatte.
Konsolidierer geben einen Großteil der lukrierten Rabatte an ihre Kunden weiter.
In den Vereinbarungen betreffend das Produkt Info.Mail ist sowohl bei Konsolidierern als auch bei Großkunden eine Geheimhaltungsklausel enthalten.
4. Verschulden der Antragsgegnerin:
Das unterschiedliche Rabattgewährung der Antragsgegnerin zielte darauf ab, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, und zwar zu ihren Gunsten, vor dem Hintergrund, dass sie den Markteintritt von Konsolidierern im Bereich Info.Mail nicht schätzte.
Beweiswürdigung:
Die Antragsgegnerin hat den Sachverhalt, wie er im Vorverfahren festgestellt wurde, und auf den sich die BWB ausdrücklich beruft, außer Streit gestellt. Dieser Sachverhalt war daher in diesem Verfahren zur Gänze zu übernehmen. Von weiteren Erhebungen war iSd § 33 AußStrG (iVm § 38 KartG) abzusehen.
Rechtliche Beurteilung:
1. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung:
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 16 Ok 3/21h das in der vorliegenden Entscheidung bebußte missbräuchliche Verhalten der Antragsgegnerin als Marktbeherrscherin im Markt der „Info.Mail“, nämlich die diskriminierende Rabattgewährung an Konsolidierer und die betreffend das Produkt Info.Mail vereinbarte Geheimhaltungsklausel abschließend wie folgt beurteilt:
Die Antragsgegnerin unterliegt, wie alle anderen Marktteilnehmer, dem allgemeinen Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung nach § 5 KartG. Gem § 5 Abs 1 Z 3 KartG ist die Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch ein marktbeherrschendes Unternehmen durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen verboten.
Diese innerstaatliche Regelung entspricht nahezu wörtlich dem Tatbestand des Art 102 lit c AEUV. Diese Bestimmung verbietet, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen für gleichwertige Leistungen von seinen Handelspartnern unterschiedliche Preise fordert und dadurch bestimmte Handelspartner benachteiligt, wenn diese Benachteiligung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Fallgruppe der Diskriminierung kann neben Art 102 Satz 2 lit c AEUV auch unter die Generalklausel des Art 102 Satz 1 AEUV subsumiert werden (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 I Art 102 AEUV Rz 135). Beide Normen sind auch zur Auslegung der innerstaatlichen Regelung heranzuziehen (vgl RS0110382).
Der EuGH hat in den Entscheidungen Deutsche Post AG (C-287/06) und bpost SA (C-340/13) zum Diskriminierungsverbot der Postdienste-Richtlinie 97/67 Stellung genommen. Auch wenn im vorliegenden Fall die gegenständlichen Leistungen der Antragsgegnerin betreffend Info.Mail nach der innerstaatlichen Rechtslage keine Universaldienstleistungen sind, da nach § 6 Abs 6 PMG Verteilzentren keine Zugangspunkte iSd § 6 Abs 3 PMG sind, können die genannten EuGH-Entscheidungen auch zur Konkretisierung des aus dem Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung abzuleitenden Diskriminierungsverbots herangezogen werden. Da zwischen dem anzuwendenden Prüfungsmaßstab kein Unterschied besteht, sondern die Antragsgegnerin jedenfalls einem Diskriminierungsverbot unabhängig davon unterliegt, ob dieses aus der Postdienste-Richtlinie 97/67 oder aus dem Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung abgeleitet wird, kann dahingestellt bleiben, ob das einschränkende Verständnis des Begriffs des „Universaldienstes“ nach österreichischem Recht richtlinienkonform ist.
Die vom EuGH angewendeten Regelungen des Art 12 vierter und fünfter Gedankenstrich der Postdienste-Richtlinie 97/67 lauten wie folgt:
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Tarife für die einzelnen Universaldienstleistungen folgenden Grundsätzen entsprechen:
[…]
- die Tarife müssen transparent und
nichtdiskriminierend sein;
- wenden Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife an, beispielsweise für Dienste für Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer verschiedener Nutzer, so gelten die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung sowohl für die Tarife als auch für die entsprechenden Bedingungen. Die Tarife gelten, ebenso wie die entsprechenden Bedingungen, sowohl zwischen verschiedenen Dritten als auch zwischen Dritten und Universaldiensteanbietern, die gleichwertige Dienste anbieten. Alle derartigen Tarife werden auch allen anderen Nutzern gewährt, insbesondere Privatkunden und kleineren und mittleren Unternehmen, die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen einliefern.“
In der Entscheidung Deutsche Post AG, C-287/06, hat der EuGH ausgesprochen, dass Art 12 fünfter Gedankenstrich der Postdienste-Richtlinie 97/67/EG dahin auszulegen ist, dass diesem entgegensteht, dass Unternehmen, die Postsendungen mehrerer Absender gewerblich und in eigenem Namen zusammenfassen, Sondertarife verweigert werden, die der nationale Anbieter von Universalpostdienstleistungen im Bereich seiner Exklusivlizenz Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewährt.
Nach Auffassung des EuGH geht aus dieser Bestimmung klar hervor, dass ein Anbieter von Universalpostdienstleistungen, wenn er Sondertarife anwendet, diese Tarife in der gleichen Weise, insbesondere in den Beziehungen zwischen verschiedenen Dritten anwenden muss, um die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung zu beachten. Entgegen dem Vorbringen der Deutsche Post AG und der deutschen Regierung müssten daher die Konsolidierer von Postsendungen verschiedener Kunden, wenn ein solcher Anbieter Sondertarife bei Geschäftskunden und/oder Massenversender anwendet, die gleichen Tarife zu den gleichen Bedingungen erhalten können.
Nach der Entscheidung des EuGH im Fall bpost SA (C-340/13) ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Bezug auf die Tarife gemäß Art 12 der Postdienste-Richtlinie 97/67 dahin auszulegen, dass er einem System von Mengenrabatten je Absender nicht entgegensteht.
Diese Entscheidung betraf die belgische Post(bpost). Bpost bietet Postzustelldienste nicht nur der breiten Öffentlichkeit, sondern auch Massenversendern und Konsolidierern an. Dabei verrechnete bpost verschiedene Tarife. Diese Sondertarife beruhten auf einer Vereinbarung zwischen bpost und den betreffenden Kunden, in der Nachlässe für bestimmte Kunden vorgesehen sein können. Die häufigsten vertraglichen Nachlässe waren Mengenrabatte und operative Rabatte, mit denen bestimmte Vorbereitungshandlungen abgegolten wurden und die die Gegenleistung für von bpost eingesparte Kosten waren.
Im Jahr 2010 änderte bpost das Nachlasssystem für Zustelldienste für namentlich adressierte Werbesendungen und Verwaltungssendungen. Die Änderung bestand darin, dass der Mengenrabatt zwar sowohl Massenversendern als auch Konsolidierern in gleicher Höhe gewährt wurde, der Nachlass für Konsolidierer jedoch nicht mehr auf der Grundlage der Gesamtmenge der Sendungen aller Absender, denen sie ihre Dienste erbrachten, berechnet wurde (Additionsmodell), sondern auf der Grundlage der Sendungsmenge, die individuell von jedem einzelnen ihrer Kunden erzeugt wurde(Versendermodell).
Nach Auffassung des EuGH spielt es für die Beurteilung, ob die von bpost im Jahr 2010 angewendeten Mengenrabatte diskriminierenden Charakters keine Rolle, ob diese Rabatte unter den vierten Gedankenstrich oder unter den fünften Gedankenstrich von Art 12 der Richtlinie 97/67 fallen. Im Rahmen dieser Beurteilung sei allein zu prüfen, ob die in Rede stehende Praxis die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs beachte, wonach der allgemeine
Gleichbehandlungsgrundsatz, der zu den Grundprinzipien des Unionsrechts gehöre, verlange, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt sei.
Die Berechnung der Mengenrabatte auf der Grundlage des von jedem einzelnen Absender individuell erzeugten Umsatzes führe dazu, dass ein Massenversender, der bpost eine erhebliche Sendungsmenge übergebe, in den Genuss eines Nachlasses komme, der höher sei als der, den ein Konsolidierer erhalte, der bei ihr eine entsprechende, sich aus der Zusammenfassung von Sendungen mehrerer Absender ergebende Sendungsmenge einliefere.
Nach Auffassung des EuGH seien allein die Absender in der Lage, die Nachfrage nach Postdienstleistungen zu erhöhen, weil sie „Urheber von Postsendungen“ seien. Wenn die Konsolidierer Post an bpost übergäben, die sie zuvor bei verschiedenen Massenversendern gesammelt hätten, führe dies jedoch nicht dazu, das Gesamtvolumen der Post zugunsten von bpost zu erhöhen. Daraus folge, dass, abgesehen von dem geringen Maß, in dem die Konsolidierer selbst Massenversender seien, ihre Tätigkeit nicht als solche dazu beitrage, das Volumen der bpost übergebenen Post zu erhöhen.
Außerdem könnte die Anwendung der Mengenrabattregelung, die vor dem Jahr 2010 in Kraft war, das Ziel der Erhöhung der Nachfrage nach Postdiensten beeinträchtigen. Ein Absender, dessen Postaufkommen nicht hoch genug sei, um in den Genuss eines Mengenrabatts zu gelangen, erhalte nämlich keinen Nachlass gemäß dem Mengenrabatt, und zwar gleichviel, ob er sich dafür entscheidet, seine Sendungen selbst bei bpost einzuliefern oder einen Konsolidierer damit zu beauftragen. Im Rahmen der Mengenrabattregelung, die vor dem Jahr 2010 galt, konnte hingegen der selbe Absender indirekt einen derartigen Rabatt für die selbe Postmenge erhalten, wenn er sich dafür entschied, die Dienste eines Konsolidierers in Anspruch zu nehmen, da seine Postmenge dann mit der anderer Absender, die die Dienste des selben Konsolidierers nutzten, zusammengefasst wurde. Im letzteren Fall käme der betreffende Massenversender indirekt in den Genuss eines Nachlasses, ohne sein Postaufkommen erhöht zu haben. Dies könnte bei ihm keinen Anreiz dafür setzen, künftig mehr Post zu erzeugen. Eine solche Situation, die eindeutig dem von bpost mit der Einführung einer Mengenrabattregelung verfolgten Ziel zuwiderliefe, könnte den Betreiber dazu veranlassen, diese Regelung einzuschränken oder sogar abzuschaffen, um sein finanzielles Gleichgewicht zu wahren.
Zwar habe der EuGH im Fall Deutsche Post AG das Argument der Deutsche Post AG und der deutschen Regierung zurückgewiesen, dass es das finanzielle Gleichgewicht der Deutsche Post AG gefährden würde, wenn den Konsolidierern Zugang zu bestimmten Rabatten gewährt würde (EuGH C-287/06 Rz 36). Dieses Verfahren habe jedoch keine Mengenrabatte, sondern operative Rabatte betroffen.
Hierzu habe der EuGH ausgeführt, dass Sondertarife, weil sie den im Vergleich zu dem allumfassenden Standarddienst
eingesparten Kosten Rechnung tragen, in der Weise ausgestaltet werden können, dass sie sich von Normaltarifen nur dadurch unterscheiden, dass die vom Betreiber tatsächlich eingesparten Kosten von den letztgenannten Tarifen abgezogen werden, sodass die Gewährung von Sondertarifen anderer Konsolidierer das finanzielle Gleichgewicht der Deutsche Post AG als Anbieter von Universalpostdienstleistungen nicht beeinträchtigen konnte.
Daraus habe der EuGH die Schlussfolgerung gezogen, dass, sollte sich herausstellen, dass die Gewährung der seinerzeit nur den Geschäftskunden der Deutsche Post AG eingeräumten Rabatte an die Konsolidierer zur Folge hatte, dass diese Rabatte im Verhältnis zu den eingesparten Kosten übermäßig waren, es dieser Gesellschaft freigestanden wäre, diese Rabatte für alle, die sie erhalten, in dem erforderlichen Maß herabzusetzen (EuGH C-287/06 Rz 38).
Daher hätten sich Massenversender und Konsolidierer im Hinblick auf operative Rabatte in einer vergleichbaren Situation befinden können; dies sei im Hinblick auf Mengenrabatte jedoch nicht notwendigerweise der Fall (EuGH bpost, C-340/13 Rz 47). Die Mengenrabatte je Absender seien nämlich geeignet, bei diesen einen Anreiz dafür zu setzen, mehr Post zu übergeben und dadurch die Erzielung größenbedingter Kostenersparnisse für das Postunternehmen zu ermöglichen. Dagegen trage die Tätigkeit der Konsolidierer als solche nicht zu einer Erhöhung der Bpost übergebenen Post und somit nicht dazu bei, dass letztere Einsparungen erziele.
Zusammenfassend liege daher im Verhalten von bpost keine von Art 12 der Richtlinie 97/67 verbotene Diskriminierung vor.
Demgegenüber liegen im hier zu beurteilenden Fall keine von der Antragsgegnerin gewährten reinen Mengenrabatte vor, die im Sinne der Entscheidung des EuGH im Fall bpost zulässig sein können, wenn sie wettbewerbsneutral sind und die einen Anreiz geben, dem Universaldienstanbieter mehr Post zu übergeben, womit größenbedingte Kostenersparnisse ermöglicht werden. Rabatte wurden durch die Antragsgegnerin nur bei Erreichen von Mindestumsätzen für das Produkt Info.Mail sowie bei Erfüllung sämtlicher vereinbarter Versandvorbereitungen und Vorleistungen gewährt. Soweit nicht nur Umsatzstufen, sondern auch Versandvorbereitungshandlungen explizit vertragliche Bedingung für die Gewährung von Rabatten bei Info.Mails waren, handelt es sich um Rabatte mit signifikanter operativer Komponente. Solche Rabatte haben die Eignung, den Wettbewerb zu verzerren.
Umfang und Auswirkung der inkriminierten Rabattpraxis sind im vorliegenden Fall wesentlich schwerwiegender als ein „Mengenrabatt je Absender“ bei sonst identen Rabatten.
Ab dem Jahr 2017 kam es, wie festgestellt, zu erheblichen Entgeltabweichungen und zur Anwendung unterschiedlicher Rabattstaffeln für Konsolidierer und Geschäftskunden. Dieses Verhalten der Antragsgegnerin ab 2017 hatte erhebliche Beeinträchtigungen des Wettbewerbs zur Folge und ist somit keinesfalls wettbewerbsneutral im Sinne der EuGH-Entscheidung im Fall bpost.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit vom Fall bpost nicht nur hinsichtlich der inkriminierten Verhaltensweisen, sondern auch hinsichtlich dessen Auswirkungen auf den Wettbewerb.
Konsolidierer können auch nicht auf die Möglichkeit des Abschlusses von Zielkundenvereinbarungen verwiesen werden. Derartige individuell ausgehandelte Vereinbarungen stellen schon im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin ihren Geschäftspartnern auferlegte Geheimhaltungsverpflichtung nicht sicher, dass Konsolidierer nicht diskriminiert werden. Damit verstößt die mit den Großkunden vereinbarte Geheimhaltungsklausel gegen das Transparenzgebot, und damit zumindest indirekt gegen das Diskriminierungsverbot, da nur über eine transparente Tarifgestaltung Diskriminierungen erkannt werden können.
Gegen die transparente Tarifgestaltung kann im Anlassfall auch nicht die Berufung auf das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen eingewendet werden. Ob ein Geschäftsgeheimnis vorliegt, kann stets nur im Einzelfall beantwortet werden (16 Ok 6/14i). Geschäftsgeheimnisse sind etwa technische oder finanzielle Angaben in Bezug auf das Know-How eines Unternehmens, Kostenrechnungsmethoden, Produktionsgeheimnisse und -verfahren, Bezugsquellen, produzierte und verkaufte Mengen, Marktanteile, Kunden- und Händlerlisten, Vermarktungspläne, Kosten und Preisstruktur oder Absatzstrategien. Bei einem Wettbewerbsverstoß kann es sich jedoch niemals um ein Geschäfts - oder Betriebsgeheimnis handeln (16 Ok 14/13; 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 37 Rz 26).
Im vorliegenden Fall diente die Geheimhaltungsverpflichtung im Zusammenhang mit den Rabattstaffeln im Bereich Info.Mail dazu, die wettbewerbsrechtlich relevante Diskriminierung und damit den Verstoß gegen § 5 Abs 3 KartG zu verschleiern.
2. Verschulden der Antragsgegnerin:
§ 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind.
Der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Gleiches gilt zufolge Art 23 VO 1/2003 im Unionsrecht.
Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten aber die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5 f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
Vorsätzlich handelt gemäß § 5 Abs 1 StGB, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Demgegenüber handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 6 Abs 1 StGB), und wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB).
Gemäß dem nach der bisherigen Judikatur (RS0124134 [T1]) analog anwendbaren § 3 Abs 1 VbVG ist ein Verband – ein solcher ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 leg.cit. insbesondere eine juristische Person – unter den weiteren Voraussetzungen des Abs 2 oder des Abs 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn 1. die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist oder 2. durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen.
Die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VbVG sind hier erfüllt, weil durch die festgestellten Verhaltensweisen, Pflichten der Antragsgegnerin verletzt wurden.
Für Straftaten eines Entscheidungsträgers ist gemäß § 3 Abs 2 VbVG der Verband verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Entscheidungsträger iSd VbVG ist nach dessen § 2 Abs 1, wer 1. Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten, 2. Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt oder 3. sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt.
Für Straftaten von Mitarbeitern ist gemäß § 3 Abs 3 VbVG der Verband verantwortlich, wenn
1. Mitarbeiter den Sachverhalt, der dem gesetzlichen Tatbild entspricht, rechtswidrig verwirklicht haben; der Verband ist für eine Straftat, die vorsätzliches Handeln voraussetzt, nur verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat; für eine Straftat, die fahrlässiges Handeln voraussetzt, nur, wenn Mitarbeiter die nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben; und
2. die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.
Mitarbeiter iSd VbVG ist gemäß § 2 Abs 2 leg.cit., wer (unter anderem) aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband erbringt.
Nach dem festgestellten und außerstreitgestellten Sachverhalt wurden die Kartellrechtsverstöße von nach dem VbVG der Antragsgegnerin zurechenbaren Personen mit dem Ziel gesetzt, den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beeinflussen, sodass jedenfalls Verschulden vorliegt. In Hinblick auf die Stellung eines Geldbußenantrages in konkret bezifferter Höhe ist eine Qualifizierung des Verschuldensgrades nicht erforderlich.
3. Höhe der Geldbuße:
Gemäß § 29 Abs 1 Z 1 lit a KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot des § 5 KartG eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Darunter ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmers zu verstehen, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist.
Für die Bemessung der Geldbuße gilt § 30 KartG. Nähere Prüfungen zur Höhe der Geldbuße erübrigen sich allerdings im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die beantragte Geldbuße überhöht wäre. Eine niedrigere Geldbuße als die beantragte Summe kommt angesichts der Schwere und Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht, dies umso weniger als die Antragsgegnerin den beantragten Betrag als angemessen bestätigte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Ausdruck vom: 01.06.2025 13:53:42 MESZ