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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

128 Kt 9/17v


Bekannt gemacht am:

20.06.2018

Entscheidungsdatum:

05.12.2017


"Der Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses wird zurückgewiesen.

Begründung:

Am 3.8.2015 meldete die Antragsgegnerin, eine indirekte Tochtergesellschaft der STRABAG SE, bei der Bundeswettbewerbsbehörde eine Transaktion an, mit der sie - in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (unter Neugründung eines Gesellschaftsmantels) - eine Beteiligung von 50 % verbunden mit gemeinsamer Kontrolle am bereits bestehenden, im Alleineigentum einer Tochtergesellschaft der PORR AG stehenden Zielunternehmen AMA Mürzzuschlag erwerben sollte, wobei der bisher alleine kontrollierende Veräußerer mitkontrollierend am Unternehmen beteiligt bleiben sollte. Da neben der erwerbenden STRABAG-Gruppe auch die gesamte PORR-Gruppe als beteiligtes Unternehmen anzusehen war, überschritt die Transaktion die Schwellenwerte des Art 1 FKVO. Das künftige Gemeinschaftsunternehmen sollte keine Vollfunktionseigenschaft aufweisen, sondern fast ausschließlich die Konzerngesellschaften seiner künftigen Muttergesellschaften beliefern.

Der Bundeskartellanwalt stellte fristgerecht einen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses nach § 11 KartG.

Mit Beschluss vom 6.10.2015, ON 5, wurde der Prüfungsantrag mit der wesentlichen Begründung zurückgewiesen, dass das Vorhaben infolge des Überschreitens der Schwellenwerte des § 1 FKVO sowohl die Voraussetzung der gemeinschaftsweiten Bedeutung als auch – bei richtiger Anwendung des Europarechts - den Zusammenschlusstatbestand des Art 3 Abs 1 lit b FKVO erfülle. Es wäre daher nicht in Österreich, sondern bei der Europäischen Kommission anzumelden gewesen.

Über den von der Antragsgegnerin dagegen erhobenen Rekurs legte das KOG mit Beschluss vom 31.3.2016, 16 Ok 1/16g, dem EuGH eine Frage zur Auslegung des Art 3 Abs 1 lit b und Abs 4 der FKVO zur Vorabentscheidung vor.

Mit Urteil vom 7.9.2017, C-248/16, erkannte der EuGH, dass Art 3 FKVO dahin auszulegen ist, dass infolge einer Änderung der Art der Kontrolle über ein bestehendes Unternehmen von alleiniger zu gemeinsamer Kontrolle nur dann ein Zusammenschlusstatbestand bewirkt wird, wenn das daraus hervorgegangene Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt.

Davon ausgehend gab das KOG dem Rekurs der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 19.10.2017, 16 Ok 3/17b, Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund (Anmeldebedürftigkeit bei der Europäischen Kommission) auf. Zur Frage, ob die vom EuGH vorgenommene Auslegung des Begriffs der „Gründung“ eines Gemeinschaftsunternehmens in Art 3 Abs 4 FKVO nunmehr – entgegen der bisherigen Judikatur des KOG - auch auf den wortidenten Begriff in § 7 Abs 2 KartG anzuwenden ist, äußerte sich das KOG dabei nicht.

Am 16.11.2017 zog die Antragsgegnerin die Zusammenschlussanmeldung vom 3.8.2015 gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde und dem Bundeskartellanwalt zurück, weil das Zusammenschlussvorhaben aufgegeben worden sei und nicht mehr stattfinde. Am 20.11.2017 stellte sie den Antrag, aufgrund der Zurückziehung der Anmeldung den Prüfungsantrag zurückzuweisen.

Der Bundeskartellanwalt erklärte, den Prüfungsantrag nicht zurückzuziehen, um eine Publikation dieses Falles, mit dem sich zwei Höchstgerichte auseinandergesetzt hätten, in der Ediktsdatei zu ermöglichen.

Gem § 12 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht den Prüfungsantrag zurückzuweisen, wenn kein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vorliegt.

Wird die Zusammenschlussanmeldung zurückgezogen, weil der Zusammenschluss nicht mehr durchgeführt wird, liegt kein (anmeldebürftiger) Zusammenschluss mehr vor (s 25 Kt 31, 33/08; 27 Kt 17/16a, 18/16y; Lukaschek in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG² § 10 Rz 22; s auch Art 6 Abs 1 lit c FKVO). Der Prüfungsantrag war daher schon aus diesem Grund gem § 12 Abs 1 KartG zurückzuweisen.

Da das ursprüngliche Transaktionsvorhaben nicht mehr aufrecht ist, hat die vom KOG offen gelassene Frage, ob dieses vorher anmeldepflichtig war, auch im Rahmen der vorliegenden Entscheidung auf sich zu beruhen.“


Ausdruck vom: 29.03.2024 11:11:46 MEZ