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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 62/14


Bekannt gemacht am:

12.05.2015

Entscheidungsdatum:

19.12.2014


"Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 sowie Art 101 AEUV (Art 81 EG), nämlich wegen kartellrechtswidriger vertikaler Preisabstimmungen im Brauereivertrieb mit dem Einzelhandel, die von 2007 bis Anfang 2012 andauerten, eine Geldbuße von EUR 56.250,-- verhängt.


                                                                                                                        B e g r ü n d u n g:

Die Antragstellerin beantragte wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte im Wesentlichen vor, dass es zwischen der Antragsgegnerin und Unternehmen des Einzelhandels zwischen Anfang des Jahres 2007 und Anfang des Jahres 2012 kartellrechtswidrige (vertikale) Preisvereinbarungen gegeben hätte. Im Zuge von Hausdurchsuchungen Anfang 2012 sei der begründete Verdacht gegen die Antragsgegnerin entstanden und habe die BWB eine Hausdurchsuchung gegen die Antragsgegnerin zu 24 Kt 30,31/14 durchgeführt und dabei Beweismaterial, das die kartellrechtswidrigen Preisabstimmungsmaßen belege, gefunden. In weiterer Folge hätten Gespräche zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung stattgefunden und hätte die Antragsgegnerin folgendes Anerkenntnis abgegeben:

Im Bereich des Vertriebs von Brauereiprodukten hat es von 2007 bis in das Jahr 2012 neben den Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Preisbindungen zwischen der Baumgartner und wesentlichen Unternehmen des Handels gegeben. Im Rahmen dieser vertikalen Preisabstimmungsmaßnahmen wurden zwischen der Baumgartner und Unternehmen des Handels Kurantpreise und insbesonders Aktionspreise des Handels abgestimmt. Diese Wiederverkaufspreise wurden vom Handel in vielen Fällen auch umgesetzt.

Die Baumgartner nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten als Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und § 1 KartG zu werten ist und keine Rechtfertigung i.S.d. Art. 101 (3) AEUV bzw. § 2 KartG dafür vorliegt. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin ihre Verkaufsmitarbeiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich zukünftig an Preisbindungen nicht beteiligen dürfen.“

Aus den der Antragstellerin vorliegenden Dokumenten gehe hervor, dass es zwischen der Antragsgegnerin und dem Einzelhandel vertikale Preisabstimmungen hinsichtlich der Kurant- und Aktionspreise von Brauereiprodukten gegeben habe, wodurch auf kartellrechtswidrige Weise die Verkaufspreise abgestimmt worden seien. Die Antragsgegnerin habe ein Interesse an einer handelsweiten Umsetzung der Preisvereinbarungen gehabt, weil eine Reihe von Handelsunternehmen dies vorausgesetzt hätten. Die vertikalen Preisabstimmungen, die als Kernverstoß gegen das Kartellrecht zu werten seien, ergäben sich aus E-Mails zwischen der Antragsgegnerin und dem Einzelhandel und Gesprächen der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin. Der E-Mail-Verkehr habe zwischen der Antragsgegnerin und [.....] und internen E-Mails stattgefunden.

In rechtlicher Hinsicht führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass das von der Antragsgegnerin mit Einzelhandelsunternehmen umgesetzte System an Preisbindungen und Preispflege hinsichtlich des Vertriebs von Bier jedenfalls den Tatbestand des Art. 101 Abs 1 AEUV erfülle. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausnahmevoraussetzungen des Art. 101 Abs 3 AEUV erfüllt seien. Die Zwischenstaatlichkeit sei im vorliegenden Fall auch schon deswegen erfüllt, weil durch die Preisvereinbarungen zwischen maßgeblichen Unternehmen des Einzelhandels und der Antragsgegnerin jedenfalls der Anteil der bspw. deutschen Verbraucher aus dem grenznahen Bereich die Brauereiprodukte sinke, die Brauereiprodukte in Österreich erwerben. Im vorliegenden Fall seien kartellrechtswidrige Preisvereinbarungen sogar von der Antragsgegnerin und wesentlichen Unternehmen des Einzelhandels vielfach schriftlich festgehalten und explizit auf diesbezüglich getroffene Vereinbarungen Bezug genommen worden. Die von der Antragsgegnerin gesetzten Preisabstimmungsmaßnahmen erfüllten den Tatbestand der Vereinbarung im Sinne von Art. 101 AEUV bzw. jedenfalls zumindest den Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise. Dies auch deswegen, weil die Antragsgegnerin und führende Unternehmen des Einzelhandels ihre gemeinsame Absicht bekundet hätten, sich auf dem Endkundenmarkt für Brauereiprodukte in wettbewerbsbeschränkender Weise hinsichtlich der Endkundenpreise zu verhalten.

Nach Auffassung der Antragstellerin seien die sichergestellten E-Mails und sonstigen Beweismittel nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern seien vielmehr Teil desselben Plans der Antragsgegnerin und der beteiligten Unternehmen des Einzelhandels gewesen, Preise am Endkundenmarkt zu gestalten bzw. die Preisstellung der Einzelhandelsunternehmen miteinander abzustimmen. Die Antragsgegnerin sei an der Preisabstimmung interessiert gewesen, da sie in diesem Zusammenhang vielfach einem starken Druck durch Einzelhandelsunternehmen ausgesetzt gewesen sei (so etwa im Rahmen von Einkaufspreiserhöhungen oder bei „Preisabweichungen“ einzelner Lebensmitteleinzelhändler).

Es wäre daher nicht angebracht, eine kontinuierliche Verhaltensweise mit ein und demselben Gesamtziel in mehrere Zuwiderhandlungen künstlich zu zerlegen, wenn es sich im Grunde um eine einzige, komplexe und fortdauernde Zuwiderhandlung im Bezug auf den Absatz von Brauereiprodukten gehandelt habe, die sich schrittweise in Form von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen manifestiert habe. Aus den der Antragstellerin vorliegenden Unterlagen und dem Anerkenntnis ergäbe sich somit, dass die kartellrechtswidrige Preisvereinbarung zumindest von Oktober 2007 bis Anfang 2012 angedauert habe.

Durch das von der Antragsgegnerin umgesetzte System der Preisabstimmung werde eine Beschränkung des Preiswettbewerbes für über den Einzelhandel abgesetztes Bier bezweckt.

Das vorliegende System der Preisbindung und Preispflege bezwecke in offensichtlicher Weise eine Wettbewerbsbeschränkung, weil es darauf gerichtet sei – durch Preisvereinbarungen bzw. abgestimmte Verhaltensweisen – in die Preisfestsetzung der Händler einzugreifen, um den preislichen Intrabrand-Wettbewerb zu beschränken bzw. zu beseitigen und dadurch bestimmte Preise zu sichern.

Die beschriebenen Preisvereinbarungen für den Weiterverkauf zählten als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zu den gem. Art. 101 AEUV bzw. § 1 KartG verbotenen Kernbeschränkungen, die als besonders bedenklich anzusehen seien.

Das Verbot der „Preisbindung der zweiten Hand“ ergäbe sich auch aus Art. 4 lit a der neuen Vertikal-GVO 2010.

Die vorliegenden Preisvereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und dem Einzelhandel seien als für die Wettbewerbsstruktur problematische Kernverstöße gegen das Kartellrecht einzustufen. Deshalb sei es sowohl nach österreichischem als auch nach europäischem Wettbewerbsrecht bereits aus grundsätzlichen Überlegungen unzulässig, dass der Anbieter mit seinen Abnehmern vereinbart, dass diese vom Endkunden einen bestimmten Preis für die Vertragswaren verlangten. Die Antragsgegnerin sei vielfach einem starken Druck durch Einzelhandelsunternehmen ausgesetzt gewesen, weil diese eine lineare Umsetzung von Verkaufspreisen im Handel gefordert hätten.

Das Vorliegen einer angemessenen Beteiligung des Konsumenten am etwaigen Gewinn bei der inkriminierten Beschränkung des Preiswettbewerbs sei zu verneinen.

Es sei sicherlich nicht für den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin notwendig gewesen, dass diese mit dem Einzelhandel die beabsichtigten Verkaufspreise gegenüber Verbrauchern abgestimmt bzw. diese zwischen verschiedenen Lebensmitteleinzelhändlern abgestimmt habe. Es sei für die Absatzplanung beider Seiten völlig ausreichend, wenn lediglich über zukünftige Änderungen beim Einkaufspreis des Handels gesprochen werde.

Soweit die im Bußgeldantrag relevierte Zuwiderhandlung von der nunmehr als „Baumgartner-Spanlang-Holding AG“ im Firmenbuch eingetragenen Brauerei Jos. Baumgartner AG begangen worden sei, sei festzuhalten, dass der Teilbetrieb „Brauerei-Betrieb“ mit Beschluss vom 26.9.2011 mittels Spaltung in die Antragsgegnerin aufgenommen worden sei, weshalb sich der Bußgeldantrag ausschließlich gegen die Antragsgegnerin richte, die insofern auch als Rechtsnachfolgerin der Jos. Baumgartner Aktiengesellschaft anzusehen und für die Zuwiderhandlung haftbar zu machen sei.

Die Höhe der beantragten Geldbuße argumentierte die Antragstellerin wie folgt:

Es sei insbesondere auch maßgeblich gewesen, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhaltes mitgewirkt habe, in dem sie in mehreren Gesprächen die Hintergründe der Absprachen erläutert habe und Angaben zum betroffenen Markt gemacht habe. Weiters habe die Antragsgegnerin weitere Unterlagen und Beweismittel freiwillig vorgelegt. Zudem habe die Antragsgegnerin den prozessualen Aufwand der BWB erheblich reduziert, indem sie vor Einbringung des Bußgeldantrages die entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente des Kartellverstoßen außer Streit gestellt habe. Es sei auch berücksichtigt worden, dass der marktstarke Einzelhandel Druck auf die Antragsgegnerin zur Umsetzung der beschriebenen Preisabstimmungsmaßnahmen im gesamten Handel ausgeübt habe. Darüberhinaus würden bei der Antragsgegnerin auch geringe spezialpräventive Überlegungen als bei den anderen Unternehmen der Brauereibranche greifen, da die Antragsgegnerin einer gemeinnützigen Stiftung zuzurechnen sei, deren Stiftungszweck unter anderem die Förderung Behinderter sei.

Aufgrund der Schwierigkeiten, einen „tatbezogenen Umsatz“ zu ermitteln, sei die Antragsstellerin von einem Ausgangsbetrag von EUR 75.000,-- ausgegangen, der ihr als angemessen vor dem Hintergrund der betroffenen Umsatzzahlen und der Schwere des Verstoßes erscheine. Dieser Betrag stehe auch im Verhältnis zu bzw. sei vergleichbar mit den Grundbeträgen aus einer Reihe anderer Verfahren gegen Brauereien. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50 % angewendet worden, wodurch sich ein Betrag von EUR 112.500,-- ergäbe. Für die Reduktion des Verfahrensaufwandes durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung, wurde ein Nachlass von 20 % gewährt, in dem auch der Nachlass für das umfassende Anerkenntnis berücksichtigt wurde. Zusätzlich wurde ein Nachlass von 30 % für die Kooperation bei der Aufklärung des Sachverhaltes, die Vorlage weiterer Unterlagen und Beweismittel, wegen der Ausübung starken Drucks durch den Lebensmitteleinzelhandel (z.B. Drohen mit Auslistung, wenn Preise anderswo nicht durchgesetzt werden) sowie wegen des Vorliegens geringerer spezialpräventiver Überlegungen wegen der Zurechnung einer gemeinnützigen Stiftung zur Antragsgegnerin gewährt. Daraus ergäbe sich der beantragte Betrag von EUR 56.250,--. Die Höhe dieses Betrages werde von der Antragstellerin als ausreichend general- und spezialpräventiv einschätzt. Nicht zuletzt, weil die Antragsgegnerin bereits Schritte eingeleitet habe, um zukünftige Verstöße hintanzuhalten.

In der ihr aufgetragenen Stellungnahme hat die Antragsgegnerin das Tatsachen- und Rechtsvorbringen im Antrag auf Verhängung einer Geldbuße außer Streit gestellt und bekanntgegeben, dass sie mit der Methodik der Berechnung der Geldbuße einverstanden sei.

Rechtlich folgt daraus:

Bei den von der Antragsgegnerin zugestandenen Preisabstimmungen mit Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels handelt es sich um im Sinn des Art. 101 AEUV (Art. 81 EG bzw. § 1 KartG 2005) unzulässige Verhaltensweisen, die jedenfalls objektiv geeignet waren, in die Bestimmung der Preise der Händler einzugreifen und den Wettbewerb für die Produkte in den betroffenen Produktgruppen zu beschränken. Sie bezweckten daher eine Wettbewerbsbeschränkung und stellten somit einen Kernverstoß gegen Art. 101 Abs 1 AEUV und gegen das Kartellverbot des § 1 KartG 2005 dar.

Rechtfertigungsgründe dafür liegen nicht vor; solche wurden von den Antragsgegnerinnen auch nicht geltend gemacht. Die Bemessung der Höhe der verhängten Geldbuße beruht auf dem von der Antragsgegnerin ausdrücklich außer Streit gestellten Tatsachen und Rechtsvorbringen der Antragstellerin. Über die beantragte Höhe darf das Kartellgericht gem. § 36 Abs 2 KartG 2005 nicht hinausgehen. Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe i.S.d. § 30 KartG 2005 ausreichend berücksichtigt. Sonstige Erschwerungsgründe sind ebenso wenig ersichtlich, wie sonstige Milderungsgründe. Dass sich die verhängte Geldbuße in Höhe von EUR 56.250,-- im Rahmen des Höchstbetrages von 10 % des im vorangegangen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes der Antragsgegnerin bewegt (§ 29 Z 1 KartG 2005), ist notorisch."


Ausdruck vom: 19.04.2024 16:25:41 MESZ