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Berichtigte Fassung
Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 13/16p


Bekannt gemacht am:

13.05.2019

Entscheidungsdatum:

06.12.2017


A) 27 Kt 13/16p:

I.1. Der Antrag des Inhalts, den angeführten Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und den Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz (NVG) durch die Antragsgegnerin abzustellen; insbesondere möge das Kartellgericht der Antragsgegnerin untersagen, selbst oder durch Konzerngesellschaften

bei Verkäufen von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich und Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros, jeweils unter Verwendung eines Global Distribution Systems (GDS) eine Distribution Cost Charge oder eine gleichgerichtete Gebühr vorzuschreiben oder einzuheben,

in eventu

bei Verkäufen von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich und Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros, jeweils unter Verwendung eines GDS, eine Distribution Cost Charge oder eine gleichgerichtete Gebühr in unangemessener Höhe vorzuschreiben oder einzuheben, wird

a b g e w i e s e n .

II. Das Eventualbegehren des Inhalts,

das Kartellgericht möge feststellen, dass die Antragsgegnerin vom 1.9.2015 bis zum Tag des Endes der mündlichen Verhandlung erster Instanz dadurch, dass sie

im Fall von Verkäufen von Flugtickets durch Reisebüros an österreichische Kunden unter Verwendung eines Global Distribution Systems eine Distribution Cost Charge oder eine gleich gerichtete Gebühr eingehoben habe,

ihre marktbeherrschende Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG 2005 und/oder Art 102 AEUV missbraucht habe, wird

a b g e w i e s e n .

B) 16 Ok 2/18g:

I.2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, nach Ablauf von sechs Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung selbst oder durch Konzerngesellschaften für die Strecke Graz‑Frankfurt bei Buchungen von Flugtickets über GDS durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden einerseits und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern andererseits – bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen (bzgl Strecke, Buchungszeit und Ticket-kategorie/Beförderungsklasse) – unterschiedliche Preise bzw Konditionen, insbesondere gegenüber in Österreich befindlichen Reisebüros und Kunden – bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen – höhere Preise, zu verlangen.“

B e g r ü n d u n g :

Der Antragsteller begehrte zuletzt

I. die Abstellung der Zuwiderhandlung durch Untersagung

1. der Vorschreibung oder Einhebung einer Distribution Cost Charge (DCC) bei Verkäufen von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich und Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros, jeweils unter Verwendung eines Global Distribution Systems (GDS),

in eventu, die Vorschreibung oder Einhebung einer solchen oder einer gleichgerichteten Gebühr in unangemessener Höhe, sowie

2. der Geltendmachung unterschiedlicher Preise bzw Konditionen bei Buchungen von Flugtickets durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern bei sonst (bezüglich Strecke, Buchungszeit und Ticketkategorie/Beförderungsklasse) gleichwertigen Buchungsanfragen auf der Strecke Graz-Frankfurt;

II. hilfsweise die Feststellung, dass die Antragsgegnerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Fall von Verkäufen von Flugtickets durch Reisebüros an österreichische Kunden unter Verwendung eines GDS durch Einhebung einer Distribution Cost Charge oder einer gleichgerichteten Gebühr ihre marktbeherrschende Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG und/oder Art 102 AEUV missbraucht habe.

Der Antragssteller brachte zu Punkt I.1. des Antrags vor, er vertrete die Interessen aller Reisebüros in Österreich. Diese Reisebüros sowie die Antragsgegnerin, eine der weltweit größten Fluggesellschaften, hätten Verträge mit GDS‑Anbietern abgeschlossen. Ein GDS sei eine zweiseitige elektronische Plattform, über die Reiseleistungsanbieter (wie Fluggesellschaften, Autovermieter oder Hotelketten) den Reisebüros ihre Reiseinhalte zwecks Weitervertriebs an Endverbraucher zur Verfügung stellten. Bei Buchung eines Flugtickets über GDS durch ein Reisebüro bezahle die jeweilige Fluglinie eine Buchungsgebühr in Form einer Pauschalgebühr pro Passagier und pro Flugabschnitt an den GDS‑Anbieter. Seit 1. 9. 2015 habe die Antragsgegnerin eine DCC eingeführt. Bei einer Flugticketbuchung durch ein Reisebüro über GDS falle damit eine zusätzliche und automatisch eingehobene Buchungsgebühr von 16 EUR an. Nur dann, wenn die Flugbuchungen entweder direkt über das Buchungssystem der Lufthansa‑Group oder über einen ihrer „direct‑connect“‑Partner erfolge, sei diese Buchungsgebühr nicht zu bezahlen. Der wahre Grund für die Einführung der DCC sei nicht die Kostenüberwälzung, sondern die Möglichkeit der Antragsgegnerin, mit Hilfe der DCC einen direkten Zugang zu den Kunden herzustellen und an die Kundendaten heranzukommen, also eine Direktbuchung bei der Buchungsplattform der Antragsgegnerin zu erzwingen. Dadurch würden Reisebüros vom Markt verdrängt; die Vergleichbarkeit von Reiseangeboten für Kunden werde erheblich reduziert.

Das Verhalten der Antragsgegnerin sei als Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung zu werten. Die Zusatzkosten der DCC seien für die Reisebüros teilweise existenzgefährdend, da eine Weitergabe der DCC an die Kunden der Reisebüros zu Direktbuchungen der Kunden bei der Antragsgegnerin führen könnte.

Zu Punkt I.2. des Antrags brachte der Antragsteller vor, die Antragsgegnerin wende für Reisebüros in verschiedenen Ländern unterschiedliche Preise und Konditionen an und lege damit ein diskriminierendes Verhalten an den Tag. Sie verstoße dadurch gegen das Kartellgesetz und das NVG. Sie verlange bei einzelnen Flugstrecken je nach Buchungsort unterschiedliche Preise, insbesondere auf solchen Strecken, bei denen sie keinem Wettbewerb ausgesetzt sei. Werde ein Flugticket in Österreich gebucht, sei dies erheblich teurer als bei einer gleichzeitigen Buchung desselben Flugs in Deutschland oder der Schweiz. Dass hier ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr 1008/2008 vorliege, sei zwar nicht direkt ein kartellrechtlicher Sachverhalt, führe aber dazu, dass für die Diskriminierung keine sachliche Rechtfertigung möglich sei. Dieser Sachverhalt sei gleichzeitig ein Verstoß gegen § 2 Abs 1 NVG.

Nach Vorliegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 16 Ok 2/18g zog der Antragsteller dieses Begehren, soweit es über die Strecke Graz-Frankfurt hinausging, zurück.

Die Antragsgegnerin bestritt zu Punkt I.1. das Vorliegen eines Missbrauchs. Der mit der DCC eingehobene Betrag von 16 EUR liege unter den tatsächlichen Mehrkosten. Reisebüros stünden zudem eine Vielzahl alternativer Vertriebskanäle außerhalb der GDS zur Verfügung, so etwa das Endkundenportal der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin habe den Generaldirektionen für Wettbewerb sowie für Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission ihr neues Vertriebskonzept der Einführung der DCC vorgestellt, die dagegen keinerlei Einwände erhoben hätten.

Die BWB habe nach Einlangen einer Beschwerde des Antragstellers offensichtlich keinen Anlass für ein Einschreiten gesehen. Die Schweizer Wettbewerbskommission habe die Missbrauchsvorwürfe gegen die Antragsgegnerin auf Basis des identen Sachverhalts verworfen. Das deutsche Bundeskartellamt habe nach Durchführung von Vorermittlungen am 19. 5. 2017 entschieden, wegen der Einführung der DCC durch den Lufthansa‑Konzern kein Verfahren einzuleiten, da kein ausreichender Anhaltspunkt für den Missbrauch von Marktmacht vorliege.

Der zu Punkt I.2. behauptete Diskriminierungsmissbrauch sei nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin lege ihre Preispolitik generell nach dem Ort des Beginns der Flugreise fest. Sie halte die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr 1008/2008 ein, indem sie bei der Preisgestaltung nicht nach dem Buchungsort, der Nationalität der Kunden oder nach der Verfügbarkeit einzelner Buchungsklassen differenziere. Die Antragsgegnerin stelle den GDS den selben Datenbestand wie in ihrem Eigenvertrieb zur Verfügung. Sofern es aufgrund der veralteten Technologie der GDS hier zu Problemen bei der Aktualisierung des Datenbestands komme, liege dies außerhalb des Einflussbereichs der Antragsgegnerin. Dabei handle es sich um absolute Einzelfälle, die von der Antragsgegnerin nicht gewollt seien und hinsichtlich derer sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um diese vereinzelten Ausnahmen im Verantwortungsbereich der GDS abzustellen. Damit liege auch kein Verstoß gegen § 2 NVG vor.


 

A) Beschluss des Kartellgerichts vom 6.12.2017, 27 Kt 13/16p, zu den Punkten I.1. und II. des Antrags:

I. Abstellungsbegehren (Punkt I.1. des Antrags):

1. Feststellungen:

1.1. Parteien des Verfahrens:

Der Antragsteller gehört zur Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich und ist der Fachverband der Reisebüros. Ein Fachverband ist gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) eine eigenständige Körperschaft öffentlichen Rechts. Der Antragsteller vertritt die Interessen aller Reisebüros in Österreich einschließlich der Online-Reisebüros und der Reiseveranstalter. Ihm gehören ca. 2600 Reisebüros an.

Die Lufthansa Group ist eine der weltweit größten Fluggesellschaften, zu der neben Lufthansa auch Austrian Airlines, SWISS, Brussels Airlines, SunExpress, edelweiß und Germanwings/Eurowings gehören. Die Antragsgegnerin ist die deutsche Muttergesellschaft der Lufthansa Group. Die Lufthansa Group ist am Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr tätig und bietet u.a. Flugdienstleistungen im Linienverkehr an, die für das vorliegende Verfahren relevant sind. Die weiteren Aktivitäten der Lufthansa Group, etwa auf dem Luftfrachtmarkt oder im Markt für Wartungs-, Reparatur- und Überholungsarbeiten, im Markt für Bordverpflegungsdienste und im Markt für Bodenabfertigungsdienste bedürfen daher keiner näheren Untersuchung.

1.2. Wesentliche Akteure der Flugbranche:

1.2.1. Fluggesellschaften

Die Personenbeförderung mittels Flugzeugen wird von Fluggesellschaften wie etwa der Antragsgegnerin angeboten und von den Passagieren als Endkunden konsumiert.

Fluggesellschaften bieten die Passagierbeförderung über verschiedene Vertriebskanäle an, nämlich über GDS, Direktvertrieb (= Vertrieb über die Website des Unternehmens, über Callcenter und die Kundenbüros der Fluggesellschaften) oder über „direct connect“ (= Sammelbegriff für informationstechnische Umsetzungen, über die einen Fluggesellschaft Kunden wie Firmenkunden und Reisebüros über Flugangebote informiert, die für Kunden eine verbesserte Verarbeitung als über die Webseite erlaubt) an.

1.2.2. GDS:

Vor der Durchführung einer Flugreise müssen grundsätzlich Informationen über geeignete Flugverbindungen einschließlich Flugzeiten und Preise sowie über allfällige weitere benötigte Reisedienstleistungen eingeholt und die Buchungen durchgeführt werden („suchen, vergleichen und buchen“).

Informationen über Flugverbindungen können

- direkt bei den Fluggesellschaften,

- über Reisesuchmaschinen oder

- über Reisebüros, zu deren Kerngeschäft dies gehört,

eingeholt werden.

Buchungen von Linienflügen können

- direkt bei den Fluggesellschaften (online oder telefonisch über Callcenter und allenfalls bei Ticketverkaufsstellen in Flughäfen) oder

- über Reisebüros

erfolgen.

Die Einholung von Informationen über Flüge, die von mehreren Gesellschaften angeboten werden und/oder eine Kombination von Teilflügen verschiedener Gesellschaften erfordern, kann sich für den Endkunden mühsam und zeitaufwändig gestalten.

Reisebüros können derartige Informationen direkt bei den Fluggesellschaften einholen und die Buchung bei diesen durchführen. In der Regel bedienen sie sich allerdings eines der „Global Distribution Systems“ (GDS). Dabei handelt es sich um Vertriebssysteme der Reisebranche, die als zweiseitige Plattformen aufgebaut sind und als zentrale Systeme die Daten für Flugangebote mehrerer Fluggesellschaften sowie auch Hotel- und Mietautoangebote sammeln. In einem GDS können somit Informationen über Preise und Verfügbarkeiten abgefragt und Buchungen durchgeführt werden.

Fluggesellschaften, die Flüge anbieten, speisen somit die entsprechenden Informationen in die GDS ein, und Kunden („Reisestellen“), insbesondere Reisebüros, Reiseveranstalter und als Endverbraucher auftretende Firmenkunden, führen die Buchungen über GDS durch. Für Buchungen, die über GDS von den Reisestellen erfolgen, bezahlen Fluggesellschaften eine Gebühr an das GDS. Reisestellen bezahlen ihrerseits Abonnementgebühren, um in die Daten des GDS einsehen zu können. Wenn Reisestellen Buchungen tätigen, können sie dafür Incentive-Zahlungen (Provisionen) von den GDS erhalten.

Bei den meisten Reisebüros decken die Incentive-Zahlungen, die sie von den GDS bekommen, die von den Reisebüros an die GDS zu bezahlenden Kosten nicht zur Gänze. Diese Kosten können erheblich höher sein als die Incentive-Zahlungen. Bei vereinzelten Reisebüros halten sich Incentive-Zahlungen und an die GDS zu bezahlende Kosten die Waage. Vereinzelt können die Incentive-Zahlungen höher sein als die von den Reisebüros an die GDS zu bezahlenden Kosten.

Zwischen Fluggesellschaften und GDS kann ein „full content agreement“ getroffen werden, das eine Meistbegünstigungsklausel in Bezug auf sämtliche Vertriebskanäle enthält. In diesem Fall verpflichten sich die Fluggesellschaften, nicht über irgendwelche anderen Vertriebskanäle Flugangebote zur Verfügung zu stellen, die im betroffenen GDS nicht ebenso angeboten werden. Im Gegenzug dazu gewährt das GDS der Fluggesellschaft günstigere Konditionen für die Weitervermittlung des Flugangebots an die Reisestellen.

Traditionelle Fluggesellschaften wie die Antragsgegnerin (Reiseleistungsanbieter) vertreiben ihre Angebote üblicherweise bei sämtlichen GDS („multihoming“). Hingegen schließen Reisebüros üblicherweise nur mit einem GDS einen Vertrag („singlehoming“). Daher werden Netzwerkeffekte praktisch nur auf der nachgelagerten Marktseite der Reisebüros erzeugt und kommen demnach den Reiseleistungsanbietern zugute. Dadurch können einerseits die Reiseleistungsanbieter die Abdeckung der Endkunden maximieren, andererseits können die Reisebüros in ihrem lokalen Markt üblicherweise einen Großteil der globalen Reiseleistungen anbieten, ohne einen Vertrag mit einem zweiten GDS abschließen zu müssen. „Multihoming“ auf einer Marktseite schafft somit einen Anreiz zu „singlehoming“ auf der anderen Marktseite.

1.2.3. Endverbraucher

Endverbraucher sind Firmenkunden und Privatkunden. Firmenkunden nutzen neben Reisebüros auch alle anderen Vertriebskanäle der Fluggesellschaften und haben bei entsprechender Größe oft direkte Anbindungen über GDS oder „direct connect“. Privatkunden hingegen nutzen typischerweise neben Reisebüros nur den Direktvertrieb über Webseite oder Callcenter und in einem geringen Ausmaß die Kundenbüros der Fluggesellschaften an den Flughäfen.

1.2.4. Reisebüros

Reisebüros sind gewerbliche Unternehmen, die touristische Leistungen von Reiseveranstaltern und Beförderungsleistungen von Verkehrsunternehmen vermitteln. Zu diesen Dienstleistungen gehören die Beratung der Kunden, die Weiterleitung der Buchung an den Reiseveranstalter oder Leistungsträger, das Inkasso für den Veranstalter sowie die Aushändigung der Reiseunterlagen. Nebenleistungen stellen die Besorgung von Reisedokumenten und Sichtvermerken, das Geldwechselgeschäft, die Reiseversicherung, der Verkauf von Reiseliteratur sowie weitere Leistungen aus dem Freizeitsektor (z.B. Eintrittskarten) dar. Für die Buchung von Flügen nutzen Reisebüros überwiegend GDS. Zunehmend wird von ihnen auch die „direct connect“-Anbindung an die Fluggesellschaft genutzt. Die Antragsgegnerin stellt den Reisebüros zudem eine Internetanwendung (LH group agent.com) bereit, über die die Reisebüros direkt bei den Fluggesellschaften der Antragsgegnerin Flüge buchen können.

Der Vertrag über die Flugdienstleistung der Antragsgegnerin kommt zwischen dieser und dem jeweiligen Kunden des Reisebüros unter Zugrundelegung der Tarife, Beförderungs- und Leistungsbedingungen der Antragsgegnerin zustande, sobald die Antragsgegnerin das Angebot des Kunden annimmt. Nach Punkt 3.1.2. der allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck der Antragsgegnerin sind Flugscheine nicht übertragbar.

Online-Reisebüros entsprechen in ihrem Angebot für Reisende jenem der Reisebüros, vermitteln ihr Angebot aber über eine Website statt eines physischen Büros. Sie buchen ebenso wie herkömmliche Reisebüros mehrheitlich über GDS. Die „direct connect“-Anbindungen von Online-Reisebüros an Fluggesellschaften nehmen zu.

1.2.5. Reisesuchmaschinen

Reisesuchmaschinen ermöglichen den Kunden einen direkten Preisvergleich verschiedener Anbieter für abgefragte Routen, indem Flugangebote im Internet aggregiert dargestellt werden. Dies ermöglicht dem Kunden einen direkten Preisvergleich. Die Buchung erfolgt durch die Weiterleitung des Kunden entweder an die Fluggesellschaft oder an einen Reisevermittler.

1.2.6. Reiseveranstalter

Reiseveranstalter für Einzel- und Gruppenpauschalreisen oder individuell zusammengestellte Paketreisen bieten ihren Kunden im eigenen Namen ein von ihnen organisiertes Bündel von Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis an. Sie stellen das Programm zusammen und sagen in eigenem Namen die gebuchten Leistungen entweder als Eigen- oder als Fremdleistung zu. Sie schulden damit dem Reisenden die Erfüllung der im Reiseveranstaltungsvertrag vereinbarten Leistungen (Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 31b KSchG Rz 3). Über entsprechende Anfrage des Reisebüros im Buchungssystem der GDS wird von der Fluggesellschaft ein Ticket auf den Namen des jeweiligen Passagiers ausgestellt, das nicht übertragbar ist.

1.2.7. Konsolidatoren

Konsolidatoren agieren wie ein Großhändler und kaufen Flugkontingente direkt bei Fluggesellschaften, um sie dann gewinnbringend an weitere Vertriebsstellen wie Reiseveranstalter, Reisebüros und andere Vertriebsplattformen weiterzuverkaufen. Sie können auch Flugtickets ausstellen und haben daher eine besondere Bedeutung für Reisebüros, die von der IATA nicht die Lizenz zur Ausstellung von Tickets haben. So kaufen auch Reisebüros mit IATA-Lizenz Tickets bei Konsolidatoren, da diese oft günstigere Konditionen bieten. Privatkunden ist dies nicht möglich.

1.3. Zur DCC:

1.3.1. Interaktion zwischen den Akteuren

Fluggesellschaften, Reiseleistungsanbieter, GDS, Reisesuchmaschinen, Reisebüros und Endkunden interagieren in einem relativ komplexen System, das nicht zuletzt durch technische Innovationen einem ständigen Wandel unterliegt. So fungieren die ursprünglich von Fluggesellschaften gegründeten GDS nunmehr als eigenständige Plattformen. Derzeit gibt es mit Amadeus, Travelport und Sabre nur drei GDS, die weltweit agieren. Da über 60% aller Flugbuchungen über GDS vermittelt werden, gibt es Bedenken, dass eine starke Marktstellung der GDS zu Lasten der anderen Akteure ausgenützt werden könnte. Dies befürchten insbesondere große Fluggesellschaften, die Verträge mit allen GDS abgeschlossen haben. Dieses „multihoming“ in Verbindung mit den oben dargestellten Meistbegünstigungsklauseln in den Verträgen mit den GDS schwächt die Verhandlungsposition der Fluggesellschaften gegenüber den GDS. Dazu kommt die Konkurrenz durch Billigfluglinien, die sehr oft nur Einzelstrecken befliegen und teilweise nur Direktbuchungen ohne GDS erlauben, wenn auch die Verwendung der GDS durch Billigfluglinien zunimmt. Der Ausbau des Internet und die damit verbundenen neuen Informations- und Buchungsmöglichkeiten ermöglichen es den Fluggesellschaften seit einigen Jahren, ihre Abhängigkeit von den GDS zu reduzieren und den Eigenvertrieb zu stärken. Zu diesen Maßnahmen zählen die Kündigung der „full content agreements“ und die Einhebung der zusätzlichen Gebühr (DCC) bei Buchungen mittels GDS.

1.3.2. Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin

Mit 1.9.2015 wurde von der Lufthansa-Group (einschließlich Austrian Airlines, Lufthansa, SWISS und Brussels Airlines, nicht jedoch für Eurowings, edelweiss und Sun Express) eine DCC eingeführt. Seit diesem Datum fällt bei einer Flugticketbuchung durch ein Reisebüro bei einem GDS eine zusätzliche Buchungsgebühr von EUR 16,-- an. Diese wird beim Erwerb eines Flugtickets separat angegeben und automatisch eingehoben. Die „full content“-Verträge der Antragsgegnerin mit den GDS-Anbietern wurden von der Antragsgegnerin gekündigt, sodass die Antragsgegnerin die von den GDS für „full content“-Verträge gewährten günstigeren Konditionen nicht mehr in Anspruch nehmen kann.

Wenn Flugbuchungen direkt bei der Antragsgegnerin im Wege von Websites, Callcenter oder Ticketbüros am Flughafen oder auch über einen „direct connect“-Partner durchgeführt werden, so fällt die DCC nicht an.

Die Antragsgegnerin führte die DCC zu dem Zweck ein, die ihr durch Kündigung der „full content“-Verträge erwachsenen höheren Kosten, die sie an die GDS zu bezahlen hat, abzudecken und verursachergerecht umzulegen. Ob die DCC in Höhe von EUR 16,-- pro Flugbuchung die der Antragsgegnerin an die GDS zu bezahlenden Kosten übersteigen oder unter diesen liegen, kann nicht festgestellt werden. Es ist möglich, dass die Kosten der Antragsgegnerin, die sie pro Flugbuchung an die GDS zu bezahlen hat, knapp über oder unter der DCC von EUR 16,-- liegen.

1.3.3. Marktabgrenzung

1.3.3.1. Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr

a) Sachlich relevanter Markt:

Die Antragsgegnerin führt Flugdienstleistungen für Passagiere durch. Abgesehen von sehr kurzen Strecken besteht keine Substitutionsmöglichkeit durch andere Transportmittel wie Bahn, Auto oder Schiff.

b) Welche Marktteilnehmer sind von der von der Antragsgegnerin eingehobenen DCC betroffen:

Der in diesem Verfahren relevante Markt kann im Hinblick auf die Marktstruktur mit zweiseitigen Plattformen, also GDS und Reisebüros, die ihrerseits miteinander vertikal verknüpft sind, nicht mit konventionellen Märkten gleichgesetzt werden. Im vorliegenden Fall ist relevant, ob und in welchem Ausmaß Reaktionen von Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten der Antragsgegnerin existieren, durch welche deren unternehmerische Entscheidung, bei Buchungen über GDS eine DCC einzuheben, beschränkt werden könnte. Die Abgrenzung der relevanten Märkte dient somit der Abschätzung der Markt- bzw. Verhandlungsmacht der Antragsgegnerin gegenüber den GDS und den Reisebüros. Zweiseitige Plattformen haben in den letzten Jahren auf Grund der technischen Entwicklungen und der rasanten Verbreitung des Internets in vielen Bereichen enorm an Bedeutung gewonnen. Aus wettbewerbsökonomischer Sicht werfen sie teilweise völlig neue Fragen auf und erfordern eine Modifizierung der etablierten oder die Entwicklung neuer Methoden.

Von der Entscheidung der Antragsgegnerin, eine Gebühr für Buchungen, die über ein GDS erfolgen, einzuheben, sind nicht nur Reisebüros, sondern zahlreiche Marktteilnehmer betroffen:

- alle Passagiere, die über ein Reisebüro buchen, sofern sich dieses eines GDS bedient,

- alle Reisebüros, welche über ein GDS buchen, da sie entweder die Gebühr selbst tragen und/oder ganz oder teilweise an ihre Kunden weitergeben und dann infolge der Überwälzung einen möglichen Nachfragerückgang hinnehmen müssen,

- die GDS, die gegenüber anderen Buchungsmöglichkeiten weniger attraktiv werden und entweder Passagiere und/oder Reisebüros finanziell kompensieren oder einen Nachfragerückgang verkraften müssen, und

- andere Fluggesellschaften, deren Angebote ohne Einhebung der DCC attraktiver werden.

Bei der Marktabgrenzung müssen diese relevanten Wettbewerbskräfte berücksichtigt werden. So stehen der Antragsgegnerin konkurrierende Fluggesellschaften auf von diesen auch beflogenen Strecken gegenüber. Wenn diese Wettbewerber keine DCC einheben, werden sie auf diesen Strecken relativ attraktiver. Passagiere und Reisebüros können versuchen, vermehrt die Angebote anderer Fluggesellschaften zu nutzen, wobei Reisebüros Konkurrenten der Antragsgegnerin besonders empfehlen und damit fördern können. Passagiere, die Flugdienstleistungen der Antragsgegnerin in Anspruch nehmen, können auf Buchungsmöglichkeiten zurückgreifen, bei denen die DCC nicht anfällt, also beispielsweise Direktbuchungen bei der Antragsgegnerin, Buchungen über Reisebüros mit „direct connect“-Anbindung zur Antragsgegnerin, bei der keine DCC anfällt. Die GDS verfügen gegenüber den Fluggesellschaften über erhebliche Verhandlungsmacht, da über sie in den meisten Ländern nach wie vor 50% und mehr aller Buchungen erfolgen.

c) Räumlich relevanter Markt:

Unter Berücksichtigung dieser Wettbewerbskräfte sind die Auswirkungen der DCC nicht auf einzelne Länder und schon gar nicht auf einzelne Strecken beschränkt, sondern es sind alle Strecken in allen Ländern betroffen, die von der Antragsgegnerin bedient werden. Eine weltweite Marktabgrenzung wäre grundsätzlich möglich, würde aber zu keiner qualitativ anderen Bewertung der Marktstellung der Antragsgegnerin führen. Da es bezüglich der Marktanteile aller Beteiligten zwischen den verschiedenen Weltregionen erhebliche Unterschiede gibt, wird im vorliegenden Fall nicht der globale Markt als relevanter Markt herangezogen. Der Marktabgrenzung der Europäischen Kommission folgend ist der relevante Markt der EWR-Binnenmarkt zuzüglich der Schweiz.

d) Ergebnis:

Der sachlich und räumlich relevante Markt für Punkt 1. des Antrags ist somit der Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr im europäischen Binnenmarkt und der Schweiz.

1.3.3.2. Nachgelagerter Markt für den Vertrieb von Flugtickets:

Die Marktanteile der Antragsgegnerin für den nachgelagerten Markt des Verkaufs von Flugtickets in Österreich sind für die Verhandlungsmacht der Antragsgegnerin bedeutungslos. Da der relevante Markt jener für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr im europäischen Binnenmarkt und der Schweiz ist, hat der Markt für den Vertrieb von Flugtickets in Österreich für Punkt I.1. des Antrags keine Bedeutung.

Für die Abschätzung der Verhandlungsmacht der Fluggesellschaften gegenüber den GDS gilt für den nachgelagerten Markt des Ticketings genau dasselbe wie für den Markt der Flugdienstleistungen im Passagierverkehr. Die Interaktionen erfolgen auf globaler Ebene. Auch wenn eine Fluggesellschaft auf einem nationalen Markt beim Flugticketverkauf dominiert, hat dies nur geringe Auswirkung auf ihre Verhandlungsmacht, wenn dieser nationale Markt im Vergleich zum Weltmarkt klein ist. Da der Ticketverkauf 1:1 dem Volumen der Flugdienstleistungen entspricht, wird durch die Definition eines eigenen Marktes für Ticketing auf globaler Ebene wenig gewonnen. Da die Transaktionen überwiegend online erfolgen, ist eine Abgrenzung nationaler Märkte auch aus diesem Grund problematisch. Der nationale Markt für den Verkauf von Flugtickets im Passagierverkehr stellt daher keinen eigenen, für das vorliegende Verfahren relevanten Markt dar.

1.3.4. Marktanteile der Antragsgegnerin

1.3.4.1. im Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr:

Die Marktanteile der Antragsgegnerin im europaweiten Markt (EWR + Schweiz) für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr sind für zwei Varianten zu ermitteln.

Bei Variante I liegen Abflugort und Zielort im Marktgebiet EWR + Schweiz. Bei Variante II liegt mindestens einer der beiden Orte im Marktgebiet EWR + Schweiz.

Der Marktanteil der Antragsgegnerin für Variante I beträgt 11,95%.

Der Marktanteil der Antragsgegnerin für Variante II beträgt 11,30%.

Anzufügen ist, dass der Marktanteil der Antragsgegnerin im weltweiten Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr 3,13% beträgt.

1.3.4.2. im nachgelagerten Markt für den Vertrieb von Flugtickets:

Die Marktanteile der Antragsgegnerin auf dem nachgelagerten nationalen Markt (Marktgebiet Österreich) für den Vertrieb von Flugtickets bestimmen sich danach, wie viele Tickets von den Fluggesellschaften der Antragsgegnerin im Direktvertrieb über deren Anbieterportale verkauft werden. Der Marktanteil der Antragsgegnerin beträgt hier zwischen 25 und 35%.

Werden Direktvertrieb und Fremdvertrieb von Lufthansa-Tickets zusammengerechnet, liegt der Marktanteil der Antragsgegnerin bei etwa 60-70%.

1.3.5. Relative Marktmacht der Antragsgegnerin im Verhältnis zu den Reisebüros in Österreich:

In Österreich gibt es 2674 Reisebürostandorte, die von 1953 Unternehmen betrieben werden. Ca. 25% der Standorte befinden sich in Wien, der Rest verteilt sich auf die Bundesländer. Auch in kleinen Orten bis zu 2000 Einwohnern gibt es Reisebüros. Von den 1953 Reisebürobetrieben sind 760, also rund 40%, auch als Reiseveranstalter tätig. Flugleistungen machen vom gesamten Volumen des Umsatzes der Reisebüros deutlich über 50% aus, wenn die Vermittlung von Flügen als Umsatz gerechnet wird. Der Anteil der Flugticketbuchungen bei der Antragsgegnerin an den gesamten Flugticketbuchungen in Österreich über Reisebüros beläuft sich aber auf etwa 70-75%. Würde die Antragsgegnerin die Geschäftsbeziehung mit den österreichischen Reisebüros abbrechen, müssten ca. die Hälfte der Reisebüros ihren Betrieb schließen.

1.3.6. Entscheidung anderer Wettbewerbsbehörden im Zusammenhang mit der DCC:

Die Beschlussabteilung des deutschen Bundeskartellamts schloss Vorermittlungen in der Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin im Jahr 2017 ab und entschied auf dieser Grundlage, kein Verfahren einzuleiten, da keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Antragsgegnerin durch die Einführung der DCC ihre Marktmacht missbraucht hat. In der Begründung wurde ausgeführt, dass Luftfahrtunternehmen grundsätzlich frei seien, ihre Vertriebswege zu gestalten, also auch ihre eigenen Vertriebswege zu Lasten anderer Vertriebswege zu stärken. Für fremde Vertriebswege wie den GDS könnten Luftfahrtunternehmen Gebühren erheben, die zumindest die für sie angefallenen Kosten ausgleichen würden. Dafür, dass die von der Antragsgegnerin erhobene Gebühr missbräuchlich überhöht wäre, lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Reisebüros seien bei der Nutzung der GDS in aller Regel Nettoempfänger. Die von den GDS-Betreibern an Reisebüros bezahlten Kick-back-Zahlungen pro Ticket seien in der Summe häufig höher als die monatlichen GDS-Gebühren.

Das Sekretariat der Wettbewerbskommission der Schweiz kam nach einer summarischen Prüfung zum Schluss, dass hinsichtlich der DCC kein Anlass für die Eröffnung eines Verfahrens nach den Art 26ff KG bestehe, da die Wettbewerbskommission nur in beschränktem Umfang für die Beurteilung der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin zuständig sei und nach einer summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch ersichtlich seien. Ein preisbezogener Missbrauch wie etwa eine Erzwingung von unangemessenen Preisen oder die Diskriminierung von Handelspartnern durch Anwendung einer Kosten-Preis-Schere erscheine unwahrscheinlich. Dass die Antragsgegnerin den Reisebüros eine Reihe von kostenlosen Alternativen zu den Flugbuchungen über GDS anbiete, spreche gegen eine Behinderung im Sinne einer Verweigerung von Geschäftsbeziehungen.

Die österreichische BWB hat bisher keinen Anlass gesehen, ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Einführung der Distribution Cost Charge einzuleiten.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Missbrauchsverbot im nationalen und europäischen Wettbewerbsrecht:

Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dabei gelten all jene Verhaltensweisen als missbräuchlich, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, somit Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 23). Voraussetzung für den Anwendungsbereich des nationalen Missbrauchsverbots ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt. Dies kann den gesamten Markt oder nur Teile des Markts umfassen. Nach dem Auswirkungsprinzip des § 24 Abs 2 KartG ist nicht relevant, ob der Sachverhalt im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist, sofern er sich auf den inländischen Markt auswirkt.

Nach Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

2.2. Zur „Zwischenstaatlichkeit“:

Gemäß Art 5 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl 2003 L 1/1 (VO Nr. 1/2003) sind die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig. Sie können von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflichtungszusagen annehmen und Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige Sanktionen verhängen.

Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gilt das Prinzip des umfassenden Vorrangs von europäischem Kartellrecht vor nationalem Kartellrecht insofern nur eingeschränkt, als es auf Grund der Ausnahme in Art 3 Abs 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 den Mitgliedstaaten bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt ist, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen – wie missbräuchliche Verhaltensweisen iSd Art 102 AEUV – vorzusehen. Damit können bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auch strengere innerstaatliche Vorschriften wie etwa § 4 Abs 3 KartG angewendet werden (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 11).

Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilige sein könnte. Es kommt daher nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Art 102 AEUV kann auch in Fällen anwendbar sein, in denen sogar nur ein Teil des Mitgliedstaats betroffen ist (Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, 83 Rz 21 mwN).

Damit kann auf denselben Sachverhalt im Bereich der Missbrauchsaufsicht sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht einschließlich der im KartG normierten strengeren Bestimmung des § 4 Abs 3 KartG zur Anwendung gelangen.

Der in Rede stehende Sachverhalt wirkt sich iSd § 24 Abs 2 KartG auf den inländischen Markt aus und die Zwischenstaatlichkeit ist zu bejahen. Daher ist grundsätzlich sowohl europäisches als auch nationales Wettbewerbsrecht anzuwenden.

2.3. Marktabgrenzung

Die Missbrauchsaufsicht des § 5 KartG und des Art 102 AEUV setzen eine marktbeherrschende Stellung und deren Missbrauch voraus. Kommt einem Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung zu, scheidet der Missbrauch per se aus. Da die Feststellungen der marktbeherrschenden Stellung die Abgrenzung des relevanten Markts nach sachlichen und geografischen Kriterien voraussetzt, ist die Frage der Marktabgrenzung für die Missbrauchsaufsicht grundlegend.

Der Markt ist der zentrale Grundbegriff des Wettbewerbsrechts. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist er der ökonomische Ort des Tausches, definiert durch die Marktteilnehmer, die sich als Anbieter und Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen mit gegensätzlichen und wirtschaftlichen Interessen gegenüberstehen (16 Ok 15/08 mwN; 16 Ok 8/14h). Die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte liegt darin, Wettbewerbsbeziehungen zu identifizieren. Mit der Abgrenzung eines Marktes sowohl in seiner sachlichen als auch in seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RIS-Justiz RS0129158).

Der sachlich relevante Markt ist nach dem Bedarfsmarktkonzept zu ermitteln. Nur solche Waren oder Dienstleistungen können ein und denselben relevanten Markt bilden, die aus der Sicht des durchschnittlichen Nachfragers als Bedarfsträger austauschbar sind. Daher kommt es auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an (RIS-Justiz RS0124671; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 7).

Der geografisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmer die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (RIS-Justiz RS0123677 = 16 Ok 4/08).

Maßgebliche Faktoren für die Bestimmung des geografisch relevanten Marktes sind ua die Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, die Existenz von Marktzutrittsschranken oder Verbraucherpräferenzen, deutlich unterschiedliche Marktanteile der Unternehmen zwischen räumlich benachbarten Gebieten oder wesentliche Preisunterschiede (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 8).

Ein bestimmter Produktmarkt im Bereich des Marktbeherrschungstatbestands kann sich auf einzelne regionale oder lokale Teilmärkte im Gebiet von Österreich, auf das gesamte Bundesgebiet oder auch auf einen anderen, nicht mit dem Inland begrenzten räumlich relevanten Markt beschränken (16 Ok 14/02; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 30f).

2.4. Marktbeherrschung:

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 4 Abs 1 Z 1 KartG) oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat, wobei insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen sind, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken (§ 4 Abs 1 Z 2 KartG; RIS-Justiz RS0119451). Ein marktbeherrschendes Unternehmen ist somit in der Lage, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, weil es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten. Die Erlangung und Behauptung einer marktbeherrschenden Stellung per se stellt jedoch für sich allein keine vom KartG untersagte Verhaltensweise dar. Verpönt ist nur der Missbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung iSd § 5 KartG (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 9).

Wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt einen Anteil von mindestens 30% hat, dann trifft ihn die Beweislast, dass er nicht marktbeherrschend ist (§ 4 Abs 2 Z 1 KartG). Diese Marktbeherrschungsvermutung des KartG ist strenger als das europäische Wettbewerbsrecht, da die Europäische Kommission die Schwelle für eine beherrschende Stellung idR erst ab einem Marktanteil von über 40% ansetzt und der EuGH bei besonders hohen Marktanteilen von über 50% ohne weiteres vom Vorliegen einer beherrschenden Stellung ausgeht (EuGH 3.7.1991, Rs C-62/86 Kommission/AKZO).

2.5. Einhebung der DCC bei Buchung über GDS (Punkt I.1. des Antrags):

2.5.1. Marktbeherrschung iSd § 4 Abs 1 KartG:

Im vorliegenden Fall kommt der Antragsgegnerin im sachlich und räumlich relevanten Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr im europaweiten Markt (EWR + Schweiz) ein Marktanteil von knapp 12% zu. Die Marktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG greift daher nicht.

Nach den Feststellungen liegt keine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin iSd § 4 Abs 1 KartG und Art 102 AEUV vor. Damit scheidet ein darauf gegründeter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung iSd § 5 KartG und Art 102 AEUV im Zusammenhang mit der Einhebung der DCC bei Buchung von Flugtickets über die GDS aus.

2.5.2. Relative Marktmacht iSd § 4 Abs 3 KartG:

Der Antragsteller beruft sich auch darauf, dass die Antragsgegnerin marktbeherrschend iSd § 4 Abs 3 KartG sei. Danach gilt ein Unternehmer als marktbeherrschend, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Mit dieser Bestimmung wird die Missbrauchsaufsicht auf vertikal integrierte Unternehmen ausgedehnt. Sie soll die Marktmachtausübung im Rahmen geltender Liefer- und Leistungsverträge kontrollierbar machen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein vertikal integriertes Unternehmen auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist, ist entscheidend, ob Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind, der Abnehmer also auf dem geografisch relevanten Produktmarkt alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten hat. Wo dies zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen nicht der Fall ist, funktioniert der Nachfragewettbewerb nicht. Daher ist die relative Marktmacht des § 4 Abs 3 KartG kein zusätzlicher eigenständiger Marktbeherrschungstatbestand, sondern lediglich die Konkretisierung des in § 4 Abs 1 Z 1 KartG geregelten Grundsatzes des fehlenden wirksamen Wettbewerbs (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 44; 633 der Beilagen XVII.GP – RV S 33).

Da im Bereich der relativen Marktmacht des § 4 Abs 3 KartG lediglich die im Verhältnis zum Abnehmer überragende Marktstellung der Antragsgegnerin entscheidend ist, kann hier nicht auf die Marktabgrenzung für den allgemeinen Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr zurückgegriffen werden. Vielmehr ist nur die Frage relevant, ob der Antragsgegnerin gegenüber den Reisebüros als ihren Vertragspartnern eine überragende Marktstellung zukommt. Dies ist nach den Feststellungen zu bejahen, da Reisebüros Flugdienstleistungen im Passagierverkehr ohne Geschäftsbeziehung mit der Antragsgegnerin nicht in ausreichendem Maße an ihre Kunden vermitteln können. Bei der Vermittlung von Flugreisen durch österreichische Reisebüros sind diese von den Abflugs- und Ankunftsdestinationen in Österreich abhängig. Sie haben zum größten Teil keine Möglichkeit, auf einen Markt außerhalb von Österreich auszuweichen. Immerhin sind rund 70% der über Reisebüros in Österreich gebuchten Flüge im Passagierverkehr solche der Antragsgegnerin. Damit sind die Reisebüros auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit der Antragsgegnerin angewiesen, um schwerwiegende betriebswirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.

Somit ist zusammenfassend die relative Marktmacht der Antragsgegnerin iSd § 4 Abs 3 KartG gegenüber den Reisebüros zu bejahen.

Der vom Antragsteller behauptete Missbrauch dieser überragenden Marktstellung liegt jedoch nicht vor:

Vom OGH als KOG wurde zur relativen Marktmacht des § 4 Abs 3 KartG im Zusammenhang mit der Kontrahierungspflicht von Filmverleihen (16 Ok 5/02; 16 Ok 20/04; 16 Ok 6/08) abgesprochen. In der Entscheidung 4 Ob 231/12t wurde vom OGH eine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 3 KartG eines von acht Unternehmen am Markt, die Dienste als Übermittlungs- und Verrechnungsstellen für Grundbuchs- und Firmenbuchauszüge anbieten, verneint. Mangels einer marktbeherrschenden Stellung liege kein Missbrauch durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG vor.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage der Kontrahierungspflicht nicht, da die Antragsgegnerin eine Geschäftsbeziehung mit den Reisebüros nicht verweigert. Auch eine Benachteiligung von Vertragspartnern durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG liegt nicht vor. Die angeführten Entscheidungen sind daher nicht einschlägig.

Vielmehr beruft sich der Antragsteller auf den Preis- und Konditionenmissbrauch des § 5 Abs 1 Z 1 KartG und auf die Preis- und Konditionendiskriminierung des § 5 Abs 1 Z 3 KartG bzw jeweils des Art 102 AEUV, indem er vorbringt, dass sachlich nicht gerechtfertigte Forderungen gestellt würden und die Reisebüros gegenüber dem eigenen Vertrieb der Antragsgegnerin benachteiligt würden.

Ersterer Missbrauchstatbestand besteht in besonders hohen Preisen des marktbeherrschenden Unternehmens oder dessen Forderung nach unvorteilhaften Verkaufsbedingungen. Unangemessene Preise liegen dann vor, wenn das marktbeherrschende Unternehmen einen Preis verlangt, der gemessen am wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung unbillig oder unverhältnismäßig ist. Dabei ist jedoch angesichts der Grenzen der Möglichkeit der Preisbestimmung nicht jeder überhöhte Preis missbräuchlich, sondern nur ein Preis, der stark bzw eindeutig überhöht ist (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 27f).

Zweiterer Missbrauchstatbestand verbietet die Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen. Hier handelt es sich um ein relatives Diskriminierungsverbot, das nur solche Diskriminierungen erfasst, die gleichartige Leistungen betreffen und die ohne objektive sachliche Rechtfertigung erfolgen. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen kann daher auf unterschiedliche Bedingungen im Wettbewerb reagieren (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 47ff).

Ein Preis- und Konditionenmissbrauch oder eine Diskriminierung gegenüber dem Eigenvertrieb durch die Antragsgegnerin ist jedoch nicht gegeben. Ein Luftfahrtunternehmen ist grundsätzlich frei, seine Vertriebswege zu gestalten, also auch den eigenen Vertriebsweg zu Lasten anderer Vertriebswege zu stärken. Verwendet es fremde Vertriebswege, wie etwa die GDS, kann das Luftfahrtunternehmen dafür Gebühren erheben, die zumindest die dafür angefallenen Kosten ausgleichen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Vertriebsweg GDS in der Vergangenheit subventioniert hat, verschafft den Reisebüros keinen Anspruch darauf, dass sie dies auch weiterhin tun muss. Sie ist daher auch nicht darauf beschränkt, die Gebühren auf jenen Betrag zu begrenzen, der ihr aus der Kündigung der Full-Content-Verträge zusätzlich erwächst. Dass die von der Antragsgegnerin erhobene DCC aus dem Blickwinkel der Weitergabe ihrer gesamten GDS-Kosten stark bzw eindeutig überhöht ist, ergab sich aus dem Beweisverfahren nicht. Die Frage, ob die DCC die tatsächlichen Kosten der Antragsgegnerin allenfalls knapp übersteigt, ist daher nicht entscheidungsrelevant. Selbst dann, wenn dies der Fall wäre, könne sie noch nicht als missbräuchlich eingestuft werden. Für einen stark bzw eindeutig überhöhten Preis sah auch das deutsche Bundeskartellamt keine hinreichenden Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass Reisebüros durch den Erhalt von Incentive-Zahlungen der GDS in weit größerem Ausmaß Nutznießer dieses Systems sind als die Antragsgegnerin. Nach den Feststellungen übersteigen die von den Reisebüros an die GDS zu bezahlenden Kosten die von den Reisebüros von den GDS bezogenen Incentive-Zahlungen nur um höchstens 30% und liegen bei manchen Reisebüros sogar noch deutlich darunter, während die Antragsgegnerin nach Kündigung der Full-Content-Verträge höhere Zahlungen an die GDS zu leisten hat.

Da somit die DCC – zumindest im Wesentlichen – nur die der Antragsgegnerin zusätzlich entstehenden Kosten der Vertriebsschiene GDS abdecken, liegt auch weder eine Diskriminierung dieses Vertriebswegs gegenüber dem Eigenvertrieb noch ein Fall des „margin squeeze“ vor.

2.5.3. BG zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl Nr. 392/1977 idF BGBl I Nr. 56/2017, NVG

Der Antragsgegner stützte das Hauptbegehren auch auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen des NVG und vertrat die Auffassung, dass die Antragsgegnerin Lieferantin und die Reisebüros Wiederverkäufer von Flugtickets seien. Die Einhebung der DCC von EUR 16,-- pro von Reisebüros über GDS gebuchte Flugtickets der Antragsgegnerin ohne sachliche Rechtfertigung falle unter das Verbot des § 1 NVG.

Die Bestimmungen des NVG zielen darauf ab, die Nahversorgung zu sichern sowie die Chancengleichheit zwischen Handelsunternehmen verschiedener Größen zu gewährleisten. Sie sollen neben der Sicherung der Nahversorgung den Leistungswettbewerb fördern und einen Wettbewerbsbestand von mittleren und kleinen Unternehmen erhalten. Vom Schutzzweck des NVG sind die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen der Erzielung von sachlich nicht gerechtfertigten Leistungen und Sonderkonditionen, der Verdrängung kleiner Einzelhändler durch nachfragestarke Händler sowie die Gefährdung der Versorgungssicherheit von Konsumenten umfasst (Ditz in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 NVG Einl RZ 4ff).

Nach § 1 NVG können Verhaltensweisen von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr untereinander untersagt werden, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Solche Verhaltensweisen sind insbesondere das Anbieten oder Fordern, Gewähren oder Annehmen von Geld oder sonstiger Leistungen, auch von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattungen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, vor allem, wenn zusätzlichen Leistungen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen.

Nach § 2 NVG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Wiederverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet. Diese Bestimmung sieht somit ein allgemeines Diskriminierungsverbot zur Aufrechterhaltung des leistungsgerechten Wettbewerbs vor.

§ 1 NVG stellt auf einen fairen Ausgleich zwischen Leistung und Gegenleistung ab und dient dem Schutz des Lieferanten, hat somit eine vertikale Komponente. Dem gegenüber handelt es sich beim allgemeinen Diskriminierungsverbot nach § 2 NVG um einen Vergleich der Konditionen, die Dritten gewährt werden. Dabei steht der Schutz von Wettbewerbern des Wiederverkäufers im Vordergrund. § 2 NVG hat somit horizontale Komponenten (Dietz in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 2 NVG Rz 37).

Unter „Wiederverkäufer“ iSd NVG sind alle Unternehmen zu verstehen, die keine Letztverbraucher sind, sondern eingekaufte Waren – wenn auch in be- oder verarbeiteter Form – weiterverkaufen. Dazu gehören nicht nur Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, insbesondere Supermärkte und Supermarktketten, die Anlass für die Erlassung des NVG gewesen sein dürften, sondern – mit einem weiten Verständnis im Sinne der gesamten Wirtschaftsstufen vor dem Endverbraucher – alle Unternehmen, die keine Letztverbraucher sind, sondern eingekaufte Waren – wenn auch in be- oder verarbeiteter Form – weiterverkaufen (16 Ok 3/08), so etwa auch eine Branchenrecyclinggesellschaft (16 Ok 8/00).

Das NVG soll nach der Intention des Gesetzgebers jene Fälle erfassen, in denen keine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 1 KartG vorliegt oder in denen eine relative Marktmacht iSd § 4 Abs 3 KartG verneint wird. Da im vorliegenden Fall - wie oben ausgeführt - relative Marktmacht der Antragsgegnerin gegeben ist, aber kein Missbrauch dieser relativen Marktmacht konstatiert werden kann, muss der Größenschluss gezogen werden, dass der hier gegebene Sachverhalt nicht unter das NVG fällt. Im NVG wird gar nicht auf das Vorliegen von Marktbeherrschung abgestellt, sondern auf Fälle von Verhandlungsmacht, die unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung liegen. Somit bleibt hier für die Anwendung des NVG kein Raum. Daher ist es auch nicht entscheidend, ob Reisebüros in Bezug auf Flugtickets „Wiederverkäufer“ iSd NVG sind.

Im Hinblick auf die Abweisung des Antrags kann die Frage offen bleiben, inwieweit die in der Tagsatzung vom 12.10.2017 (ON 46 S 40/41) erfolgte Modifizierung des Abstellungsantrags auf Verkäufe von Flugtickets an österreichische Kunden in Österreich über Vermittlung von österreichischen Reisebüros und auf Verkäufe von Flugtickets an österreichische Reisebüros einen Verstoß gegen Art 23 Abs 2 VO Nr. 1008/2008 – und damit eine Verwaltungsübertretung nach § 169 Abs 1 Z 6 LFG - darstellen würde, da sich der Antrag nur auf Verkäufe von Flugtickets auf über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich bezieht, nicht aber etwa den Verkauf von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an nicht-österreichische Kunden in Österreich umfassen würde. Nach § 23 Abs 2 VO-NR 1008/2008 muss der Zugang zu den der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreisen für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ohne Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts des Kunden gewährt werden.

II. Eventualbegehren auf Feststellung (Punkt II. des Antrags):

Ein Eventualbegehren wird für den Fall erhoben, dass dem Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Es wird nur dann Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung, wenn das Hauptbegehren zurück- oder abgewiesen wird (Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO4 § 226 Rz 6). Zu Punkt I.2. wurde dem Antrag stattgegeben, sodass über das Eventualbegehren in diesem Umfang nicht abzusprechen war.

Zu Punkt I.1. kommt dem Eventualantrag keine Berechtigung zu:

Gemäß § 28 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht festzustellen, dass ein Kartellrechtsverstoß bereits beendet ist, sofern daran ein berechtigtes Interesse besteht. Damit setzt die Anwendung des § 28 Abs 1 KartG einen bereits beendeten Verstoß gegen ein Verbot des 1.Hauptstücks des KartG voraus.

Vom Antragsteller wurde nicht behauptet, dass die Antragsgegnerin ein kartellrechtswidriges Verhalten bereits beendet hat. Vielmehr geht der Antragsgegner davon selbst nicht aus, da sich der Feststellungsantrag auf ein Verhalten der Antragsgegnerin vom 1.9.2015 bis zum Tag des Endes der mündlichen Verhandlung erster Instanz bezieht.

Somit liegt bereits eine Grundvoraussetzung für einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs 1 KartG, nämlich die bereits erfolgte Beendigung der Zuwiderhandlung, nicht vor. Dies hat die Abweisung des Eventualantrags zur Folge.

Für den Antragsteller wäre auch nichts gewonnen, wenn er den ursprünglich eingebrachten Feststellungsantrag aufrecht erhalten hätte. Vor der Modifizierung des Feststellungsantrags im eben dargestellten Sinn beantragte der Antragsteller für den Fall, dass die Antragsgegnerin ihr marktmissbräuchliches Verhalten betreffend die Einführung der DCC zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz bereits beendet haben sollte, hilfsweise die Feststellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG 2005 und/oder Artikel 102 AEUV im Zeitraum zwischen 1. September 2015 und dem Tag der Abstellung des betreffenden Verhaltens.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind bedingte Prozesshandlungen grundsätzlich unzulässig, sofern die Verfahrensgesetze nicht Ausnahmeregelungen enthalten oder die Bedingung nicht in einem Anknüpfen an einen innerprozessualen Umstand oder Vorgang besteht (RIS-Justiz RS0006429; RS0006445; RS0006441). Somit sind insbesondere auch die bedingte Erhebung einer Klage, in der die Verfahrenseinleitung vom Ausgang des Verfahrens gegen eine andere Partei abhängig gemacht wird, oder die bedingte Erhebung eines Rechtsmittels unzulässig (9 ObA 80/14a). Zulässig sind lediglich Eventualanträge, die nur für den Fall erhoben werden, dass dem zuvor gereihten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Die Entscheidung über ein Eventualbegehren darf also nicht von einer außerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden (RIS-Justiz RS0006429 [T1 und T2]).

Das ursprüngliche Feststellungsbegehren wurde vom Antragsteller als Eventualantrag, also für den Fall gestellt, dass dem Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Allerdings machte der Antragsteller den Feststellungsantrag auch von der außerprozessualen Bedingung der Beendigung des behaupteten marktmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin noch vor der Entscheidung des Kartellgerichts abhängig. Er hätte daher nicht als innerprozessualer Eventualantrag gewertet werden können.

Im Übrigen ist auf obige Ausführungen zu verweisen, wonach der auf das idente Verhalten der Antragsgegnerin gerichtete Abstellungsantrag nicht etwa wegen Beendigung des inkriminierten Verhaltens abgewiesen wurde, sondern deshalb, weil dieses Verhalten nicht missbräuchlich ist. Auch im Falle einer formal korrekten Formulierung hätte somit dem in eventu erhobenen Feststellungsantrag inhaltlich keine Berechtigung zukommen können.


 

B) Beschluss des Obersten Gerichtshofs als Kartell-obergericht vom 12.7.2018, 16 Ok 2/18g, zu Punkt I.2. des Antrags:

Feststellungen:

Die Antragsgegnerin gestaltet ihre Flugpreise abflugbezogen; diese richten sich somit nach dem Abflugort und nicht nach dem Buchungsort. Für Buchungen über GDS übermittelt die Antragsgegnerin die Preispunkte, den Flugplan mit den dazugehörigen Kapazitäten sowie die einzelnen Buchungsklassen an die GDS, die aus diesen Komponenten das entsprechende Angebot erstellen. Insgesamt gibt es 26 Preispunkte der Antragsgegnerin. Die GDS setzen diese Vorgaben technisch um und weisen einen Preis mit einer buchbaren Buchungsklasse aus. Sie betreiben selbst kein Preismanagement für die Antragsgegnerin, sondern berechnen im Voraus die Abfragen, um sicherzugehen, dass diese schnell beantwortet werden können. Es handelt sich jedoch nicht um ein Real Time-System; die Darstellung der Preise erfolgt somit nicht in Echtzeit. Daher kann es aufgrund der geografischen Distanz und der verschiedenen Abfragerhythmen zu Abweichungen des Preises für einen bestimmten Flug nach oben oder unten kommen. Es kommt daher vor, dass der Preis für einen bestimmten Flug, der über GDS zum selben Zeitpunkt in einem Reisebüro in Österreich gebucht wird, einen anderen Preis hat als bei einer Buchung in Deutschland oder in der Schweiz. So wurde von einem österreichischen Reisebüro am 2. 9. 2016 ein Flug Graz‑Frankfurt‑Graz mit Abflug 10. 9. 2016 und Rückflug 11. 9. 2016 sowohl vom Büro in Österreich angefragt, und auch zeitgleich mittels eines SmartClicks auf die Office‑ID des Büros in Berlin auf das Angebot zugegriffen, wo eine günstigere Buchungsklasse zur Verfügung stand. Der Preis für den über die Berliner Office‑ID gebuchten Flug betrug 184,48 EUR, wäre der Flug in Österreich gebucht worden, hätte er 304,48 EUR gekostet. Bei einer Preisdifferenz von 120 EUR wäre der Flug bei Buchung in Österreich somit um etwa 65 % teurer gewesen.

Dass für denselben Flug zum selben Zeitpunkt in Berlin eine andere Buchungsklasse zur Verfügung steht als in Österreich, ist ein Fehler im System der GDS. Der Antragsgegnerin ist das Problem der unterschiedlichen Preise von Buchungen in unterschiedlichen Ländern zum selben Zeitpunkt für denselben Flug schon seit Jahren bekannt. Bereits 2014 wurde eine Arbeitsgruppe der Antragsgegnerin und zwei weiterer Airlines mit den GDS‑Providern eingerichtet, die dieses Problem zum Inhalt hatte, die Arbeitsgruppe veröffentlichte bisher aber lediglich ein Arbeitspapier. Seit die Antragsgegnerin die Einführung der DCC angekündigt hat, kam Bewegung in die Arbeitsgruppe. Die Antragsgegnerin ergriff bisher jedoch keine tatsächlich wirksamen Maßnahmen, um bei Buchung über GDS unterschiedliche Preise für denselben Flug, der zur selben Zeit in verschiedenen Ländern gebucht wird, zu verhindern.

Von der Antragsgegnerin wurde ein System eingerichtet, an das Beschwerden über unterschiedliche Preise bei Buchungen desselben Flugs in verschiedenen Ländern übermittelt werden können. In solchen Fällen wird von der Antragsgegnerin dann eine Buchung zum günstigsten Preis ermöglicht. Um von diesem System zu profitieren, müssen Kunden jedoch von diesen Preisdifferenzen und von der Existenz eines derartigen Systems wissen.

In welchem exakten Ausmaß und bei welcher genauen Anzahl von Flügen eine unterschiedliche Preisgestaltung bei Buchung von Flügen der Antragsgegnerin zum selben Zeitpunkt in unterschiedlichen Ländern vorkommt, kann nicht festgestellt werden.

Für die Flugstrecke Graz‑Frankfurt ist die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin. Zur Beurteilung einer Preisdiskriminierung ist für die Marktabgrenzung hier der A‑Z‑Ansatz heranzuziehen, sodass es sich bei der Flugstrecke Graz‑Frankfurt um einen eigenen Markt handelt.

Rechtliche Beurteilung:

Zum Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Kartellgerichts vom 6.12.2017, 27 Kt 13/16p:

a) Zur Zurechnung des Verhaltens der GDS

16.1. Die Antragsgegnerin wendet sich zunächst gegen die Zurechnung des Verhaltens der GDS, weil sie mit diesen keine „wirtschaftliche Einheit“ bilde und die GDS auch keine Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 1313a ABGB seien.

16.2. Daraus ist jedoch für die Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Das Erstgericht hat seine Entscheidung nämlich nicht auf eine Zurechnung des Verhaltens der GDS gestützt, sondern ausdrücklich auf das eigene Verhalten der Antragsgegnerin. Kartellrechtlich relevant ist nach zutreffender Auffassung des Erstgerichts das Unterlassen der Antragsgegnerin, die bestehende Preisdiskriminierung, die aufgrund eines Fehlers bei den GSD seit geraumer Zeit besteht, abzustellen.

16.3. Außerdem ist für eine eigene (Mit‑)Verantwortlichkeit für das Verhalten Dritter bereits ausreichend, dass jemand andere in enger Zusammenarbeit zur Verfolgung eigener Interessen einsetzt (vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1313a Rz 2). Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass sich die Antragsgegnerin der GDS beim Vertrieb ihrer Flugreiseleistungen bedient, die Systeme der Antragsgegnerin und der GDS sehr nahe beisammen liegen, das Preismanagement durch die Antragsgegnerin erfolgt und es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Antragsgegnerin und den GDS gibt.

16.4Der Verweis auf die angeblich starke Verhandlungsmacht der GDS ist nicht stichhaltig. Schon die Kündigung der full‑content‑Verträge im Vorfeld der Einführung der DCC zeigt, dass weder das behauptete Abhängigkeitsverhältnis der Antragsgegnerin gegenüber den GDS besteht noch deren Verhandlungsmacht so stark wäre, dass die Antragsgegnerin keinen Einfluss auf diese ausüben könnte. Auch ist nicht nachvollziehbar, welches Interesse die GDS an der Aufrechterhaltung interlokaler Preisunterschiede haben sollten, zumal sie daran nichts verdienen können.

16.5Marktbeherrschende Unternehmen tragen eine besondere Verantwortung für die Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs. Sie dürfen ihre eigenen Interessen naturgemäß wahren, jedoch nur mittels marktkonformer Mittel (EuGH C‑280/08p, Deutsche Telekom; 16 Ok 43/05; EuG T‑219/99, British Airways). Daher hat die Antragsgegnerin dafür Sorge zu tragen, dass jene Wirtschaftsteilnehmer, derer sie sich bedient, um ihre Produkte zu vertreiben (GDS), dabei ebenfalls nicht dadurch wettbewerbswidrige Effekte herbeiführen, dass von den Reisebüros (als Abnehmern der Antragsgegnerin) diskriminierende Preise für gleiche Leistung verlangt werden.

16.6Zutreffend hat das Kartellgericht auch darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin von der verpönten Preisdiskriminierung schon seit Jahren Kenntnis hat, aber keine wirksamen Handlungen gesetzt hat, eine solche Preisdiskriminierung zu beenden. Die Einrichtung einer weithin unbekannten Beschwerdestelle ist dafür ebenso wenig ein taugliches Mittel wie die Einrichtung einer seit Jahren ergebnislos tätigen Arbeitsgruppe.

b) Zur marktbeherrschenden Stellung

17.1Zutreffend ging das Erstgericht davon aus, dass die Antragsgegnerin am sachlich und örtlich relevanten streckenspezifischen Markt für Flugleistungen von Graz nach Frankfurt marktbeherrschende Stellung hat, weil es keine anderen Anbieter gibt.

17.2Die Antragsgegnerin stellt die Marktabgrenzung im Sinne des A‑Z‑Ansatzes nicht in Frage. Sie steht jedoch auf dem Standpunkt, dass sie (obwohl sie alleinige Fluganbieterin auf dieser Strecke ist) keine marktbeherrschende Stellung innehabe. Dem kann nicht gefolgt werden.

17.3Nach § 4 Abs 1 Z 1 KartG ist ein Unternehmen marktbeherrschend, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist bei der Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung neben dem Wettbewerbsdruck aufgrund bereits bestehender Lieferungen bzw Leistungen von vorhandenen Wettbewerbern auch der Wettbewerbsdruck potentieller Wettbewerber zu berücksichtigen (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 4 Rz 35).

17.4. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Marktbeherrschung dann vor, wenn ein Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den relevanten Markt zu verhindern, indem es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (RIS‑Justiz RS0110205; 16 Ok 4/08). Ein Unternehmen, das über einen längeren Zeitraum seine Preise gewinnbringend über den Wettbewerbspreisen festsetzen kann, ist keinem ausreichend wirksamen Wettbewerbsdruck ausgesetzt und kann daher im Allgemeinen als marktbeherrschend eingestuft werden. Marktbeherrschung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt Monopolist ist, seine Waren oder Leistungen also als einziges anbietet oder als einziger Abnehmer nachfragt (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 4 Rz 35 f; Gugerbauer, Kartellgesetz und Wettbewerbsgesetz3 § 4 KartG Rz 23 f).

17.5. Die Entscheidung der Europäischen Kommission im Fusionskontrollverfahren Lufthansa‑Austrian Airlines steht dem nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung bestünden in Bezug auf die Flugstrecke Graz‑Frankfurt wie auch für diverse andere Flugstrecken, die ausschließlich von Lufthansa bedient werden, keinerlei wettbewerbliche Bedenken. Diese Entscheidung lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Marktmissbrauch übertragen. Zudem stammt die Entscheidung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2009. Zwischenzeitig hat sich gezeigt, dass der von der Europäischen Kommission angenommene potentielle Wettbewerb auf bestimmten Strecken keine Wirkung zeigt und es zu keinerlei Markteintritten kam. Die Antragsgegnerin vermag auch keine „potentiellen Wettbewerber“ anzuführen, die auf dieser Strecke ihre Marktmacht beschränken würden. Wenn jahrelang auf einer Strecke wie Graz-Frankfurt überhaupt kein Wettbewerb stattfindet, gibt es für die Annahme bestehenden oder potentiellen Wettbewerbs keine Grundlage.

17.6. Die Entscheidung des Bundeskartellamts vom 4. 9. 2004 (B 9‑56/09, TUIfly/Air Berlin) lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen, wurde dort doch auf den betreffenden Strecken ausdrücklich hinreichend Wettbewerb festgestellt. Die Entscheidung des EuG im Fall Niki Luftfahrt‑Kommission (EuG 13. 5. 2014, T‑162/10 Rz 239) betrifft nicht die Monopolstellung der Lufthansa auf der Strecke Graz‑Frankfurt, sondern die Erfüllung des Tatbestands der Punkte 68 ff der Leitlinien von 2004, sohin die Prognose, ob das Angebot des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens die gesamte Nachfrage auf den von den anmeldenden Parteien dominierten Strecken abdecken werde.

17.7. Soweit die Rekurswerberin argumentiert, die Vermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG könne widerlegt werden, trifft dies zwar grundsätzlich zu; die Antragsgegnerin hat jedoch keinerlei Vorbringen erstattet, das eine derartige Widerlegung begründen könnte. Bloße abstrakte Aussagen darüber, dass hohe Marktanteile auf bestimmten Märkten nicht unbedingt zu einer marktbeherrschenden Stellung führten, können ein entsprechendes konkretes Vorbringen, das für eine Widerlegung der Vermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG erforderlich wäre, nicht ersetzen.

17.8. Auch der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor. Ein Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG liegt nur dann vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschluss mit sich selbst im Widerspruch steht oder keine Begründung enthält. Diese Begründungsmängel entsprechen im Wesentlichen dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (RIS‑Justiz RS0121710; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 57 Rz 14). Ein derartiger Begründungsmangel liegt nur bei völligem Fehlen einer Begründung, nicht aber bei einer unrichtigen oder unzureichenden Begründung vor (16 Ok 7/11; 16 Ok 8/13; RIS‑Justiz RS0007484; Kodek aaO § 57 Rz 16).

17.9Entgegen den Rekursausführungen hat das Erstgericht Feststellungen zur Marktabgrenzung im Sinne des A‑Z‑Ansatzes getroffen, wobei sich das Erstgericht auf die Beurteilung des Sachverständigen stützen konnte. Die Feststellung, wonach die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin für die Flugstrecke Graz‑Frankfurt ist, begründete das Kartellgericht durch Verweis auf eine Beilage. Der Vorwurf, das Erstgericht habe kein Beweisverfahren durchgeführt bzw seine Feststellungen nicht begründet, geht daher ins Leere.

17.10Im Hinblick auf das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art 102 AEUV bzw § 4 Abs 1 KartG kommt es auf die Frage einer relativen Marktmacht nach § 4 Abs 3 KartG nicht gesondert an, weil diese bereits von Art 102 AEUV umfasst ist. Die relative Marktmacht wird nämlich unter dem Kriterium der Unternehmensstruktur berücksichtigt (Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 AEUV Rz 60). Demnach liegt eine Abhängigkeit von Abnehmern von dem fraglichen Unternehmen vor, wenn sie auf dieses wirtschaftlich angewiesen sind (essential trading partner). Ein von der Marktgegenseite nicht zu übergehender Geschäftspartner ist definitionsgemäß marktbeherrschend (Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 Rz 60; EuGH 13. 2. 1979, C‑85/76, Hoffmann‑La Roche/Kommission Rz 4; EuG 17. 12. 2003, T‑219/99, British Airways). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt.

17.11Aus der Entscheidung 16 Ok 8/05 ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil diese Entscheidung die Funktion der Reisebüros als Reiseveranstalter bei Pauschalreisen nicht berücksichtigt hat.

c) Zum Vorliegen eines Missbrauchs

18.1. Der persönliche Schutzbereich des § 5 Abs 1 Z 3 KartG umfasst Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens. Vertragspartner sind all jene Unternehmen, mit denen das beherrschende Unternehmen als Käufer oder Verkäufer in Geschäftsbeziehungen tritt (so zu Art 102 Abs 2 lit c AEUV, Eilmansberger/Bien in MünchKomm Kartellrecht I2 Art 102 AEUV Rz 274). Dabei sind nicht bloß mittelbare Vertragspartner erfasst, sondern alle Unternehmen, die auf einer vor‑ oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe tätig sind (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 5 Rz 51).

18.2Unzutreffend ist der Einwand, Reisebüros seien keine auf der nachgelagerten Wirtschaftsstufe stehenden Abnehmer der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin übersieht nämlich die Funktion der Reisebüros als Reiseveranstalter bei Pauschalreisen. In diesen Fällen kaufen Reisebüros ein gewisses Kontingent an Flugtickets und tragen das Risiko, dass diese nicht weiter verkauft werden können. Dieses Risiko kann zwar durch Stornobedingungen je nach Vereinbarung abgestuft sein; ein gewisses Eigenrisiko der Reisebüros bleibt jedoch.

18.3Im Übrigen sind auch bloße Vermittler als Handelspartner im Sinne des Art 102 AEUV zu verstehen (Europäische Kommission 20. 10. 2004, Comp 38.745, BDKET Rz 91 f; Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 AEUV Rz 208). Demgemäß hat der EuGH auch bereits entschieden, dass Reisevermittler den Begriff des Handelspartners erfüllen (EuGH 15. 3. 2007, C‑95/04p, British Airways Rz 133 ff). Zutreffend hat das Erstgericht daher Reisebüros nicht nur aufgrund ihrer Funktion als Reiseveranstalter, sondern auch als Reisevermittler unter den Begriff Vertragspartner bzw Handelspartner der Antragsgegnerin im Sinne des Art 102 lit c AEUV bzw § 5 Abs 1 Z 3 KartG angesehen.

19.1. Eine Diskriminierung gemäß § 5 Abs 1 Z 3 KartG scheidet aus, wenn die unterschiedlichen Bedingungen sachlich gerechtfertigt sind (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 5 Rz 52). Als Rechtfertigungsgründe kommen vor allem unterschiedliche Produktions‑, Transport‑ und Vermarktungskosten in Betracht (Reidlinger/Hartung, Kartellrecht3 137; Schröter/Bartl in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbs-recht2 Art 102 AEUV Rz 250). Derartige Gründe sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich.

19.2. Der Umstand, dass Fehler im System der GDS unter Umständen auch zugunsten der österreichischen Kunden ausfallen könnten, vermag daran nichts zu ändern. Im Übrigen handelt es sich dabei um eine bloß theoretische Möglichkeit, die nicht durch konkrete erstgerichtliche Feststellungen gedeckt ist.

20Das weitere Argument der Antragsgegnerin, dass ohnehin alle österreichischen Reisebüros von der verpönten Diskriminierung betroffen seien, ändert nichts an der Diskriminierung, sondern zeigt lediglich deren Umfang auf. Das Vorbringen des Antragstellers zielt gerade nicht auf die Diskriminierung zwischen Kunden verschiedener österreichischer Reisebüros, sondern zwischen Kunden, die ihre Buchungen in unterschiedlichen Ländern durchführen. Im Übrigen trifft das Argument der Antragsgegnerin auch deshalb nicht zu, weil größere Reisebüros mit Niederlassungen in verschiedenen europäischen Ländern das Preissystem der Antragsgegnerin ausnützen und über ihre Niederlassungen die gewünschten Flugtickets in unterschiedlichen Ländern kaufen. Damit werden größere Reisebüros mit Niederlassungen in verschiedenen europäischen Ländern bevorzugt; ein österreichisches Reisebüro ohne solches Filialnetz verfügt über diese Möglichkeit nicht.

d) Zur Verordnung (EG) Nr 1008/2008

21.1. Die Verordnung (EG) Nr 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (vgl dazu Pegatzky/Rockstroh, Die Reform des europäischen Luftverkehrsrechts durch die Verordnung (EG) Nr 1008/2008, ZLW 2009, 541) betont das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Orts der Niederlassung des Reisebüros. Nach Art 23 Abs 2 leg cit muss „der Zugang zu den der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreisen und Luftfrachtraten für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts des Kunden oder des Niederlassungsorts des Bevollmächtigten des Luftfahrtunternehmens oder sonstiger Flugscheinverkäufer innerhalb der Gemeinschaft gewährt“ werden. „Öffentlich zugängliche Flugpreise“ im Sinne des Art 23 leg cit sind insbesondere jene, die im Internet veröffentlicht werden (Pegatzky/Rockstroh aaO ZLW 2009, 563 f).

21.2. Die explizite Normierung dieses Verbots in Art 23 Abs 2 Verordnung (EG) Nr 1008/2008 ändert nichts daran, dass die Handlung bereits aufgrund der Missbrauchstatbestände des Art 102 AEUV bzw § 5 KartG als rechtswidrig zu qualifizieren sind, ist Art 23 Abs 2 leg cit doch keine abschließende Regelung. Es kann nicht unterstellt werden, dass der europäische Verordnungsgeber hier den im Missbrauchsverfahren sonst offenstehenden Individualrechtsschutz einschränken wollte. Aus dem selben Grund ist auch die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 169 Abs 1 Z 3 lit a LuftfahrtG keine abschließende Regelung (16 Ok 13/08 = OZK 2009, 156 [Fischer]; 16 Ok 11/04 = ecolex 2005, 301 [Primayer]).

e) Zur Formulierung des Abstellungsauftrags

22.1. Nicht gefolgt werden kann dem Rekurs der Antragsgegnerin, wonach der Spruch der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend bestimmt sei. Dabei stützt sich die Antragsgegnerin auf die Entscheidung 16 Ok 20/04. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Abstellung von „Diskriminierung bei der Vergabe von Filmkopien, bei Konditionen und bei Werbung, diskriminierende Geschäftspolitik, Intransparente Filmvergabe, Konditionenmissbrauch und Boykott bzw Aufruf zum Boykott“ als nicht ausreichend bestimmt beurteilt. Dies lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht übertragen.

22.2. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Abstellungsauftrag enthalte „völlig unbestimmte Begriffe“, wodurch das konkret von der Antragsgegnerin gesetzte und künftig zu unterlassende missbräuchliche Verhalten nicht hinreichend klar zum Ausdruck komme, ist lediglich eine Schutzbehauptung. Der Begriff „in Österreich befindlich“ ist schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch völlig eindeutig. Auch die Formulierung „gleichwertige Buchungsanfragen“ ist im konkreten Kontext zweifellos dahin zu verstehen, dass darunter idente Buchungsanfragen zu verstehen sind, die zum selben Zeitpunkt von zwei unterschiedlichen Ländern aus getätigt werden.

22.3. Die Wendung „unterschiedliche Preise und Konditionen“ ist im Zusammenhalt mit dem Kontext und der Begründung des angefochtenen Beschlusses ausreichend bestimmt. Im Hinblick auf die deutliche Formulierung, wonach der Antragsgegnerin untersagt wird, „ höhere Preise zu verlangen“, ist auch klargestellt, dass das Verbot nicht umfasst, österreichischen Reisebüros günstigere Preise anzubieten. Die diesbezügliche Argumentation der Rekurswerberin geht daher ebenso ins Leere wie ihre Behauptung, der Begriff „Konzerngesellschaften“ sei unklar.

23.1. Berechtigt ist der Rekurs jedoch, soweit er sich gegen die Reichweite des ausgesprochenen Unterlassungsgebots wendet.

23.2. Nach der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission umfassen Unterlassungsaufträge neben dem von den Unternehmen konkret gesetzten Verhalten oft auch Maßnahmen mit gleicher oder ähnlicher Wirkung (de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht² Art 7 VO 1/2003 Rz 10; Bechtold/Bosch/Brinker, EU‑Kartellrecht³ Art 7 VO 1/2003 Rz 14; Breit in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht² Art 7 VO 1/2003 Rz 10).

23.3. Nach völlig herrschender Lehre und Rechtsprechung zum UWG darf die Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens grundsätzlich nicht allzu streng beurteilt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist daher schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Daher ist ein Begehren auf Verurteilung zur Unterlassung „ähnlicher“ oder „derartiger“ Störungen oder eine allgemeinere Fassung der tatsächlich erfolgten Störung im Titel zulässig (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rz 133 mwN).

23.4In der Entscheidung 16 Ok 11/03 übernahm der Oberste Gerichtshof zunächst die Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht. Demnach sei das Bestimmtheitsgebot bei Unterlassungsbegehren nicht allzu streng auszulegen. Dies habe auch für die kartellgerichtlichen Abstellungsaufträge zu gelten. Ausgehend davon sei auch die Anordnung es zu unterlassen, Schnurlosendgeräte zu verkaufen, die den Anschein erwecken, dass der Verbindungsnetzbetrieb gesperrt sei, als ausreichend bestimmt anzusehen.

23.5. Nach neuerer Rechtsprechung ist im Kartellverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht (16 Ok 11/04, „TikTak-Tarif“; 16 Ok 13/08 = SZ 2009/5, Kombipaket). Dies wird damit begründet, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (§ 29 Z 2 KartG). Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante – sei sie auch noch so geringfügig – eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird (vgl dazu RIS‑Justiz RS0000878 [T10]; 3 Ob 117/17b uva), die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 11/04, TikTak‑Tarif mwN; 16 Ok 13/08).

23.6Für die grundsätzliche Beschränkung der Untersagung auf bereits konkret gesetzte Verstöße spricht auch, dass dem Kartellrecht – im Gegensatz zum Lauterkeitsrecht – vorbeugende Unterlassungsklagen zur Verhinderung künftigen verbotswidrigen Verhaltens fremd sind (16 Ok 7/02, Styropor; 16 Ok 13/08; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz² § 26 Rz 24). Dies schließt freilich eine weitere Fassung des Spruchs im Sinne der im Vorigen wiedergegebenen Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission nicht aus, sofern der Inhalt des Verbots und die rechtliche Gleichwertigkeit der mitverbotenen Verhaltensweisen keinem Zweifel unterliegen kann.

23.7. Daraus ist für den Rechtsstandpunkt des Antragstellers im vorliegenden Verfahren jedoch nichts zu gewinnen:

Nach der A‑Z‑Abgrenzung ist der hinsichtlich des Spruchpunkts I.2 relevante Markt bloß die Strecke Graz‑Frankfurt. Nur hinsichtlich dieses Markts wurde Marktherrschaft und ein Verstoß gegen § 5 Abs 1 Z 3 KartG festgestellt. Zu den vom Wortlaut des Abstellungsantrags umfassten weiteren Strecken hat das Erstgericht diesbezüglich trotz aktenmäßiger Anhaltspunkte (vgl die Aufstellung Beilage ./L) bisher keine Feststellungen getroffen. Wenngleich die Antragsgegnerin auf einigen weiteren Strecken alleinige Fluganbieterin ist (so etwa für die Strecke Wien‑München), ist auf dieser Grundlage wegen der Notwendigkeit, auch den potentiellen Wettbewerb zu berücksichtigen, eine abschließende rechtliche Beurteilung noch nicht möglich. Bei Flugstrecken mit geringeren Marktanteilen (so besteht auf der Strecke Wien‑Gran Canaria ein Marktanteil von bloß 50 %) ist die diesbezügliche Beurteilung noch schwieriger.

23.8Insoweit war dem Rekurs daher im Sinne des Eventualantrags teilweise Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Abstellungsantrag mit Ausnahme der Strecke Graz‑Frankfurt aufzutragen. Dabei wird das Erstgericht im Sinne des § 182a ZPO (iVm § 14 AußStrG und § 38 KartG) die Fassung des Unterlassungsgebots mit den Parteien zu erörtern und die Antragstellerin zu einer Präzisierung ihres Antrags anzuhalten haben (vgl 16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 14/04, Styria Media AG; 16 Ok 8/08; 16 Ok 13/08), ist derzeit doch nicht ersichtlich, auf welche konkreten anderen Strecken sich dieser Antrag bezieht.

23.9Dass die Antragstellerin die Verwendung unterschiedlicher Preise auf der Strecke Graz‑Frankfurt bekämpft, kann im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang ihrer Antragsausführungen keinen Zweifel unterliegen. Insoweit konnte daher das Unterlassungsbegehren mit Teilentscheidung (vgl Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 239) abschließend erledigt werden.

f) Leistungsfrist

24.1. Die Antragsgegnerin fordert überdies die Einräumung einer sechsmonatigen Leistungsfrist. Diesbezüglich verweist sie auf die Rechtsprechung zu einer Verpflichtung zur Änderung allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl 9 Ob 7/15t). Auch in kartellrechtlichen Verfahren seien bereits angemessene Leistungsfristen zuerkannt worden (16 Ok 13/08 = OZK 2009, 156 [Fischer]). In dieser Entscheidung wurde eine Leistungsfrist jedoch bloß deshalb gewährt, um eine entsprechende Disposition der Kunden zu ermöglichen, die eine lückenlose Telekommunikationsversorgung und Beibehaltung ihrer Rufnummer gewährleistet (16 Ok 13/08 Pkt 3.28).

24.2. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass der Abstellungsauftrag (auch) die Verpflichtung zu einem aktiven Tun beinhaltet, nämlich für die zukünftige Vermeidung einer Preisdiskriminierung durch die GDS zu sorgen. Insoweit erscheint daher die Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist (vgl schon 16 Ok 13/08) grundsätzlich sachgerecht.

24.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitig in einer eingehend begründeten Entscheidung zur Notwendigkeit einer Leistungsfrist für das Sich‑Berufen auf unzulässige Klauseln Stellung genommen (9 Ob 82/17z; ebenso 6 Ob 56/18f). Demnach ist die Frage, ob hier eine Leistungsfrist einzuräumen ist, nicht generell nach dem Alles‑oder‑Nichts‑Prinzip zu beantworten. Vielmehr kann es Klauselwerke geben, die ein sofortiges Abstandnehmen von einem Sich‑darauf‑Berufen erlauben und zur Umsetzung dieses Unterlassungsgebots keine weiteren aktiven Vorkehrungen erfordern. Ebenso kann es aber Klauselwerke geben, die sehr wohl bestimmter betrieblicher und/oder organisatorischer Maßnahmen bedürfen, um zu verhindern, dass sie weiter der Gestion von Altverträgen zugrunde gelegt werden. Im vom 9. Senat zu beurteilenden konkreten Fall waren Gründe, warum das Unterlassungsgebot bezüglich der dort beurteilten Klauseln keiner oder einer anderen Umsetzungsfrist bedürften, nicht ersichtlich, zumal die Klauseln auch abrechnungsrelevante Entgeltbemessungen beträfen, deren Außerachtlassung einer Systemanpassung bedürfen werden.

24.4. Diese Überlegungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. In Anbetracht des Umstands, dass für eine Behebung der angezeigten unterschiedlichen Preise eine Mitwirkung der GDS erforderlich ist und dazu auch technische Maßnahmen notwendig sein werden, die (wie die Ergebnisse der bisherigen Arbeitsgruppe zeigen) offenbar nicht ganz einfach zu bewerkstelligen sind, ist eine Leistungsfrist von sechs Monaten angemessen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin der Fehler schon längere Zeit bekannt war, sodass sie daher schon Gelegenheit hatte, entsprechende Vorbereitungsschritte zu dessen Beseitigung zu setzen.“



Bekannt gemacht am 13.05.2019

Änderung

Schlagworte von ebenso 16 Ok 2/18g, Abstellungsverfahren, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Verkäufe von Flugtickts über Vermittlung von österreichischen Reisebüros, Distribution Cost Charge (DCC), Global Distribution Systems (GDS), Preis- und Konditionsmissbrauch auf ebenso 16 Ok 2/18g vom 12.07.2018, Abstellungsverfahren, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Verkäufe von Flugtickts über Vermittlung von österreichischen Reisebüros, Distribution Cost Charge (DCC), Global Distribution Systems (GDS), Preis- und Konditionsmissbrauch geändert.


Ausdruck vom: 28.03.2024 19:18:39 MEZ