Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Zusammenschluss
27 Kt 65/14
Bundeskartellanwalt
Bundeswettbewerbsbehörde
Ankerbrot AG
Zusammenschluss
verbotene Durchführung
Backwaren und Dauerbackwaren
13.04.2015
27.01.2015
Über die Antragsgegnerin wird wegen der Verstöße gegen das Durchführungsverbot (§ 17 Abs 1 KartG), indem sie
1. am 4.2.2014 durch Löschung der selbständigen Vertretungsbefugnis des einzigen Vorstandsmitglieds der Ankerbrot Aktiengesellschaft und der gleichzeitigen Bestellung eines weiteren Mitglieds in diesen Vorstand aufgrund der Personengleichheit mit der Ancora Holding GmbH den Zusammenschlusstatbestand des § 7 (1) Z 4 KartG erfüllt hat und durch die gemeinsame Unterzeichnung des entsprechenden Firmenbuchantrages vom 4.2.2014 auch mindestens eine Durchführungshandlung gesetzt hat, die bis zur Genehmigung des Zusammenschlusses am 4.7.2014 eine rechtswidrige Durchführung eines Zusammenschlusses bewirkte, sowie
2. die Ancora Holding GmbH am 1.5.2014 in rechtswidriger Form (zumindest die gemeinsame) Kontrolle über die Salos Beteiligungsverwaltungs GmbH und somit auch über Ankerbrot Aktiengesellschaft erworben hat, indem an die Ancora Holding GmbH 60% der Gesellschaftsanteile der die Ankerbrot Aktiengesellschaft alleine haltenden Salos Beteiligungsverwaltungs GmbH von der Famos GmbH, Mühlenstraße 21, D-49664 Cloppenburg, übertragen wurde, wodurch dieser Zusammenschluss ebenfalls in rechtswidriger Form bis zum 4.7.2014 durchgeführt wurde.
gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 20.000,-- verhängt.
Begründung
Die Antragsgegnerin ist eine zu FN 27721b (HG Wien) im Firmenbuch eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien. Ihr Geschäftsbereich sind Backwaren und Dauerbackwaren.
Vor den hier verfahrensrelevanten Erwerbsvorgängen wurde die Antragsgegnerin zu 100% von der Salos Beteiligungsverwaltungs GmbH („Salos GmbH“) mit Sitz in Wien gehalten, deren Geschäftsführer Peter Ostendorf und Mag. Bernhard Angel sind (FN 223262b, Beilage /C).
Die Salos GmbH wurde zu 60% von der Famos GmbH mit Sitz in Cloppenburg (D), deren Geschäftsführer Klaus Dieter Ostendorf und Peter Ostendorf waren, und zu 40% von der Olchra GmbH mit Sitz in München (D), deren Geschäftsführer DI Michael Phillips war, gehalten.
Mit Vertrag vom 9.12.2013 wurde die Ancora Holding GmbH („Ancora GmbH“) gegründet, an der die Austro Holding GmbH („Austro GmbH“) zu 31,25%, die Rudolf ÖLZ Meisterbäcker GmbH & Co KG („ÖLZ“) zu 31,25%, die Nomos Beteiligungsverwaltungs GmbH (kontrolliert durch die Perseus Privatstiftung des Gründers Armin Burger) zu 12,5% sowie Peter Ostendorf selbst zu 25% beteiligt sind. Dies war bereits eine Handlung zur Übernahme der Kontrolle der Antragsgegnerin . Eine unmittelbare Ausübung der mit den Anteilsrechten verbundenen Rechte vom Zeitpunkt der Gründung der Ancora GmbH bis zur unten dargestellten ersten Durchführungshandlung am 4.2.2014 ist nicht feststellbar.Die Eintragung der Ancora GmbH im Firmenbuch erfolgte am 18.12.2013, ihre Eintragung als Gesellschafterin der Antragsgegnerin jedoch erst im Mai 2014.
Mit 1.5.2014 wurde nämlich die Beteiligung der Famos GmbH an der Salos GmbH gelöscht und statt dessen die Ancora GmbH als 60%-ige Gesellschafterin eingetragen. Damit stellen sich die Beteiligungen wie folgt dar:
(ON 1 S 7).
Mit 4.2.2014 wurde die alleinige selbständige Vertretung der Antragsgegnerin durch Peter Ostendorf, der bis dahin deren alleiniger Vorstand war, gelöscht und lt. Firmenbuch eine Vertretung gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen eingeräumt. Mag. Bernhard Angel wurde mit Wirksamkeit vom 4.2.2014 als weiteres Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin ins Firmenbuch eingetragen. Der von beiden Vorständen firmenmäßig unterzeichnete Schriftsatz zur Anmeldung dieses Vorgangs langte beim Firmenbuchgericht am 6.2.2014 ein. Am 7.2.2014 wurde der Vorgang im Firmenbuch eingetragen. Mit dieser Eintragung entstand Personengleichheit der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes der Ancora GmbH und der Antragsgegnerin.
Der Erwerb der von der Famos GmbH gehaltenen 60% der Geschäftsanteile an der Salos GmbH durch die Ancora GmbH wurde mit Zusammenschlussanmeldung vom 18.6.2014 bei der BWB zu BWB/Z-2357 (Ancora; Salos) nachträglich angemeldet. Da die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichteten, wurde er am 4.7.2014 nachträglich genehmigt. Damit wurde die verbotene Durchführung des Zusammenschlusses beendet.
Am 7.4.2014 wurde bei der Bundeswettbewerbsbehörde zu BWB/Z-2304 der beabsichtigte Erwerb einer Beteiligung im Ausmaß von 20% am Stammkapital der Salos GmbH durch die Austro GmbH als Zusammenschluss angemeldet. Dadurch überstieg die mittelbare Beteiligung der Austro GmbH am einzigen von der Salos GmbH gehaltenen Unternehmen, der Antragsgegnerin, 25% des Grundkapitals (durchgerechnet 38%).
Damit stellten sich die Beteiligungsverhältnisse wie folgt dar:
(ON 1 S 8).
Die Amtsparteien beantragten zu 24 Kt 47, 48/14 die Prüfung dieses Zusammenschlusses, da Bedenken hinsichtlich einer Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin unter anderem durch die Beteiligung der ÖLZ bestanden. Da diese Bedenken im Zuge der Prüfung des Zusammenschlusses ausgeräumt werden konnten, zogen die Amtsparteien am 4.7.2014 die Prüfungsanträge zurück. Durch diesen Zusammenschluss wurden die Vorgänge um den Erwerb des Anteils von 60% an der Salos GmbH durch die Ancora GmbH nicht berührt.
Eine Bereicherung der Antragsgegnerin durch die verbotene Durchführung trat nicht ein.
Die Austro GmbH erzielte im Jahr 2013 einen Umsatz von EUR xxx Mio (davon EUR xxx Mio in Österreich), die Antragsgegnerin einen Umsatz von EUR xxx Mio (davon EUR xxx Mio in Österreich) und ÖLZ einen Umsatz von EUR xxx Mio (davon EUR xxx Mio in Österreich). Der Gesellschafter Peter Ostendorf selbst sowie die Nomos Beteiligungsverwaltung erzielten 2013 keine nennenswerten Umsätze. 2014 erzielte die Antragsgegenerin einen Umsatz von EUR xxx Mio (vorläufiges Ergebnis).
Dieser Sachverhalt ist nicht strittig.
Mit dem am 4.11.2014 beim Kartellgericht eingelangten Antrag beantragte der Bundeskartellanwalt die Verhängung einer Geldbuße von EUR 20.000,-- gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG. Er stellte die Erwerbsvorgänge detailliert dar und brachte vor, dass die Rechtsverletzung mit der Wirksamkeit der Bestellung des der Austro GmbH zuzurechnenden Vorstandsmitglieds am 4.2.2014 begonnen und mit dem Wegfall des Durchführungsverbotes am 4.7.2014 beendet worden sei, somit rund 5 Monate betragen habe. Eine unmittelbare Bereicherung aus der Nichtanmeldung habe sich lediglich vorübergehend aus der Vermeidung von Anmeldegebühren und anwaltlichen Vertretungskosten ergeben. Diese seien durch die spätere Anmeldung sowie das vorliegende Verfahren deutlich höher wieder angefallen. Inwieweit durch die Beteiligung der Ancora GmbH Finanzierungskosten reduziert werden hätten können, könne nicht gesagt werden. Zu Ausschüttungen an die Gesellschafter sei es nicht gekommen, vielmehr habe die Notwendigkeit von Nachschüssen bestanden. Auf Grund der Komplexität des Sachverhaltes sei das Verschulden der Antragsgegnerin als gering einzustufen, da die Anmeldepflicht durch Personengleichheit ausgelöst worden sei. Erschwerungsgründe lägen nicht vor. Die Offenlegung des Sachverhalts gegenüber den Amtsparteien durch die Antragsgegnerin sowie die Beendigung der Rechtsverletzung aus eigenem seien als Milderungsgrund zu werten.
Die Bundeswettbewerbsbehörde schloss sich in ihrem am 10.11.2014 beim Kartellgericht eingelangten Schriftsatz den inhaltlichen und rechtlichen Ausführungen des Bundeskartellanwalts an und stellte einen inhaltsgleichen Antrag.
Die Antragsgegnerin stellte das Tatsachenvorbringen der Amtsparteien außer Streit, trat der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nicht entgegen und sprach sich nicht gegen die Verhängung einer Geldbuße in der beantragten Höhe aus. Sie hob die vom Bundeskartellanwalt angeführten Milderungsgründe hervor. In der nur vorläufigen Ersparnis von Anmeldegebühren und Anwaltskosten sei ebenso wenig eine Bereicherung gelegen wie in einer Reduzierung der Finanzierungskosten der Antragsgegnerin durch die Beteiligung der Ancora GmbH.
Der eingangs dieser Entscheidung dargestellte unstrittige Sachverhalt, der sich auch aus dem Akt 24 Kt 47, 48/14 und den vorgelegten Urkunden Beilagen /A bis /F ergibt, ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Ein Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf im Sinne des § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ
A) kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Kommission anmeldepflichtig ist (Artikel 21 FKVO),
B) alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,
C) die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und
D) der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat.
Zu A): Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung liegt hier nicht vor, da die Umsatzschwellen des Artikel 1 Abs 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr 139/2004 (EG-Fusionskontrollverordnung) nicht erreicht werden.
Zu B): Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:
1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio,
2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und
3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio.
Im Hinblick auf die festgestellten Umsätze der beteiligten Unternehmen sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.
Zu C):
Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG wurde nicht behauptet und liegt nicht vor.
Zu D):
Auch die hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG ist gegeben.
Somit lagen die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des Zusammenschlusses vor.
Nach § 7 Abs 1 Z 4 KartG gilt das Herbeiführen der Personengleichheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder der zur Geschäftsführung berufenen Organe oder der Aufsichtsräte von zwei oder mehreren Gesellschaften, die Unternehmer sind, als Zusammenschluss. Mit der Löschung der selbständigen alleinigen Vertretung von Peter Ostendorf bei der Antragsgegnerin, der Einräumung der Vertretung gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen und der Eintragung von Mag. Bernhard Angel als weiteres Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin ins Firmenbuch entstand Personengleichheit der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes der Ancora GmbH und der Antragsgegnerin. Bei der Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 4 KartG handelt es sich um einen Formaltatbestand, der von einer mindestens 50%-igen Übereinstimmung in den relevanten Organen von zwei Gesellschaften ausgeht, auch wenn die Mehrheitserfordernisse in diesen Organen höher angesetzt wären, sodass ein Auftreten der Gesellschaften als eine wirtschaftliche Einheit keineswegs gesichert wäre (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 7 Rz 55).
Die erste Durchführungshandlung in Form der firmenmäßigen Unterzeichnung des Antrags zur Eintragung der Änderungen an das Firmenbuchgericht am 4.2.2014 verstieß somit gegen das Vollzugsverbot des § 17 Abs 1 KartG.
Die Löschung der Beteiligung der Vamos GmbH an der Salos GmbH und die stattdessen erfolgte Eintragung der Ancora GmbH als 60%-ige Gesellschafterin der Salos GmbH mit 1.5.2014, mit der die Ancora GmbH Kontrolle auch über die Antragsgegnerin erwarb, verstieß ebenfalls gegen das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG.
Mit der nachträglichen Genehmigung des zu BWB/Z-2357 (Ancora; Salos) angemeldeten Zusammenschlusses fiel das Durchführungsverbot am 4.7.2014 weg.
Daher war hinsichtlich des Zeitraumes 4.2.2014 bis 4.7.2014 gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG über die Antragsgegnerin eine Geldbuße zu verhängen.
Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre. In solchen Fällen muss die Geldbuße eine solche Höhe erreichen, dass sie spürbar ist und zum Ausdruck bringt, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein Kavaliersdelikt ist (16 Ok 2/13).
Die Dauer der Rechtsverletzung betrug nur rund 5 Monate. Eine erzielte Bereicherung war nicht feststellbar.
Zum Grad des Verschuldens ist anzuführen, dass international tätige Unternehmen Kenntnisse der Grundzüge des europäischen, aber auch des nationalen Fusionsrechts aufweisen müssen, insbesondere wenn Tochtergesellschaften auf diesen Märkten tätig sind.
Allerdings war der hier zu beurteilende Sachverhalt komplex und in seiner rechtlichen Tragweite nicht leicht durchschaubar (RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Zusammenschluss nicht den Erwerb der alleinigen Kontrolle, sondern lediglich der Mitkontrolle umfasste. Überdies handelt es sich um den „Formaltatbestand“ der Personengleichheit. Der Zusammenschluss stellt ein untersagungsfernes Zuwiderhandeln gegen eine bloße Formvorschrift dar und ist daher im Ergebnis milder zu beurteilen (16 Ok 2/13).
Erschwerungsgründe iSd § 30 Abs 2 KartG liegen nicht vor. Als Milderungsgrund ist anzusehen, dass die Antragsgegnerin die Rechtsverletzung aus eigenem durch die Anmeldung des Zusammenschlusses beendete.
In Abwägung der dargestellten Bemessungskriterien ist die Verhängung einer Geldbuße in der beantragten Höhe, über die das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht hinausgehen kann, angemessen, um die general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht zu berücksichtigen.
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