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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 1/22t


Bekannt gemacht am:

12.10.2022

Entscheidungsdatum:

01.06.2022


Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 wegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV in Form von kartellrechtswidrigen Preis- und Konditionsabsprachen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern durch wechselseitige Abgabe von Deckangeboten, durch Abstimmung von Preisen und Preiserhöhungen wie insbesondere für Kundendienstleistungen, Entsorgungskosten, Montagekosten, Nachtermintarife und Austauschkosten sowie durch systematischen Austausch von wettbewerblich sensiblen Informationen, wie insbesondere über Preise, Ausschreibungen, Kunden sowie potentielle Kunden und Geschäftsbedingungen sowohl im Rahmen von organisierten Vereinssitzungen der Wettbewerber als auch außerhalb dieser zwischen Wettbewerbern im Bereich Submetering in Österreich im Zeitraum von zumindest Juli 2004 bis Februar 2019 eine Geldbuße in der Höhe von EUR 2.200.000,-- (EUR 2,2 Mio) verhängt.


Begründung:

Die Antragsgegnerin ist eine Energiedienstleisterin, die weltweit tätig ist und deren Kerngeschäft im Submetering liegt. Submetering umfasst die individuelle Erfassung und Abrechnung von Heiz-, Warmwasser- sowie Kaltwasserkosten in Gebäudeeinheiten zur privaten und gewerblichen Nutzung (Wohngebäude, Bürogebäude, etc.), wobei darunter nicht nur das Ablesen und Abrechnen der Heizkostenverteiler/Wärmezähler/Wasserzähler oder die Erstellung der Abrechnung zu verstehen ist, sondern auch die Gebrauchsüberlassung (idR Miete oder Verkauf) der genannten Geräte. Während Metering die verursachergerechte Abrechnung von Energielieferungen bis zu einer Liegenschaft betrifft, umfasst Submetering die Dienstleistung im Zusammenhang mit der Aufteilung der Energielieferungen auf die Nutzer bzw. Einheiten der Liegenschaft.

Die Antragsgegnerin bietet im Bereich Submetering von der Beratung über die Lieferung und Installation von Mess- und Erfassungsgeräten für die Verbrauchserfassung und deren Abrechnung bis hin zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs von Betriebskosten Dienstleistungen an. In Österreich betreut Ista die Verbrauchserfassung und -abrechnung für rund 450.000 Wohneinheiten.

Die Antragsgegnerin wird von der ista International GmbH (Deutschland)kontrolliert und ist Teil der weltweit agierenden ista-Gruppe. In Österreich ist die ista-Gruppe nur durch die Antragsgegnerin sowie durch die GTE GmbH & Co KG und die GTE GmbH tätig. Die Antragsgegnerin hält an der GTE GmbH & Co KG sowie an der GTE GmbH jeweils eine Beteiligung von über 25 %. Diese zuletzt genannten Gesellschaften sind nicht im Submetering tätig.

Die ista-Gruppe erzielte im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatz von über EUR XXX Mio.

Die BWB beantragte am 8.2.2022 die Verhängung einer Geldbuße in der Höhe von EUR 2,200.000,-- gegen die Antragsgegnerin und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass es im Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2019 zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerberinnen zu kartellrechtswidrigen horizontalen Absprachen und zum Austausch wettbewerblich sensibler Geschäftsinformation gekommen sei, die österreichweit stattgefunden haben. Diese kartellrechtswidrigen Praktiken seien sowohl im Rahmen der Treffen des Verbandes österreichischer Messdienst- und Energiedienstleister („in der Folge: Branchenverband) als auch außerhalb dieser zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerberinnen vereinbart worden. Im Rahmen von Treffen des Branchenverbandes habe regelmäßig zwischen der Antragsgegnerin und den Mitbewerbern D. und deren echter Handelsvertreterin D1 und der M. Unternehmens-Gruppe, ein Austausch über wettbewerblich sensible Informationen stattgefunden. Ein Informationsaustausch von wettbewerblich sensiblen Daten habe aber auch außerhalb der Branchenverbandssitzungen stattgefunden.

Die Preis- und Konditionenabsprachen sowie der Vereinbarung von Legung von Deckangeboten haben überwiegend außerhalb von Verbandstreffen stattgefunden und sich meist auf konkrete Kunden bezogen.

Von den Preisabsprachen mit Mitbewerbern seien Kundendiensttarife, Angebots- und Montagepreise betroffen gewesen. Weiters seien Informationen über den Preis für den Austausch von Boilerzählern wechselseitig bekanntgegeben worden, sowie die Abstimmung über die Weitergabe der Entsorgungskosten von Messampullen für Heizkostenverteiler auf Verdunstungsbasis getroffen worden. Zwischen Mitbewerbern seien einheitlich Tarifanpassungen und Preiserhöhungen für die nächsten Abrechnungsperioden vorgenommen worden. Im Zusammenhang mit Montagekosten seien preisliche Untergrenzen zwischen den Mitbewerbern festgelegt worden. Weiters seien Tarife für die Entsorgung von Altampullen und Litium-Ionen-Batterien zwischen der Antragsgegnerin und Mitbewerbern einheitlich festgelegt worden.

Zusätzlich zu den Preisabstimmungen und -absprachen seien zwischen den Mitbewerbern wettbewerblich sensible Daten ausgetauscht worden.

Um dies systematisch durchführen zu können, habe die Antragsgegnerin gemeinsam mit den Mitbewerberinnen D. und M. den Branchenverband gegründet. Im Rahmen dieser Verbandssitzungen seien unterschiedlichste, die Wettbewerbssituation auf dem Markt des Submeterings betreffende Informationen ausgetauscht worden, wie Informationen über die Anwendungen des Lageausgleiches, über die Vor- und Nachteile der Gerätemiete vs. Gerätebereitstellung, über die Abrechnungsmodalitäten. Die Verbandsssitzungen seien weiters dafür genutzt worden, wechselseitig die Preise und Preislisten auszutauschen. Vereinzelt sei es auch zum Austausch der Informationen über die Menge der betreuten Anlagen je Kunde untereinander gekommen. Im Rahmen der Sitzungen seien darüber hinaus auch Preislisten von nicht an den Verbandssitzungen teilnehmenden Wettbewerbern thematisiert und analysiert worden, sowie die Weitergabe der Kosten von Nachterminen und Nachsonderterminen an die Kunden abgestimmt worden. Darüber hinaus sei es dazu gekommen, dass die Mitbewerber, insbesondere die Mitglieder des Branchenverbandes, sich wechselseitig über ihnen bekanntgewordene Ausschreibungen informierten, um auf diesem Weg eine Kontrolle über das Marktgeschehen zu haben. Schließlich seien auch sonstige Geschäftsbedingungen wechselseitig bekanntgegeben worden und die Ausformulierung der Vertragsbestimmungen abgestimmt worden. Dieser Informationsaustausch habe überwiegend während der Verbandssitzungen stattgefunden. Jedoch auch außerhalb dieser Sitzungen haben sich die Mitbewerber mit sensiblen Informationen versorgt, wobei dabei auch andere Mitbewerber, die nicht Verbandsmitglieder waren, beteiligt waren.

Der Branchenverband als Informationsplattform:

Der von der Antragsgegnerin, M. und D. im Jahr 2012 gegründete Branchenverband sei von den Vereinsmitgliedern von Anfang an als Vehikel zum Informationsaustausch verstanden worden. Die Vereinsgründerinnen Ista, M. und D. hätten Beitrittswünschen von anderen Mitbewerbern nicht entsprochen, womit offensichtlich eine Strategie der Marktabschottung, welche die kartellrechtswidrigen Absprachen absichern sollten, verfolgt worden sei. So sei das Aufnahmekriterium für die Mitgliedschaft, das anfänglich an die Mindestzahl des Wohnungsbestandes für Submeteringdienstleistungen von 10.000 angeknüpft habe, auf 100.000 Wohnungen im Bundesgebiet erhöht worden. Dieses Mindestaufnahmekriterium sei nur infolge von Beitrittsanfragen von Mitbewerbern erhöht worden, um auf diesem Weg die Bewerber von der Mitgliedschaft auszuschließen.

Wechselseitige Abgabe von Deckangeboten:

In den Jahren 2014 und 2019 seien von ista Deckangebote bei Mitbewerbern eingefordert (aktive Deckangebote) und in den Jahren 2006, 2008, 2010, 2011 und 2015 seien von ista Deckangebote für Mitbewerberinnen abgegeben worden (passive Deckangebote), um auf diesen Weg entweder der Antragsgegnerin oder anderen vorher vereinbarten Mitbewerbern den Auftrag zukommen zu lassen.

Zur Ausmittlung der beantragten Geldbuße brachte die BWB vor:

Für die Bemessung der Geldbuße wurden der im Jahr 2021 erwirtschaftete Umsatz der ista-Gruppe, sowie der Umsatz der Antragsgegnerin im von der Zuwiderhandlung hauptsächlich betroffenen Bereich Submetering in Österreich im Jahr 2018 in der Höhe von EUR XX Mio, die niedrigeren Unternehmensumsätze in den früheren Jahren der Zuwiderhandlung, die Schwere der Verstöße (Kernverstoß) und die Dauer des Verstoßes von 15 Jahren berücksichtigt.

Aufgrund der umfangreichen Kooperation der Antragsgegnerin mit der BWB iSd § 11b WettbG werde eine Reduktion von 50% des Grundbetrages zur Anwendung gebracht. Für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung werde ein weiterer Abschlag von 20% gewährt. Ebenfalls in die Bemessung ist der Umstand eingeflossen, dass die Antragsgegnerin das wettbewerbswidrige Verhalten fünf Monate vor der Hausdurchsuchung aus Eigeninitiative bereits im Februar 2019 eingestellt habe.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wird eine Geldbuße in der Höhe von EUR 2,2 Mio als angemessen erachtet und beantragt.

Die Antragsgegnerin stellte die Tatsachenbehauptungen der BWB außer Streit.

Folgender Sachverhalt steht fest:

1. Im Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2019 kam es zwischen der Antragsgegnerin und Mitbewerberinnen zu horizontalten Preis- und Konditionenabsprachen, zum Austausch wettbewerblich sensibler Informationen sowie zur wechselseitigen Abgabe von Deckangeboten, wobei im Zeitraum zwischen 2004 und 2009 es nur vereinzelt zu Kartellrechtsverstößen kam, in der Folge jedoch regelmäßig und systematisch wettbewerbswidrige Praktiken angewendet wurden. Die Zuwiderhandlungen betrafen den Bereich Submetering in Österreich.

Hinter diesem zwischen der Antragsgegnerin und Wettbewerbern aufgezogenen Kartellsystem stand als Gesamtplan der Beteiligten das Bestreben die Wirkungsweise des normalen Wettbewerbs, dem strategischen Unsicherheiten immanent sind, auszuschalten.

2. Zu den Preisabsprachen:

Die Preisabsprachen zwischen ista und Mitbewerbern waren vielschichtig und betrafen verschiedenste Preisbestandteile der Submeteringdienstleistungen.

So einigte sich ista mit Mitbewerbern über einheitliche Preiserhöhungen für die Kundendiensttarife im Rahmen der Jahresvereinbarungen mit Kunden, stimmte die Preise für Montagen, für den Austausch von Boilern, für Entsorgungskosten von Messampullen, für die Entsorgung von Litium-Ionen-Batterien und für Nachtermine ab.

Dazu im Einzelnen:

2.1. Abstimmungen der Kundendiensttarife:

Bei großen Submetering-Kunden, wie beispielsweise Wohnungsgenossenschaften, die die Submetering-Leistungen von zwei oder mehr Submetering-Anbietern bezogen, kam es dazu, dass sich die Antragsgegnerin mit ihren Mitbewerbern auf einheitliche Kundendiensttarife gegenüber diesen Kunden einigten und auf diesem Weg einheitliche Preise für die Submetering-Leistungen den Kunden verrechneten. Typischerweise wurde die Submeteringdienstleistungsverträge auf drei Jahre abgeschlossen. Nach Ablauf der jeweils Dreijahresverträge und vor Abschluss des nächsten Dreijahresvertrag vereinbarten die Mitbewerber untereinander, dass sie gegenüber demselben Kunden einheitliche Preisanpassungen vornehmen oder zumindest eine „unterste Schmerzgrenze“ nicht unterschreiten.

So kam es bei der gemeinsamen Kundin Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Steirisches Hilfswerk für Eigenheimbau reg.Gen.m.b.H. (Rottermanner BSG) von zumindest 2010 bis 2016 (mit Wirkung bis 2019) zwischen der Antragsgegnerin und D. zu abgestimmten Preiserhöhungen für die Dreijahresverträge. Dabei wurde festgelegt, welches untere Limit einer Preiserhöhung als unterste Schmerzgrenze akzeptiert wird.

Für die Periode 2010 bis 2012 wurde zwischen der Antragsgegnerin und D. eine Vereinbarung über einheitliche Kundendiensttarife gegenüber der Rottermanner BSG getroffen. Für die Preiserhöhung für die Vertragsperiode 2016 bis 2019 wurde von D. an ista ein detailliert ausgearbeiteter Vorschlag übermittelt, der von Seiten ista mit einem „Ok“ bestätigt wurde. Auf diese Weise wurden zwischen D. und ista die Preise koordiniert (Beilagen ./K bis ./X).

Der Gemeinnützigen Grazer Wohnungsgenossenschaft Reg.Gen.m.b.H (in der Folge: GGW) als Submetering-Kundin wurden von ista, D. und M. seit Juli 2004 in abgestimmter Weise einheitliche Preise verrechnet (Beilagen ./Y bis ./LL).

So hielt die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13.7.2004 an D. die einheitliche Preiserhöhung beim Kunden GGW ab 1.7.2004 schriftlich fest (Beilage ./Y). Die Preiserhöhungen für die Abrechnungsperioden wurden von den Mitbewerbern einheitlich vorgenommen. In einem Schreiben von D. an die Antragsgegnerin und an M. vom 12.7.2010 wird beispielsweise festgehalten:

Sehr geehrte Herren,

wie alljährlich habe ich folgende Tarife ausgehandelt, bitte gleichen Sie die Tarife entsprechend an“ (Beilage ./CC).

Im Schreiben vom 29.5.2009 betreffend die Abrechnungsperiode 1.1. bis 31.12.2009 schreibt D. an die Antragsgegnerin und M.:

Sehr geehrter Herr […], sehr geehrter Herr […], wie bereits telef. vereinbart, werden wir gemeinsam die Kundendiensttarife ab 1.7.2009 für die Abrechnungsperiode 1.1. bis 31.12.2009 um 3,1 % erhöhen (100 % Lohnkostenanteil).

Die entsprechenden Kundendienstbriefe senden Sie bitte Herrn [...](Beilage ./AA).

Ein vergleichbares Modell der einheitlichen Preiserhöhung wurde zwischen der Antragsgegnerin, D. und M. bei der Kundin Gemeinnützige Alpenländische Gesellschaft für Wohnbau- und Siedlungswesen mbH (in der Folge: GWS) praktiziert. Die Antragsgegnerin und M. verrechneten der GWS zumindest im Zeitraum 2009 bis 2011 jene Preise, die von D. einheitlich für alle drei Submetering-Anbieter ausverhandelt worden waren (Beilage ./DD).

2.2. Abstimmung von Montagepreisen in Vorarlberg:

Zwischen der Antragsgegnerin und D. wurden einheitliche Untergrenzen der Montagekosten für WMZ und WZ sowie Weggelder festgelegt. Am 29.10.2010 wurden schriftlich die mit D. vereinbarten preislichen Untergrenzen für die Montage festgehalten und diese vereinbarte Untergrenze mit einem exakten Eurobetrag ausgewiesen (Beilage ./OO bis ./SS).

2.3. Preisabstimmung betreffend den Austausch von Boilerzählern:

Auch in diesem Bereich wurden zwischen der Antragsgegnerin und D. die Preise einheitlich abgestimmt.

So kam es im Jahr 2007 zwischen der Antragsgegnerin und D. zu Preisabstimmungen hinsichtlich des Austausches von Boilerzählern in Wohnungen der Linz AG/LGW (Beilage ./F3).

2.4. Preisabsprachen im Bereich des Energie-Contracting

Die Energiecomfort Energie- und Gebäudemanagement GmbH, eine 100% Tochter der Wien Energie GmbH (in der Folge Energiecomfort) ist ua im Bereich des Energiecontractings tätig. Sie bietet ihren Kunden nicht nur die Energielieferung, sondern auch die Ablesung und Abrechnung als ein Paket ab. Die Ablesung und Abrechnung macht Energiecomfort allerdings nicht selbst, sondern bedient sich Subunternehmen wie der Antragsgegnerin und D.. Die von der Antragsgegnerin und D. dabei erbrachten Submeteringleistungen werden an Energiecomfort verrechnet, die diese wiederum an ihre Kunden verrechnet.

Die Rahmenvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und Energiecomfort regelt ua die Preise, die ista an Energiecomfort als Subunternehmerin verrechnet.

Die Antragsgegnerin vereinbarte mit dem Mitbewerber D., dass bezüglich des gemeinsamen Kunden Energiecomfort es nicht zu einem Preiswettkampf kommen solle, und stimmten die Preise ab. Diesbezüglich kontaktierte eine D.-Handelsvertreterin D1 die Antragsgegnerin beispielsweise mit folgendem Mail:

[…] nachfolgend unsere abgelehnten EC-Preise. Da wir Ista ungern unterbieten möchten (das ist für uns beide nur von Nachteil), wären wir für ein paar Anhaltspunkte sehr dankbar. […] Wir werden jedenfalls versuchen, die Kundendienstpreise anzuheben!!!“

Unter diesem Text findet sich sodann eine Liste der Preise von D. (Beilage ./G3).

2.5. Preisabsprachen für Entsorgungskosten von Messampullen:

Im Frühjahr 2018 vereinbarten die Antragsgegnerin sowie die Mitbewerber D. und M. im Rahmen einer Branchenverbandssitzung, dass die Entsorgungskosten für Messampullen für Heizkostenverteiler auf Verdunstungsbasis an Kunden weitergegeben werden.

Im Protokoll der Verbandssitzung vom 12.6.2018 heißt es dazu (Beilage ./I3):

Es herrscht Einvernehmen darüber, dass die steigenden Entsorgungskosten für die Altampullen an die Endverbraucher weitergegeben werden müssen. Herr L.(Anm. Antragsgegnerin) berichtet in diesem Zusammenhang von einem Tarif von EUR 1,30 je Altampulle in Dänemark.

Im Protokoll der Verbandssitzung vom 28.2.2019 wurde festgehalten (Beilage ./J3):

ad Entsorgungsgebühr für Altampullen

Die Teilnehmer an der Besprechung sind sich einig, dass die Entsorgungskosten für die Altampullen weiterverrechnet werden müssen. Die dafür verrechneten Kosten belaufen sich je nach Kunden auf ca. netto EUR 0,40 bis EUR 0,65.“ (Beilagen ./J, ./H3, ./I3, ./J3).

2.6. Entsorgungsgebühr für Litium-Ionen-Batterien

Im Rahmen von Verbandssitzungen zwischen Mitbewerbern wurde das Thema der Entsorgungskosten von Litium-Batterien thematisiert( Beilage ./A4, ./B4, ./C4, ./J).

Im Protokoll der Verbandssitzung vom 30.1.2018 wird dazu festgehalten:

Herr L. (Anm: Antragsgegnerin) weist in diesem Zusammenhang auf die Entsorgungskosten der Litium-Batterien hin, welche die Branche ebenfalls an die Endverbraucher wird weitergeben müssen.“

2.7. Absprachen über die Verrechnung von Kosten der Sondernachtermine:

Die Antragsgegnerin vereinbarte mit Mitbewerbern im Zusammenhang mit der Verrechnung von Nachterminkosten, dass pauschal immer ein alternativer Nachtermin bei Nichtantreffen bei der Hauptablesung kalkuliert ist. Sollten jedoch ein oder mehrere Nutzer einen Sondertermin vereinbaren wollen, wird der dann tatsächlich entstandene Aufwand in Rechnung gestellt (Beilage ./P5, ./Q5).

In einem internen Mail von D. heißt es dazu (Beilage ./P5):

[…]

Gegenüber den HV halten wir uns alle drei (Anm: ista, D. und M.) an folgende Praxis (wie in den letzten 52 Jahren auch):

*) In unseren Tarifen sind Nachterminkosten nicht kalkuliert, da diese Kosten von den wirklichen Verursachern zu tragen sind.

*) Wir vergeben „Pauschal“ immer einen alternativen Nachtermin bei Nichtantreffen bei der Hauptablesung und ist dieser Betrag daher eine „Pauschale“.

*) Sollte(n) ein oder mehrere Nutzer einen Sondertermin vereinbaren wollen, sind wir dazu bereit, allerdings ist dann der tatsächliche entstandene Aufwand in Rechnung zu stellen.

[...]

3. Gründung eines Interessensverbandes (Vereines) durch die Antragsgegnerin und zwei weitere Wettbewerber zur Abschottung des Marktes:

Im Jahr 2012 wurde von der Antragsgegnerin und den Mitbewerbern D. und M. ein Verein der österreichischen Messdienst- und Energiedienstleister gegründet. Die drei branchenverbandgründenden Unternehmen sind im Submetering-Geschäft tätig.

Die Sitzungen des Branchenverbandes wurden stets von einem der drei Geschäftsführer der drei Vereinsmitgliedsunternehmen einberufen und fanden an unterschiedlichen Orten statt. Der Branchenverband wurde gegründet, um ua ein Vehikel zum Informationsaustausch zu haben.

Eine Aufnahme weiterer Unternehmen in den Verband fand nicht statt, obwohl laut eines Gedächtnisprotokolls über eine am 20.9.2011 im Rahmen der Gründung des Vereines stattgefundene Besprechung in der Raststation in Guntramsdorf zunächst angedacht war, dass der Beitritt zum Verein allen Messdienst- und Energiedienstleistern, mit Ausnahme von Energie- und Wärmeenergieversorgern, offen stehen soll.

In der Folge kam es jedoch trotz Beitrittswünschen von Mitbewerberinnen nicht zur Aufnahme weiterer Mitglieder.

Um die Ablehnung der Aufnahme weiterer Unternehmen statutenkonform zu begründen, wurden nach Gründung des Vereines die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft mittels Statutenänderung so drastisch verschärft, dass es faktisch keinem weiteren Mitbewerber möglich war, diese zu erfüllen. Damit wurde eine Strategie der Marktabschottung betrieben, welche die kartellrechtswidrigen Absprachen absicherten.

So war anfänglich als Aufnahmekriterium für die Vereinsmitgliedschaft vorgesehen, dass ein interessiertes Unternehmen zumindest 10.000 Wohnungen in Österreich im Abrechnungsbestand haben muss.

Als Reaktion auf den Beitrittswunsch eines Wettbewerbers tauschten sich die Mitglieder des Vereins schriftlich dahingehend aus, dass Aufnahmevoraussetzung 50.000 Wohneinheiten im österreichischen Abrechnungsbestandsgebiet sein müsste und die Mitglieder ausschließlich österreichische Unternehmen ohne ausländischen Partner sein dürften.

In einem weiteren E-Mail Anfang 2013, das zwischen den Vereinsmitgliedern zirkulierte, kam der Vorschlag, dass die Mindestzahl der Wohneinheiten sogar auf 100.000 erhöht werden sollte. Die Statuten wurden schließlich dahingehend geändert, dass die Voraussetzung für die Vereinsmitgliedschaft ein Wohnbestand von 100.000 ist.

Mit diesen Maßnahmen trafen die Gründungsmitglieder Vorkehrungen, um einen geschlossenen Mitgliederkreis beizubehalten und diesen auch künftig sicherzustellen. Der Zweck dieses Vorgehens, nämlich die Aufnahme weiterer Mitbewerber als Vereinsmitglieder zu verhindern, lag darin begründet, den geheimen und wettbewerbswidrigen Informationsaustausch, der in den Vereinssitzungen stattgefunden hat, abzusichern. Im Fall eines erweiterten Mitgliederkreises wäre dies in der von den Mitgliedern geübten Form unter Umständen nicht mehr möglich gewesen (Beilage ./K3 bis ./Z3, ./J).

4. Informationsaustausch

Diese Branchenverbandssitzungen dienten den im Wettbewerb stehenden Vereinsmitgliedern als Drehscheibe für die Weitergabe wettbewerblich relevanter Informationen. Auf diesem Weg sollten für die Mitglieder strategische Unsicherheiten am Markt reduziert werden.

Dabei wurden Informationen über den Verrechnungsmodus von Entsorgungskosten für Litium-Ionen-Batterien (Beilage ./A4 bis ./C4, ./J) und zum Lageausgleich (Beilage ./Z3, ./D4) ausgetauscht. Es wurde weiters wechselseitig das Wissen über Ausschreibungen weitergegeben, wie beispielsweise im Jahr 2013 betreffend eine Ausschreibung der BUWOG und im Jahr 2016 betreffend eine Ausschreibung der Linz AG (Beilage ./E4, ./F4, ./G4).

Die Vereinssitzungen wurden weiters genutzt um das Wissen über Entwicklungen und Trends im Submetering-Markt zu teilen und zu erörtern, wie auf die verschiedensten Entwicklungen zu reagieren ist. So wurde in der Sitzung vom 25.6.2012 unter anderem über die steigende Tendenz zur Miete von Messgeräten diskutiert. Im Protokoll heißt es dazu (Beilage ./D4):

[...]Dazu wurde festgestellt, dass eine steigende Tendenz zur Miete von Messgeräten in Österreich zu bemerken ist. Um nicht in Konflikt mit dem Mietrecht zu kommen werden die Geräte in der Regel kostenlos beigestellt, soferne eine mehrjährige Wartung der Messgeräte vereinbart wird. [...]

Im Anschluss an eine Vereinssitzung vom 25.6.2012 versandte E. (D.) an mehrere Mitarbeiter von D. ein E-Mail mit dem Betreff „Gespräch mit Herrn L. (Anm.: Antragsgegnerin) und G. (Geschäftsführer von M.) vom 25.6.2012 (Beilage ./N4). Nach der Überschrift in diesem Mail „Infos vom Wettbewerb“ waren darin enthalten in Erfahrung gebrachte geschäftsinterne Zahlen von ista und M., sowie Informationen über deren Vertragsgestaltung und Abrechnungsmodalitäten mit ihren Kunden.

So wie in der Sitzung vom 25.6.2012 wurden auch die anderen Vereinssitzungen genutzt um marktbezogene Themen abzuhandeln. Der im Rahmen der Vereinssitzungen tatsächlich erfolgte kartellrechtwidrige Informationsaustausch fand nicht immer Eingang in das Protokoll, wurde jedoch in E-Mails und handschriflichen Aufzeichnungen festgehalten (Beilagen ./E4 bis M4, ./O4,./P4).

Nach vereinsinternen Diskussionen über den Weiterbestand des Branchenverbandes wurde dieser am 28.2.2019 mit Wirkung zum 31.3.2019 aufgelöst (Beilagen ./Q4, ./K3, ./J, ./I3, ./R4).

Der Informationsaustausch und die Verhaltensabstimmungen fanden auch außerhalb der Verbandssitzungen statt. Der Austausch außerhalb der Vereinssitzungen erfolgte sowohl bilateral zwischen der Antragsgegnerin und einem weiteren Mitbewerber als auch multilateral, insbesondere zwischen ista, M. und D.. Das wechselseitige Inkenntnissetzen von wettbewerblich relevanten Daten ereignete sich im Rahmen von persönlichen Treffen, über E-Mail oder auch telefonisch.

So haben sich die Antragsgegnerin mit Wettbewerber wechselseitig Preislisten und Angebote anderer Wettbewerber zugespielt, um auf diesem Weg die strategische Unsicherheit am Markt zu reduzieren. Auch die eigenen Preislisten wurden an Mitbewerber weitergeleitet (Beilagen ./S4 bis./Z4, ./A5 bis ./I5).

Beispielsweise wurde am 16.8.2013 die Preisliste von ista dem Wettbewerber D. per Mail gesendet mit folgendem Text: „Sehr geehrter Herr D., anbei wie besprochen die Übersicht zur Verwendung.

Besten Dank.

Umgekehrt erhielt auch ista vom Wettbewerber D. deren Kundendienstpreislisten.

Der bilaterale Austausch der Preislisten beschränkte sich nicht auf ista und D., sondern erfolgte im Zeitraum 2012 bis 2016 zumindest auch mit den Wettbewerbern A. und Mk.(Beilage ./S4 bis ./Z4, Beilage ./A5 bis ./I5).

Die wechselseitige Informationsweitergabe betraf auch Mengenangaben. So übermittelten die Antragsgegnerin infolge einer Anfrage des Mitbewerbers D. vom 29.10.2015 die Zahlen über die Anlagen, Nutzeinheiten und Geräte der Antragsgegnerin bei Wien Energie (Beilage ./J5).

Im Jahr 2015 erfolgte auch der Austausch von Mengenangaben zwischen der Antragsgegnerin und der Mitbewerberin A., bei der A. an die Antragsgegnerin ein Excel-Dokument mit der Anzahl der von A. betreuten Anlagen pro Kunden übermittelte (Beilage ./K5).

Der Informationsaustausch betraf insbesondere auch den Kunden Fernwärme Wien. Dabei kam es beispielsweise im September 2010 zu Kontakten zwischen der Antragsgegnerin und D., bei denen die weitere Verrechnung von Kosten, die durch eine IT-Umstellung bei der Fernwärme Wien verursacht worden waren, thematisiert wurde. In einem internen Mail hielt der Geschäftsführer von ista fest, dass die Umstellung „ganz sicher nicht free of charge“ sei, und dass sich die Antragsgegnerin mit D1 an einen Tisch setzen solle (Beilagen ./L5, ./M5, ./N5).

Auch die dem Kunden Fernwärme Wien verrechneten Preise waren Gegenstand des Informationsaustausches der Antragsgegnerin mit D1(D.) (Beilage ./O5, ./M5, ./N5).

Es kam auch vor, dass es vor den Branchenverbandssitzungen zu informellen bilateralen Treffen zwischen der Antragsgegnerin und D. kam, bei dem Wettbewerbsinformationen ausgetauscht wurden (Beilage ./R5, ./S5 bis ./V5).

Im Rahmen von multilateralen Treffen zwischen der Antragsgegnerin, M. und D. wurden Kundendaten, Preise, Verrechnungsmodalitäten und Angaben über das zukünftige Verhalten am Markt wechselseitig bekanntgegeben (Beilagen ./E6, ./F6, ./G6, ./H6).

Eines dieser multilateralen Treffen ist beispielsweise in einem unternehmensinternen Mail von D. vom 17.11.2011 erwähnt (Beilage ./W5):

Betreff „Wettbewerbsinformationen 17.11.2011 ==> streng vertraulich

Wenn ich schon die halbe Nacht mit den Herrn L. (Anm: ista) und G. (Anm: M.) verbringe, dann muss es dazu auch einige Informationen geben!

Beide Herren reden bekanntlich sehr gerne!

Bitte behandeln Sie die Beilage VERTRAULICH!

Mit freundlichen Grüßen

E.eh“

Die im Anhang enthaltenen Gesprächsnotizen spiegeln insbesondere den Austausch von vertraulichen Informationen betreffend Kunden, Preise, Verrechnungsmodalitäten und Angaben über das zukünftige Verhalten am Markt von der Antragsgegnerin, B. und M. wieder.

Darüber hinaus kam es zum Austausch von den Vertragstexten (Gesamtrahmenvereinbarung) zwischen M. mit der Antragsgegnerin (Beilage ./C6).

Zwischen dem Wettbewerber A. und der Antragsgegnerin wurden ebenfalls sensible Informationen ausgetauscht, wie der Inhalt des Mietvorvertrages für die Beistellung der Verteil- und Messgeräte vom Mitbewerber V.(Beilage ./D6).

Die Kundendiensttarife wurden kontinuierlich und systematisch zwischen D. und der Antragsgegnerin besprochen (Beilage ./F6 bis ./H6). Die Wettbewerber M. und D. sowie die Antragsgegnerin teilten regelmäßig ihr Wissen über bestehende Ausschreibungen (Beilage ./I6, ./J6, ./K6, ./L6, ./M6, ./N6). Um diese Ausschreibungen zu besprechen, wurden Meetings vereinbart (Beilage ./J6).

Zu gehäuften Kontakten zwischen der Antragsgegnerin, D. und M. kam es im Zusammenhang mit dem Kunden Linz AG/Linz Gas/Wärme GmbH. Der Informationsaustausch betraf sowohl die aufrechte Vertragsbeziehung samt Preisgestaltung (Beilagen ./O6 und ./P6) als auch die im Herbst 2016 erfolgte EU-weite Ausschreibung mit der Referenznummer 2016/S 190-341387 der Linz AG. Diskutiert wurde zwischen den Wettbewerbern auch der Umgang mit dem von Linz AG geäußerten Sonderwunsch nach Positionsnummern der Geräte bzw. der Dienstleistungen (Beilage ./O6 bis ./V6, Beilage ./F4, Beilage ./J, Beilage ./I3, Beilage ./J3).

Im Zusammenhang mit dem Preisniveau betreffend die Linz AG gestaltete sich der Mailverkehr bespielsweise wie folgt: E. (D.) schrieb am 23.12.2014 an L. (Antragsgegnerin) ein E-Mail mit dem Betreff „Erhöhung+ abz J-Bonus = Nullsummenspiel“. L.(Antragsgegnerin) antwortete am selben Tag wie folgt: „ Dh. Erhöhung ist +/- NULL wie in den letzten Jahren abzüglich Bonus = Preisnachlass(Beilage ./O6).

Im Zusammenhang mit einer Ausschreibung der Wien Energie GmbH tauschten sich M., ista und D. inhaltlich aus (Beilage ./X6 bis ./Y6).

Die Antragsgegnerin tauschte auch bezüglich der Ausschreibung von „Meine Heimat“, nämlich des Projektes 9523 Villach-Landskron, Informationen mit Wettbewerbern aus(Beilage ./Z6).

5. Akkordierte Vertragsanpassungen

Ista und M. trafen Vereinbarungen über einheitliche Formulierungen von Vertragstexten, wie die zukünftige Verrechnung der Dienstleistungs- und Gerätekosten zB beim Kunden Oberösterreichische Gas-Wärme GmbH (Beilage ./ C7,./D7, ./E7 und ./F7).

In einer Reihe von Verbandssitzungen im Jahr 2016 haben sich die Vertreter von M., D. und ista zu ihrer grundsätzlichen Ablehnung von Messgeräten mit offenen Funkprotokollen ausgetauscht, da eine Gefährdung der eigenen Bestandssicherheit befürchtet wurde(Beilagen ./G7, ./Q6, ./H7).

So wird im Verbandsprotokoll vom 25.4.2016 (./Q6) festgehalten:

Pos.10 Offenegung von Funkprotokollen

Die Branche bemerkt mit Sorge eine Tendenz der Kunden zur Offenlegung von Funkprotokollen. Damit würden Wettbewerbsunternehmen in die Lage versetzt unter Nutzung der bestehenden Mess- und Verteilgeräte Anlagen zu übernehmen und weiter zu betreuen, was einer Aufhebung des Bestandsschutzes gleichkäme. Herr Ing. L. (Anm. Antragsgegnerin)berichtet, dass diese Offenlegung von Funkprotokollen in Italien bereits üblicherweise gefordert wird. Die Fa. ista benutzt deshalb eine Art Hardware- Schutz in Form eines Tongel […]“

6. Legung von Deckangeboten

In den Jahren 2014 und 2017 wurden von der Antragsgegnerin Deckangebote der Mitbewerber eingefordert (aktive Deckangebote) und in den Jahren 2006, 2008, 2010, 2011 und 2015 wurden von der Antragsgegnerin Deckangebote für Mitbewerber abgegeben (passive Deckangebote).

Im Rahmen eines Wohnungseigentumsobjektes legten D. und Ista je ein Angebot. Als die Antragsgegnerin, die im niederschwelligen Bereich ein Angebot idHv EUR 2.620,80 legte, erfuhr, dass vom Auftraggeber drei Angebote gefordert werden, ersuchte sie per Mail den Wettbewerber A. um Legung eines Deckangebotes, das A. der Antragsgegnerin übermittelte (Beilage ./UU)

Im Jahr 2017 ersuchte die Antragsgegnerin den Mitbewerber M. dem Kunden GGW ein höherpreisiges Angebot zu legen. Dies wurde von M. übermittelt. Auch das Auftragsvolumen bei diesem Projekt war niederschwellig und lag bei EUR 1.554,-- (Beilagen ./WW, ./XX)

Auf der anderen Seite hat die Antragsgegnerin Deckangebote zugunsten anderer Wettbewerber gelegt (Beilage ./ZZ, ./A3, ./B3, ./C3, ./D3, ./E3,). Die betroffenen Aufträge lagen im niederschwelligen Bereich (zwischen EUR 925,-- und EUR 3.709,40).

Im Jahr 2011 jedoch lag das Auftragsvolumen, für das die Antragsgegnerin ein Deckangebot legte, bei EUR 24.000,-- und betraf den Auftraggeber Weinberger-Biletti (Beilage ./A3).

 

Beweiswürdigung:

Von der Antragsgegnerin wurde der von der BWB vorgebrachte Sachverhalt und Deliktszeitraum sowie die Umsatzzahlen ausdrücklich außer Streit gestellt. Die außerstreitgestellten Behauptungen stehen mit dem Inhalt der vorgelegten Urkunden Beilage ./A – ./H7 im Einklang. Da die Antragsgegnerin die Urkunden als echt anerkannte und diese als unbedenklich einzustufen sind, konnte das Kartellgericht von weiteren Beweisaufnahmen gemäß § 33 AußStrG absehen und die Feststellungen auf das Vorbringen der BWB und den Inhalt der Urkunden gründen.

 

Rechtliche Beurteilung:

1. Kartellverbot

Nach § 1 KartG bzw Art 101 AEUV sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.

2. Zwischenstaatlichkeit

Art 101 AEUV kommt zur Anwendung, wenn der Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen (Zwischenstaatlichtkeit).

Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen. Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkenden Praktiken geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist – was schon durch das Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p mwN).

Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können (16 Ok 7/15p, 16 Ok 8/15k). Ein Kartell, das über das Gesamtgebiet eines Mitgliedstaats ausgebreitet ist, verhindert die in der Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung und beeinflusst damit den innergemeinschaftlichen Handel (EuGH C-238/05, C-125/07, 16 Ok 4/13; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 7/15p; 16 Ok 8/16m; RIS-Justiz RS0120478).

Bei den festgestellten Zuwiderhandlungen der Antragsgegnerin ist allein schon aufgrund ihrer flächenmäßig über ganz Österreich verteilten Geschäftstätigkeit, der Anzahl der im Bestand der Antragsgegnerin fallenden Haushalte, der Deliktsdauer sowie aufgrund der Marktanteile der Antragsgegnerin jedenfalls die Zwischenstaatlichkeit zu bejahen und Unionsrecht anzuwenden.

Gemäß Art 3 VO (EG) Nr. 1/2003 haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten Art 101 AEUV parallel zum nationalen Wettbewerbsrecht anzuwenden.

3. Absprachen über Preise:

Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 KartG bzw Art 101 Abs 1 lit a AEUV sind insbesondere verboten die unmittelbare und mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen.

Kartellrechtswidrige Preisabsprachen können Absprachen über Mindestpreise, Preisintervalle, Preisaufschläge und -abzüge oder die Koordination der Höhe und des Zeitpunkts einer Preissteigerung sein (Schroeder in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union [54. Ergänzungslieferung 2014] Art 101 AEUV Rz 776). Außerdem erfasst Art 101 Abs 1 AEUV auch Vereinbarungen über Margen und Rabatte, Kreditbedingungen und Richtpreise (16 Ok 2/15b).

Auch vereinbarte Preisempfehlungen können verboten sein. So wurde eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern, Preisempfehlungen zu veröffentlichen, als Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV angesehen, obwohl die tatsächlichen Endpreise individuell festgelegt wurden (Schroeder aaO Art 101 AEUV Rz 776 mwN, 16 Ok 2/15b).

Die mit den tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmtes Verhalten) verbundenen horizontalen Preisregulierungen sind als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sodass es auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen nicht mehr ankommt (Stockenhuber in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union [54. Ergänzungslieferung 2014] Art 101 AEUV Rz 179; 16 Ok 2/15b).

Die festgestellten Abstimmungen zwischen der Antragsgegnerin und ihren Wettbewerbern über einheitliche Preiserhöhungen für die Kundendiensttarife im Rahmen der Jahresvereinbarungen mit Kunden, für Montagen, für den Austausch von Boilern, für Entsorgungskosten von Messampullen, für die Entsorgung von Litium-Ionen-Batterien und für Nachtermine sind Preisabsprachen und damit Kernversöße gegen das Wettbewerbsrecht.

4.Informationsaustausch

Marktinformationsverfahren verstoßen dann gegen Art 101 AEUV, wenn die beteiligten Wettbewerber zeitnah Informationen über solche Umstände austauschen, die für den Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen von Bedeutung sind und die nicht allgemein und ohne Weiteres verfügbar sind. Dies gilt insbesondere, wenn durch diese Kenntnis die Ungewissheit über das Marktverhalten der Wettbewerber abgeschwächt oder gar beseitigt wird (16 Ok 12/06).

Die im Anlassfall ausgetauschten Informationen ermöglichten der Antragsgegnerin nicht nur Rückschlüsse auf die Strategien der daran beteiligten Mitbewerber zu ziehen (vgl 16 Ok 12/06), vielmehr wurde zukünftiges Marktverhalten zwischen den Wettbewerbern besprochen und marktstrategische Überlegungen offengelegt und Verhaltensweisen abgeglichen.

Diese Absprachen zwischen der Antragsgegnerin und Wettbewerbern über einen systematischen Austausch von strategisch relevanten Daten kommen einer Abstimmung gleich, weil damit die Unabhängigkeit des Verhaltens der Wettbewerber auf dem Markt verringert und Wettbewerbsanreize vermindert werden (Vgl LL der Kommission zur Anwendbarkeit von Art 101 auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit 2011/C 11/01, Rz 61).

Solche horizontalen Marktinformationsaustauschsyteme, bei denen, wie hier, strukturiert wesentliche marktstrategisch relevante Unternehmensinterna zwischen den Wettbewerbern weitergegeben werden, sind schon ihrer Natur nach geeignet, den Wettbewerb zu beschränken und daher als bezweckte Kernvestöße unter den Tatbestand der mittelbaren Festsetzung von Geschäftsbedingungen zu subsumieren(Schröter in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht2, Art 101 Abs 1 Rz 144).

 

5. Akkordierte Vertragsanpassungen

Absprachen über Geschäftsbedingungen sind im demonstrativen Verbotskatalog des Art 101 AEUV und § 1 KartG ausdrücklich genannt. Derartige Absprachen sind schon ihrer Natur nach verbotene Wettbewerbsbeschränkungen, wobei es im Hinblick auf die Verbotsvorschrift keinen Unterschied macht, ob die beteiligten Unternehmen ihre gesamten Geschäftsbedingungen vereinheitlichten oder sich - wie hier die Antragstellerin- nur auf die gemeinsame Verwendung bestimmter Konditionen einigen (Schröter in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht2, Art 101 Abs 1 Rz 144; 16 Ok 17/04.)

6.Deckangebote:

Die Aufteilung von Aufträgen zwischen Wettbewerbern stellt einen Unterfall des Kartellrechtsverstoßes „Aufteilung der Märkte“ iS des Art 101 Abs 1 lit c AEUV dar (16 Ok 5/08; Gugerbauer in Gugerbauer, KartG und WettbG3 § 1 KartG Rz 105).

Eine Marktaufteilung ist tatbestandsmäßig, unabhängig davon, ob der gesamte Markt oder nur ein Teil davon betroffen ist (Gugerbauer aaO). Durch die Koordinierung des Angebotsverhaltens in einem Ausschreibungsverfahren wird eine Reduktion des Bieterwettbewerbs erreicht, sodass dieses Verhalten auch als Kernverstoß der Aufteilung der Märkte zu qualifizieren ist (sogenanntes Submissionskartell).

Wenn nämlich zwischen den Wettbewerbern im Vorhinein vereinbart wird, wer den Zuschlag erhalten soll, und die von den Mitbewerbern abgegebenen Angebote derart (höher) kalkuliert sind, dass der von den Kartellanten ausgewählte Mitbewerber den Zuschlag erhält, wird jener Markt, in dem die Mitbewerber tätig sind (im konkreten Fall Submetering) unter den Mitbewerbern durch Absprachen aufgeteilt, und damit die dem fairen Wettbewerb innewohnende Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten der Mitbewerber ausgeschaltet (EuGH C-RS 40/73).

Auch solche Formen der Kollusion zwischen Unternehmen sind ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs anzusehen und daher als bezweckte Kartellrechtsverstöße zu qualifizieren (EuGH C-32/11; 16 Ok 1/13, 16 Ok 10/16f).

Wenn feststeht, dass eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft werden (16 Ok 5/08, 16 Ok 12/06, 16 Ok 8/10, 16 Ok 10/16f).

7. Verjährung

Gemäß § 33 KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Damit differenziert § 33 KartG - im Gegensatz zur unionsrechtlichen VO 1/2003 - nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen (16 Ok 2/15b).

Bei Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Eine dauernde Zuwiderhandlung besteht aus einer andauernden Handlung, eine fortgesetzte aus mehreren Handlungen, die jede für sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Somit handelt es sich bei einer dauernden Zuwiderhandlung um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt demgegenüber immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinanderfolgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (16 Ok 2/15b).

Nach der Definition des Europäischen Gerichtshofs umfasst der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind (EuGH 8. 7. 1999, C-235/92 P – Montecatini/Kommission).

Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (16 Ok 2/15b).

Ein Verstoß gegen Art 101 AEUV kann sich daher nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (16 Ok 2/15b).

Bei fortgesetzten Delikten, also solchen Verstößen, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind, beginnt die Verjährungsfrist erst mit Beendigung des letzten Teilakts zu laufen (Bauer/Müller, Verjährung im Kartellrecht, OZK 2009, 23 [26]; vgl auch Maritzen, Die einheitliche und fortdauernde Zuwiderhandlung - ein kartellrechtliches Oxymoron?, OZK 2010, 92m 16 Ok 2/15b).

Da im Anlassfall das zwischen der Antragsgegnerin und wesentlichen Wettbewerbern des Submeterings geschaffene System der Preisabsprachen und Abstimmungen der Geschäftsbedingungen sowie der Aufteilung des Marktes durch Legung von Deckangeboten, das eingebettet war in ein Forum des Wissensaustausches und der Informationsweitergabe, das jahrelang im gegenseitigen Einvernehmen und in verlässlicher Kontinuität stattgefunden hat und Schlüsselinformationen der Geschäftsbeziehungen der Wettbewerber mit ihren Kunden, wie die Preisgestaltung und Geschäftsbedingungen und Ausschreibungen umfasste, das vom Gesamtvorsatz getragen war,strategische Unsicherheiten für die Kartellbeteiligten am Markt zu reduzieren und den Wettbewerb insgesamt vielschichtig abzuschwächen und Wirkungsweisen des normalen Wettbewerbs auszuschalten, ist das Bündel der Kartellrechtsverstöße als einheitlichen Zuwiderhandlung zu beurteilen.

Demzufolge hat die Verjähungsfrist erst mit Beendigung des letzten Teilaktes im Jahr 2019 zu laufen begonnen. Verjährung ist daher für keine Deliktsperiode eingetreten.

8. Bemessung der Geldbuße:

Die Bemessung der verhängten Geldbuße beruht auf der von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Berechnung durch die Bundeswettbewerbsbehörde.

Gemäß § 36 Abs 3 KartG darf das Kartellgericht über die beantragte Geldbuße nicht hinausgehen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe und Erschwerungsgründe im Sinne des § 30 Abs 3 KartG angemessen berücksichtigt. Weitere Milderungsgründe sind nicht ersichtlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Ausdruck vom: 28.04.2024 03:49:27 MESZ