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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 2/18s


Bekannt gemacht am:

29.01.2019

Entscheidungsdatum:

29.08.2018


Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG, nämlich wegen kartellrechtswidriger vertikaler Abstimmungsmaßnahmen mit verschiedenen Händlern und Wiederverkäufern über Wiederverkaufspreise in Bezug auf Konnektivitätsgeräte für Privatkunden im Zeitraum von März 2012 bis Dezember 2015 gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 223.000,-- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Außer Streit steht:

Die Antragsgegnerin ist die österreichische Niederlassung der Devolo AG mit Sitz in Aachen, Deutschland, welche rund 300 Mitarbeiter beschäftigt und mit eigenen Niederlassungen sowie über Partner in 19 Ländern vertreten ist. Die Devolo AG ist Weltmarktführer für LAN-Netze aus der Steckdose. Die Produktpalette umfasst dLAN-Powerline-Technologie (bekannt als „Internet aus der Steckdose“, wobei rund 34 Mio dLAN-Adapter im Einsatz sind) sowie Smart-Home-Produkte (welche individuelle, per Smartphone steuerbare Hausautomation ermöglichen). Diese Produkte werden individuell an die Bedürfnisse internationaler Telekommunikationsunternehmen und Internet Service Provider angepasst, denen die Antragsgegnerin als OEM[„Erstausrüster-“]-Partner zur Seite steht. Im professionellen Bereich gestaltet die Antragsgegnerin den Aufbau intelligenter Stromnetze („smart grid“). In der Folge werden die Produkte der Antragsgegnerin zusammengefasst als Konnektivitätsgeräte bezeichnet.

Der weltweite Gesamtumsatz des Devolo-Konzerns im Geschäftsjahr 2017 betrug rund EUR xxx Mio. Die Antragsgegnerin erzielte in diesem Jahr einen Umsatz von rund EUR 1,3 Mio, den sie ausschließlich in Österreich erwirtschaftete.

Im Zeitraum Jänner 2012 bis Dezember 2015 traf die Antragsgegnerin mit verschiedenen Händlern/Wiederverkäufern Absprachen über Wiederverkaufspreise (Preisbindung der zweiten Hand). Diese Handlungen konzentrierten sich auf Aktionen und Werbemaßnahmen für die von der Antragsgegnerin angebotenen Konnektivitätsgeräte für Privatkunden. Mitunter versuchte sie in Einzelfällen auch, Einfluss auf den grenzüberschreitenden Parallelhandel und den Onlinehandel zu nehmen.

Die Antragsgegnerin stellte diese Verhaltensweisen aus eigenem ab, schulte die zuständigen Mitarbeiter und wies diese ausdrücklich darauf hin, dass sie sich nicht (weiter) an derartigen Verhaltensweisen beteiligen dürften. Die Antragsgegnerin kooperierte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens mit der Antragstellerin zwecks Aufklärung des Sachverhalts und gab im Interesse einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung am 26.3.2018 eine Anerkenntniserklärung ab.

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 in Höhe von EUR 223.000,-- über die Antragsgegnerin.

Diese sei seit ihrer Gründung im Jahr 2012 bis Dezember 2015 in die näher beschriebenen und zugestandenen Preisbindungen der zweiten Hand verwickelt gewesen, wobei die abgestimmten Preise in mehreren Fällen auch umgesetzt worden seien.

Dabei handle es sich um kartellrechtswidriges Verhalten iSd Art 101 Abs 1 AEUV. Diese Bestimmung sei anwendbar, weil die Verhaltensweisen spürbare Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt hätten, hätte sich doch das Verhalten auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet erstreckt und hätten die beteiligten Wiederverkäufer teilweise österreichweit und teilweise ins Ausland Verkäufe getätigt. Vom Kartellverbot seien - weit auszulegende - Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen erfasst, die geeignet seien, zwischen den beteiligten Unternehmen die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. Die umgesetzten Preisabstimmungsmaßnahmen erfüllten zumindest den Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise.

Die Palette der bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen, bei denen die tatsächlichen Auswirkungen im Markt nicht nachgewiesen werden müsse, umfasse im Falle vertikaler Vereinbarungen die Preisbindung der zweiten Hand, die Festsetzung von Mindestpreisen sowie die Beschränkung beim passiven Verkauf. Die vorliegenden Preisbindungs- und Preispflegemaßnahmen würden eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken, weil sie darauf gerichtet seien, in die Preisfestsetzung der Wiederverkäufer einzugreifen, um den preislichen Intrabrand-Wettbewerb zu beschränken bzw zu beseitigen und dadurch bestimmte Preise zu sichern. Die Einflussnahmen auf den grenzüberschreitenden Parallelhandel hätten dazu gedient, die Vertriebsaktivitäten der Wiederverkäufer zu lenken und das jeweilige nationale Preisgefüge abzusichern. Es handle sich um Kernbeschränkungen, die als besonders bedenklich anzusehen seien. Die negative Beurteilung der Preisbindung der zweiten Hand ergebe sich auch aus Art 4 lit a der Vertikal-GVO.

Eine Rechtfertigung nach Art 101 Abs 3 AEUV komme nicht in Betracht, zumal gleich mehrere der dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen würden.

Betreffend die Höhe der Geldbuße sei der weltweite Konzernumsatz, der Umsatz der Antragsgegnerin im Zeitraum des Verstoßes, die Schwere der Rechtsverletzung und die Dauer des Verstoßes maßgeblich. Demnach sei eine Geldbuße von EUR 318.500,-- angemessen. Da die Antragsgegnerin frühzeitig mit der Antragstellerin kooperiert, umfangreiche Auswertungen vorgenommen und der Antragstellerin zur Verfügung gestellt und in weiterer Folge wesentliche Sachverhaltselemente außer Streit gestellt habe, sei ein Nachlass von 10 % für die Kooperation bei der Sachverhaltsaufklärung und 20 % für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung gewährt worden, woraus sich der begehrte Bußgeldbetrag ergebe. Dieser Betrag sei ausreichend general- und spezialpräventiv; nicht zuletzt, weil die Antragsgegnerin bereits Schritte eingeleitet habe, um zukünftige Verstöße hintan zu halten.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin bestritt das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin nicht und stellte das Vorliegen eines Kartellrechtsverstoßes außer Streit. Sie akzeptierte die seitens der Antragstellerin vorgenommene Geldbußenbemessung als angemessen und erstattete kein ergänzendes Vorbringen.

Aufgrund der Urkunden xxx und der Außerstreitstellungen steht folgender (weiterer) Sachverhalt fest:

In concreto setzte die Antragsgegnerin im oben angeführten Zeitraum in Bezug auf Konnektivitätsgeräte für Privatkunden folgende Verhaltensweisen:

Die Antragsgegnerin ersuchte Händler und Wiederverkäufer, die Preise von Devolo-Produkten anzuheben (- in den E-Mails wurde auch der Begriff „angleichen“ oder „anpassen“ verwendet -), um das angestrebte einheitliche Preisniveau zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden seitens der Antragsgegnerin immer wieder die Online-Angebote der Händler (in deren Online-Shops oder auf Online-Plattformen wiexxx“) überprüft und erfolgte eine Kontaktaufnahme, wenn die Angebote zu niedrige Preise enthielten.

Verschiedene Händler, etwa „xxx“, „xxx“, „xxx“ und „xxx“, sagten die von der Antragsgegnerin geforderte Preisanhebung in der Folge auch zu und übermittelten der Antragsgegnerin dementsprechende Bestätigungen. Einzelne Händler rechtfertigten sich insofern, als sie mitteilten, dass das Anheben der Preise in technischer Hinsicht bzw wegen IT-Probleme nicht geklappt habe.

Die Antragsgegnerin übermittelte auch Preislisten, die Verkaufspreise oder Aktionsverkaufspreise enthielten, zum Teil mit der Aufforderung, die dort enthaltenen Verkaufspreise umzusetzen. Zum Teil wurden „versprochene“ Artikellisten versendet, was ein Hinweis für eine abgestimmte Preisanpassung sein sollte.

Als ein neuer Online-Store („yyy“) mit „aggressiven“ Angeboten auftauchte, trachtete die Antragsgegnerin danach, den Warenbezug dieses Online-Händlers zu unterbinden. Sie eruierte mittels Testkäufe, dass der Bezug über ihren Händler „M***“ erfolgte und suchte zunächst nach einer „kooperativen Lösung“ mit yyy und M***. Der zuständige Mitarbeiter der Antragsgegnerin erkundigte sich intern, mit welcher Begründung die Warenbelieferung von M*** eingestellt werden könne, ohne kartellrechtliche Probleme zu bekommen. Es erging sodann die interne Mitteilung, dass leider keine rechtliche Handhabe bestehe, M*** die Belieferung von yyy zu untersagen. Darauf entschied sich die Antragsgegnerin, M*** keine Konditionen mehr zu gewähren und das Geschäft mit M*** (dem keine signifikante Größe zugemessen wurde) einzustellen. M*** wurde darüber informiert, dass „aufgrund mangelnder Ressourcen eine Belieferung und Betreuung nicht mehr möglich“ sei.

In Einzelfällen erörterte die Antragsgegnerin in ihrer internen Kommunikation, dass österreichische Händler ihre (Sonder-)Konditionen dazu nutzen würden, ein aggressives Marketing in deutschen Suchmaschinen sowie zusätzliche Subdistribution an deutsche Retailer zu betreiben. Da dies das deutsche Preiskonstrukt untergrabe, müsse dies abgestellt werden. Vorgeschlagen wurde die tägliche Kontrolle, unmittelbare Korrektur sowie Senkung der gewährten Rabatte und schließlich ein „Absägen“ von auffälligen Kunden.

Rechtlich folgt daraus:

Da gegen die Richtigkeit der Anerkenntniserklärung der Antragsgegnerin und des unbestritten gebliebenen Sachverhalts, der mit den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

Gemäß Art 3 VO (EG) Nr. 1/2003 haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, Artikel 101 AEUV parallel zum nationalen Wettbewerbsrecht anzuwenden. Gemäß Art 101 Abs 1 AEUV sind alle Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, welche geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten. Verboten ist nach lit a insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen.

Das festgestellte Verhalten der Antragsgegnerin umfasst vertikale Preisabstimmungen bzw -absprachen über Wiederverkaufspreise. Solche Preisbindungen der zweiten Hand stellen – als Festsetzung von Verkaufspreisen – "Kernverstöße" gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG dar. Dem entspricht, dass auch vertikale Preisbindungen in Art 4 lit a) VO 330/2010 (Vertikal-GVO) als grundsätzlich unzulässige Kernbeschränkungen eingestuft werden, die von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen sind.

Preisabsprachen verletzen somit auch im Vertikalverhältnis per se das Kartellverbot. Das Verbot ist weit auszulegen und betrifft jede Vereinbarung, die direkt oder indirekt geeignet ist, Preiswettbewerb zu behindern. Eine Vereinbarung kann nicht nur eine isolierte Handlung sein, sondern auch aus einer Reihe von Akten, einem kontinuierlichen Verhalten und einer Gesamtheit von Absprachen, Abstimmungen und Regeln bestehen, sofern sie sich in einen Gesamtplan einfügen (16 Ok 2/15b).

Die hier zu beurteilenden Verhaltensweisen stellen verpönte Preisabsprachen dar, zumal sie objektiv geeignet waren, in die Bestimmung der Preise der Händler einzugreifen und den Wettbewerb für die Produkte in den betroffenen Produktgruppen zu beschränken. In diesem Sinne war eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor.

Rechtfertigungsgründe nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG wurden nicht behauptet und sind nicht erkennbar.

Es sind demnach alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße erfüllt.

Nähere Prüfungen zur Höhe der Geldbuße erübrigen sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der beantragte Bußgeldbetrag überhöht wäre. Bei der Bemessung wurde zutreffend berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhalts maßgeblich mitwirkte. Für eine (weitere) Reduktion des des Bußgeldes bestand keine Veranlassung, zumal die Antragsgegnerin den beantragten Betrag als angemessen bestätigte.“


Ausdruck vom: 25.04.2024 04:18:47 MESZ