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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 5/19h


Bekannt gemacht am:

09.01.2020

Entscheidungsdatum:

01.10.2019


Über die Antragsgegnerinnen wird wegen der verbotenen Durchführung des am 8.11.2018 bei der Bundeswettbewerbsbehörde zu BWB/Z-4175 angemeldeten Zusammenschlusses betreffend den Erwerb eines 1,1% des Stammkapitals entsprechenden Geschäftsanteils an der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin, sodass die Erstantragsgegnerin eine 26%ige Beteiligung an der Zweitantragsgegnerin hielt, im Zeitraum von 7.10.2015 bis 29.11.2018 gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG zur ungeteilten Hand eine Geldbuße von EUR 60.000,-- verhängt.

Begründung:

Folgender Sachverhalt ist unstrittig:

Beteiligte Unternehmen:

Die Erstantragsgegnerin betreibt die Entwicklung, Erzeugung und den Vertrieb von motorisierten Freizeitgeräten (Power Sports), insbesondere unter den Marken „KTM“ und „Husqvarna“ und hält Beteiligungen an Unternehmen zur Entwicklung, Erzeugung und dem Vertrieb von solchen Geräten. Die KTM-Gruppe umfasst in den Konzernabschluss einbezogene Tochtergesellschaften in Österreich, USA, Japan, Südafrika, Mexiko und Indien sowie in verschiedenen anderen Ländern in Europa und Asien. Darüber hinaus hält die KTM-Gruppe unter anderem Beteiligungen an Generalimporteuren in wichtigen Vertriebsmärkten (Neuseeland und Dubai) sowie Beteiligungen an diversen Flagship-Stores in Österreich und Deutschland. Die Obergesellschaft der KTM-Gruppe ist die KTM Industries AG, eine Tochtergesellschaft der Pierer Industries AG. Mit (beabsichtigtem) Gesellschafterbeschluss vom 4.10.2019 soll die KTM Industries AG in Pierer Mobility AG umbenannt werden.

Die Zweitantragsgegnerin betreibt ein Designunternehmen mit Standorten in Österreich, Deutschland, USA und China. Die Unternehmenstätigkeit liegt in der Entwicklung innovativer Designkonzepte für Hersteller unterschiedlichster Produkte (Motorräder, Yachten, Mineralwasserflaschen, Feldstecher, Heizöfen etc).

Zusammenschluss:

Ursprünglich bestand eine 24,9%ige Beteiligung der Rechtsvorgängerin der Erstantragsgegnerin (nämlich der KTM Power Sports AG) an der Zweitantragsgegnerin. Mit Notariatsakt vom 25.10.2011 erteilte Mag. Gerald Kiska (der damals zu 1,1% Gesellschafter der Zweitantragsgegnerin war) der Erstantragsgegnerin ein Angebot auf Abtretung eines Anteils in der Höhe von 1,1% an der Zweitantragsgegnerin. Mit notarieller Annahmeerklärung vom 6.11.2014 erfolgte die Annahme dieses Angebots durch die Erstantragsgegnerin. Laut Gesellschaftsvertrag bedurfte die Abtretung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschafter. Der erforderliche Gesellschafterbeschluss wurde am 7.10.2015 gefasst. Am 5.11.2015 wurde die Erhöhung der Stammeinlage der Erstantragsgegnerin auf 26% (EUR 18.200 von EUR 70.000) im Firmenbuch eingetragen.

Eine Zusammenschlussanmeldung erfolgte zunächst nicht, obwohl im Angebot vom 25.10.2011 unter Punkt 9. der Hinweis enthalten war, dass der durch die Annahme zustande kommende Anteilskauf einen anmeldungsbedürftigen Zusammenschluss darstellt. Die Anmeldung geriet im Hinblick auf die rund vierjährige Zeitspanne, die zwischen der Angebotslegung und der Annahme lag, versehentlich „in Verstoß“.

Im Jahr 2017 verkaufte die Erstantragsgegnerin ihre insgesamt 26%-Anteile an die KTM Industries AG weiter. In der Folge wurden weitere Transaktionsschritte geplant, insbesondere dass die KTM Industries AG 24% des Stammkapitals der Zweitantragsgegnerin erwerbe, sodass erstere letztlich eine 50%-Beteiligung an der Zweitantragsgegnerin halte. Dabei trat der Umstand, dass betreffend den Erwerb der 1,1%-Anteile keine Zusammenschlussmeldung erfolgt und diese verabsäumt worden war, zu Tage.

Mit nachträglicher Zusammenschlussanmeldung vom 8.11.2018 meldeten die Antragsgegnerinnen den mit 7.10.2015 erfolgten Erwerb eines 1,1% des Stammkapitals entsprechenden Geschäftsanteils an der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin, sodass diese eine 26%ige Beteiligung an der Zweitantragsgegnerin hielt, bei der Antragstellerin an (GZ BWB/Z-4175).

Mangels Stellung eines Prüfungsantrags durch die Amtsparteien fiel das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 29.11.2018 weg.

Im Geschäftsjahr 2014 erzielten die beteiligten Unternehmen folgende Umsätze:

                                   weltweit                      Österreich

Pierer Industries inkl Erst-AG     1.091,9 Mio                   53,6 Mio

     Zweit-AG                              14,3 Mio                    11,1 Mio

Im Geschäftsjahr 2017 betrug der Konzernumsatz der Pierer Industries AG EUR 1.602,7 Mio. Der (bislang unveröffentlichte) Konzernumsatz des Geschäftsjahrs 2018 erreichte eine ähnliche Höhe.

Die Antragstellerin beantragt mit ihrem am 10.5.2019 beim Kartellgericht eingelangten Antrag die Verhängung einer gesamtschuldnerischen Geldbuße von EUR 60.000,-- über die beiden Antragsgegnerinnen gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG.

Sie brachte im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerinnen hätten von 7.10.2015 bis 29.11.2018 gegen das Durchführungsverbot verstoßen (erkennbar: weil durch den oben beschriebenen Erwerb von 1,1% der Anteile ein Beteiligungsgrund von 25% iSd § 7 Abs 1 Z 3 KartG überschritten wurde). Die Umsatzschwellen des § 9 KartG seien bei den beteiligten Unternehmen überschritten. Folglich sei der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht.

Die Antragsgegnerinnen hätten am 2.5.2019 freiwillig und im Interesse einer Kooperation mit den Amtsparteien ein Anerkenntnis abgegeben, in dem der zusammenschlussrechtlich relevante Beteiligungserwerb und der Verstoß gegen das Durchführungsverbot anerkannt worden sei. Sie hätten sich mit der Verhängung einer Geldbuße von EUR 60.000,-- einverstanden erklärt.

Bei Bemessung der Geldbuße seien die Kriterien des § 30 KartG heranzuziehen. Zu berücksichtigen sei die freiwillige Selbstanzeige der Antragsgegnerinnen; weiters dass der Zusammenschluss keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen gehabt habe; keine Bereicherung der Antragsgegnerinnen ersichtlich sei; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (siehe die Umsätze); die Verstoßdauer; das Verschulden. Dazu wurde darauf verwiesen, dass es sich um grenzüberschreitend tätige Unternehmen handle, bei denen grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien und die wegen der wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens grundsätzlich strenger zu beurteilen seien; jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Anmeldebedürftigkeit des Erwerbsvorgangs grundsätzlich ordnungsgemäß geprüft und bejaht worden sei, die Durchführung ohne vorherige Freigabe versehentlich erfolgt und die Anmeldung aufgrund der sehr erheblichen Verzögerung in Verstoß geraten sei. Die Erstantragsgegnerin habe zu dem Zeitpunkt über keine ausdrücklich definierte Rechtsabteilung verfügt; die mit den rechtlichen Themen beschäftigten Mitarbeiter seien mit der Durchführung derartiger Transaktionen weniger vertraut gewesen. Mildernd sei zu werten, dass die Antragsgegnerinnen, insbesondere durch das Anerkenntnis, zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hätten.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerinnen stellten das Tatsachenvorbringen außer Streit und wendeten sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung der Antragstellerin sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie wiederholten ihre Anerkennung des Sachverhalts. Hinsichtlich der Geldbußenbemessung verwiesen sie ergänzend darauf, dass kein schwerer Verstoß iSd § 30 KartG vorliege. Die Zielgesellschaft verfüge zudem über bloß geringe Markenanteile und sei im Rahmen des internationalen Wettbewerbs der Konkurrenz einer Vielzahl von Unternehmen ausgesetzt. Die Antragsgegnerinnen hätten wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen und mit Zustimmung und unter aktiver Mitwirkung aller Beteiligten mit der Antragstellerin Kontakt aufgenommen und den Sachverhalt sowie den zusammenschlussrechtlichen Verstoß offengelegt.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

1. Da gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

2. Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig (ua) dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG) zuwiderhandelt, eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.

Das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG bestimmt, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.

3. Der hier gegenständliche Erwerbsvorgang stellte einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 KartG dar, da der unmittelbare Erwerb von Anteilen an der Zweitantragsgegnerin, durch den ein Beteiligungsgrad von 25% überschritten wurde, stattfand und demnach der Tatbestand nach Z 3 leg cit verwirklicht ist.

4.1. Ein solcher Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf iSd § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

- kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig ist (Art 21 FKVO),

- alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

- die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und

- der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 4).

4.2. Hier liegt ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht vor, da die Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO nicht erreicht werden.

4.3. Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von (1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio, (2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und (3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio erzielten.

Da im maßgeblichen Geschäftsjahr 2014 die Unternehmensgruppe, mit der die Erstantragsgegnerin iSd §§ 22 iVm 7 KartG verbunden ist, weltweit einen Umsatz von EUR 1.091,9 Mio und österreichweit einen Umsatz von 53,6 Mio sowie die Zweitantragsgegnerin einen Umsatz von EUR 14,3 Mio weltweit sowie EUR 11,1 Mio österreichweit erzielten, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.

4.4. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.

Da beide Antragsgegnerinnen in Österreich einen EUR 5 Mio übersteigenden Umsatz erzielten, liegt eine Ausnahme iSd § 9 Abs 2 KartG nicht vor.

4.5. Der Zusammenschluss hat demnach auch eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG (vgl dazu Urlesberger aaO § 9 Rz 10 ff).

5. Damit waren die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des gegenständlichen Zusammenschlusses gegeben. Die Antragsgegnerinnen haben in dem im Antrag genannten Zeitraum - also für 3 Jahre und 2 Monate - gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG verstoßen. Daher war über sie gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.

6. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre. Eine feststellbare Bereicherung wurde hier nicht erzielt.

Zum Grad des Verschuldens ist auf die Erwägungen der Antragstellerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Die Entscheidung muss zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavaliersdelikt" ist (16 Ok 2/13). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Unterlassung der Anmeldung des Zusammenschlusses im konkreten Fall lediglich übersehen wurde und insofern eine leichte Fahrlässigkeit vorliegt, die auch einem ansonsten rechtstreuen Unternehmen passieren kann.

Zusammengefasst erscheint – unter Beachtung der general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht - die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt keinesfalls angezeigt. Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.“


Ausdruck vom: 27.04.2024 23:20:21 MESZ