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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 105/13


Bekannt gemacht am:

25.03.2014

Entscheidungsdatum:

07.10.2013


 

Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen mit dem Einzelhandel, insbesondere den Marktführern REWE und S, die von Anfang 2007 bis Anfang 2012 andauerten und den Endkundenvertrieb von Molkereiprodukten betrafen, gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 210.000,- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG in Höhe von EUR 210.000,- und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin einerseits und namhafte Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, insbesondere die REWE International AG und deren Konzerngesellschaften (im Folgenden: REWE) und die S, andererseits über einen längeren Zeitraum vertikale Preisabstimmungsmaßnahmen durchgeführt hätten. Die Abstimmung der Endverkaufspreise mit dem Lebensmitteleinzelhandel sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Lebensmitteleinzelhandel eine kostenbedingte Erhöhung der Einkaufspreise (Fakturapreise der Antragsgegnerin an den Lebensmitteleinzelhandel) nur dann akzeptiert habe, wenn die Antragsgegnerin ihrerseits den Nachweis erbracht habe, dass andere Lebensmitteleinzelhändler ihre Wiederverkaufspreise ebenso kostenbedingt anpassten.

Diese vertikalen Preisbindungsvereinbarungen seien auch horizontal abgesichert worden, indem die Antragsgegnerin Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, insbesondere REWE und S, regelmäßig die geplanten Preise anderer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels bekannt gegeben habe. Damit habe man sicherstellen wollen, dass Preiserhöhungen linear im Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt würden. Dieses Verhalten der Antragsgegnerin sei als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV (Art 81 EG) und § 1 KartG zu werten. Ein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV liege nicht vor.

Aufgrund der Schwierigkeit, einen „tatbezogenen Umsatz“ zu ermitteln, sei die Antragstellerin im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin von einem Ausgangsbetrag von EUR 200.000,- ausgegangen. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50 % vorzunehmen, sodass sich ein Betrag von EUR 300.000,- ergebe. Davon seien Abzüge von insgesamt 30 % vorzunehmen, nämlich ein Nachlass von 10 % für die Kooperation bei der Aufklärung, die Compliance-Anstrengungen der Antragsgegnerin nach der Hausdurchsuchung sowie deren Sondersituation (Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels, Währungssituation), und ein weiterer Nachlass von 20 % für die Reduktion des Verfahrensaufwands durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung, zumal die Antragsgegnerin ein umfassendes Anerkenntnis abgegeben habe. Demgemäß werde ein Bußgeld von EUR 210.000,- beantragt, das insbesondere angesichts der relativ niedrigen Gewinnmargen im Molkereibereich als ausreichend general- und spezialpräventiv anzusehen sei.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin stellte das gesamte Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit und akzeptierte ausdrücklich die darauf basierende rechtliche Beurteilung sowie die vorgenommene Geldbußenberechnung.

Rechtlich folgt daraus:

Bei den von der Antragsgegnerin ausdrücklich zugestandenen vertikalen Preisabstimmungen mit Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels handelt es sich um iSd Art 101 AEUV (Art 81 EG) bzw § 1 KartG unzulässige Verhaltensweisen. Sie waren nämlich jedenfalls objektiv geeignet, in die Bestimmung der Preise der Händler einzugreifen und den Wettbewerb für die Produkte in den betroffenen Produktgruppen zu beschränken. Sie bezweckten daher eine Wettbewerbsbeschränkung und stellten somit einen Kernverstoß gegen Art 101 AEUV und gegen das Kartellverbot des § 1 KartG dar.

Rechtfertigungsgründe dafür liegen nicht vor; solche wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Die Bemessung der Höhe der verhängten Geldbuße beruht auf dem von der Antragsgegnerin ausdrücklich nicht bestrittenen Antrag der Antragstellerin, über den das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 KartG keinesfalls hinausgehen darf. Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe iSd § 30 Abs 3 KartG, nämlich den wesentlichen Beitrag der Antragsgegnerin zur Aufklärung des Sachverhalts, die erhebliche Reduktion des Verfahrensaufwands durch das Anerkenntnis sowie den Umstand, dass die Antragsgegnerin als Lieferantin infolge der starken Marktkonzentration auf der Abnehmerseite einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt ist, ausreichend berücksichtigt. Erschwerungsgründe sind ebenso wenig ersichtlich wie sonstige Milderungsgründe.


 


Ausdruck vom: 26.04.2024 09:05:18 MESZ