zur Navigation
Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 7/21y


Bekannt gemacht am:

25.05.2022

Entscheidungsdatum:

17.11.2021


Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 17 Abs 1 KartG wegen verbotener Durchführung der am 16.03.2021 jeweils erfolgten indirekten Erwerbe von 7,47 % an und alleiniger Kontrolle über Ondura Holding SAS Frankreich sowie von 19,13 % an und alleiniger Kontrolle über Finduline SAS, Frankreich, für den Zeitraum vom 16.03.2021 bis 06.07.2021 eine Geldbuße in der Höhe von € 83.000,-- verhängt.


 

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 83.000-- zu verhängen und begründete den Antrag damit, dass am 08. 06. 2021 die Antragsgegnerin nachträglich den erfolgten Erwerb alleiniger Kontrollen über die Ondura Holding SAS Frankreich und Finduline SAS, Frankreich angemeldet habe.

Die BWB brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin zwar schon vor dem Zusammenschluss Mehrheitsgesellschafterin der zu erwerbenden Unternehmen gewesen sei, jedoch mit der weiteren Anteilseignerin Nextxtone aufgrund der in den Gesellschaftervereinbarungen vorgesehenen Einstimmigkeitserfordernis über die beiden Zielgesellschaften Ondura Holding und Finduline gemeinsame Kontrolle bestanden habe. Da im Rahmen der Umstrukturierung der Investition der Antragsgegnerin im Bereich der Bedachungsprodukte zunächst vorgesehen gewesen sei, dass Nextstone weiter Anteilseignerin von Ondura Holding, der gemeinsamen Holdinggesellschaft für Onduline, alwitra und CB, bleiben sollte, sei man bei der Prüfung der Transaktion zum Schluss gekommen, dass keine Anmeldepflichten ausgelöst würden. Als sich Nexstone entschieden habe, sich nicht an der Umstrukturierung zu beteiligen, sei keine erneute Prüfung im Hinblick auf die Anmeldepflicht durchgeführt worden und der Erwerb von 7,47% an Ondura Hold ing sowie von 19,13% an Findoline durch die Antragsgegnerin am 16.3.2021 vollzogen worden. Der durchgeführte Zusammenschluss durch Kontrollerwerb gemäß § 7 Abs 1 Z 5 KartG sei nachträglich am 8.6.2021 bei der BWB zu BWB/Z‑5451 angemeldet worden. Mangels Stellung eines Prüfantrags durch die Amtsparteien sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 7.7.2021 weggefallen.

Die beteiligten Unternehmen haben Umsatzerlöse erzielt, die die Schwelle gemäß § 9 Abs 1 KartG überschritten haben, weshalb das Zusammenschlussvorhaben nach dem KartG anmeldepflichtig gewesen sei und erst nach Freigabe hätte durchgeführt werden dürfen.

Bei der Höhe der beantragten Geldbuße seien mildernd die Selbstanzeige, die Kooperation bei der Aufklärung des Verstoßes sowie das Anerkenntnis zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe lägen keine vor.

Die Antragsgegnerin sei ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen, bei dem grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien, weshalb die Antragsgegnerin die schuldhafte Verletzung des Durchführungsverbots vorzuwerfen sei.

Die Antragsgegnerin stellte das Vorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit und verwies auf ihr Anerkenntnis vom 10. 09. 2021.


 

Folgender Sachverhalt steht außer Streit:


 

Die Antragsgegnerin ist ein in Frankreich ansässiger Private Equity Investor, die sowohl als Minderheits‑ als auch als Mehrheitsgesellschafterin in Unternehmen, die in einer Vielzahl verschiedener Geschäftsfelder tätig sind, investiert. 100% der Anteile an der Antragsgegnerin werden von Natixis SA, Frankreich gehalten. Natixis SA wird zu 71% von der Bankengruppe Banque Populaire et Caisse d`Epargne, Frankreich gehalten.

1. Zielgesellschaft Ondura Holding:

Die Ondura Holding (vormals alwitra Holding France, SAS) ist eine französische Holdinggesellschaft, die indirekt 100% der Anteile an der alwitra Holding (Germany) GmbH, Deutschland sowie 95,01% und alleinige Kontrolle über CB S.A. Polen hält. Die alwitra Gruppe ist in der Herstellung und im Verkauf von Dachbedeckungsprodukten hauptsächlich in Deutschland tätig und stellt vollständige Flachdach‑Systemlösungen her. CB ist ein Hersteller von Spezialbaustoffen für Dächer. Seit ihrer Gründung wird die Mehrheit der Anteile an Ondura Holding von Fonds gehalten, die von der Antragsgegnerin verwaltet und beraten werden. Durch den indirekten Erwerb von 7,47% an der Ondura Holding durch die Antragsgegnerin und dem Wegfall der Gesellschaftervereinbarung mit der Ondura-Anteilseignerin Nextstone, in der das Einstimmigkeitserfordernis festgelegt war, erlangte die Antragsgegnerin alleinige Kontrolle über die Ondura Holding SAS Frankreich.

2. Zielgesellschaft Finduline:

Finduline ist eine Finanzholding, die indirekt sämtliche Anteile der Onduline, SAS, Frankreich hält. Die Onduline‑Gruppe ist in der Dachdeck‑ und Baustoffindustrie in mehr als 100 Ländern tätig und stellt vorwiegend Schrägdachlösungen her. Durch den indirekten Erwerb von 19,13% an der Finduline erlangte die Antragsgegnerin, die vor dem Zusammenschluss Mehrheitsgesellschafterin der Finduline war, aufgrund des weiteren Umstandes, dass gleichzeitig die Gesellschaftervereinbarung mit der weiteren Anteilseignerin Nextstone wegfiel, womit das Einstimmigkeitserfordernis beseitigt wurde, alleinige Kontrolle über die Finanzholding Finduline.

Der Anteilserwerb von 7,47% an der Ondura Holding sowie von 19,13% an Finduline durch die Antragsgegnerin wurde am 16.3.2021 vollzogen und erst am 8.6.2021 nachträglich bei der BWB angemeldet.

Die Amtsparteien stellten nach Einlangen der Anmeldungserklärung durch die Antragsgegnerin keinen Prüfungsantrag.

Die operativ tätigen beteiligten Unternehmen erzielten im letzten verfügbaren Geschäftsjahr folgende Umsatzerlöse:


 

Umsatzerlöse

(EUR)


 

Naxicap 2019


 

Ondura Holding

(alwitra und CB)

2020


 

Onduline

(Zurechnung an Fiduline)

2020

Weltweit

xxx

CB: xx

alwitra: xx

xxx

EU-weit

xxx

CB:xx

alwitra: xx

xxx

Österreichweit

xxx

CB: xx

alwitra.xx

x


 

Beweiswürdigung:

Da gegen die Richtigkeit der außer Streit gestellten Tatsachen, die auch mit dem Inhalt der Zusammenschlussanmeldung und den übrigen vorgelegten Urkunden im Einklang sind, keine Bedenken bestehen, waren gemäß § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht erfüllen die in Prüfung stehenden Zusammenschlüsse infolge Erwerbs der alleinigen Kontrolle über die Zielunternehmen den Tatbestand nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG. In Folge Überschreitens der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG und Unterschreitens der Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO bestand vor der Durchführung des Erwerbs die Pflicht zur Anmeldung dieser Vorgänge bei der Bundeswettbewerbsbehörde.

§ 17 Abs 1 KartG normiert, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst dann durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichten oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.

Gemäß § 17 Abs 3 KartG sind Verträge unwirksam, soweit sie dem Durchführungsverbot widersprechen.

Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich bei der Rechtsfolge des § 17 Abs 3 KartG um eine bloß schwebende Unwirksamkeit (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 17 Rz 31). Die betroffenen Verträge treten nach dieser Ansicht, der sich das Kartellgericht anschließt, rückwirkend mit rechtskräftiger Nichtuntersagung des Zusammenschlusses durch das Kartellgericht bzw. nach Ablauf der in § 11 Abs 1 KartG den Amtsparteien eingeräumten Frist zur Stellung eines Zusammenschlussprüfungsverfahrens in Kraft.

Die Antragsgegnerin verstieß daher im Zeitraum zwischen den erfolgten Erwerben am 16.03.2021 und dem Ablauf der Frist zur Stellung des Prüfungsantrages, die am zum 06.07.2021 endete, gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG.

Zur Höhe der Geldbuße:

Den Erwägungen der BWB zur Bemessung der Höhe der Geldbuße ist zu folgen. Die Verhängung einer niedrigeren Geldbuße ist im Hinblick darauf, dass sich die beantragte Geldbuße im untersten Bereich des in § 29 KartG festgelegten Bemessungsrahmens bewegt, der bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes möglich wäre, nicht in Erwägung zu ziehen.

Die Verhängung einer höheren Geldbuße kommt im Hinblick auf § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht in Betracht.


 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“


Ausdruck vom: 28.04.2024 10:52:27 MESZ