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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 13/21w


Bekannt gemacht am:

15.06.2022

Entscheidungsdatum:

17.12.2021


Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit. a iVm 17 Abs 1 KartG wegen verbotener Durchführung des am 8.7.2020 erworbenen unmittelbar beherrschenden Einflusses im Sinne § 7 Abs 1 Z 5 KartG über die alwitra Holding (France) SAS durch Erwerb von 7,47 % der Anteile dieser Gesellschaft in Verbindung mit dem Abschluss einer Satzung und Gesellschaftsvereinbarung mit Einstimmigkeitsvorbehalt hinsichtlich wesentlicher Entscheidungen der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften, für den Zeitraum vom 8.7.2020 bis 7.11.2020 eine Geldbuße in Höhe von EUR 64.000,-- verhängt.


 

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a KartG von EUR 64.000,-- zu verhängen.

Dazu brachte sie zusammengefasst vor, dass die Antragsgegnerin erst am 9.10.2020 einen bereits am 08.07.2020 vollzogenen, nach § 9 iVm § 7 Abs 1 Z 5 KartG anmeldebedürftigen Zusammenschluss gemeldet habe. Die anmeldepflichtige Transaktion habe darin bestanden, dass die Antragsgegnerin 7,47 % an der alwitra Holding (France) SAS erworben habe. Zeitgleich sei eine Gesellschaftervereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und und der weiteren Anteilseignerin Naxicap-Fonds getroffen worden, wonach wesentliche Entscheidungen der alwitra Holding (France) SAS und deren Tochtergesellschaften einstimmig zwischen den Anteilseignern Naxicap-Fonds und der Antragsgegnerin zu treffen seien. Als wesentliche Entscheidungen seien die Genehmigung des Jahresbudgets der Gruppe einschließlich Investitionen und die Ernennung des Präsidenten genannt. Die Aufgaben des Präsidenten würden die Geschäftsführung der alwitra Holding und die Vertretung des Unternehmens gegenüber Dritten umfassen. Dadurch habe die Antragsgegnerin beherrschenden Einfluss an der alwitra Holding und ihren Tochtergesellschaften, so auch der alwitra GmbH (Zielunternehmen) erlangt.

Die beteiligten Unternehmen hätten Umsatzerlöse erzielt, die die Schwelle gemäß § 9 Abs 1 KartG überschritten hätten; das Zusammenschlussvorhaben sei daher nach dem KartG anmeldepflichtig gewesen und hätte erst nach Freigabe durchgeführt werden dürfen.

Mangels Stellung eines Prüfantrags durch die Amtsparteien sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 7.11.2020 weggefallen.

Bei der Höhe der beantragten Geldbuße seien mildernd die Selbstanzeige, die rasch nachgeholte Zusammenschlussanmeldung, die Kooperation bei der Aufklärung des Verstoßes sowie das Anerkenntnis zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe lägen keine vor.

Die Antragsgegnerin sei ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen, bei dem grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien, weshalb der Antragsgegnerin die schuldhafte Verletzung des Durchführungsverbots vorzuwerfen sei.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich in der Verhandlung am 17.12.2021 dem Vorbringen der Antragsstellerin an.

Die Antragsgegnerin stellte das Vorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit und verwies auf ihr Anerkenntnis vom 10.09.2021.


 


 

Folgender Sachverhalt steht außer Streit:

Die Antragsgegnerin ist eine reine Holdinggesellschaft. 100 % ihrer Anteile werden indirekt von Nextstone SAS, der Muttergesellschaft der Nextstone-Gruppe gehalten.

Die Nextstone-Gruppe ist eine Unternehmensgruppe, die in nicht börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen und in Immobilien, vorwiegend in Frankreich investiert. Die Nextstone-Gruppe kontrolliert - neben der Antragsgegnerin - Unternehmen, die in der Produktion von Gussteilen, der Herstellung von Gusseisenprodukten für Straßen- und Bauanwendungen, dem Großhandel mit Audio- und Videoprodukten sowie als Eigentümer von Bürogebäuden in Frankreich tätig sind. Darüber hinaus hielt Nextstone 19,13% der Anteile an der gemeinsam mit Naxicap kontrollierten Fiduline SAS.

Fiduline SAS ist die Muttergesellschaft der Onduline-Gruppe, einer Herstellerin von Leichtbaudach- und Unterdachlösungen mit Sitz in Suresnes, Frankreich.

Die alwitra Holding ist eine Holdinggesellschaft, die 100 % Anteile an der alwitra Holding Germany hält; diese wiederum hält 100% der Anteile an der alwitra GmbH (Zielunternehmen).

Die alwitra GmbH ist die einzige operativ tätige Gesellschaft und in der Herstellung und im Verkauf von Dachbedeckungsprodukten hauptsächlich in Deutschland tätig.

Die Mehrheit der Anteile an der alwitra Holding (France) SAS werden von Fonds gehalten, die von Naxicap Partners S.A. Frankreich verwaltet werden.

Nach einer Kapitalerhöhung vereinbarten Naxicap und Nextstone SAS, Frankreich, dass Nextstone über die Antragsgegnerin eine Kapitalbeteiligung von EUR 5 Mio an der alwitra Holding erwirbt; dies entspricht einer Beteiligung von 7,47 %. Dieser Erwerb wurde am 8.7.2020 vollzogen.

Am 8.7.2020 schlossen die Naxicap-Fonds und die Antragsgegnerin zudem eine Gesellschaftervereinbarung ab und verabschiedeten eine neue Satzung für die alwitra Holding. Die Vereinbarung und die Satzung traten am 8.7.2020 in Kraft. Mit dieser Vereinbarung wurde geregelt, dass wesentliche Entscheidungen über die alwitra Holding und ihre Tochtergesellschaften einem Einstimmigkeitsvorbehalt der Naxicap-Fonds und der Antragsgegnerin unterliegen. Wesentliche Entscheidungen im Sinne der Vereinbarung (geregelt in der Satzung) sind die Genehmigung des Jahresbudgets der Gruppe einschließlich Investitionen und die Ernennung des Präsidenten, dem die Geschäftsführung der alwitra Holding und die Vertretung des Unternehmens gegenüber Dritten obliegt.

Der Anteilserwerb von 7,47% an der alwitra Holding (France) SAS durch die Antragsgegnerin wurde am 08.07.2020 vollzogen und erst am 9.10.2020 nachträglich bei der BWB angemeldet.

Die Amtsparteien stellten nach Einlangen der Anmeldungserklärung durch die Antragsgegnerin keinen Prüfungsantrag.


 

Die Antragsgegnerin erzielte im Geschäftsjahr 2019 (letztes verfügbares Geschäftsjahr) unter Hinzurechnung der Umsätze von Nextstone Umsätze von weltweit EUR XXX, wovon EUR XXX in der EU, jedoch keine Umsätze in Österreich erzielt wurden.

Das Zielunternehmen, die alwitra GmbH erzielte im Geschäftsjahr 2019 weltweite Umsatzerlöse von EUR XXX, wovon EUR XXX in der EU und hiervon EUR XXX in Österreich erwirtschaftet wurden.

Unter Hinzurechnung aller mit ihr verbundenen Unternehmen, insbesondere der Umsätze von Naxicap, erzielte die alwitra Holding zurechenbare Umsatzerlöse von weltweit EUR XXX, wovon EUR XXX in der EU und EUR XXX in Österreich erwirtschaftet wurden.


 

In rechtlicher Hinsicht folgt:

Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht bei einer Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot (§ 17 KartG) eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.

Als Zusammenschluss gemäß § 7 Abs 1 Z 5 KartG gilt jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund derer ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann.

Durch den Erwerb der Anteile und den Abschluss der Gesellschaftervereinbarung hat die Antragsgegnerin die Möglichkeit erlangt, wesentliche Markt- und Wettbewerbsstrategien des Zielunternehmens bestimmen zu können. Durch die Gesellschaftervereinbarung kann sie bei den wesentlichen Entscheidungen, insbesondere über das jährliche Budget und wichtige Investitionen und die Ernennung des Präsidenten ihre wettbewerbsrechtlichen Interessen durchsetzen. Damit ist der Tatbestand nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG erfüllt (vgl. 16 Ok 16/04).

Zusammenschlüsse bedürfen gemäß der vorliegend maßgeblichen Fassung des § 9 Abs 1 KartG vor dem KaWeRÄG 2021 (BGBl. I Nr. 61/2005) der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

Z 1. weltweit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro,

Z 2. im Inland insgesamt mehr als 30 Millionen Euro und

Z 3. mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als 5 Millionen Euro.

Sie bedürfen gemäß § 9 Abs 2 KartG dann keiner Anmeldung (de minimis-Ausnahme), wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

Z 1. nur eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als 5 Millionen Euro und

Z 2. die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit insgesamt nicht mehr als 30 Millionen Euro.

In Folge Überschreitens der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG und Unterschreitens der Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO bestand vor der Durchführung des Erwerbs die Pflicht zur Anmeldung dieser Vorgänge bei der Bundeswettbewerbsbehörde.

§ 17 Abs 1 KartG normiert, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst dann durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrages verzichten oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.

Gemäß § 17 Abs 3 KartG sind Verträge unwirksam, soweit sie dem Durchführungsverbot widersprechen.

Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich bei der Rechtsfolge des § 17 Abs 3 KartG um eine bloß schwebende Unwirksamkeit (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 17 Rz 31). Die betroffenen Verträge treten nach dieser Ansicht, der sich das Kartellgericht anschließt, rückwirkend mit rechtskräftiger Nichtuntersagung des Zusammenschlusses durch das Kartellgericht bzw. nach Ablauf der in § 11 Abs 1 KartG den Amtsparteien eingeräumten Frist zur Stellung eines Zusammenschlussprüfungsverfahrens in Kraft.

Die Antragsgegnerin verstieß daher im Zeitraum zwischen dem erfolgten Erwerb am 08.07.2020 und dem Ablauf der Frist zur Stellung des Prüfungsantrages, die am 07.11.2021 endete, gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG. Gemäß § 29 Abs 1 lit a KartG war daher wegen der Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot (§ 17 KartG) eine Geldbuße über die Antragsgegnerin zu verhängen.


 

Zur Höhe der Geldbuße:

Nach § 30 KartG ist bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens maßgeblich.

Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

Die Dauer des Verstoßes ist hier sehr gering.

Den Erwägungen der BWB zur Bemessung der Höhe der Geldbuße ist zu folgen. Die Verhängung einer niedrigeren Geldbuße ist im Hinblick darauf, dass sich die beantragte Geldbuße im untersten Bereich des in § 29 KartG festgelegten Bemessungsrahmens bewegt, der bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes möglich wäre, nicht in Erwägung zu ziehen.

Die Verhängung einer höheren Geldbuße kommt im Hinblick auf § 36 Abs 2 letzter Satz KartG nicht in Betracht.


 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Ausdruck vom: 28.04.2024 12:50:17 MESZ