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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 17/14


Bekannt gemacht am:

26.01.2015

Entscheidungsdatum:

21.05.2014


"Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV (Art 81 EG) und § 1 KartG 2005, nämlich vertikaler Preisabstimmungen teilweise in Verbindung mit Lieferbeschränkungen, mit Unternehmen des Handels, die Produkte der Elektronik-/Elektroindustrie an Abnehmer in Österreich vertrieben, im Zeitraum von zumindest Anfang 2009 bis Mai 2013, gemäß § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 372.000,-- verhängt.


Begründung:

 

Die Antragstellerin beantragte wie aus dem Spruch ersichtlich und brachte im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin Produkte der Elektronik-/Elektroindustrie vertreibe. In diesem Bereich habe es bis Mai 2013 auch vertikale Abstimmungen über (Mindest-)Wiederverkaufspreise zwischen der Antragsgegnerin und einer Reihe von Unternehmen des Handels, die diese Produkte an Abnehmer in Österreich vertreiben, gegeben. Vor allem bei Selektivprodukten sei es zu Einschränkungen durch die Antragsgegnerin in Bezug auf den Online-Vertrieb gekommen. Bestimmte qualitativ besonders hochstehende Selektivprodukte der Antragsgegnerin sollten nicht über das Internet bzw nicht über Internet-Preissuchmaschinen oder Drittplattformen vertrieben werden. Im Rahmen der vertikalen Preisabstimmungen seien Wiederverkaufspreise von Produkten, die auf dem österreichischen Markt verkauft worden seien, besprochen worden. Die Antragsgegnerin habe sowohl schriftlich als auch mündlich wiederholt Händler kontaktiert, um zu erreichen, dass sie Internet-Bewerbungen zu besonders günstigen Preisen aus dem Netz nehmen bzw den Preis erhöhen. Händler hätten die Preisvorstellungen der Antragsgegnerin in ihrer Preispolitik teilweise berücksichtigt. Händler, die sich nicht an die Preisvorstellungen der Antragsgegnerin gehalten hätten, seien teilweise nicht oder zu schlechteren Bedingungen beliefert worden. Fallweise sei es auch dazu gekommen, dass jene Händler, die nach Ansicht der Antragsgegnerin Produkte zu günstig vertrieben hätten, zukünftig zu höheren Einkaufspreisen von der Antragsgegnerin beliefert worden seien.

 

Aus den von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Beilagen ergebe sich, dass die Antragsgegnerin mit einer Reihe von Händlern Verkaufspreise abgestimmt sowie Lieferbeschränkungen angedroht oder umgesetzt habe und dadurch gegen Art. 101 AEUV bzw § 1 KartG verstoßen habe. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass im vorliegenden Fall die Ausnahmevoraussetzung des Art. 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG 2005 erfüllt seien. Die antragsgegenständlichen Verhaltensweisen würden sich auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet erstrecken und seien an den Absprachen der Antragsgegnerin ein Generalimporteur beteiligt gewesen. Der zwischenstaatliche Handel sei daher beeinträchtigt und liege zudem ein schwerwiegender Verstoß vor, weil im Zusammenhang mit Preisbindungsmaßnahmen das Risiko der Behinderung eines Absatzkanales (Online) geschaffen worden sei, um die Preispflege zu ermöglichen. Es handle sich um eine einzige, komplexe und fortdauernde Zuwiderhandlung in Bezug auf den Absatz von Produkten der Elektronik-/Elektroindustrie, die sich schrittweise in Form von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen manifestiert habe und den Zeitraum von zumindest Anfang 2009 bis Mai 2013 betroffen habe. Es habe sich um eine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs gehandelt, die zu den Kernbeschränkungen nach Art. 101 AEUV bzw § 1 KartG zu zählen sei. Die Antragsgegnerin sei aber auch vielfach einem starken Druck durch Händler ausgesetzt gewesen. Die Antragsgegnerin sei an den Kartellabsprachen direkt beteiligt gewesen.

 

Hinsichtlich der Höhe der beantragten Geldbuße habe die Antragstellerin die im § 30 KartG 2005 enthaltenen Kriterien berücksichtigt. Insbesonders sei maßgeblich gewesen, dass die Antragsgegnerin den prozessualen Aufwand der Antragstellerin erheblich reduziert habe, indem sie vor Einbringung des Bußgeldantrages (27.2.2014) die entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes außer Streit gestellt habe. Der mit den betroffenen Produkten im Internet erzielte durchschnittliche jährliche Gesamtumsatz über den Zeitraum des Verstoßes habe EUR .... betragen. Aus der Sicht der Antragstellerin sei für die Schwere der Zuwiderhandlung ein Betrag in Höhe von 5-10 % dieses Umsatzes angemessen. Dieser Grundbetrag für die Schwere der Zuwiderhandlung sei mit der Dauer des Verstoßes von vier Jahren multipliziert worden. Der Antragsgegnerin sei ein Nachlass von 5-10 % für die Kooperation bei der Aufklärung und ein weiterer Nachlass von 20 % für die Reduktion des Verfahrensaufwands durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung gewährt worden, da die Antragsgegnerin ein umfassendes Anerkenntnis abgegeben habe. Ein Bußgeld in Höhe von EUR 372.000,-- werde von der Antragstellerin als ausreichend general- und spezialpräventiv eingeschätzt; nicht zuletzt, weil die Antragsgegnerin bereits Schritte eingeleitet haben dürfte, um zukünftige Verstöße hintanzuhalten.

 

Vor Einbringung des Bußgeldantrages hat die Antragsgegnerin ein Anerkenntnis abgegeben.

 

Im Rahmen der ihr aufgetragenen Äußerung hat die Antragsgegnerin gegen den beantragten Beschluss im Hinblick auf den im Anerkenntnis beschriebenen und eingeräumten Sachverhalt keine Einwendungen oder Einreden erhoben.

 

Das anerkannte Verhalten der Antragsgegnerin umfasst vertikale Abstimmungen über Wiederverkaufspreise zwischen ihr und einer Reihe von Unternehmen des Handels und Lieferbeschränkungen durch die Antragsgegnerin. In diesem Zusammenhang kontaktierte die Antragsgegnerin Handelsunternehmen, um zu erreichen, dass sie Angebote von Produkten der Antragsgegnerin zu vorgegebenen Wiederverkaufspreisen an Abnehmer in Österreich vertreiben. Die Handelsunternehmen haben diese Preisvorstellungen der Antragsgegnerin zum Teil in ihrer Preispolitik berücksichtigt und die Antragsgegnerin hat diese Preispolitik zum Teil durch Lieferbeschränkungen abgesichert.   

Derartige vertikale Abstimmungen über Wiederverkaufspreise und Vertriebseinschränkungen stellen Kernverstöße gegen Art. 101 AEUV (Art 81 EU) dar und widersprechen dem Kartellverbot des § 1 KartG 2005.

 

Rechtfertigungsgründe sind nicht erkennbar und wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

 

Die beantragte Höhe der Geldbuße, über die das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG 2005 nicht hinausgehen kann, steht mit den Kriterien des § 30 KartG 2005 in Einklang. Bei der Bemessung der Höhe war auch maßgeblich, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkte und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes anerkannt habe.

 

Dass sich die verhängte Geldbuße im Rahmen des Höchstbetrages des § 29 Z 1 KartG 2005 bewegt kann als notorisch betrachtet werden."

 


Ausdruck vom: 26.04.2024 02:58:06 MESZ