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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 1/22z


Bekannt gemacht am:

12.09.2022

Entscheidungsdatum:

21.07.2022


Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG im Zeitraum von 1.1.2019 bis 10.2.2020, indem die Antragsgegnerin in einem am 11.3.2019 abgeschlossenen und von 1.1.2019 bis 10.2.2020 gültigen Vertrag mit der Regel- und Steuersysteme AT GmbH die Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäude anhand der jeweiligen Projektadresse nach Bundesländern und anhand bestimmter Kunden vereinbarte, gemäß § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße von EUR 50.000,-- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Außer Streit steht:

Die Antragsgegnerin, ein 1993 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Großgmain, Salzburg, und der FN 33836i, ist in der Errichtung und Wartung der Regelungstechnik für Belüftung und Heizung in Gebäuden sowie im Bereich der Anlagentechnik tätig. Der Gruppenumsatz der Antragsgegnerin betrug im Geschäftsjahr 2020 EUR [xxx]; der Umsatz des Jahres 2021 steht noch nicht fest.

Seit 2008 bis zum Verkauf im Oktober 2018 war die Regel- und Steuersysteme AT GmbH (FN 192447k, damals „R + S Systems GmbH“ bzw zuvor „R + S Group Regeltechnik und Schaltanlagenbau GmbH“; in der Folge als „RS Systems“ bzw „R+S Wien“ bezeichnet) eine Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Seit 2014 befand sich der Unternehmenssitz der „RS Systems“ in Brunn am Gebirge, im Jänner 2018 wurde die Zweigniederlassung der Antragsgegnerin in Leoben auf die „RS Systems“ übertragen. Im Oktober 2018 erfolgte die Trennung dieser Tochtergesellschaft mitsamt der Zweigniederlassung Leoben von der Antragsgegnerin. Konkret übernahm Gerhard Scharl, der zu diesem Zeitpunkt die Geschäfte der „RS Systems“ führte, alle Anteile an dieser von der Antragsgegnerin. Seit August 2020 hat die „RS Systems“ auch eine Niederlassung in Salzburg.

Am 11.3.2019 schlossen die Antragsgegnerin und die „RS Systems“ einen mit 1.1.2019 rückwirkend in Kraft getretenen Vertrag, welcher verschiedene Aspekte der Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen nach deren Trennung voneinander regeln sollte. Es wurde eine Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme nach Bundesländern vereinbart. Konkret wurde im Vertrag festgehalten (wobei die Antragsgegnerin als „R+S Salzburg“ und die RS Systems als „R+S Wien“ bezeichnet wird; s Beilage [richtig] ./D):

(…) Ziel ist es, weiterhin gemeinsam den österreichischen Markt zu pflegen und gegenüber anderen Mitbewerbern zu bearbeiten.

Der Vertrag ist gültig zwischen der R+S Salzburg, der R+S Wien sowie mit allen direkt verbundenen Unternehmen zu diesen beiden Firmen. Auch zu Unternehmen, zu welchen einer der beiden Gesellschafter (…) Gesellschaftsanteile hält oder sich im Angestelltenverhältnis bzw Werkvertragsbasis befindet, hat dieser Vertrag Gültigkeit. (…)

2.) Gebietsaufteilung

Österreich wird für die Bearbeitung der Projekte von R+S Wien und R+S Salzburg (Abteilung MSR für Gebäudetechnik) wie folgt aufgeteilt:

R+S Group Salzburg:

- Vorarlberg

- Tirol

- Salzburg

- Oberösterreich

R+S Group Wien

- Wien

- Niederösterreich

- Burgenland

- Steiermark

- Kärnten

Ausschlaggebend für die vor angeführte Gebietsaufteilung ist die jeweilige Projektadresse.

Die Betreuung der Planer und Kunden erfolgt nur im jeweiligen Bereich lt oben angeführter Gebietsaufteilung. Im Bedarfsfall wird zwischen R+S Salzburg und R+S Wien über die Betreuung eines speziellen Planers/Kunden aus dem jeweiligen anderen Gebiet geredet und vereinbart.

Projekte aus dem Gebiet von R+S Salzburg werden von R+S Salzburg ausgeschrieben, angeboten, bearbeitet und an den Kunden abgerechnet.

Projekte aus dem Gebiet von R+S Wien werden von R+S Wien ausgeschrieben, angeboten, bearbeitet und an den Kunden abgerechnet.

Wird ein Projekt aus dem Gebiet „R+S Salzburg“ von R+S Wien geplant und verkauft, so ist eine Verkaufsprovision von R+S Salzburg an R+S Wien in der Höhe von 7% des Netto Auftragswertes der Schlussrechnung zu bezahlen (und umgekehrt). 30 Tage nach der Auftragsvergabe wird eine Provision I von 3% der Auftragssumme fällig. 60 Tage nach Legung der Schlussrechnung wird eine Provision II, der Rest von insgesamt 7% der Schlussrechnungssumme fällig. (…) Befindet sich der Auftraggeber für ein Projekt im Gebiet von R+S Wien im Gebiet von R+S Salzburg, ist die Kontaktaufnahme für die Angebotslegung mit R+S Salzburg abzustimmen.

Gleiches Prozedere gilt in umgekehrter Reihenfolge, wenn R+S Wien mit einem Planer aus dem Gebiet von R+S Wien für ein Projekt im Gebiet von R+S Salzburg eine Ausschreibung erstellt.

Projekte im Ausland sind von dieser Regelung nicht betroffen.

Sonstige Ausnahmen:

- Projekte und Anlagen, welche nicht in den Bereich „MSR für HKLS Gebäudetechnik“ fallen

- Systeme, Projekte und Anlagen, welche aus dem Vertrieb oder Verkauf eines Solution Partners (z.B. …) entstehen, außerhalb des Bereichs „Anlagenbau MSR und HKLS Gebäudetechnik“

- Anlagen und Projekte, welche vor in Kraft treten dieses Vertrages bestanden hatten, und bereits durch den jeweiligen Partner betreut und bearbeitet werden (z.B: …)

A) Ing. B*** (…)

Die Projekte von Ing. B*** werden von Gerhard Scharl bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Salzburg wird R+S Salzburg hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Eine Provision wird hier nicht fällig.

B) E*** (…)

Die Projekte im Gebiet von R+S Salzburg werden von R+S Salzburg bearbeitet. Die Projekte im Gebiet von R+S Wien werden von R+S Wien bearbeitet. Eine Provision wird hier nicht fällig.

C) C***(…)

Die Projekte von C*** werden von R+S Salzburg bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Wien wird R+S Wien hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Ein Provision wird hier nicht fällig.

D) Fa. W***(…)

Die Projekte von W*** werden von R+S Wien bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Salzburg wird R+S Salzburg hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Eine Provision wird hier nicht fällig.

E) Fa. L*** (…)

Die Projekte von L*** werden von R+S Salzburg und R+S Wien mit der vereinbarten Gebietsaufteilung bearbeitet. Wünscht sich der Kunde L***, die Bearbeitung von Projekten und Dienstleistungen entgegen der Gebietsaufteilung, wird dies Gemeinsam besprochen und vereinbart.

Definition „bearbeitet“: Ausschreibung, Angebot, Lieferung und zugehörige Abrechnung des Projekts an den Kunden

Weitere Ausnahmen können jederzeit in schriftlicher Form vereinbart werden.

Verstößt eine Partei gegen diesen Punkt 2, ist eine Strafe in der Höhe des 0,5-fachen Auftragswertes Netto excl. Mwst. pro Verletzung von der den Punkt verletzenden Firma an die andere Firma aus diesem Vertrag innerhalb von 4 Wochen, nach der ersten Aufforderung, zu zahlen (Beispiel: […]). Die maximale Höhe pro Verstoß beträgt EUR 50.000,- Netto.“

In der Folge wurden einige potentielle Kunden mit Sitz im Verkaufsgebiet des jeweils anderen Unternehmens tatsächlich entsprechend dem Vertrag verwiesen.

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a KartG in Höhe von EUR 50.000,-- über die Antragsgegnerin.

Unter Darstellung des außer Streit stehenden Sachverhalts brachte sie vor, dass es mit dem am 11.3.2019 zwischen der Antragsgegnerin und der „RS Systems“ abgeschlossenen Vertrag zu einer kartellrechtswidrigen Vereinbarung über die Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme nach Bundesländern sowie nach bestimmten Kunden gekommen sei, welche durch das Verweisen potentieller Kunden mit Sitz im Verkaufsgebiet des jeweils anderen Unternehmens an dieses auch umgesetzt worden sei.

Vom Kartellverbot des § 1 Abs 1 KartG seien Vereinbarungen, Beschlüsse sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen erfasst, wobei der Begriff „Vereinbarung“ weit ausgelegt werde und grundsätzlich jede Willensübereinstimmung zwischen Unternehmen über ihr Auftreten am Markt umfasse. Bei der vorliegenden Vereinbarung habe es sich um eine kartellrechtswidrige Absprache über die Aufteilung des österreichischen Marktes sowie von Kunden gehandelt. Aufgrund der Eindeutigkeit des Vertragsinhalts würden sich weitere Erwägungen erübrigen.

Die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung oder die Aufteilung der Märkte oder Bezugsquellen seien nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 KartG bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen; hier stehe die Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Vordergrund. Auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen komme es dabei nicht mehr an. Vorliegend sei die Marktaufteilung bezweckt gewesen.

Zur Höhe der Geldbuße berief sich die Antragstellerin auf die Heranziehung der in § 30 KartG enthaltenen Kriterien. Berücksichtigt worden seien (i) der oben festgestellte Gruppenumsatz der Antragsgegnerin sowie der in dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Geschäftsbereich der Projekte für Gebäudetechniksysteme in Österreich im Geschäftsjahr 2019 erzielte Umsatz von rund EUR xxx], (ii) die Schwere der Rechtsverletzung (Kernbeschränkung) sowie (iii) die Dauer des Verstoßes von einem Jahr. Demnach erscheine ein Grundbetrag von EUR 62.500,-- angemessen. Da die Antragsgegnerin den von der Antrag­stellerin erhobenen Sachverhalt außer Streit gestellt und den Verfahrensaufwand dadurch erheblich reduziert habe, gelange eine Reduktion von 20% zur Anwendung, woraus sich der Betrag der beantragten Geldbuße ergebe.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin stellte das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit und akzeptierte die darauf basierende rechtliche Beurteilung sowie die vorgenommene Geldbußenberechnung. Sie hatte außergerichtlich ein (als Beilage [xxx vorgelegtes) Anerkenntnis abgegeben, welches sie im Gerichtsverfahren aufrecht hielt.

Ein ergänzendes Vorbringen wurde lediglich betreffend die Vorgeschichte und die Begleitumstände des inkriminierten Vertragsabschlusses, nicht jedoch in Ansehung der eigentlichen Tathandlung erstattet.

Rechtlich folgt daraus:

1. Da gegen die Richtigkeit der Anerkenntniserklärung der Antragsgegnerin und des außer Streit gestellten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

2. Die Antragsgegnerin vereinbarte mit der „RS Systems“ in dem Vertrag vom 11.3.2019 eine Aufteilung des von ihnen bearbeiteten Marktes nach Bundesländern sowie nach einzelnen Kunden. In bestimmten Fällen (Planung und Verkauf eines Projektes aus einem Gebiet durch das das andere Gebiet bearbeitende Unternehmen) wurde die Zahlung einer konkret festgesetzten Verkaufsprovision vereinbart, bei Verstößen gegen die vereinbarte Aufteilung war eine Strafzahlung in bestimmter Höhe vorgesehen.

Der Vertrag erfüllt völlig unzweifelhaft die Qualifikation einer „Vereinbarung zwischen Unternehmen“ iSd § 1  Abs 1 KartG (vgl Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 1 Rz 17 mwN). Eine Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insofern, als einige potentielle Kunden an das entsprechend dem Vertrag „zuständige“ Unternehmen verwiesen wurden.

Demnach war das außer Streit stehende Verhalten der Antragsgegnerin auf eine Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäude gerichtet, welche iSd § 1 Abs 2 Z 3 KartG verboten ist. Es handelt sich bei dieser Marktaufteilungsabsprache um eine Kernbeschränkung des Wettbewerbs, die grundsätzlich als bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs anzusehen ist (RS0120917). Hier steht die Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Vordergrund (Lager/Petsche aaO Rz 70 f). Die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung brauchen daher nicht berücksichtigt zu werden, zumal diese Form der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden kann (vgl Lager/Petsche aaO Rz 62 f).

3. Die vorliegende Verhaltensweise stellt somit eine verpönte Marktaufteilungsabsprache dar und es liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor.

Rechtfertigungsgründe nach § 2 KartG wurden nicht behauptet und sind nicht erkennbar. Es sind somit alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße erfüllt.

 

4. Nähere Prüfungen zur Höhe der Geldbuße erübrigen sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass die beantragte Geldbuße überhöht wäre. Bei der Bemessung war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin durch ihr Anerkenntnis und die Außerstreitstellung den Verfahrensaufwand erheblich reduzierte. Für eine weitere Reduktion des herangezogenen (und nicht zu beanstandenden) „Grundbetrags“ bestand keine Veranlassung. Die Verhängung einer geringeren Geldbuße kam daher nicht in Betracht, zumal die Antragsgegnerin den beantragten Betrag als angemessen bestätigte.

 


Ausdruck vom: 28.04.2024 15:23:54 MESZ