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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

127 Kt 1/23v


Bekannt gemacht am:

29.11.2023

Entscheidungsdatum:

13.06.2023


Der am 20. Dezember 2022 bei der Bundeswettbewerbsbehörde zu BWB Z-6156 angemeldete Zusammenschluss der Erstantragsgegnerin mit der Zweitantragsgegnerin durch Erwerb sämtlicher Anteile an und alleiniger Kontrolle über die Zweitantragsgegnerin mit Ausnahme von deren Beteiligungen an der Creaton Polska sp.zo.o., Polen, und an der Creaton South East Europe Kft., Ungarn, sowie des österreichischen Vertriebs der Creaton GmbH, Deutschland, (als „Österreich-Geschäft“ definiert unter Punkt 1. b) der Auflagen), wobei diese mittelbaren Beteiligungen und mittelbaren Vermögensbestandteile der Zweitantragsgegnerin vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens im Wege des unter Punkt 1. c) der Auflagen beschriebenen Carve-outs herausgelöst werden, wird unter folgenden Auflagen, die das Ziel der Schaffung eines viable competitors auf dem österreichischen Bedachungsmarkt für das Steildach verfolgen, nicht untersagt:
Auflagen:
1. Begriffsbestimmungen:
Im Sinne dieser Auflagen bezeichnet
a) Creaton Deutschland: die Creaton GmbH, Deutschland;
b) Österreich-Geschäft: der österreichische Vertrieb der Creaton Deutschland, dessen Vermögenswerte namentlich umfassen: die Anstellungsverträge zwischen Creaton Deutschland und ihren sechs österreichischen Vertriebsleuten (einschließlich des Vertriebsleiters); die Verträge von Creaton Deutschland mit österreichischen Kunden (insbesondere mit Baustoffhändlern und Dachdeckerbetrieben); die Warenlager- und Transportverträge zwischen Creaton Deutschland und der Schachinger baulogistik GmbH; die Pkw-Leasingverträge zwischen Creaton Deutschland und der Interleasing Gesellschaft mbH & Co.KG; den Geschäftsraummietvertrag zwischen Creaton Deutschland und dem Vertriebsleiter; sämtliche am Vollzugstag im Warenlager Schärding befindlichen und als Eigentum von Creaton Deutschland designierten Güter; sämtliche am Vollzugstag in Österreich befindliche IT- und Geschäftsausstattung im Eigentum von Creaton Deutschland; sowie sämtliche Geschäftsdaten und -unterlagen, die sich auf österreichische Kunden von Creaton Deutschland beziehen (insbesondere Vertriebsplanungen, Kundenlisten, Kundenbestellhistorien, Kundenkorrespondenz und Verkaufsanalysen);
c) Carve-out: der Erwerb der mittelbaren Beteiligungen der Zweitantragsgegnerin an der Creaton South East Europe Kft. und der Creaton Polska sp.zo.o. sowie des derzeit noch Creaton Deutschland zugeordneten Österreich-Geschäfts entweder durch bisherige Anteilseigner der Zweitantragsgegnerin oder einen unabhängigen Dritten; und
d) Eastern Business: die Creaton South East Europe Kft. und die Creaton Polska sp.zo.o. sowie das derzeit noch Creaton Deutschland zugeordnete und im Rahmen des Carve-out zu übertragende Österreich-Geschäft.
2. Lieferverpflichtung:
Die Erstantragsgegnerin ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Creaton Deutschland ihr bisheriges, im Rahmen des Zusammenschlussvorhabens nicht übernommenes und auf die Creaton South-East Europe Kft, Ungarn, oder ein mit dieser verbundenes Unternehmen übertragenes Österreich-Geschäft ab dem Vollzugstag übergangsweise weiterhin beliefert, wobei folgende Konditionen als vereinbart gelten und zwischen Creaton Deutschland und dem Eastern Business vertraglich zu vereinbaren und auf allfällige Rechtsnachfolger zu überbinden sind:
a) Diese Lieferverpflichtung bezieht sich auf Tondachziegel (einschließlich keramischen Zubehörs), Betondachsteine (einschließlich Komponenten), Unterspannbahnen und sonstiges technisches Dachzubehör, so wie sie das Österreich-Geschäft vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens von Creaton Deutschland bezogen hat („Vertragsprodukte“).
b) Die Lieferverpflichtung gilt für den Rest des Kalenderjahres, in dem das Zusammenschlussvorhaben vollzogen wird, sowie die darauffolgenden drei Kalenderjahre.
c) Creaton Deutschland trifft eine Lieferverpflichtung für die Vertragsprodukte innerhalb des folgenden Mengenkorridors auf Ebene des jeweiligen Produktmodells (also zB des Tondachziegels „Harmonie“):
(i) Mindestmengen: 70-80] % (1. auf den Vollzug des Zusammenschlussvorhabens folgendes Kalenderjahr) / [50-60] % (2. Kalenderjahr) / [30-40] % (3. Kalenderjahr) der durchschnittlichen jährlichen Menge im Zeitraum [vertrauliche Information]; im Kalenderjahr des Vollzugs des Zusammenschlussvorhabens (Rumpfjahr) besteht keine Mindestmenge;
(ii) Höchstmenge: [niedrige dreistellige Prozentzahl] der durchschnittlichen jährlichen Menge im Zeitraum von [vertrauliche Information] bis [vertrauliche Information].
Bis zur Erreichung der jeweiligen Höchstmenge darf Creaton Deutschland die Annahme einer ordnungsgemäßen Bestellung über Vertragsprodukte nicht verweigern. Das Eastern Business ist zur Abnahme der Mindestmenge verpflichtet.
d) Die Belieferung des Österreich-Geschäfts mit den Vertragsprodukten erfolgt zu [vertrauliche Information].
e) Diese Kostenbasis wird zum Vollzugstag [vertrauliche Information].
f) Creaton Deutschland räumt dem Eastern Business die einseitige Option ein, die Lieferverpflichtung zunächst um ein Kalenderjahr zu verlängern und die Lieferverpflichtung gegebenenfalls anschließend erneut um ein Kalenderjahr zu verlängern („Verlängerungszeitraum“). Die Lieferverpflichtung endet somit spätestens mit Ende des fünften Kalenderjahres nach dem Vollzugsjahr. Die Verlängerungsoption muss jeweils bis zum 31. August des Vorjahres in Schriftform gegenüber der Creaton Deutschland ausgeübt werden.
g) Im Verlängerungszeitraum beschränkt sich die Lieferverpflichtung auf Pressdachziegelmodelle mit einem Format von mindestens 13 Stück oder mehr pro m² (einschließlich zugehörigen keramischen Zubehörs) so wie sie das Österreich-Geschäft vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens von Creaton Deutschland bezogen hat. Die Konditionen gemäß der Punkte c) bis e) gelten uneingeschränkt fort, wobei der Mengenkorridor des dritten Kalenderjahres nach Vollzug des Zusammenschlussvorhabens weiterhin gilt.
h) Die Lieferverpflichtung endet ohne Weiteres, sobald und soweit ihr Zweck (Versorgung des Eastern Business mit ausreichenden Mengen an den unter Punkt a) oben genannten Vertragsprodukten entsprechenden Produkten) auf andere Weise sichergestellt ist, insbesondere soweit der Erwerber des Eastern Business solche aus eigener Produktion zur Verfügung stellen kann. Dabei obliegt innerhalb des unter Punkt c) definierten Mengenkorridors die Einschätzung, welche Mengen ausreichend sind, dem Eastern Business, bei Erreichen der Höchstmenge liegt jedenfalls eine ausreichende Menge vor. Vom Eintritt dieses Falls hat das Eastern Business die Erstantragsgegnerin unverzüglich in Schriftform zu verständigen.
3. Berichtspflicht:
Die Erstantragsgegnerin ist verpflichtet, den Amtsparteien jeweils bis zum 31. März der sechs dem Vollzug des Zusammenschlussvorhabens folgenden Jahre die
a) im abgelaufenen vorigen Kalenderjahr (bzw im Rumpfjahr des Vollzuges des Zusammenschlussvorhabens) gelieferten Vertragsprodukte;
b) die entsprechenden Mengen;
c) die darauf angewandten durchschnittlichen Lieferpreise; und
d) die Veränderung des Preisindexes im Vergleich zum jeweils vorhergehenden Kalenderjahr;
sowie weiters
e) die Gesamtmenge und den Gesamtumsatz der von der Erstantragsgegnerin jeweils im abgelaufenen vorigen Kalenderjahr am österreichischen Markt abgesetzten Tondachziegel
schriftlich (per Email) mitzuteilen.
Der Eintritt des Endes der Lieferverpflichtung im Sinne des Punktes 2 h) ist den Amtsparteien mitzuteilen, womit die Berichtspflicht gemäß Punkt 3 a) bis d) für zukünftige Zeiträume entfällt.
4. Lizenzierungsverpflichtung:
Die Erstantragsgegnerin ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Creaton Deutschland (oder ein verbundenes Unternehmen) dem Österreich-Geschäft übergangsweise ab dem Vollzugstag weiterhin die Marke „Creaton“ sowie alle weiteren derzeit vom Österreich-Geschäft genutzten Markenrechte der Creaton Deutschland lizenziert. Dabei sind folgende Konditionen zu vereinbaren und auf Creaton Deutschland (oder das als Lizenzgeber auftretende verbundene Unternehmen) und das Eastern Business sowie allfällige Rechtsnachfolger vertraglich zu überbinden:
a) Die Lizenz bezieht sich auf alle relevanten zulässigen Nutzungen (Herstellung, Vertrieb, Werbung usw.) für Tondachziegel, Betondachsteine, Unterdeckbahnen, Dachzubehör und Photovoltaik-Produkte sowie alle damit verbundenen Produkte, Teile und Dienstleistungen, auch wenn sie keine Vertragsprodukte sind.
b) Die Lizenz wird unter Ausschluss einer Markennutzung durch Dritte und den Lizenzgeber selbst (exklusive Lizenz) für Nutzungen in Österreich gewährt.
c) Die Lizenz wird dem Eastern Business unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
d) Die Lizenzierungsverpflichtung gilt unwiderruflich für den Rest des Kalenderjahres, in dem das Zusammenschlussvorhaben vollzogen wird, sowie die darauffolgenden drei Kalenderjahre.
e) Der Lizenzgeber räumt dem Eastern Business die einseitige Option ein, die Lizenz zunächst um ein Kalenderjahr zu verlängern und die Lizenz gegebenenfalls anschließend erneut um ein Kalenderjahr zu verlängern. Die Lizenz endet somit spätestens mit Ende des fünften Kalenderjahres nach dem Vollzugsjahr. Die Verlängerungsoption muss jeweils bis zum 31. August des Vorjahres in Schriftform gegenüber dem Lizenzgeber ausgeübt werden.
f) Im Verlängerungszeitraum gelten die Konditionen gemäß der Punkte a) bis c) uneingeschränkt fort.
g)Bei Ausübung der Verlängerungsoption muss das Eastern Business erklären, welche der lizenzierten Zeichen es in den bisherigen Monaten des laufenden Kalenderjahres in erheblichem Umfang zur Kennzeichnung von Waren und/oder Dienstleistungen in Österreich genutzt hat. Für alle übrigen Zeichen endet die Lizenzierungsverpflichtung mit Ende des laufenden Kalenderjahres.
h) Nach Ende der anwendbaren Lizenzdauer wird dem Eastern Business für weitere sechs Monate eine nicht-exklusive Lizenz ausschließlich für den Abverkauf von vor Ende der Lizenzdauer hergestellten Produkten im vorherigen Lizenzgebiet gewährt.
5. Abwerbeverbot:
Die Erstantragsgegnerin ist verpflichtet, es ab dem Vollzugstag für den Rest des Kalenderjahres, in dem das Zusammenschlussvorhaben vollzogen wird, sowie die darauffolgenden drei Kalenderjahre zu unterlassen, im eigenen Namen oder durch die Clay Tiles Europe SAS, Frankreich, die Creaton Deutschland oder irgendein anderes derzeit oder künftig von der Erstantragsgegnerin kontrolliertes Unternehmen eines der am Vollzugstag beschäftigten Mitglieder des österreichischen Vertriebsteams des Eastern Business aktiv abzuwerben.
6. Umrüstungsverpflichtung:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, sicherzustellen, dass die Creaton South East Europe Kft. im Tondachziegelwerk in Cserépgyár utca 1, 8960 Lenti, Ungarn, Umrüstungen vornehmen wird, sodass in diesem Tondachziegelwerk spätestens zum Ende des dritten auf den Vollzug des Zusammenschlussvorhabens folgenden Kalenderjahres mittelformatige Tondachziegel (das sind solche mit einem Format von 11 bis 13 Stück pro m²) für den österreichischen Bedachungsmarkt für das Steildach produziert werden können, wobei
a) sich das Gesamtinvestitionsvolumen für die Umrüstungsmaßnahmen auf bis zu EUR [einstelliger Millionenbetrag] beläuft;
b) die Möglichkeit des Eastern Business mittelformatige Tondachziegel zusätzlich auch aus anderen Quellen zu beziehen, davon unberührt bleibt; und
c) die Umrüstungsverpflichtung auch als erfüllt gilt, wenn ein zukünftiger Erwerber des Eastern Business oder dessen Unternehmensgruppe eigens produzierte mittelformatige Tondachziegel am österreichischen Bedachungsmarkt für das Steildach bereitstellt.
7. Berichtspflicht:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, sicherzustellen, dass die Creaton South East Europe Kft. den Amtsparteien jeweils bis zum 31. März der vier dem Vollzug des Zusammenschlussvorhabens folgenden Jahre einen kurzen schriftlichen Bericht (per E-Mail) über den Stand der Umrüstungen im Tondachziegelwerk in Lenti, Ungarn, gemäß Punkt 6. übermittelt, wobei diese Berichtspflicht jedenfalls mit dem Bericht über die Fertigstellung der Umrüstungsarbeiten oder den Eintritt des Falles nach Punkt 6 c) endet.
8. Vertragliche Überbindung der Verpflichtungen gemäß Punkt 6 und Punkt 7:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, ihre Verpflichtungen gemäß Punkt 6 und Punkt 7 mit Vollzug des Carve-out vertraglich vollinhaltlich auf den zukünftigen Erwerber des Eastern Business zu überbinden. Die Zweitantragsgegnerin ist weiters verpflichtet, diesen zukünftigen Erwerber zusätzlich vertraglich zu verpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass die Verpflichtungen gemäß Punkt 6 und Punkt 7 auf jeden direkten oder indirekten Rechtsnachfolger sowie nachfolgenden Erwerber des Eastern Business in gleicher Weise überbunden werden.
9. Vertriebsteam:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, für eine Dauer von fünf Kalenderjahren beginnend mit dem Tag des Vollzugs des Carve-out sicherzustellen, dass das Eastern Business den Bereich des Vertriebs der Bedachungsprodukte für das Steildach in Österreich mit Personen bearbeiten wird, die in Hinblick auf das Beschäftigungsausmaß [einstellige Zahl] Vollzeitäquivalenten entsprechen, wobei
a) der Vertrieb durch echte und freie Dienstnehmer, wozu auch Handelsvertreter zählen, erfolgen kann, die bei der Creaton South East Europe Kft. oder dem zukünftigen Erwerber des Eastern Business direkt oder indirekt (zB über eine verbundene Gesellschaft oder einen Vertragspartner der Creaton South East Europe Kft. bzw. einer mit dieser verbundenen Gesellschaft) beschäftigt sind; und
b) eine kurzfristige Unterschreitung der beschäftigten Personenanzahl aufgrund einer betrieblichen Fluktuation unerheblich ist.
10. Berichtspflicht:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, sicherzustellen, dass die Creaton South East Europe Kft. den Amtsparteien jeweils bis zum 31. März der sechs dem Vollzug des Zusammenschlussvorhabens folgenden Jahre
a) unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben eine Liste jener Personen einschließlich ihres jeweiligen Beschäftigungsausmaßes schriftlich (per E-Mail) zusendet, die mit dem Vertrieb der Bedachungsprodukte des Eastern Business für das Steildach am österreichischen Markt betraut waren; und
b) die Gesamtmenge und den Gesamtumsatz der vom Eastern Business jeweils im abgelaufenen vorigen Kalenderjahr am österreichischen Markt abgesetzten Tondachziegel schriftlich (per E-Mail) mitteilt.
11. Vertragliche Überbindung der Verpflichtungen gemäß Punkt 9 und Punkt 10:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, ihre Verpflichtungen gemäß Punkt 9 und Punkt 10 mit Vollzug des Carve-out vertraglich vollinhaltlich auf den zukünftigen Erwerber des Eastern Business zu überbinden. Die Zweitantragsgegnerin ist weiters verpflichtet, den zukünftigen Erwerber des Eastern Business zusätzlich vertraglich verpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass die Verpflichtungen gemäß Punkt 9 und Punkt 10 auf jeden direkten oder indirekten Rechtsnachfolger sowie nachfolgenden Erwerber des Eastern Business in gleicher Weise überbunden werden.
12. Änderung der maßgeblichen Umstände:
Die Zweitantragsgegnerin ist verpflichtet, mit dem Eastern Business vertraglich zu vereinbaren, dass sie bei Änderung der maßgeblichen Umstände im Sinne des § 12 Abs 3 KartG einen diesbezüglichen Antrag auf Kosten des Eastern Business auch mit dem Ziel stellt, die dem Eastern Business gemäß den Punkten 6 bis 11 überbundenen Verpflichtungen zu dessen Gunsten abzuändern oder aufzuheben, wobei diese Verpflichtung dann nicht besteht, wenn ein derartiger Antrag den Interessen der Erstantragsgegnerin zuwiderlaufen würde.
 
B e g r ü n d u n g
I. Zusammenschlussanmeldung:
Die Antragsgegnerinnen meldeten am 20.12.2022 bei der Bundeswettbewerbsbehörde zu BWB Z-6156 den Zusammenschluss der Erstantragsgegnerin mit der Zweitantragsgegnerin an. In der Zusammenschlussanmeldung wird das Vorhaben zusammengefasst wie folgt beschrieben:
Wienerberger AG, Österreich („Wienerberger“ oder „Erwerberin“), beabsichtigt mittelbar über die Wienerberger Participations SAS, Frankreich („Wienerberger Participations“), sämtliche Anteile an und damit die alleinige Kontrolle über die Terreal Holding S.A.S, Frankreich ("Terreal“), sowie indirekt über Teile deren Tochtergesellschaften (jedoch insbesondere nicht das österreichische Geschäft von Terreal) zu erwerben. Das Zusammenschlussvorhaben umfasst den Erwerb von Terreal und damit auch der in Anlage 2 angeführten Tochterunternehmen (gemeinsam mit Terreal das „Zielunternehmen“, das Zielunternehmen und Wienerberger gemeinsam die „Parteien“; „Zusammenschlussvorhaben“).
Nicht Teil des Zusammenschlussvorhabens sind die Beteiligungen von Terreal an der Creaton Polska sp.zo.o, Polen („Creaton PL“), und an der Creaton South East Europe Kft., Ungarn („Creaton SEE“), sowie der österreichische Vertrieb der in Deutschland ansässigen Creaton GmbH (gemeinsam mit Creaton PL und Creaton SEE, der „nicht erworbene Geschäftsbereich“), der vor Vollzug des Zusammenschlussvorhabens aus der Creaton GmbH herausgelöst wird („Carveout“). Der nicht erworbene Geschäftsbereich wird entweder von bisherigen Anteilseignern des Zielunternehmens oder einem unabhängigen Dritten spätestens gleichzeitig mit Vollzug des Zusammenschlussvorhabens erworben („Sekundärtransaktion“). Eine solche Sekundärtransaktion ist kein Teil des Zusammenschlussvorhabens und wird daher in dieser Anmeldung nicht näher dargestellt.
Das Österreich-Geschäft von Terreal wird somit jedenfalls nicht von Wienerberger erworben, sondern verbleibt bei bisherigen Anteilseignern oder wird von einem unabhängigen Dritten erworben. Folglich wird auch die Marktposition von Terreal in Österreich nicht von Wienerberger übernommen. Es kommt daher tatsächlich zu keinem Marktanteilszuwachs für Wienerberger in Österreich.
Die Anmeldepflicht besteht nur aufgrund von historischen Umsätzen der von Wienerberger erworbenen deutschen Creaton GmbH mit dem nicht erworbenen Österreich-Geschäft. Diese historischen Umsätze werden durch das Zusammenschlussvorhaben von konzerninternen Umsätzen zu Außenumsätzen. Diese Umsätze vermitteln dem Zielunternehmen jedoch keinen Marktzugang in Österreich, weshalb diesen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung keine Bedeutung zukommt.
In einer Fußnote dazu wird festgehalten: „Die Parteien halten fest, dass die Durchführung des Carve-outs eine Closing-Bedingung für das Zusammenschlussvorhaben darstellt, sodass sichergestellt ist, dass das österreichische Vertriebsgeschäft (sowie die Beteiligungen an Creaton PL und Creaton SEE) zum Zeitpunkt der Durchführung des Zusammenschlussvorhabens nicht mehr Teil der von Wienerberger erworbenen Creaton GmbH ist.“
Die Anmelderinnen definieren den betroffenen Geschäftszweig als den „Markt für Bedachungsmaterial für das Steildachbzw. den „Teilmarkt für kleinformatiges Bedachungsmaterial für das Steildach. Die Erstantragsgegnerin sei in Österreich in diesem Markt ausschließlich im Bereich Tondachziegel tätig, während die Zweitantragsgegnerin in Österreich neben Tondachziegeln auch Betondachsteine vertreibe. Von den Parteien würden in Österreich keine anderen kleinformatigen Bedachungsmaterialien für das Steildach, insbesondere keine Faserzementplatten oder Metalldachschindeln, vertrieben, ebenso wenig großformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach oder Bedachungsmaterialien für das Flachdach. Die Parteien vertrieben weiters in Österreich Unterdeckbahnen aus Kunststoff und sonstiges Dachzubehör. Räumlich sei von einem nationalen Markt auszugehen. Auf dem österreichischen Teilmarkt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach verfügten die Antragsgegnerinnen über einen gemeinsamen Marktanteil von [20-30] % (davon das Zielunternehmen [0-5]%), auf dem Markt für Unterdeckbahnen für das Steildach über einen gemeinsamen Marktanteil von [0-5] % und auf dem Markt für Dachzubehör nach Schätzungen der Erstantragsgegnerin von „unter 15 %“.
 
II. Anträge und Vorbringen der Parteien:
Die Bundeswettbewerbsbehörde (zu 127 Kt 1/23v) und der Bundeskartellanwalt(zu 127 Kt 2/23s) stellten am 31.1.2023 jeweils fristgerecht den Antrag, den Zusammenschluss gemäß §§ 11 KartG einer Prüfung zu unterziehen. Es sei von einem eigenen, separaten Markt für Tondachziegel auszugehen, weil die Substituierbarkeit mit anderen Bedachungsmaterialien nachfrageseitig nur sehr eingeschränkt gegeben und angebotsseitig nicht vorhanden sei. In diesem, räumlich auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen Markt habe die Erstantragsgegnerin derzeit einen Marktanteil (bei Betrachtung des Umsatzes) von [70-80]%, der durch den Zusammenschluss auf knapp 90 % steigen werde. Trotz des Carve-outs (soweit in der Folge die Begriffe „Creaton Deutschland“, „Österreich-Geschäft“, „Carve-out“ oder „Eastern Business“ verwendet werden, sind diese jeweils im Sinne der Definitionen in Punkt 1. der aus dem Spruch ersichtlichen Auflagen zu verstehen)des Österreich-Geschäfts werde die Marktmacht der Erstantragsgegnerin durch den geplanten Erwerb des Zielunternehmens weiter gestärkt werden. Es könne auch ein Rückzug des Eastern Business vom österreichischen Ma rkt nicht ausgeschlossen werden, wodurch die Marktposition der Erstantragsgegnerin ebenfalls gestärkt würde. Die Antragsgegnerinnen seien auch auf dem österreichischen Markt für in Dachziegel integrierte Photovoltaikanlagen tätig bzw. stehe ein Markteintritt in diesen Innovationsmarkt unmittelbar bevor.
Die Antragsgegnerinnen hielten an der Marktabgrenzung in ihrer Anmeldung fest und erachteten die Bedenken für unbegründet. Insbesondere werde das Eastern Business, das das Österreich-Geschäft im Rahmen des Carve-outs übernehmen werden, als Wettbewerber in Österreich erhalten bleiben. Creaton Deutschland werde dagegen keinen Zugang zum österreichischen Markt mehr haben, sodass es zu keinem Zuwachs an Marktmacht der Erstantragsgegnerin kommen werde.
Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens boten die Antragsgegnerinnen jedoch jeweils Verpflichtungszusagen an, die im Einvernehmen mit den Amtsparteien und unter Einbeziehung des Sachverständigen ausgearbeitet wurden.
 
III. Folgender Sachverhalt steht fest:
1. Beteiligte Unternehmen
Die Erstantragsgegnerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die an der Wiener Börse gelistet ist und deren Anteile sich vollständig im Streubesitz befinden. Der überwiegende Teil der Aktien wird von institutionellen Investoren gehalten. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Beteiligungen von deutlich weniger als 10% der ausgegebenen Aktien und ohne die Möglichkeit eines kontrollierenden Einflusses.
Die Erstantragsgegnerin ist ein weltweit tätiger Anbieter von Baustoffen und Infrastrukturlösungen. Zum Produktportfolio gehören insbesondere Wandbaustoffe, Fassadenmaterialien, Bedachungsmaterialien, Rohrsysteme und Flächenbefestigungen. Die Produkte werden unter Marken wie Wienerberger, Koramic, Porotherm, Poroton, Tondach, Terca, Pipelife, Steinzeug-Keramo, Semmelrock, Sandtoft und General Shale vertrieben. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Wien. Es ist derzeit in 28 Ländern mit 216 Werken aktiv und beschäftigt etwa 19.000 Mitarbeiter. Österreich ist – über alle Produktgruppen hinweg – das siebtwichtigste Absatzland für die Erstantragsgegnerin. Wienerberger Participations S.A.S. ist eine mittelbare hundertprozentige Tochtergesellschaft der Erstantragsgegnerin, welche die Anteile an den operativen französischen Gesellschaften der Erstantragsgegnerin hält.
Der Umsatz der Erstantragsgegnerin im Geschäftsjahr 2021 betrug weltweit ca EUR [einstelliger Milliardenbetrag], in der EU ca EUR [einstelliger Milliardenbetrag] und in Österreich ca EUR [dreistelliger Millionenbetrag].
Die Zweitantragsgegnerin, das Zielunternehmen der Erstantragsgegnerin, ist ein in Frankreich ansässiger Baustoffhersteller. Seine Tätigkeitssparten sind Bedachungsmaterialien, Wandbaustoffe, Solarprodukte und Fassadenmaterialien. Das Zielunternehmen verfügt über insgesamt 29 Werke in Frankreich, Deutschland, den USA, Italien und Spanien. Sein mit großem Abstand wichtigstes Absatzland ist Frankreich, gefolgt von Deutschland, Italien und den USA. Das Zielunternehmen tritt unter den Marken Terreal und Creaton sowie Ludowici (in den USA), SanMarco und Pica (in Italien), Lahéra und Achard (in Frankreich) und GSE Intégration (für Solarprodukte) auf. Eshat derzeit weltweit ca 2.900 Mitarbeiter. Über das Tochterunternhemen Clay Tiles Europe S.A.S. hält die Zweitantragsgegnerin mittelbare Beteiligungen von jeweils 100 % an Creaton Deutschland, der Creaton Polska sp.zo.o., Polen(in der Folge: „Creaton Polska“), und Creaton South East Europe Kft., Ungarn(in der Folge: „Creaton SEE“). Das Zielunternehmen war in Österreich bisher insbesonderedurch Creaton Deutschlandvor allem im Bereich Bedachungsmaterialien (insbesondere Tondachziegel und zu einem geringeren Teil Betondachsteine) tätig. In wesentlich geringerem Umfang wurde auch Dachzubehör vertrieben.
Bei den derzeitigen Anteilseignern der Zweitantragsgegnerin handelt es sich um Finanzinvestoren, die vier größten sind derzeit [vertrauliche Information].
Der Umsatz der Zweitantragsgegnerin im Geschäftsjahr 2021 betrug ohne die im Zuge des Carve-outs nicht übernommenen Teile Creaton Polska und Creaton SEE weltweit ca EUR [dreistelliger Millionenbetrag], in der EU ca EUR [dreistelliger Millionenbetrag] und in Österreich ca EUR [zweistelliger Millionenbetrag].
Die gemeinsamen weltweiten Umsätze der Antragsgegnerinnen lagen im Geschäftsjahr 2021 unter EUR 5 Mrd. Das Zielunternehmen erzielte in diesem Geschäftsjahr nur in Deutschland, Frankreich und Italien Umsätze von mehr als EUR 25 Mio, wobei die gemeinsamen Umsätze der Antragsgegnerinnen in Italien deutlich unter EUR 100 Mio betrugen, nämlich EUR [zweistelliger Millionenbetrag].
2. Das Zusammenschlussvorhaben:
Im Zuge des Zusammenschlussvorhabens beabsichtigt die Erstantragsgegnerin durch die Wienerberger Participations S.A.S. den Erwerb sämtlicher Anteile an und alleiniger Kontrolle über die Zweitantragsgegnerin, jedoch ohne den österreichischen Vertrieb von Creaton Deutschland, und ohne die Beteiligungen an der Creaton SEE und der Creaton Polska.
Dem Vollzug des Zusammenschlussvorhabens werden die folgenden Schritte vorausgehen („Secondary Transaction“):
In einem ersten Schritt überträgt Creaton Deutschland ihren österreichischen Vertrieb (das Österreich-Geschäft) an die Creaton SEE oder ein mit der Creaton SEE verbundenes Unternehmen (Carve-out). Die Vermögenswerte des Österreich-Geschäfts umfassen dabei namentlich die Anstellungsverträge zwischen Creaton Deutschland und ihren sechs österreichischen Vertriebsleuten (einschließlich des Vertriebsleiters); die Verträge von Creaton Deutschland mit österreichischen Kunden (insbesondere mit Baustoffhändlern und Dachdeckerbetrieben); die Warenlager- und Transportverträge zwischen Creaton Deutschland und der Schachinger baulogistik GmbH; die Pkw-Leasingverträge zwischen Creaton Deutschland und der Interleasing Gesellschaft mbH & Co.KG; den Geschäftsraummietvertrag zwischen Creaton Deutschland und dem Vertriebsleiter; sämtliche am Vollzugstag im Warenlager Schärding befindlichen und als Eigentum von Creaton Deutschland designierten Güter; sämtliche am Vollzugstag in Österreich befindliche IT- und Geschäftsausstattung im Eigentum von Creaton Deutschland; sowie sämtliche Geschäftsdaten und -unterlagen, die sich auf österreichische Kunden von Creaton Deutschland beziehen (insbesondere Vertriebsplanungen, Kundenlisten, Kundenbestellhistorien, Kundenkorrespondenz und Verkaufsanalysen).
In einem zweiten Schritt überträgt die Clay Tiles Europe S.A.S. das Eastern Business (einschließlich des Österreich-Geschäfts) an derzeitige Anteilseigner der Zweitantragsgegnerin oder einen von der Erstantragsgegnerin unabhängigen Dritterwerber („Secondary Buyer“).
Gleichzeitig (und gegenseitig bedingt) mit der soeben dargestellten Übertragung wird die Erstantragsgegnerin die Anteile an der Zweitantragsgegnerin (bereits ohne Eastern Business) erwerben, sodass die Erstantragsgegnerin die Zweitantragsgegnerin jedenfalls ohne das Eastern Business (inklusive Österreich-Geschäft) erwirbt.
3. Marktabgrenzung:
Betrachtet man die kleinformatigen Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich, so ist die angebotsseitige Substituierbarkeit zwischen den Materialien kurzfristig nicht gegeben. Nachfrageseitig sind sämtliche kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach prinzipiell austauschbar. Tondachziegel und Betondachsteine sind die nächsten Substitute zueinander. Beide Arten von Dachsteinen weisen sowohl in den Produkteigenschaften (z.B. Gewicht, Ästhetik, etc) als auch im Preisniveau große Ähnlichkeiten auf. Demgegenüber sind Faserzementplatten als auch (und noch weiter entfernt) Metalldachsteine fernere Substitute. Diese sind z.B. leichter als Tondachziegel oder Betondachsteine, halten länger und sind wesentlich teurer pro Quadratmeter. Auch spielen die Haptik, Ästhetik, die Verlegeart etc eine Rolle. Die Differenziertheit der Produkte wird auch durch starke Marken innerhalb der jeweiligen Segmente zum Ausdruck gebracht, die manchmal quasi anstelle des Materials gebräuchlich sind und durchaus auch lokale Konnotationen aufweisen können. Als Beispiele seien genannt: Tondach für Tondachsteine (eher Ostösterreich), Bramac für Betondachsteine, Eternit für Faserzementplatten (Ursprungswerk in Vöcklabruck) und Prefa für Metalldachsteine (NÖ und OÖ).
Als weiteres Merkmal der nachfrageseitigen Substituierbarkeit im relevanten Markt lässt sich eine gewisse Asymmetrie feststellen. So ist ein Umstieg von einem Ton- oder Betondach zu einem Faserzementdach bzw. Metalldach leichter möglich als umgekehrt, da erstere Materialien schwerer sind als Zweitere und die Dachkonstruktion bzw. die Statik dies bereits abbilden muss. Umgekehrt gibt es in (kleinen) Teilbereichen des relevanten Marktes Restriktionen, die nur den Einsatz von Tondachziegeln erlauben (z.B. denkmalgeschützte Bereiche) bzw. existieren Schranken der Substitution (z.B. Nachbarschaftsgefüge, andere Innenstadtrestriktionen). Weiters sind manche, v.a. kleinere Dachdecker - obwohl sie in der Regel alle Materialien verlegen und verlegen können - auf ein Material spezialisiert, mit dem sie den Hauptanteil ihres Umsatzes generieren.
Aufgrund der prinzipiellen nachfrageseitigen Substituierbarkeit ist bei der Ermittlung der Marktanteile der horizontal sachlich relevante Markt im gegenständlichen Zusammenschlussfall als „Markt für kleinformatiges Bedachungsmaterial für Steildächer“ abzugrenzen. Es bestehen jedoch eine starke Segmentierung nach Materialien (Tondachziegel, Betondachsteine, Faserzement, Metalldach und sonstiges Bedachungsmaterial) und gewisse Schranken der Substituierbarkeit über die Materialien hinweg.
Der räumlich relevante Markt wird national abgegrenzt und umfasst Österreich.
4. Marktstellung der Antragsgegnerinnen:
Bei einer Aufteilung des Marktes nach Produkten zeigt sich, dass Tondachziegel rund ein Drittel der Gesamtumsätze ausmachen, während Betondachsteine, Faserzement und Metalldächer jeweils zwischen 20 und 25% liegen.
Knapp mehr als [20-30]% der Gesamtumsätzeentfallen auf Eternit, gefolgt von der Erstantragsgegnerin([20-30]%), BMI ([10-20]%) und Prefa ([10-20]%). Creaton kommt auf einen Umsatzanteil von rund [5-10]%. Eternit ist der führende Anbieter von Faserzementprodukten, die Erstantragsgegnerin hat die größten Umsatzanteile im Bereich Tondachziegel, BMI ist führend beim Umsatz von Betondachsteinen und Prefa erzielt die größten Umsätze im Verkauf von Metalldächern. Im jeweiligen Segment liegt der Umsatzanteil im Jahr 2022 von Eternit bei [mehr als 90%, von Prefa bei 70-80%, der Erstantragsgegnerin bei etwa 70-80]% und von BMI bei etwa [60-70]%. Creaton erreicht im Jahr 2022 innerhalb des Tondachsegments einen Umsatzanteil von [10-20] %.
Darüber hinaus bieten kleinere Hersteller bzw. Importeure diese vier Materialien in Österreich an bzw. zusätzlich auch andere Materialien (wie z.B. Holzschindeln, Bitumen etc). Diese Unternehmen (Roofi, Si, Erlus, Filli Stahl, Landini, Nelskamp, Rheinzink) weisen Marktanteile von jeweils weniger als 3% am Gesamtmarkt auf.
Der Herfindahl-Hirschmann Index (HHI, die Summe der quadrierten Marktanteile), nimmt in diesem Markt einen Wert von 1721 an. Im Zuge der gegenständlichen Transaktion kommt es zur Addition der Marktanteile der Erstantragsgegnerin mit jenen von Creaton, wenn man annimmt, dass die bisherigen Creaton-Umsätze der Erstantragsgegnerin zufallen würden. Damit würde die Erstantragsgegnerin zum führenden Anbieter im gesamten Markt, mit einem Marktanteil von [20-30]%. Der HHI steigt auf [vertrauliche Information] an, was einer Veränderung („delta HHI“) von [vertrauliche Information] Punkten entspricht.
5. Entstehung bzw. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung oder erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs:
5.1. Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich:
Ohne Durchführung eines Carve-outs würde die fusionierte Einheit auf dem Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich einen Marktanteil von knapp unter 30% erreichen. Ein solcher Zusammenschluss würde daher aus wettbewerbsökonomischer Sicht weder eine marktbeherrschendeStellung begründen noch eine solche verstärken.
Im vorliegenden Fall sprechen jedoch zwei Faktoren dafür, dass bei einer Fusion ohne erfolgreichen Carve-out im Sinne der Entstehung eines viable competitors wirksamer Wettbewerb in einem Teilsegment des relevanten Marktes behindert werden könnte:
Zum einen kann die Marktanteilsaddition durch die Fusion nicht als insignifikant betrachtet werden und die Fusion kann bei einem HHI von [vertrauliche Information] und einem Delta-HHI-Wert von [vertrauliche Information] aus wettbewerbsökonomischer Sicht nicht mehr als per se unbedenklich gelten.
Aufgrund des dargestellten Wettbewerbsumfeldes ergibt sich außerdem, dass es sich beim Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich um einen oligopolistisch organisierten Markt mit (nach der Fusion) vier starken Unternehmen handelt, die zum einen untereinander in signifikantem Wettbewerb stehen und sich zudem einem "wettbewerblichen Rand" von kleineren Wettbewerbern gegenüberstehen. Die starke Segmentierung nach Materialien, die Existenz von näheren und ferneren Substituten, starke Marken bzw. gewisse Schranken der Substituierbarkeit über die Materialien hinweg erfordern jedoch, dass aus wettbewerbsökonomischer Sicht auch innerhalb jedes Segmentes nach der Fusion wirksamer Wettbewerb herrschen sollte.
Die Übernahme der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin birgt ohne Absicherung des Carve-outs die reale Gefahr, dass innerhalb des Segmentes Tondachziegel ein Unternehmen mit nahezu 90% Umsatzanteil entstehen würde (unter der Annahme, dass der Großteil des bisherigen Creaton-Umsatzes in Österreich der Erstantragsgegnerin zufallen würde). Dies würde in der Folge für die Kunden die Gefahr entstehen lassen, dass keine ausreichenden Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen mehr bestehen. Damit wäre aus wettbewerbsökonomischer Sicht wirksamer Wettbewerb gefährdet.
5.2. Märkte für „Unterdeckbahnen für Steildächer“ und „Sonstiges Dachzubehör“ in Österreich:
In den Bereichen Unterdeckbahnen für Steildächer und Sonstiges Dachzubehör kann die genaue Definition der sachlich bzw. räumlich relevanten Märkte offenbleiben und eine weitergehende Analyse des Wettbewerbsgeschehens unterbleiben, weil das Vorhaben aus wettbewerbsökonomischer Sicht bei keiner der möglichen Marktdefinitionen wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwirft.
5.3. Märkte im Bereich Photovoltaik:
Weder die Erst- noch die Zweitantragsgegnerin erzielten (bisher) Umsätze mit in Dachziegeln integrierten Photovoltaik-Anlagen in Österreich. Unter der begründeten Annahme, dass es sich um Innovationsmärkte handelt, wäre zu berücksichtigen, dass die Wettbewerber BMI, Eternit und Prefa entweder in Österreich oder im Ausland Forschung zu Solardachziegel durchführen und man davon ausgehen kann, dass Forschung in diese Richtung auch von anderen nationalen und internationalen Wettbewerbern durchgeführt wird, die teilweise auch (noch) nicht im Markt für Bedachungsmaterialien tätig sind. Die "Marktstruktur" in einem potentiellen Innovationsmarkt für Solardachziegel wäre also (weitaus) weniger konzentriert als im Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich.
Zudem handelt es sich weder bei der Erstantragsgegnerin noch bei der Zweitantragsgegnerin um den Marktführer oder ein Unternehmen, das einen Spitzenplatz im Solardachziegelbereich in Österreich innehat. Diese Positionen belegen eher Prefa, Eternit und BMI, zumal eher kleinformatige Tondachziegel bzw. Betondachsteine nicht so geeignet wie großflächigere Faserzement- bzw. Metallplatten sind, um kosteneffizient einen hohen Wirkungsgrad der Photovoltaik-Anlagen zu erreichen.
Letztlich wird der Zusammenschlussdie Erstantragsgegnerin in die Lage versetzen, in diesem Zukunftsmarkt konkurrenzfähig zu sein bzw. zu werden, wenn die "komplementären Assets" der Zweitantragsgegnerin in diesem Bereich übernommen werden. Dies schafft Größen- und Kompetenzvorteile in der Forschung für Solardachziegel. Obige Gründe sprechen dafür, dass der Zusammenschluss im Bereich der Solardachziegel keinerlei wettbewerbliche Bedenken hervorrufen wird.
Demnachkann die Marktdefinitionen in den Bereichen der Photovoltaik offenbleiben, weil das Vorhaben aus wettbewerbsökonomischer Sicht selbst dann zu keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken führt, wenn man einen sehr engen Markt für Solardachziegel (d.h. in Dachziegel integrierte Photovoltaik-Anlagen) annähme.
6. Auflagen:
Um sicherzustellen, dass das Eastern Business durch den Carve-out als viable competitor auf dem österreichischen Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach auftreten wird, bedarf es Auflagen, die insbesondere folgende Parameter enthalten müssen:
1. Kurzfristige Verfügbarkeit der Tondachziegel zu kompetitiven Konditionen und in den jeweiligen Formaten: Dies könnte durch Lieferverpflichtungen und die exklusive Lizenz zur Nutzung von Creaton-Marke und -Logo für einen Zeitraum von drei Kalenderjahren nach dem Vollzugsjahr sichergestellt werden;
2. Sicherstellung der Umrüstungsinvestitionen im Werk Lenti;
3. Dauerhafte Lösung des Problems "Marke Creaton" bzw. Sicherstellung, dass es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich zu einem erfolgreichen "Rebranding" des "Eastern Business" kommen kann;
4. Überprüfungsmöglichkeit durch ausreichende Berichtspflichten gegenüber den Amtsparteien.
Da die aus dem Spruch ersichtlichen Auflagen diese Parameter erfüllen, wird die durch den beabsichtigten Zusammenschluss bestehende Gefahr der erheblichen Behinderung des Wettbewerbs im Segment Tondachziegel des Marktes für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach beseitigt, sodass aus wettbewerbsökonomischer Sicht keine Bedenken gegen das Zusammenschlussvorhaben mit diesen Auflagen bestehen. Diese sind erforderlich, um sicherzustellen, dass das Eastern Business als viable competitor im österreichischen Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach auftreten wird.
 
IV. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den beteiligten Unternehmen und zum Zusammenschlussvorhaben konnten auf der Grundlage der Fusionsanmeldung Beilage ./A, die in diesen Punkten von den Amtsparteien nicht bestritten wurde, getroffen werden. Umgekehrt wurde das Vorbringen der Amtsparteien zur fehlenden angebotsseitigen Substituierbarkeit von den Antragsgegnerinnen nicht substanziiert bestritten.
Die Feststellungen zur Marktabgrenzung, zur Stellung der beteiligten Unternehmer am relevanten Markt und zu den wettbewerbsökonomisch zu erwartenden Auswirkungen des Zusammenschlusses gründen sich ebenso auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Klaus Gugler wie die Sachverhaltsannahmen zur Notwendigkeit und Wirkung der Auflagen. Bei den erforderlichen Parametern war auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Tagsatzung am 11.5.2023 Bedacht zu nehmen, wonach bei ausreichenden Berichtspflichten ein Treuhänder nicht unbedingt erforderlich ist.
 
V. Rechtliche Beurteilung
1. Zusammenschlussbegriff:
Als Zusammenschluss im Sinn des Kartellgesetzes gilt ua der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer, sowohl dann wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25%, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50 % erreicht oder überschritten wird (§ 7 Abs 1 Z 3 KartG).
§ 7 Abs 1 Z 5 KartG definiert als Zusammenschluss auch jede sonstige Verbindung von Unternehmen aufgrund deren ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann.
Durch den mit diesem Zusammenschluss beabsichtigten Erwerb von sämtlichen Anteilen der Zweitantragsgegnerin durch die Erstantragsgegnerin wird sowohl der Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG als auch jener der Z 5 cit leg erfüllt.
2. Anmeldebedürftigkeit:
Da die Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 lit a) und Abs 3 lit d) der EG-Fusionskontrollverordnung nicht erreicht werden, fällt der Zusammenschluss nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung. Damit ist die Frage der Anmeldebedürftigkeit nach dem österreichischen Fusionskontrollregime zu beurteilen.
Zusammenschlüsse bedürfe gemäß § 9 Abs 1 KartG 2005 der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss weltweit insgesamt mehr 300 Millionen, im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Millionen, davon mindestens zwei Unternehmen mehr als EUR 1 Million, und mindestens zwei Unternehmen weltweit mehr als EUR 5 Millionen an Umsatzerlösen erzielten. Ausgenommen sind Zusammenschlüsse nur dann, wenn eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als 5 Millionen Euro und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit insgesamt nicht mehr 30 Millionen Euro erzielten.
Da die beteiligten Unternehmen die im Gesetz genannten Umsatzschwellen überschreiten, liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor.
3. Prüfung des Zusammenschlusses vor dem Kartellgericht:
Ein Zusammenschluss ist gemäß § 12 Abs 1 Z 2 KartG 2005 zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass a) durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung (§ 4 KartG 2005) entsteht oder verstärkt wird oder b) wirksamer Wettbewerb sonst erheblich behindert wird. Andernfalls ist auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird.
Trotz Vorliegens der Untersagensvoraussetzungen nach § 12 Abs 1 KartG 2005 hat das Kartellgericht gemäß § 12 Abs 2 KartG 2005 auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 12 Abs 2 Z 1 KartG 2005), der Zusammenschluss zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist (§ 12 Abs 2 Z 2 KartG 2005), oder die volkswirtschaftlichen Vorteile die Nachteile des Zusammenschlusses erheblich überwiegen (§ 12 Abs 2 Z 3 KartG 2005).
Wenn die Rechtfertigungsgründe nach § 12 Abs 2 KartG nicht vorliegen, kann das Kartellgericht gemäß § 12 Abs 3 KartG aussprechen, dass der Zusammenschluss in Verbindung mit entsprechenden Beschränkungen und Auflagen nicht untersagt wird.
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der Zusammenschluss wegen Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung oder wegen sonstiger erheblicher Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu untersagen wäre. Erst in einem weiteren Schritt ist gegebenenfalls auf Auflagen einzugehen.
4. Bedachungsmaterialien:
a) Marktabgrenzung:
Bei dieser Prüfung müssen die relevanten Märkte identifiziert werden. Mit der Abgrenzung eines Marktes in seiner sowohl sachlichen als auch räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RIS-Justiz RS0129158).
Dabei ist nach dem Bedarfsmarktkonzept vorzugehen (§ 23 KartG 2005). Derselbe Markt liegt danach vor, wenn sich die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen in ihren für die Deckung desselben Bedarfs wesentlichen Eigenschaften von anderen unterscheiden und aus Sicht der Bedarfsträger als Marktgegenseite beliebig gegeneinander austauschbar sind. Entscheidend ist die funktionelle Austauschbarkeit der Waren bzw. Leistungen aus Sicht der Marktgegenseite.
Ein sachlich relevanter Markt nach dem Bedarfsmarktkonzept liegt daher vor, wenn sich die zu untersuchenden Waren oder Dienstleistungen durch besondere Merkmale in ihrer für die Bedarfsdeckung wesentlichen Beschaffenheit von anderen spürbar unterscheiden; wesentlich ist eine hinreichende Austausch- bzw. Substituierbarkeit (RIS-Justiz RS0124671; RS0063539).
Die Frage der Marktabgrenzung ist Tatfrage, soweit es dabei um die Feststellung objektiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien geht, sie ist Rechtsfrage, soweit es um eine Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht (RIS-Justiz RS0124421).
Aufgrund der festgestellten Substituierbarkeit der Segmente Tondachziegel, Betondachsteine, Faserzementplatten, Metalldächer und sonstiger Dachmaterialien ist rechtlich von einem einheitlichen Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach auszugehen.
Der geographisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmer die relevanten Produkte und Dienstleistungen anbieten, sich also als Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen, in dem weiters die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich schließlich vom benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 23 Rz 11).
Nach den Feststellungen ist der räumlich relevante Markt national abzugrenzen, er umfasst Österreich.
b)Marktbeherrschende Stellung:
Marktbeherrschung liegt nach § 4 KartG 2005 vor, wenn ein Unternehmer, sei es als Anbieter oder Nachfrager, keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung innehat, wobei das Gesetz insbesondere auf die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, die Bedeutung seiner Vermittlungsleistungen für den Zugang anderer Unternehmen zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, den Zugang zu relevanten Daten sowie Umstände verweist, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.
Zu prüfen ist dabei, ob ein Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (RIS-Justiz RS0110205).
Die marktbeherrschende Stellung wird nach § 4 Abs 2 Z 1 KartG 2005 vermutet, wenn ein Unternehmer als Anbieter oder Nachfrager am relevanten Markt einen Anteil von mindestens 30 % hat. Gleiches gilt, wenn er einen Marktanteil von mindestens 5 % hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmen ausgesetzt ist (Z 2 leg cit). Gehört ein Unternehmer mit einem Marktanteil von mindestens 5 % zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt, die zusammen einen Anteil von mindestens 80 % haben, trifft ihn gemäß § 4 Abs 2 Z 3 KartG 2005 der Beweis, dass keine marktbeherrschende Stellung vorliegt.
Durch das Zusammenschlussvorhaben würden die Marktanteile der Erstantragsgegnerin selbst dann (knapp) unter 30 % bleiben, wenn man annimmt, dass die bisherigen Creaton-Umsätze zur Gänze der Erstantragsgegnerin zufallen. Die Vermutungsschwelle des § 4 Abs 2 Z 1 KartG 2005 ist daher nicht erreicht.
Nach dem festgestellten Sachverhalt herrscht auf dem relevanten Markt signifikanter Wettbewerb insbesondere zwischen den vier größten Unternehmern, die zusammen einen Marktanteil von knapp unter 80 % haben. Damit liegen auch die Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 Z 2 und 3 KartG 2005 nicht vor.
Warum der Erstantragsgegnerin trotz Unterschreitens der Schwellen nach § 4 Abs 2 KartG 2005 eine marktbeherrschende Stellung nach § 4 Abs 1 KartG 2005 zukommen sollte, wurde nicht behauptet. Angesichts der Feststellung, dass zwischen den Unternehmern signifikanter Wettbewerb herrscht, besteht für eine derartige Annahme auch kein hinreichender Anhaltspunkt.
c) Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs:
Seit dem KaWeRÄG 2021 ist ein Zusammenschluss nach § 12 Abs 1 Z 2 lit b KartG 2005 auch dann zu untersagen, wenn dadurch wirksamer Wettbewerb sonst – also ohne Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung – erheblich beeinträchtigt wird.
Da sich dieser Untersagungstatbestand bewusst an den SIEC-Test des Art 2 Abs 3 FKVO (VO [EG] 139/2004) anlehnt (EBRV 951 BlgNR 27. GP 12; Kühnert/Luger/Erharter in Egger/Harsdorf-Borsch, § 12 KartG Rz 11), ist zunächst zu berücksichtigen, dass in ErwGr 25 FKVO ausdrücklich festgehalten ist: „Für die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 2 Absätze 2 und 3 wird beabsichtigt, den Begriff ‚erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs‘ dahin gehend auszulegen, dass er sich über das Konzept der Marktbeherrschung hinaus ausschließlich auf diejenigen wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses erstreckt, die sich aus nicht koordiniertem Verhalten von Unternehmen ergeben, die auf dem jeweiligen Markt keine beherrschende Stellung haben würden.“
Da im gegenständlichen Fall gerade solche Auswirkungen in Frage stehen, ist nicht darauf einzugehen, ob diese Einschränkung für die Auslegung des § 12 Abs 1 Z 2 lit b KartG 2005 zu übernehmen ist.
In den Leitlinien der Europäischen Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl 2004 C 31/5, Rz 24 werden als relevante Faktoren für die Prüfung nicht koordinierter Wirkungen horizontaler Zusammenschlüsse insbesondere die Marktanteile der fusionierenden Unternehmen, die Nähe des Wettbewerbs und die Beseitigung einer wichtigen Wettbewerbskraft durch den Zusammenschluss genannt. Ebenfalls relevant sind demnach begrenzte Auswahlmöglichkeiten zu anderen Anbietern, eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass Wettbewerber auf Preiserhöhungen mit einer Erweiterung des Angebots reagieren sowie die Fähigkeit des fusionierenden Unternehmens, die Wettbewerber am Wachstum zu hindern.
Obwohl die Marktanteile nach österreichischem Recht primär von § 12 Abs 1 Z 2 lit a KartG 2005 erfasst werden, erscheint es bei der Anwendung der lit b leg cit dennoch sachgerecht, sämtliche der genannten Faktoren (also auch die Marktanteile) im Sinne eines beweglichen Systems in die Beurteilung miteinzubeziehen.
Im vorliegenden Fall ist die Marktanteilsaddition nicht insignifikant, bei einem HHI von [vertrauliche Information] und einem Delta-HHI-Wert von [vertrauliche Information]kann die Fusion nicht mehr als per se unbedenklich gelten.
Weiters handelt es sich um einen oligopolistisch organisierten Markt mit (nach dem Zusammenschluss) vier starken Unternehmen, der durch eine starke Segmentierung nach Materialien geprägt ist. Dabei stehen die vier Unternehmen jeweils für ein bestimmtes Bedachungsmaterial, in den jeweiligen Segmenten kommt ihnen ein Umsatzanteil von jeweils [60-70] % und mehr zu. Angebotsseitig besteht kurzfristig keine Substituierbarkeit.Nachfrageseitig existieren nähere und fernere Substitute, starke Marken und gewisse Schranken der Substituierbarkeit über die Materialien hinweg.
Die Zweitantragsgegnerin ist dabei für die Erstantragsgegnerin insofern der nächste Konkurrent, als sie im selben Marktsegment tätig ist. Durch den Zusammenschluss wird – unter Außerachtlassung des Carve-outs – die wichtigste Wettbewerbskraft im Segment Tondachziegel beseitigt. Eine Addition der bisherigen Anteile der Antragsgegnerinnen in diesem Segment würde eine Konzentration von über 90 % bei Tondachziegeln ergeben.
Die Schranken der Substituierbarkeit zwischen den Materialien bedeuten außerdem in dieser Marktkonstellation eine begrenzte Auswahlmöglichkeit zu anderen Anbietern. Aus wettbewerbsökonomischer Sicht sollte deshalb auch innerhalb jedes Segmentes nach der Fusion wirksamer Wettbewerb herrschen.
Die starken Marken erschweren den Marktzutritt für neue Wettbewerber.
In Zusammenschau der genannten Faktoren ist ohne erfolgreichen Carve-out eine erhebliche Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs auf dem österreichischen Markt für kleinformatiges Bedachungsmaterial für das Steildach, insbesondere im Segment Tondachziegel, auch aus rechtlicher Sicht zu erwarten.
Dieser Gefahr kann durch den bloßen Carve-out, ohne begleitende Auflagen, nach den Feststellungen nicht ausreichend begegnet werden, weil keine Absicherung dafür besteht, dass das Eastern Business tatsächlich als viable competitor auf dem österreichischen Markt auftreten wird.
Unter Außerachtlassung der Auflagen wäre daher der Untersagungstatbestand des § 12 Abs 1 Z 2 lit b KartG 2005 zu bejahen.
d) Rechtfertigungsgründe:
Rechtfertigungsgründe iSd § 12 Abs 2 KartG 2005 wurden nicht behauptet und sind beim Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach auch nicht ersichtlich.
5. „Unterdeckbahnen für Steildächer“ und „Sonstiges Dachzubehör“
In den Bereichen „Unterdeckbahnen für Steildächer“ undSonstiges Dachzubehör“ istdie genaue Definition der sachlich bzw. räumlich relevanten Märkte auf Sachverhaltsebene offen geblieben, weil das Vorhaben aus wettbewerbsökonomischer Sicht bei keiner der möglichen Marktdefinitionen wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwirft. Solche wurden von den Amtsparteien nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
6. Solardachziegel:
Auch bei den Solardachziegeln istdie genaue Definition der sachlich bzw. räumlich relevanten Märkte auf Sachverhaltsebene offen geblieben, weil das Vorhaben aus wettbewerbsökonomischer Sicht bei keiner der möglichen Marktdefinitionen wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwirft.
Angesichts des Umstands dass bisher weder die Erst- noch die Zweitantragsgegnerinsignifikante Umsätze mit in Dachziegeln integrierten Photovoltaik-Anlagen in Österreich erzielten, kann insofern jedenfalls nicht von der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch den Zusammenschluss ausgegangen werden.
Da es sich um Innovationsmärkte handelt, könnten zwar Pipelineprodukte (also solche, die noch vor der Markteinführung stehen) bei der Prüfung einer erheblichen Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs Berücksichtigung finden (Kühnert/Luger/Erharter in Egger/Harsdorf-Borsch, § 12 KartG Rz 43). Angesichts der Forschung zu Solardachziegeln sowohl durch die wichtigsten Wettbewerber der Antragsgegnerinnen im Bereich Bedachungsmaterialien als auch durch andere in- und ausländische Wettbewerber wäre die Marktstruktur in einem potentiellen Innovationsmarkt für Solardachziegel jedoch weniger konzentriert als im Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach in Österreich. Da auch weder die Erst- noch die Zweitantragsgegnerin einen Spitzenplatz im Solardachziegelbereich in Österreich innehat, handelt es sich auch nicht um wichtige Innovatoren in diesem Bereich, deren Zusammenschluss eine erhebliche Behinderung des wirksamen Innovationswettbewerbs zur Folge haben würde.
Die Bedenken der Amtsparteien im Bereich Solardachziegel erweisen sich daher als unbegründet. Auf allfällige Rechtfertigungsgründe ist demnach nicht einzugehen.
7. Auflagen:
Dementsprechend ist der vorliegende Zusammenschluss nur durch die Erteilung von Auflagen genehmigungsfähig, die das Ziel verfolgen, den Carve-out abzusichern und damit die Zweitantragsgegnerin bzw das nicht übernommene Eastern Business als viable competitor auf dem österreichischen Markt für kleinformatige Bedachungsmaterialien für das Steildach, insbesondere das Segment Tondachziegel, zu erhalten.
Seitens der Antragsgegnerinnen wurden jeweils Verpflichtungszusagen angeboten, die inhaltlich im Wesentlichen unverändert den aus dem Spruch ersichtlichen Auflagen zugrunde liegen. Über diesen Auflagentext konnte Einvernehmen sowohl mit den Antragsgegnerinnen als auch den Amtsparteien erzielt werden.
Nach dem festgestellten Sachverhalt sind die Auflagen notwendig und hinreichend, um der Gefahr und der Möglichkeit der erheblichen Behinderung des Wettbewerbs im Marktsegment Tondachziegel entgegenzuwirken undaus wettbewerbsökonomischer Sicht die Bedenken gegen das Zusammenschlussvorhaben zu beseitigen.
8. Ergebnis:
Daher ist gemäß § 12 Abs 1 Z 3 KartG auszusprechen, dass der Zusammenschluss unter diesen Auflagen nicht untersagt wird.“

Ausdruck vom: 28.04.2024 01:09:05 MESZ