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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 6/21v


Bekannt gemacht am:

11.10.2021

Entscheidungsdatum:

04.06.2021


Über die Antragsgegnerin wird wegen der verbotenen Durchführung des am 11.1.2021 angemeldeten Zusammenschlusses betreffend den am 16.12.2020 erfolgten Erwerb von 60 % der Aktien der SMEDICO AG, Schweiz und der alleinigen Kontrolle über die SMEDICO AG durch die Antragsgegnerin, gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 30.000,‑‑ verhängt.


 

B e g r ü n d u n g :

Beteiligte Unternehmen:

Die Antragsgegnerin ist Teil der OneMed‑Gruppe, einer Anbieterin von Dienstleistungen und medizinischen Verbrauchsgütern für Gesundheitsdienstleister.

Ihre unternehmerischen Schwerpunkte liegen in Skandinavien sowie in Estland, Lettland, Litauen und den Niederlanden.

Im Jahr 2019 erwirtschaftete die Antragsgegnerin einen Gruppenumsatz von weltweit EUR xxx. Ihr ist ein Umsatz von EUR xxx in Österreich zurechenbar.

Die Umsatzzahlen des Geschäftsjahres 2020 liegen noch nicht vor.

Das Zielunternehmen SMEDICO AG (idF SMEDICO) ist ein Anbieter von medizinischen Produkten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von SMEDICO liegt in der Schweiz, wo der Großteil des Umsatzes erzielt wird. SMEDICO erwirtschaftete 2019 (unter Außerachtlassung der mit ihr verbundenen Unternehmen) weltweit unter EUR 30 Millionen Umsatz und in Österreich unter EUR 5 Mio.

Im Jahr xxx schloss SMEDICO einen Vertrag zum Erwerb von 80% der Anteile an der OmniMedPhils. Inc. (Philippinen, idF OMP) ab.

Zusammenschluss:

Die Antragsgegnerin schloss am 14.12.2020 mit der S Management AG (idF SMAG) einen Aktienkaufvertrag über 300 (von insgesamt 500) Aktien der SMEDICO ab.

Am 16.12.2020 wurde der Erwerb durchgeführt und die Aktien der SMEDICO an die Antragsgegnerin übertragen.

Die restlichen 40% (200 Aktien) behielt die SMAG. SMAG wird zu 80% von der SMTV Holding AG (idF SMTV) gehalten.

Die Umsätze der SMTV und der mit ihr verbundenen Unternehmen betrugen (einschließlich SMEDICO) 2019 weltweit mehr als EUR 30 Mio.

26 Tage nach der Durchführung, am 11.1.2021, meldete die Antragsgegnerin die Durchführung bei der Antragstellerin wie folgt an:

"Gegenstand des angemeldeten Zusammenschlusses ist der Erwerb von 60 % der Aktien und alleiniger Kontrolle über die SMEDICO AG, sowie von alleiniger Kontrolle über die Omnimed Phils.inc, Philippinen durch die OneMed Holding AB (Schweden), eine Holdinggesellschaft, die letztlich (mittelbar) über die Interogo Foundation (Liechtenstein) kontrolliert wird.“

In der Anmeldung stellte die Antragsgegnerin dar, dass SMEDICO beabsichtige, in Kürze den bereits vertraglich vereinbarten Erwerb von 80% der Anteile an OMP durchzuführen, sodass sie damit die Kontrolle über die OMP erwerbe. Gleichzeitig legte die Antragsgegnerin den Sachverhalt hinsichtlich der bereits erfolgten, bisher nicht angemeldeten SMEDICO- Transaktion offen.

Die Amtsparteien stellten keinen Prüfungsantrag, sodass das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 9.2.2021 wegfiel.

Vorbringen:

Die Antragstellerin beantragte gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG die Verhängung einer Geldbuße von EUR 30.000,‑‑ wegen der verbotenen Durchführung des erst am 11.1.2021 angemeldeten Zusammenschlusses.

SMEDICO seien die Umsätze der SMTV und der mit ihr im Sinne des § 7 KartG verbundenen Unternehmen zuzurechnen. Daher gelange die Ausnahmeregelung des § 9 Abs 2 KartG nicht zur Anwendung. Der durchgeführte Zusammenschluss mit SMEDICO sei nach § 7 Abs 1 Z 3 und Z 5 iVm § 9 Abs 1 KartG in Österreich anmeldepflichtig gewesen und hätte erst nach Freigabe durchgeführt werden dürfen. Es läge ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot für den Zeitraum vom 16.12.2020 bis 8.2.2021 vor.

Bei der beantragten Geldbuße sei die Selbstanzeige zu berücksichtigen. Die Prüfung des Vorhabens habe ergeben, dass keine wettbewerblichen Bedenken gegen den Zusammenschluss bestünden, der Verstoß betreffe einen Zeitraum von lediglich acht Wochen. Eine Bereicherung der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich.

Es habe der Antragsgegnerin jedoch erkennbar sein müssen, dass die Transaktion in Österreich anmeldepflichtig sei. Es sei von einer Sorgfaltswidrigkeit auszugehen, die zumindest als leichte Fahrlässigkeit einzustufen sei. Ein Erschwerungsgrund sei nicht festzustellen. In der Gesamtschau seien EUR 30.000,‑‑ angemessen.

Der Bundeskartellanwalt gab keine Stellungnahme ab.

Die Antragsgegnerin bestritt das Antragsvorbringen und den Antrag nicht und erhob letztlich keine Einwendungen gegen die rechtliche Beurteilung der Antragstellerin sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie verwies auf ihr Anerkenntnis und stellte das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit.

Rechtlich folgt:

1. Eine mündliche Verhandlung konnte aus folgenden Gründen unterbleiben:

a) Es wurde kein Antrag gem. § 47 KartG gestellt.

b) Es war weder eine rechtliche Erörterung zu den Bemessungskriterien einer Geldbuße (16 Ok 7/07; 16 Ok 4/07) noch eine Sachverhaltserhebung gem. § 18 AußStrG notwendig.

c) Die Parteien verzichteten ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung. Selbst wenn der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße als „strafrechtliche Anklage“ gemäß Art 6 MRK verstanden werden kann, ist ein Verzicht zulässig, wenn er in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht wird und keinem wichtigen öffentlichen Interesse zuwider läuft (RS0121073). Dies trifft vor allem zu, wenn – wie hier - keine mündlichen Beweisaufnahmen notwendig und bei der Entscheidung nur rechtliche Aspekte zu prüfen waren (EGMR vom 18.12.2008, Bsw 69917/01).

1.1. Gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang stand, bestanden keine Bedenken. Es waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

2. Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht bei einer Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot (§ 17 KartG) eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.

2.1. Ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss darf erst durchgeführt werden, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben (§ 17 Abs 1 KartG).

3. Als Zusammenschluss gemäß § 7 Abs 1 KartG gelten ua.:

Z 3. der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25%, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50% erreicht oder überschritten wird,

Z 5. jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann.

3.1. Der Erwerbsvorgang der Antragsgegnerin an SMEDICO stellt einen Zusammenschluss nach § 7 KartG dar. Der beschriebene Erwerb von 60 % der Aktien erfüllt den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG. Darüber hinaus fand unstrittig der Erwerb der alleinigen Kontrolle im Sinne des § 7 Abs 1 Z 5 KartG statt.

4. Zusammenschlüsse bedürfen gemäß § 9 Abs 1 KartG der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

Z 1. weltweit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro,

Z 2. im Inland insgesamt mehr als 30 Millionen Euro und

Z 3. mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als 5 Millionen Euro.

Sie bedürfen gemäß § 9 Abs 2 KartG dann keiner Anmeldung (de minimis-Ausnahme), wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss die folgenden Umsatzerlöse erzielten:

Z 1. nur eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als 5 Millionen Euro und

Z 2. die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit insgesamt nicht mehr als 30 Millionen Euro.

4.1. Die Umsatzerlöse von SMEDICO alleine (ohne Berücksichtigung von SMTV) lagen weltweit unter EUR 30 Mio und im Inland unter EUR 5 Mio.

5. Gemäß § 22 KartG gelten allerdings Unternehmen, die in der in § 7 KartG beschriebenen Weise miteinander verbunden sind, bei der Umsatzberechnung als ein Unternehmen.

5.1. SMAG hält weiterhin 40% der Aktien an SMEDICO. SMAG wird zu 80% von der SMTV gehalten. Gemäß § 22 KartG sind daher diese verbundenen Unternehmen für die Umsatzberechnung als ein Unternehmen anzusehen. Der weltweite Umsatz der Muttergesellschaft SMTV lag bei mehr als EUR 30 Mio, wodurch die Ausnahmeregelung gemäß § 9 Abs 2 KartG nicht greift.

Dementsprechend war der durchgeführte Zusammenschluss zwischen SMEDICO und der Antragsgegnerin nach § 7 Abs 1 Z 3 und Z 5 iVm § 9 Abs 1 KartG in Österreich anmeldepflichtig.

6. Gemäß § 36 Abs 1a KartG hat ein Geldbußenantrag ein bestimmtes Begehren, so die Sanktionierung einer bestimmten Tathandlung, zu enthalten.

6.1. Die Antragstellerin begehrt die Sanktionierung der verbotenen Durchführung des erst am 11.1.2021 angemeldeten Zusammenschlusses zwischen der Antragsgegnerin und SMEDICO. Da in dieser verspäteten Anmeldung gleichzeitig auch die Kontrolle über OMP gemeldet wurde, gab die Antragstellerin den gesamten Wortlaut der Anmeldung im Antragsbegehren wieder.

6.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren allenfalls sogar abweichende Fassung geben, falls sich diese im Wesen mit dem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0041254; RS0039357; vgl auch RS0041192).

6.2.1. Zur Klarstellung wird daher abweichend vom Antragswortlaut im Spruch nur der verspätet angemeldete Zusammenschluss zwischen der Antragsgegnerin und SMEDICO wiedergegeben. Die zu verhängende Geldbuße soll nicht die rechtzeitig erfolgte Anmeldung der Transaktion mit OMP sanktionieren.

7. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße:

Nach § 30 KartG ist bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens maßgeblich.

7.1. Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

7.2. Die Dauer des Verstoßes ist hier sehr gering. Eine feststellbare Bereicherung wurde nicht erzielt.

7.3. Zum Grad des Verschuldens ist auf die Erwägungen der Antragstellerin aber auch der Antragsgegnerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS‑Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13).

Die Entscheidung des Kartellgerichtes muss zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein „Kavaliersdelikt“ ist (16 Ok 2/13).

7.4. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein grenzüberschreitend tätiges, wirtschaftlich sehr leistungsfähiges Unternehmen, das wegen der großen wettbewerbsrechtlichen Relevanz strenger zu beurteilen ist.

Als mildernd ist anzuführen, dass die Antragsgegnerin den Verstoß aus eigenem der Antragstellerin zur Kenntnis brachte, zügig kooperierte und nach Kenntnis des Verstoßes von ihren Stimmrechten keinen Gebrauch machte sowie durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beitrug.

Zusammengefasst ist ‑ unter Beachtung der general‑ und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht ‑ die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt nicht angezeigt.

Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, weil das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Die 10%ige Obergrenze des § 29 Z 1 KartG für die Geldbuße wird nicht erreicht."


Ausdruck vom: 28.04.2024 07:16:21 MESZ