Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Kartell
26 Kt 2/16
Bundeswettbewerbsbehörde
Rauch Fruchtsäfte GmbH & Co OG
Rauch Fruchtsäfte GmbH
Geldbuße
vertikale Preisabstimmung
Lebensmitteleinzelhandel
Nichtalkoholische Getränke
06.07.2016
03.03.2016
„Über die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich vertikaler Abstimmung der Endverkaufspreise (sowohl Kurant- als auch Aktionsverkaufspreise) mit Abnehmern des Einzelhandels in den Produktbereichen a) kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, b) nichtkohlensäurehaltige Getränke inklusive insbesondere Eistee, nicht jedoch Mineralwasser sowie c) Fruchtsäfte, und zwar mit
1. den Unternehmen der R*** im Zeitraum von Jänner 2004 bis Jänner 2012,
2. S*** im Zeitraum von September 2003 bis März 2012,
3. M*** im Zeitraum von Dezember 2005 bis Mai 2011,
4. Z*** im Zeitraum Jänner 2004 bis April 2009,
5. U*** im Zeitraum Jänner 2006 bis März 2012,
6. S*** im Zeitraum von Jänner 2006 bis März 2012,
7. D*** im Zeitraum von Oktober 2007 bis August 2010,
8. A*** im Zeitraum von Jänner 2006 bis Juni 2011,
9. M*** im Oktober 2008 und
10. A*** im Zeitraum Mai 2008 bis September 2011,
zu ungeteilten Hand eine Geldbuße von EUR 1.700.000 verhängt.
Begründung:
Die Antragstellerin begehrte die Verhängung einer angemessenen Geldbuße über die Antragsgegnerinnen (in Hinkunft auch: Rauch), weil die Erstantragsgegnerin als direkt Beteiligte und die Zweitantragsgegnerin als einen bestimmenden Einfluss auf die Erstantragsgegnerin ausübende Muttergesellschaft im Zusammenwirken mit Einzelhandelsunternehmen in einem längeren Zeitraum die Endverkaufspreise ihrer Produkte vertikale abgestimmt hätten, wodurch zudem die Verkaufspreisgestaltung ihrer Abnehmer miteinander (also horizontal) abgestimmt worden sei. Dies sei durch verbindliche Festsetzung von Aktions- und Verkaufspreisen in Jahres- und Aktionsvereinbarungen, durch die Mitteilung des Zeitpunktes und der Höhe geplanter Preisänderungen einzelner Unternehmen an ihre Mitbewerber sowie durch Intervention im Fall abweichend niedriger Verkaufspreise geschehen. Die Maßnahmen hätten dazu gedient, einheitliche und zeitgleiche Verkaufspreisänderungen zu ermöglichen und danach das vereinbarte Verkaufspreisniveau abzusichern und den Preiswettbewerb zwischen den Abnehmern von Rauch hintanzuhalten (sogenannte „Preispflege“). Die Preis- bzw Markenpflege sei eine zentrale Geschäftspraxis der Antragsgegnerinnen gewesen. Sie habe der Wahrung eines bestimmten Markenimages, jedoch ebenso stark der Sicherstellung stabiler Margen für den Einzelhandel durch Beschränkung des Preiswettbewerbes auf Ebene der Handelsunternehmen gedient. In einem Preisüberwachungssystem seien Kassabons bzw Preisspiegel der Verkaufspreise der Mitbewerber zur Bestätigung der Umsetzung der Abstimmungsmaßnahme übermittelt worden. Das gemeinsame Ziel, ein möglichst einheitliches, erhöhtes Preisniveau („Österreich-Niveau“) zu etablieren und aufrecht zu erhalten, sei durch eine Reihe von Einzelabreden über Verkaufspreise im Einzelhandel erfolgt, die Maßnahmen hätten jedoch nicht isoliert voneinander, sondern in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit bestanden. Die beteiligten Einzelhändler hätten die Fortsetzung ihrer Abreden mit Rauch davon abhängig gemacht, dass die gleichen Verkaufspreise auch mit ihren Mitbewerbern vereinbart worden seien. Es habe eine systematische Umsetzung durch identische Verhaltensweisen mit einem gemeinsamen subjektiven Element beider Marktseiten stattgefunden. Die Systematik sei gewesen, dass zunächst – in gegenseitiger Abstimmung über Rauch - Vereinbarungen über Verkaufspreiserhöhungen mit den beiden Marktführern im Lebensmitteleinzelhandel (in Hinkunft auch: LEH), xxx und xxx, getroffen worden seien. Parallel dazu seien ebensolche Vereinbarungen mit anderen Einzelhändlern des LEH und Drogeriefachhandels, die sich nach den mit den Marktführern getroffenen Vereinbarungen gerichtet hätten, erfolgt. In der Regel hätten die kleineren Marktteilnehmer zuerst umgesetzt, im Anschluss die Marktführer. Rauch habe dabei die Rolle der Überprüfung der Umsetzung („einheitlich im vollen Umfang zum vereinbarten Zeitpunkt“) übernommen und entsprechende Mitteilung an Mitbewerber erstattet bzw an „säumige“ Einzelhändler appelliert, sich im Interesse des Funktionierens des Gesamtsystems an die Vereinbarungen zu halten, und Preisdisziplin eingefordert. Zum Teil hätten die beteiligten Absprachepartner Verstöße anderer Beteiligter an Rauch gemeldet. Die Einzelhandelsunternehmen hätten sich an das Preisniveau gebunden gefühlt – dies unter der Voraussetzung, dass eine solche Bindung auch hinsichtlich der Mitbewerber bestanden habe und umgesetzt worden sei -, wobei es sich um eine einheitliche Vereinbarung gehandelt habe. Die vertikalen Preisabstimmungen seien einem kontinuierlichen Muster gefolgt. Die bilaterale Kommunikation sei über einen langen Zeitraum wiederholt auf dieselbe oder vergleichbare Art und Weise mit denselben oder ähnlichen Inhalten sowie seitens Rauch durch die gleichen Personen erfolgt. Die Koordinierung und Überwachung durch die Antragsgegnerinnen hätten es teilnehmenden Handelsunternehmen erleichtert, ein einheitliches Preisniveau oberhalb des freien Marktpreises zu erzielen. Das wettbewerbliche Risiko auf Ebene des LEH sei erheblich gemindert und die Marktposition aller beteiligten Parteien zum Nachteil der Verbraucher gefestigt worden.
An den rechtswidrigen Verhaltensweisen seien zahlreiche Unternehmen des Lebensmittel- und Convenience-Einzelhandels, in concreto die antragsgegenständlichen Unternehmen, beteiligt gewesen. Die inkriminierten Handlungen hätten sich auf die näher dargestellten Zeiträume, insgesamt von November 2003 bis März 2012, erstreckt.
Durch die im Antrag genannten Produktgruppen würden die relevanten Produktsegmente weitgehend abgedeckt werden. Sie seien in einem einheitlichen Antrag zu behandeln, weil die Antragsgegnerinnen jede dieser Produktgruppen bedient hätten, die Unternehmen des LEH jede dieser Produktgruppen vertreibe, die Bezugsseite der Hersteller nicht antragsgegenständlich sei, die Verhaltensweisen und auch der Gesamtplan im Bezug auf alle genannten Produkte gleichförmig gewesen sei und schließlich weil die Marktanteile der an der Absprache beteiligten Unternehmen die 5-%-Schwelle (soweit relevant) ohnehin bei weitem überschreiten würden, brächten es doch die xxx- und xxx-Gruppe auf rund 65 % Marktanteil auf jenem Markt, dessen Beschränkung der Zweck der gegenständlichen Verhaltensweisen gewesen sei.
Die Vorgehensweise widerspreche § 1 Abs 2 KartG sowie Art 101 AEUV, wonach – sowohl auf derselben Wirtschaftsstufe wie auch auf verschiedenen Wirtschaftsstufen – die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen verboten sei. Es seien also auch die hier vorliegenden vertikalen Preisbindungen erfasst. Preisbindungsvereinbarungen seien zudem als bezweckte Preiswettbewerbsbeschränkung zu werten, sie seien ihrem Wesen nach geeignet, den Wettbewerb zu beschränken. Es sei daher nicht notwendig, deren tatsächliche Auswirkungen am Markt nachzuweisen. Die Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung seien allenfalls für die Höhe der Geldbuße relevant.
Die Preisabstimmungen von Rauch mit ihren Abnehmern hätten sich auf das gesamte Bundesgebiet bezogen. Sie seien als Gesamtheit zu betrachten, weshalb sie auch geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Bei Kernbeschränkungen sei per se von einer spürbaren Beschränkung auszugehen. Die in der „Zwischenstaatlichkeitsbekanntmachung“ der Europäischen Kommission genannten Schwellenwerte (5 % gemeinsamer Marktanteil auf einem von der Vereinbarung betroffenen relevanten Markt innerhalb der Gemeinschaft, 40 Mio EUR Jahresumsatz des Lieferanten mit den von der Vereinbarung erfassten Waren in der Gemeinschaft) seien jedenfalls erfüllt. Es sei daher Art 101 AEUV (ex Art 81 EG) anzuwenden. Das Unionsrecht enthalte keine Ausnahme für Bagatellkartelle, sodass es auf das Überschreiten bestimmter Marktanteilsschwellen nicht ankomme. Das gegenständliche Kartellverbot erfasse sowohl den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmen wie auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Der Begriff „Vereinbarung“ werde weit ausgelegt. Es müsse kein rechtlich verbindlicher Vertrag vorliegen, es genüge, wenn die Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dabei sei der wettbewerbsbeschränkende Zweck nicht aus den subjektiven Vorstellungen der Parteien sondern aus dem objektiven Inhalt der Vereinbarung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall sei die Vereinbarung schon ihrer Art nach auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet gewesen. Das Verbot von Preisbindungen der zweiten Hand als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, die unabhängig von ihren Auswirkungen kartellrechtswidrig sei, hätten sowohl der OGH wie auch der EuGH in ihrer Rechtsprechung angenommen und ergebe sich weiters aus den Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen sowie aus Art 4 lit a der (neuen) Vertikal-GVO, die Preisbindungen der zweiten Hand auf der „schwarzen Liste“ führe, zumal sie den Intrabrand-Wettbewerb reduzierten und zu höheren Preisen führen könnten.
Darüber hinaus sei durch die Vertikalabsprachen eine abgestimmte Verhaltensweise im Horizontalverhältnis der Händler untereinander bewirkt worden.
Die Preisabstimmungsmaßnahmen von Rauch mit den einzelnen Abnehmern seien Bestandteil eines Gesamtplanes gewesen, durch Intervention bei den Abnehmern eine Angleichung des Verkaufspreisniveaus zu veranlassen. Die Handlungen hätten den identen Zweck der Verfälschung des Wettbewerbs gehabt und seien in einem klaren Komplementaritätsverhältnis gestanden. Es liege daher eine einzige fortgesetzte Zuwiderhandlung in Form einer Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen vor, denen ein gemeinsames subjektives Element (Preispflege) zugrunde liege. Frühestens mit Beendigung dieser fortgesetzten Zuwiderhandlung im März 2012 beginne die Verjährungsfrist des § 33 KartG.
Preisabstimmungsmaßnahmen als kartellrechtliche Kernverstöße seien einer Freistellung nach Art 101 Abs 3 AEUV nicht zugänglich. Weiters lägen gleich mehrere Kriterien nicht vor. Ein System von Preispflege, das dazu diene, den beteiligten Unternehmen eine höhere Gewinnmarge zu ermöglichen, sei nicht im Interesse der Verbraucher, weil keine Weitergabe von Gewinnen an diese erfolge. Eine Einflussnahme auf die Verkaufspreise sei auch nicht aufgrund der behaupteten Rolle von Rauch als Innovator am Markt erforderlich.
Den Antragsgegnerinnen habe die Rechtswidrigkeit der Preisabstimmungsmaßnahmen als kartellrechtliche Kernverstöße bewusst sein müssen, weshalb kein Zweifel an ihrem Verschulden bestehe. Es sei ganz offensichtlich ein Gesamtvorsatz auf vertikale Preisabstimmung und Umsetzung des gewünschten Preisniveaus im Handel vorgelegen. Rauch sei rund 10 Jahre lang federführend an den Abstimmungen beteiligt gewesen und habe wiederholt Druck auf die Händler ausgeübt. Es sei eine ausdrückliche Forderung nach Preisdisziplin erhoben und aktiv auf die Händler eingewirkt und interveniert worden. Als bedeutendes Unternehmen am Markt könne Rauch im Hinblick auf die Verhandlungsmacht anders gegen die starken Lebensmitteleinzelhändler vorgehen als kleine Unternehmen.
Es sei eine angemessene Geldbuße unter Bedachtnahme auf das Verschulden, die Schwere und die Dauer der Verstöße zu verhängen. Dabei sei eine Verhältnismäßigkeit mit Geldbußenverfahren anderer Lieferanten, bei denen vergleichbare Verstöße vorgelegen seien, zu beachten; dies unter Berücksichtigung der Größe der betreffenden Unternehmen sowie des gewährten „Settlementabschlags“ von 20 %. Rauch habe im LEH einen Jahresumsatz von EUR xxx Mio erzielt, der Konzernumsatz betrage im Jahr 2014 EUR 800 Mio und ein maßgeblicher Teil der Umsätze werde im Ausland erzielt. Es seien der lange Zeitraum der Zuwiderhandlung und die besondere Schädlichkeit der Maßnahmen zu berücksichtigen. Mildernd sei zu bewerten, dass die Antragsgegnerinnen als Lieferanten einer nicht unbeträchtliche Marktmacht des LEH ausgesetzt gewesen seien und eine Situation der Druckausübung bestanden habe; die Verhaltensweisen seien überwiegend im Interesse des Lebensmitteleinzelhandels gelegen. Weiters habe Rauch einzelne Verhaltensweisen bereits vor Bekanntwerden der Abstimmungsmaßnahmen durch die BWB eigenständig angepasst; im Zusammenhang mit der maximalen Preisuntergrenze sei etwa ab Juni 2010 ausdrücklich auf die kartellrechtliche Bedenklichkeit des Verhaltens hingewiesen worden.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag der Antragstellerin an.
Die Antragsgegnerinnen traten dem Antrag entgegen, da faktische und rechtliche Fragen offen seien und auch nach den Geldbußenentscheidungen, die in der vergangenen Zeit gegen Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels ergangen seien, erhebliche Rechtsunsicherheiten, wo im Bereich vertikaler Preisabsprachen die Grenze zwischen einem erlaubten und kartellrechtlich verbotenen Verhalten liege, bestünden.
Sie wandten zusammengefasst ein, dass Art 101 AEUV mangels Zwischenstaatlichkeit nicht anwendbar sei. Die Geschäftsbeziehungen der Antragsgegnerinnen mit ihren diversen LEH-Kunden seien nicht als Gesamtheit zu betrachten und würden sich nicht durchwegs auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Vereinbarungen seien grundsätzlich nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, wenn der gemeinsame Marktanteil der Parteien auf keinem von der Vereinbarung betroffenen relevanten Markt 5 % überschreite und zudem mit den von der Vereinbarung erfassten Waren ein Umsatz von nicht mehr als EUR 40 Mio erzielt worden sei. Es sei keineswegs gesichert, dass diese Schwellenwerte erfüllt seien. Im Jahr 2012 hätte Rauch im LEH einen „Nielsen-Marktanteil“ von xxx % (mengenmäßig) bzw von xxx % (wertmäßig) erzielt, wobei das Marktforschungsinstitut AC Nielson nur einen Teil des LEH-Gesamtmarktes abbilde. In räumlicher Hinsicht sei der Markt größer als Österreich, da der heimische LEH alkoholfreie Getränke in signifikantem Ausmaß auch bei ausländischen Produzenten einkaufe. Bei einer korrekten sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung werde ein Marktanteil von 5 % womöglich nicht erreicht. Rauch habe im LEH einen Gesamtumsatz von nur EUR xxx Mio erzielt, sodass der betroffene Umsatz bei den einzelnen Geschäftsfällen deutlich unter dem Schwellenwert von EUR 40 Mio bleibe. Bei Anwendung des nationalen Kartellrechts stelle sich die Frage der Spürbarkeit einer allfälligen Wettbewerbsbeschränkung, habe doch im relevanten Zeitraum noch § 2 Abs 2 Z 1 KartG idF vor dem KaWeRÄG gegolten. Es sei bei jedem Geschäftsfall zu prüfen, ob die Schwellenwerte für ein Bagatellkartell überschritten seien.
Art 101 Abs 1 AEUV erfasse keine einseitigen Verhaltensweisen, die Bekanntgabe eines vom Lieferanten für angemessen gehaltenen Wiederverkaufspreises oder des am Markt beobachteten Verkaufspreises erfülle den Tatbestand nicht. Nur bei einer zustimmenden Reaktion des Händlers komme es zu einer Willensübereinstimmung. Für ein abgestimmtes Verhalten sei erforderlich, dass sich die Unternehmen nach der – zulässigen - Fühlungnahme abstimmungsgemäß verhalten würden. Derartiges ergebe sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen nicht.
Ob eine Vereinbarung den Wettbewerb spürbar beschränke, sei anhand eines zu ermittelnden abstimmungsfreien Referenzszenarios zu prüfen. Es seien daher die rechtlichen und wirtschaftlichen Begleitumstände, unter denen die Absprache getroffen worden sei, zu berücksichtigen. Im Antrag fehle jegliche wirtschaftliche Analyse. Die Antragstellerin habe unterlassen, die Marktposition von Rauch und die Stärke des Interbrand-Wettbewerbs im Bereich alkoholfreier Getränke darzustellen. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung enthalte, sei auf den Inhalt der Absprache, die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie stehe, abzustellen. Als bezweckt seien nur Beschränkungen zu qualifizieren, bei denen aufgrund der Erfahrung der Wettbewerbsbehörden oder aufgrund gesicherter industrieökonomischer Erkenntnisse eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die fraglichen Verhaltensweisen negative Auswirkungen auf den Markt in Form von Preissteigerungen, Mengenreduktionen, Qualitätseinbußen oder dergleichen hätten und dadurch die mit den Wettbewerbsvorschriften verfolgten Ziele gefährden würden. Einen industrieökonomischen Erfahrungssatz, wonach vertikale Preisbindungen in aller Regel schon ihrer Natur nach negative Marktauswirkungen hätten, gebe es allerdings nicht. Der entscheidende Gesichtspunkt sei, dass die Leistungen von Herstellern und Händlern zueinander komplementär und nicht substitutiv seien. Die Hersteller hätten kein natürliches Interesse daran, dass der Verkaufspreis der Händler im Vergleich zu einem absprachenfreien Referenzszenario überhöht sei. In der Wettbewerbsökonomie sei anerkannt, dass nach zahlreichen Gesichtspunkten vertikale Preisbindungen ein objektiv sinnvolles Element des Leistungswettbewerbs sein könnten, was etwa bei allen Markenartikeln gelte. Das Image eines Produktes als Teil jener Qualität, zu deren Schutz eine Marke diene, werde ua auch durch den Kurantpreis bestimmt. Absprachen über diese Preise würden nichts daran ändern, dass es einen intensiven Preiswettbewerb geben könne. Gerade der österreichische LEH sei von Aktionen, Warengruppenrabatte, „Dauertiefpreisen“ oder Kundenbindungsprogrammen geprägt. Es sei daher falsch, jeden Versuch eines Lieferanten zur preislichen Positionierung seiner Ware auf Einzelhandelsebene (also betreffend Kurantpreise) als bezweckte und wettbewerbsschädigende Praktik zu brandmarken. Der Preis könne Auswirkungen auf die tatsächliche Qualität haben und die „Preishoheit“ des Herstellers den effizienten Wettbewerb fördern, etwa wenn der Händler angesichts seiner Eigenmarken den Qualitätswettbewerb einzudämmen versuche.
Besondere Rechtfertigungsgründe gebe es bei Aktionen, die von Hersteller und Händler gemeinsam geplant und anteilig finanziert würden. Durch gezielte Marketingaktionen wie Sonderangebote, die mit gleichzeitigen Werbekampagnen verknüpft seien, lasse sich kurzfristig die Nachfrage stark erhöhen und die Aufmerksamkeit für ein Produkt steigern. Dürfte nun der Hersteller mit dem Handel nicht über Aktionspreise und Sonderangebote sprechen, würde dies den Wettbewerb stärker bremsen als eine vertikale Koordination entlang der Wertschöpfungskette. Vertikale Preisbindungen bedürften also, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten, stets eines „Plus-Faktors“, also eines zusätzlichen Gesichtspunktes, welcher der Maßnahme unter den konkreten Umständen des Falles ein besonderes Schadenspotential verleihe.
Es liege an der Antragstellerin, Behauptungen und Beweise über die Funktionsweise der Absprachen in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtkontext aufzustellen, die sachlich und räumlich relevanten Märkte abzugrenzen sowie die Marktstellung der beteiligten Unternehmen auf diesen Märkten zu ermitteln. Insoweit sei das Antragsvorbringen unschlüssig, zumal nicht zutreffe, dass eine „jahrzehntelange Erfahrung der Wettbewerbsbehörden und Gerichte“ bei vertikalen Preisbindungen eine ökonomische Kontextanalyse überflüssig machen würde.
Die Antragstellerin lasse die realen Gegebenheiten am österreichischen LEH außer Betracht. Die Erhöhung von Einkaufspreisen gegen den Willen der betreffenden LEH-Unternehmen sei im hochkonzentrierten inländischen Markt faktisch unmöglich. Dafür sei die wirtschaftliche Abhängigkeit des Lieferanten von der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung in aller Regel – jedenfalls bei Rauch – viel zu groß. Österreich sei innerhalb der Europäischen Union jenes Land mit der größten Dichte an Supermärkten, was für die Verbraucher bequem sei und zudem den Wechsel zwischen konkurrierenden Handelsunternehmen erleichtere. Es bestehe ein beinharter Wettbewerb im LEH. Eine höhere Handelsspanne könne insoweit maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Standortdichte beitragen sowie weiters die heimische Produktion samt deren hohen Qualität fördern. Beides diene dem Verbraucherinteresse.
Die VertikalGVO nehme vertikale Preisabsprachen in erheblichem Umfang von der Anwendung des Kartellverbotes aus, insbesondere Preisbindungen zu Lasten des Lieferanten. In den Leitlinien für vertikale Beschränkungen werde weiters das „Handelsvertreterprivileg“ normiert. Diese Freistellungen seien bei wirtschaftlicher Betrachtung des Sachverhalts bedeutsam und könnten ein legitimes Referenzszenario, also ein rechtmäßiges Alternativverhalten, darstellen. Überdies erfasse Art 4 lit a VertikalGVO nur vertikale Preisbindungen und nicht vertikale Preisabsprachen jeder Art. Während sich im ersten Fall der Wiederverkäufer verpflichte, den vom Hersteller festgesetzten Letztverkaufspreis einzuhalten, werde im zweiten Fall der angestrebte Letztverkaufspreis von Hersteller und Händler einvernehmlich festgelegt. Eine Schadenstheorie wie für Preisbindungen der zweiten Hand gebe es bei vertikalen Preisabsprachen nicht. Soweit Rauch die Verkaufspreise daher nicht einseitig und verbindlich vorgegeben habe, sei dieses Verhalten nach Art 2 Abs 1 VertikalGVO von der Anwendung des Kartellverbots freigestellt.
Die Antragsgegnerinnen bestritten nicht, dass es bei etlichen der dokumentierten Geschäftsvorgänge zu einer übereinstimmenden Auffassung von Rauch und dem jeweiligen Handelsunternehmen darüber gekommen sei, wie hoch ein marktgerechter Preis für den jeweiligen Artikel beim Weiterverkauf am Point of Sale (POS) sein sollte. Die Wiederverkaufspreise seien mit dem LEH immer wieder thematisiert worden, eine Vereinbarung zur Umsetzung der Preise habe es aber nur in wenigen Konstellationen gegeben. Namentlich habe dies bis Juni 2010 die Festlegung von Aktionspreisen betroffen. Dabei hätten typischerweise Hersteller und Händler im Zuge der Jahresvereinbarungen grob festgelegt, wie viele Aktionen im Folgejahr stattfinden sollen. Bei Planung einer konkreten Aktion ersuche der Händler um ein entsprechendes Angebot, das in erster Linie die Höhe der Stützung der Marketingmaßnahme betreffe. Es werde in aller Regel über den Aktionspreis bzw die Aktionsmechanik gesprochen. Rauch habe das Ergebnis der Gespräche bis Juni 2010 in Aktionsbestätigungen festgehalten, wodurch womöglich eine bindende Vereinbarung zustande gekommen sei. Im Juni 2010 habe Rauch die Vorgangsweise aber markant geändert und bei Aktionen nur noch Preisempfehlungen ausgesprochen. Lange vor Durchführung der Hausdurchsuchung (im September 2013) seien keine bindenden Preisvereinbarungen mehr getroffen worden.
In Bezug auf Kurantpreise habe es niemals verbindliche Absprachen gegeben. Rauch habe lediglich Preisempfehlungen abgegeben, deren Unverbindlichkeit den Händlern bewusst gewesen sei. Rauch habe niemals Druck auf die Händler ausgeübt oder (finanzielle) Anreize gesetzt, damit Preisempfehlungen wie Festpreise oder Mindestverkaufspreise wirken würden. Das einzige Druckmittel, das einem Hersteller zur Durchsetzung seiner Vorstellungen zur Verfügung stehe, sei die Verweigerung oder Einschränkung der Belieferung. Derartiges sei in den von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden nicht ersichtlich und habe nicht stattgefunden. Es habe lediglich nachdrückliche Appelle an die kaufmännische Vernunft gegeben. Einen Gesamtplan habe es lediglich dahin gegeben, dass Rauch um eine Preispflege ihrer Markenartikel bemüht gewesen sei und – im Bestreben auf Erhalt des Wertes ihrer Marken - deren preisliche Positionierung habe beeinflussen wollen, um ein „Verramschen“ zu verhindern. Angesichts der erheblichen Nachfragemacht der führenden LEH-Unternehmen (xxx) könnten diese, von ganz wenigen „Must-Carry“-Markenartikelprodukten abgesehen, starke Marken leicht durch andere Artikel ersetzen. Weiters gebe es Interessensgegensätze bei der Preispolitik für einzelne Artikel, da in der Lieferkette eine Transformation des Produktes dahin stattfinde, dass der LEH den Konsumenten keine Einzelartikel verkaufe. Der LEH konkurriere untereinander auf der Ebene ganzer Warenkörbe. Er habe demzufolge ein natürliches Interesse daran, starke Marken für Lockvogelangebote zu verwenden, da er seine Deckungsbeiträge nicht über einzelne Artikel, sondern den gesamten Warenkorb optimiere. Das Rauch-Sortiment habe im Jahr 2011 einen wertmäßigen Anteil von weniger als 1 % an dem vom LEH vertriebenen Warenkorb gehabt. Es bedürfe daher der Preispflege durch den Markeninhaber, welche nicht wettbewerbswidrig sei, da sie dem Erhalt der Marke und damit auch den Verbraucherinteressen diene. Rauch vertreibe überdies nicht bloß Markenartikel, sondern beliefere einige Handelsunternehmen auch mit deren eigenen Marken. Somit gebe es trotz der Preispflege des Herstellers bei Markenartikeln einen Intrabrand-Wettbewerb zwischen Produkten aus dem Hause Rauch. Rauch habe im Wettbewerb auf Herstellerebene nicht die Marktmacht auf Erhöhung ihres Preisniveaus. Absatzseitig bestehe ein enormer Preisdruck, der von Diskontern wie Hofer bzw von Eigenmarken konkurrierender Unternehmen ausgehe, sodass auch xxx und xxx zu einer Preisanhebung im Gesamtsortiment über das wettbewerbliche Niveau nicht in der Lage wären. Dass die behaupteten Preisabsprachen vom Handel ausgegangen wären, treffe nicht zu; vielmehr habe ein grundsätzlicher Wunsch von Rauch nach Preispflege bestanden.
Die von der Antragstellerin auch genannten Händler xxx, xxx und xxx stünden gar nicht im Wettbewerbsverhältnis zum LEH und hätten dennoch die im LEH vorgefundenen Verkaufspreise thematisiert. Der jeweilige Einkäufer habe sich wohl versichern wollen, im Vergleich zu anderen Kunden kein schlechtes Geschäft gemacht zu haben. Der Verkaufspreis eines Herstellers an andere Kunden sei für den Händler nicht beobachtbar; angesichts der niedrigen Umsatzrendite im LEH gehe die gesamte Branche von einer „Spannenneutralität“ aus, sodass man aus dem Endverkaufspreis auch ableiten könne, ob Rauch seinen Verkaufspreis gegenüber dem Händler erhöht habe und damit seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung gemäß § 2 NahVG entsprochen habe. Die Händler hätten insoweit Nachweise für die Preisanhebung erwartet, es hätten „bedingte Einkaufspreiserhöhungen“ stattgefunden.
Im österreichischen LEH gebe es eine starke Risikoverlagerung vom Händler auf den Hersteller. So übernehme der LEH gegenüber den Herstellern keine Abnahmepflichten. Er bestelle Ware nur bei einem konkreten Bedarf, wohingegen der Hersteller eine nahezu 100-prozentige Warenverfügbarkeit zu gewährleisten habe, was insbesondere bei Aktionen (mit einem zum Teil 3- bis 5-fachem Absatzvolumen) bedeutsam sei. Aufgrund des langen Zahlungsziels müsse Rauch die Ware vorfinanzieren. Den Handel treffe kein Bonitätsrisiko, da der Weiterverkauf typischerweise Zug um Zug erfolge; die Risiken aus Gewährleistung und Produkthaftung würden vollständig auf den Hersteller überwälzt. Angesichts dessen könnten die Geschäftsbeziehungen ohne maßgebliche Veränderung ihres wirtschaftlichen Gehalts und ohne Auswirkungen auf die Konsumenten auch in Form eines Kommissionsverhältnisses abgewickelt werden, in welchem Fall das Handelsvertreterprivileg zur Anwendung gelangen würde. Eine Qualifikation der vorliegenden Handlungen als Kernverstoß gegen das Kartellverbot bedeute unlösbare Wertungswidersprüche. Diese hätten auch eine verfassungsrechtliche Komponente, zumal ein starres Preisbindungsverbot einen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Vertragsfreiheit darstelle und bei Markenartikel das Immaterialgüterrecht beschädige. Es wäre unsachlich, vertikale Preisabsprachen unterschiedslos „zu verteufeln“, solange – ohne ersichtliche Unterschiede für die Verbraucherwohlfahrt – Kommissionslösungen als kartellrechtskonform akzeptiert würden.
Die inkriminierten Preisabsprachen hätten keine schädlichen Auswirkungen auf den österreichischen Markt bzw für die Verbraucher gehabt und seien nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu betrachten. Das Bemühen von Rauch um Preispflege habe kartellrechtlich eine neutrale Funktion. Es sei darum gegangen, den Wert der Marke Rauch (nicht zuletzt in ihrer Funktion als Orientierungspunkt für die Verbraucher) zu schützen. Bei der Festsetzung von Aktionspreisen habe es zudem das Bedürfnis nach einer Kontrolle der Liefermenge gegeben.
Die Mehrzahl der vorgeworfenen Verstöße seien der Zeit vor Juni 2009 zuzuordnen und daher bei Einbringung des gegenständlichen Antrags am 20.6.2014 bereits verjährt. Eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung liege nicht vor. Selbst wenn Rauch über Jahre hinweg den von der Antragstellerin dargestellten Gesamtplan verfolgt hätte, sei zu beachten, dass jedes Kartell zumindest zwei beteiligte Unternehmen benötige, und zwar sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht. Es sei daher entscheidend, ob die Ziele von Rauch von den LEH-Partnern (im Sinne eines zeitlichen, räumlichen und sachlichen „Masterplans“) geteilt und in Form von Detailabsprachen umgesetzt worden seien. Dafür enthalte der Geldbußenantrag keine Indizien. Dem E-Mail-Verkehr sei lediglich die Intention der LEH-Unternehmen zu entnehmen, dass sie Einkaufspreiserhöhungen nur sehr ungern akzeptiert hätten, wenn Rauch nicht habe nachweisen können, das andere LEH-Unternehmen, insbesondere xxx und xxx, ihren Verkaufspreis ebenfalls kostenbedingt anheben würden. Diese Intention entspreche im Kern der Einhaltung des § 2 Abs 1 NahVG (Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Kunden).
Weiters hätten die horizontalen Elemente der Preisabstimmungsmaßnahmen allesamt vor mehr als 5 Jahren vor der Antragseinbringung stattgefunden und seien schon aus diesem Grund verjährt. Ob eine fortgesetzte Zuwiderhandlung anzunehmen sei, sei insofern irrelevant, als sich die Qualifikation des unverändert gebliebenen Sachverhalts geändert habe; wenn sich das wirtschaftliche Umfeld und der ökonomische Kontext, in dem die Handlungen gesetzt würden, änderten, würde sich auch eine andere Tatbestandsmäßigkeit ergeben und müsste mit dieser Änderung der Beginn der Verjährungsfrist angenommen werden. Darüberhinaus hätte im Laufe der Zeit eine Änderung der Umsatzmethoden stattgefunden, indem die Unverbindlichkeit der kommunizierten Preise betont worden sei und keine horizontalen Absicherungen mehr stattgefunden hätten.
Zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art 101 Abs 3 AEUV brachten die Antragsgegnerinnen vor, dass ein fließender Übergang zwischen dieser Ausnahmeregelung und der Behandlung wettbewerbsbeschränkender Nebenabreden bestehe, welche dann nicht unter Art 101 Abs 1 AEUV fallen würden, wenn der Hauptgegenstand einer Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkungen bezwecke oder bewirke. Die Preispflegemaßnahmen von Rauch seien als wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden zu einer legitimen Vertriebsform von Markenprodukten zu qualifizieren. Sie dienten der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung insofern, als sie den Vertrieb von Markenartikel beträfen und die Rechtsordnung Marken als einen wesentlichen Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs betrachte. Marken erfüllten wichtige Funktionen, nämlich auf die Herkunft der von der Marke erfassten Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, die Qualität zu gewährleisten sowie die Kommunikations-, Investitions- und Werbefunktion. Marken seien als Instrument der Geschäftsstrategie eines Unternehmens geschützt. Die Ausübung der Schutzrechte durch den Markeninhaber sei insbesondere dann berechtigt, wenn die Wertschätzung der Marke (Verunglimpfung) oder ihre Unterscheidungskraft (Verwässerung) beeinträchtigt werde oder ein Dritter die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke für seine eigenen Zwecke und entgegen den Interessen des Markeninhabers ausnutze (Trittbrettfahren). Vor diesem Hintergrund sei jede Maßnahme eines Markeninhabers wie Rauch, die dazu diene, eine Beeinträchtigung des Wertes der Marke zu verhindern, als eine Verbesserung der Warenverteilung oder -erzeugung im Sinne des Art 101 Abs 3 AEUV zu betrachten. Dem Markeninhaber müsste gestattet sein, alle angemessenen Mittel zur Verhinderung der genannten Beeinträchtigungen einzusetzen. Die dokumentierten Preispflegemaßnahmen seien ein notwendiges und angemessenes Mittel zur Erhaltung des Wertes der Rauch-Marken gewesen. Die Positionierung und Erhaltung einer Marke umfasse die Dimensionen „Product“, „Placement“, „Promotion“ und „Price“, eine Ausklammerung der Preispflege aus den Marketingaktivitäten schwäche den Markenwert. Die Marktanteilsentwicklung am österreichischen Fruchtsaftmarkt zeige, dass das Produkt „Happy Day“ von Rauch als einzige Marke mit dem Wachstum der Eigenmarken habe mithalten können. Die Maßnahmen zur Markenpflege seien daher als positiv zu werten.
Eine angemessene Beteiligung der Verbraucher sei gegeben, da Verbraucher im Prinzip selbstverständlich von starken Marken profitierten. Eine klare Markenführung verbessere die Orientierung der Konsumenten und reduziere deren Suchkosten. Es komme zu einer Steigerung der Nachfrage und Verbesserung der Warenvielfalt. Eine präzise quantitative Bezifferung der Verbrauchervorteile sei nicht möglich, aber auch nicht nötig. Durch die Preispflegemaßnahmen werde eine Verwässerung der Rauch-Marken verhindert, wobei es sich um einen qualitativen Effizienzgewinn handle. Im Übrigen müsse eine Verbraucherbeteiligung an den Vorteilen der Rauch-Markenpflege nur soweit gehen, dass die Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung ausgeglichen würden. Hier könne aber nicht festgestellt werden, dass die Maßnahmen überhaupt einen negativen Effekt auf das Preisniveau gehabt hätten. Durch die Preispflegemaßnahmen sei die Versorgung der Kunden mit Rauch-Produkten aufrechterhalten und die Warenverfügbarkeit verbreitert worden, Rauch hätte andernfalls einen Absatzverlust hinnehmen müssen.
Weiters würden durch die Absprachen von Rauch keine Wettbewerbsbeschränkungen auferlegt werden, die zur Erzielung der angestrebten Effizienzgewinne nicht unerlässlich seien. Aufgrund der enormen Nachfragemacht und der hohen Marktkonzentration im LEH könne Rauch nicht einfach dadurch für ein markenkonformes Preisniveau am POS sorgen, dass der Einkaufspreis für den LEH entsprechend hoch angesetzt werde. De facto seien - ohne Druckausübung oder wirtschaftliche Anreize - bloße angemessene Preisempfehlungen ausgesprochen worden. Darüberhinausgehende Preispflegemaßnahmen hätten nicht stattgefunden.
Von einer Ausschaltung des Wettbewerbes durch die gegenständlichen Maßnahmen könne keine Rede sein. Rauch-Markenartikel seien einerseits einem intensiven Wettbewerb durch andere Herstellermarken wie auch durch Eigenmarken des Handels ausgesetzt. Andererseits finde der Wettbewerb zwischen den Unternehmen des LEH nicht auf der Ebene von einzelnen Artikeln, sondern eines Gesamtsortiments statt. Selbst ein starres Festpreisbindungssystem wäre nicht geeignet, den Wettbewerb auf Handelsebene spürbar zu verfälschen.
Bei der Bemessung einer allfälligen Geldbuße könne es den Antragsgegnerinnen nicht erschwerend angelastet werden, dass sie im Bestreben, Rechtssicherheit für die Zukunft zu erlangen, dem Geldbußenantrag entgegengetreten seien und sich im Verfahren vor dem Kartellgericht verteidigt hätten. Es bestehe ein Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Lieferanten des LEH.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Urkunden ./A bis ./ZZZZZZZ und ./A1 bis ./A3 sowie ./1 bis ./12, weiters durch Einvernahme des Zeugen xxx (AS 335 bis 349 und AS 355 bis 381).
Folgender Sachverhalt steht demnach fest:
Rauch ist ein Hersteller nichtalkoholischer Erfrischungsgetränke in den Produktbereichen (a) kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, (b) nichtkohlensäurehaltige Getränke inklusive Eistee, nicht jedoch Mineralwasser, sowie (c) Fruchtsäfte inklusive Orangensaft und vertreibt jede dieser Produktgruppen an die im Spruch genannten Unternehmen des Einzelhandels (unbestrittenes Vorbringen vgl ON 14 S 2). Dabei ist die Erstantragsgegnerin operativ tätig, die Zweitantragsgegnerin hat als geschäftsführende Gesellschafterin bestimmenden Einfluss auf die Erstantragsgegnerin (unstrittig ON 35 S 2).
Der Umsatz von Rauch im österreichischen LEH betrug im Jahr 2012 rund EUR xxx Mio, welcher sich zu etwa xxx aus Fruchtsaft und xxx aus Eistee zusammensetzte. Der Gesamtumsatz des – in größerem Umfang auch international tätigen - Konzerns betrug im Jahr 2015 EUR 861 Mio (vgl www.rauch.cc, vgl AS 459). Mit den LEH-Konzernen xxx und xxx macht Rauch einen Umsatz von gesamt ca EUR xxx Mio (AS 337, 341).
Insoweit besteht eine große Abhängigkeit zu diesen Händlern. Rauch ist im LEH im Bereich Fruchtsaft und Eistee Marktführer und hat einen Marktanteil von jeweils xx bis xx %. Im Bereich AFG (sowohl kohlensäurehältige wie auch nichtkohlensäurehältige alkoholfreie Getränke) beträgt der Marktanteil von Rauch rund xx %. Die Marktanteile sind in den Kernmarken (Fruchtsaft und Eistee) seit 2003 xxx, im AFG gesamt xxx. Diese Zahlen beziehen sich jeweils auf die Anteile exklusive der Diskonter xxx.
Rauch ist ein klassisches Markenartikel-Unternehmen. Aus unternehmenstaktischen Gründen produziert es zum Teil auch Eigenmarken für Händler, dies in einem Größenbereich von etwa xx % (AS 339).
Im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel besteht eine hohe Marktkonzentration. Der REWE-Konzern, der unter anderem aus Billa, Merkur und Penny besteht, verfügt über einen Marktanteil von rund 36 %, der Spar-Konzern hat einen Marktanteil von rund 30 % (unstrittig ON 22 S 3), des weiteren verfügt der Diskonter Hofer über einen Marktanteil von knapp 20 %. Kleinstrukturierte Betriebe gibt es in Österreich kaum mehr (gerichtsbekannt). Nennenswerte Markteintritte fanden in den letzten Jahren vorwiegend im Bereich des – stetig wachsenden – Diskonthandels statt (./12 S 4). Allerdings gibt es eine sehr hohe Dichte an Supermärkten, die Anzahl der Filialen mit einer Größe zwischen 400 und 999 m² pro Einwohner ist nirgendwo in der Europäischen Union größer als in Österreich (./1 S 36). Dies bedeutet für die Lebensmitteleinzelhändler hohe Kosten, für die Konsumenten eine erhöhte Bequemlichkeit.
Der Wettbewerbsdruck geht vorwiegend vom wachsenden Diskonthandel aus. Aufgrund der Marktverhältnisse besteht auf verschiedenen Beschaffungsmärkten - darunter der von Rauch bediente Markt für alkoholfreie Getränke - eine hohe Abhängigkeit der Lieferanten von den großen Abnehmern, deren Verlust für den Erzeuger und Importeur die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile birgt, da ein Ausweichen auf andere Absatzkanäle nicht ohne weiteres möglich ist. Es besteht demnach eine ausgeprägte Nachfragemacht (./12 S 20).
Für die Hersteller alkoholfreier Getränke – so auch für Rauch – ist der LEH der wichtigste Absatzkanal. Einzelne Lieferanten liefern bis zu zwei Drittel ihres Umsatzes an nur einen Abnehmer im LEH. Zweitwichtigster Vertriebskanal ist die Gastronomie. Zwischen diesen beiden Vertriebskanälen besteht keine Substituierbarkeit. Im Bereich der alkoholfreien Getränke gibt es eine Reihe bedeutender Herstellermarken, bei einigen handelt es sich um sogenannte „Must-Have“-Artikel, die ein Vollsortimenter grundsätzlich in seinem Sortiment führen muss, wodurch dessen Verhandlungsmacht eingeschränkt ist. Bei relativ standardisierten Produkten (zB Orangensaft, Apfelsaft) haben Eigenmarken eine stärkere Bedeutung und ist die Austauschbarkeit des Lieferanten – sofern dieser nicht über eine gewisse Markenbekanntheit verfügt - höher (./12 S 13f). Bei den Produkten von Rauch handelt es sich um keine „Must-Have“-Produkte (AS 343f).
Einzelne Unternehmen des LEH betreiben eine aggressive Aktionspolitik und führen häufig Tiefstpreisaktionen, „1+1 gratis“, „minus 50 %“ udgl durch. Der Handel profitiert davon, dass Kunden aufgrund von Sonderaktionen die Verkaufsstätte aufsuchen und gleichzeitig auch andere Produkte beziehen. Vorteile aus Herstellersicht können sich durch erhöhte Absatzmengen ergeben, was ein Grund für Lieferanten sein kann, an (Tiefpreis)-Aktionen teilzunehmen (./12 S 19). Rauch erzielt mit den im LEH stattfindenden Aktionen durchschnittlich xx % seines Umsatzes (AS 355).
Insofern ist es für Rauch erforderlich, über geplante Aktionen im Voraus Kenntnis zu haben, um sich darauf einstellen und die Verfügbarkeit der Ware sicherstellen zu können. Je nach Ausgestaltung der Aktion, also der Reduktion des Verkaufspreises am Point-of-Sale (POS), schätzt Rauch aufgrund der Erfahrungswerte die benötigte Menge ein und sorgt für die erforderlichen Mengen, was für Rauch in der Regel aufgrund der Größe kein Problem darstellt. Bei „ganz brutalen“ Aktionen kann es bis zu einer Verdoppelung des Absatzes gegenüber Perioden, in denen die Produkte zu Kurantpreisen angeboten werden, kommen (AS 345f, 363f). Da die Produkte von Rauch als Qualitätsprodukte angesehen werden, werden diese regelmäßig für Aktionsangebote, auch für „Lockvogel-Angebote“ der Händler, herangezogen; eine Initiative von Rauch, eine Aktion durchzuführen, ist in der Regel nicht erforderlich (AS 361f). Da Rauch den Händlern bei der Umsetzung der Aktionen auch Aktionsrabatte gewährt, also einen geringeren Einkaufpreis verrechnet, werden die Aktionen im Ergebnis von Rauch mitfinanziert (AS 363).
Rauch war seit den „Nuller-Jahren“ der Überzeugung, dass man nur mit einer starken Marke erfolgreich sein könne und die Entwicklung der Marke der Schlüssel zum Erfolg sei. Ein Teilbereich der Markenpflege ist für Rauch die Preispflege bzw das „Pricing“, das heißt dass sich die Positionierung der Marke im Preis widerspiegeln soll und die Qualität und die vorgenommene Entwicklung des Produkts im Preis abgebildet sein müssen. Insofern trachtet Rauch danach, für seine Markenprodukte ein bestimmtes Preisniveau zu erhalten. Umgesetzt wird dies einerseits im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Produkte, bei der zunächst ein Preisfindungsmodell vorgenommen und im Wege von Marktforschungen versucht wird, den optimalen Preis zu finden; danach wird eine Preisbestimmung mit den Abnehmern, also dem Handel vorgenommen. Andererseits waren in den letzten Jahren aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer wieder Preisanpassungen erforderlich, insbesondere weil die – für die Fruchtsaftproduktion sehr wesentlichen – Rohstoffpreise gestiegen sind (AS 341f).
Vor diesem Hintergrund – nämlich der Absicht von Rauch, seine Markenartikel preislich bestmöglich zu platzieren und ein „Verramschen“ zu verhindern - sowie der (oben beschriebenen) gegebenen Marktmacht des LEH kam es im Zeitraum ab September 2003 zu folgenden Vorgehensweisen:
Rauch vereinbarte im Rahmen von Preisvereinbarungen mit den Einkäufern des Einzelhandels die Endverkaufspreise, zu denen die Händler die Rauch-Produkte am POS anboten. Dazu trafen Rauch und die jeweiligen Abnehmer Jahres- und Aktionsvereinbarungen, in denen sowohl die Kurant- wie auch die Aktionspreise der von Rauch angebotenen nichtalkoholischen Getränke festgelegt wurden. Rauch gab dabei Verkaufspreise vor, die keinesfalls unterschritten werden durften und die Preisuntergrenze darstellten. Es wurden sowohl der Zeitpunkt von Preisänderungen wie auch deren konkrete Höhe abgestimmt.
Die Ergebnisse wurden in Jahresvereinbarungen bzw Aktionsbestätigungen zum Teil auch schriftlich festgehalten, wobei die angeführten Preise auch als „empfohlene Preise“, die unbedingt und ausnahmslos einzuhalten seien, bezeichnet wurden.
Die Absprachen fanden jeweils mit den einzelnen Abnehmern statt und wurden in der Folge den anderen Einzelhändlern mitgeteilt. Ziel der Beteiligten war es, dass sämtliche Abnehmer von Rauch einheitliche und zeitgleiche bzw aufeinander abgestimmte Verkaufspreisänderungen vornehmen.
Durch diese „Preispflegemaßnahmen“ sollte das Verkaufspreisniveau der Rauch-Produkte abgesichert, die festgelegten Mindestpreise sollten keinesfalls unterschritten werden. Weiters sollte - entsprechend den Interessen der marktmächtigen LEH-Unternehmen - der Preiswettbewerb zwischen den Abnehmern eingeschränkt werden.
Wenn mit den einzelnen Abnehmern eine Einigung über die Kaufpreiserhöhung erzielt worden war, teilte dies Rauch auch den konkurrierenden Einzelhändlern mit und appellierte an diese, die Preisänderung umzusetzen. Zum Teil übermittelte Rauch zur Bestätigung der Preisanpassung Kassenbons bzw Preisspiegel der Mitbewerber - insbesondere der beiden Händler xxx und xxx -, damit sich diese von der Umsetzung überzeugen konnten. Derartiges wurde von den Mitbewerbern auch verlangt, bevor sie sich zu einer Preisanhebung bereit fanden.
Die Händler waren zu einer Anhebung der Verkaufspreise generell nur bereit, wenn ihnen Rauch zusicherte, dass auch die Mitbewerber eine Anhebung vornehmen und die Preisanpassung österreichweit erfolgt. Rauch übernahm insoweit eine Koordination zur Erreichung von einheitlichen Preisen (AS 347).
Rauch drängte sodann die Abnehmer regelmäßig darauf, sich an das vereinbarte Preisniveau auch tatsächlich zu halten, die Preiserhöhungen umzusetzen und die Produkte nicht unter dem vereinbarten (Aktions-)Preis zu verkaufen. Rauch appellierte an die Händler, dass sie alle nichts davon hätten, wenn die Produkte unter einem bestimmten Preis verkauft werden würden, und die Kurant- und Aktionspreise daher konsequent einzuhalten seien.
Die Absprachen und Abstimmungen fanden seitens Rauch regelmäßig und flächendeckend statt und folgten immer demselben Verhaltensmuster mit demselben Ziel; Rauch verfolgte demnach den Gesamtplan, die Endverkaufspreise wie dargestellt zu gestalten. Zu einem großen Teil hielten sich die Händler an die Abmachungen, wenngleich es immer wieder zu zeitlichen Abweichungen bei der Preisanhebung oder zu unabgestimmten Preisfestsetzungen kam. In diesen Fällen intervenierte Rauch und forderte „Preisdisziplin“ ein. In der Regel setzten die Abnehmer die Vorgaben von Rauch um.
Konkret erfolgten die Absprachen in der beschriebenen Art und Weise mit folgenden Unternehmen des Einzelhandels (Lebensmitteleinzelhandel und „Convenience“-Einzelhandel):
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R*** im Zeitraum von Jänner 2004 bis Jänner 2012
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S*** im Zeitraum von September 2003 bis März 2012
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M*** im Zeitraum von Dezember 2005 bis Mai 2011
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Z*** im Zeitraum Jänner 2004 bis April 2009
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U*** im Zeitraum Jänner 2006 bis März 2012
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S*** im Zeitraum von Jänner 2006 bis März 2012
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D*** im Zeitraum von Oktober 2007 bis August 2010
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A*** im Zeitraum von Jänner 2006 bis Juni 2011
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M*** im Oktober 2008
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A*** im Zeitraum von Mai 2008 bis September 2011.
Zum räumlichen Tätigkeitsbereich dieser Unternehmen ist auszuführen, dass die LEH-Unternehmen der xxx sowie xxx österreichweit tätig sind. xxx ist überwiegend in Tirol, Salzburg und Kärnten, zum Teil in Vorarlberg und Südtirol tätig. xxx war vorwiegend in Wien, im Zeitraum seit 2003 in der Steiermark und zum Teil bis Salzburg tätig. xxx gehört zu xxx und ist in Oberösterreich tätig, xxx in Vorarlberg. Die weiteren Händler gehören nicht dem LEH an; xxx ist österreichweit vertreten, ebenso xxx. xxx und xxx sind nicht im gesamten Bundesgebiet tätig (AS 337f).
Etwa ab dem Jahr 2010 entwickelten sich bei den Verantwortlichen von Rauch gewisse wettbewerbsrechtliche Bedenken an der beschriebenen Praxis. Die Versendung von Preisspiegeln wurde in weiterer Folge manchmal abgelehnt (siehe ./GGGG), wenngleich nicht beendet (./BBBBB), Kassabons wurden bis März 2012 weiterhin übermittelt (vgl ./XXXX, ./YYYY, ./CCCCC). Die Unverbindlichkeit der Preisvorgaben wurde immer mehr zum Thema (AS 369) und die Verkaufsmitarbeiter wurden angehalten, die im Zuge der Verhandlungen und Gespräche fortan den Begriff „unverbindliche Preisempfehlung“ (UVP) zu verwenden. Allerdings sollte damit – jedenfalls zunächst - inhaltlich keine Änderung der Vorgehensweise bewirkt werden. Im Laufe der Zeit nahm Rauch zunehmend Abstand von seinem Verhalten (siehe zB ./VVVV: E-Mail vom 24.2.2011).
Im September 2013 führte die Antragstellerin eine Hausdurchsuchung bei den Antragsgegnerinnen durch, wobei die im Verfahren vorgelegten Unterlagen sichergestellt wurden; diese enthalten Hinweise auf Preisvereinbarungen in der beschriebenen Form bis März 2012.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat in seiner jüngst zu 16 Ok 2/15b (16 Ok 8/15k) ergangenen Entscheidung grundlegende Ausführungen zur Wettbewerbswidrigkeit von vertikalen Preisabsprachen – diesfalls ebenfalls im Lebensmitteleinzelhandel, wenn auch betreffend einen der großen Lebensmitteleinzelhändler – getätigt. Davon ausgehend gilt Folgendes:
1.1. Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere ist nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen verboten.
1.2. Nach Art 101 AEUV (vormals Art 81 EG) sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere (lit a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003).
1.3. Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist - was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist - weit zu verstehen. Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindern, und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13; 16 Ok 2/15b mwN).
Es kommt nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Entscheidend ist nur, ob die Absprache hiezu geeignet ist, ob sie also potenziell den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beeinflussen kann. Bei Preisbindungen der zweiten Hand geht die Kommission in der Praxis davon aus, dass eine per-se-Eignung der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels vorliegt, weil das Preisniveau im betreffenden Staat künstlich verändert wird (16 Ok 10/09 mwN).
Der EuGH hat eine Spürbarkeit der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bei einem „nicht unerheblichen Marktanteil" bejaht, wobei ein solcher ab 5 % regelmäßig als ausreichend angesehen wurde. Die Europäische Kommission hat Schwellenwerte, bis zu denen eine Handelsbeeinträchtigung verneint wird, in Form der sogenannten NAAT-Regel (non appreciable affectation of trade) festgelegt. Danach ist eine vertikale Vereinbarung grundsätzlich nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, wenn der gemeinsame Marktanteil der Parteien auf keinem von der Vereinbarung betroffenen relevanten Markt innerhalb der Gemeinschaft 5 % und der Jahresumsatz des Lieferanten mit den von der Vereinbarung erfassten Waren in der Gemeinschaft nicht den Betrag von EUR 40 Mio überschreitet (16 Ok 10/09 mwN).
1.4. Das gegenständliche Verhalten von Rauch umfasste die Preisfestsetzung ihrer Abnehmer in deren gesamtem Tätigkeitsbereich und war insoweit flächendeckend; es erstreckte es sich somit auf das gesamte Bundesgebiet, da einige der Einzelhändler (und zwar die besonders marktmächtigen) österreichweit tätig sind. Weiters kann angesichts der festgestellten Marktanteile der beteiligten Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel (der von der Vereinbarung betroffen war, war doch dessen Wettbewerbsbeschränkung bezweckt) und des festgestellten Umsatzes, den die Antragsgegnerinnen im LEH erzielen, kein Zweifel an der Überschreitung der genannten Schwellen bestehen.
Dabei ist zu beachten, dass die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels auch deshalb spürbar sein kann, weil ein Vertrag Teil eines umfassenden Vertragssystems ist, das in seiner Gesamtheit geeignet ist, den Binnenmarkt spürbar zu beeinträchtigen (16 Ok 2/15b mwN). Eine isolierte Betrachtungsweise jeder einzelnen Maßnahme zu den einzelnen Händlern, wie von den Antragsgegnerinnen angestrebt, verbietet sich daher.
Neben § 1 KartG gelangt somit auch Art 101 AEUV zur Anwendung.
2.1. Das Kartellverbot nach dieser Bestimmung umfasst insbesondere den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen, zwischen den beteiligten Unternehmern die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. In der Praxis ist eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz, weil diese Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens gleichrangig sind (Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 1 Rz 12 ff).
2.2. Der Begriff „Vereinbarung“ wird in diesem Zusammenhang weit ausgelegt: Nicht notwendig ist, das es sich dabei um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handelt; eine Vereinbarung liegt vielmehr schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Folglich ist der Begriff der Vereinbarung durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt. Bei einer Vereinbarung zwischen Unternehmern kommt es daher weder auf die Form der Vereinbarung (diese kann schriftlich, mündlich oder schlüssig getroffen werden) noch darauf an, ob sie auch tatsächlich umgesetzt wird (Petsche/Tautscher aaO § 1 Rz 15 f mwN).
Bei „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH um jede Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmern, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Unter einer Verhaltensabstimmung ist also eine „Fühlungnahme“ zwischen den Unternehmern zu verstehen, die geeignet und bestimmt ist, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen (Petsche/Tautscher aaO § 1 Rz 29 f mwN).
Ein Nachweis über eine „Verpflichtung“ zur Umsetzung von Fest- bzw Mindestpreisen ist für einen Kartellverstoß nicht erforderlich; eine „Verpflichtung“ ist weder für den Nachweis einer kartellrechtlichen Vereinbarung noch einer diesbezüglichen Abstimmung konstitutiv. Vielmehr sind auch sogenannte Gentlemen-Agreements, bei denen kein Bindungswille im Sinne einer gewollten Einklagbarkeit besteht, zumindest aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (16 Ok 2/15b).
Sowohl horizontale als auch vertikale Vereinbarungen können gegen das Kartellverbot verstoßen (Petsche/Tautscher aaO § 1 Rz 21 mwN).
2.3. Kartellrechtswidrige Preisabsprachen können Absprachen über Mindestpreise, Preisintervalle, Preisaufschläge und -abzüge oder die Koordination der Höhe und des Zeitpunkts einer Preissteigerung sein. Außerdem erfasst Art 101 Abs 1 AEUV auch Vereinbarungen über Margen und Rabatte, Kreditbedingungen und Richtpreise. Auch vereinbarte Preisempfehlungen können verboten sein. Preisbindungen durch Nachfrager, etwa in Form einer Meistbegünstigungsklausel, sind von Art 101 Abs 1 AEUV erfasst, wenn dadurch eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird.
Unverbindliche Preisempfehlungen sind grundsätzlich zulässig. Eine Preisempfehlung kann aber als abgestimmte Verhaltensweise einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV darstellen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sie wie eine mittelbare Preisbindung wirkt (16 Ok 2/15b mwN).
2.4. Betreffend vertikale Preisabsprachen erkannte der Oberste Gerichtshof in der schon mehrfach genannten Entscheidung 16 Ok 2/15b wie folgt: Vertikale Preisabsprachen sind zweifellos offenkundige Wettbewerbsbeschränkungen, weil sie ein hohes Potential negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, und zwar nicht zuletzt auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf Handelsebene. Dem entspricht, dass auch vertikale Preisbindungen („Preisbindungen der zweiten Hand“) in Art 4 lit a) VO 330/2010 (Gruppenfreistellung für Vertikalvereinbarungen) als grundsätzlich unzulässige Kernbeschränkungen eingestuft werden.
Die Europäische Kommission legt in ihren Leitlinien für vertikale Vereinbarungen, ABl 2010/C 130/01, ausführlich dar, in welcher Hinsicht vertikale Preisbindungen eine Gefahr für den funktionierenden Wettbewerb bewirken, und dass vertikale Verkaufspreisabsprachen auch auf indirektem Weg durchgesetzt werden können, zB über Abmachungen über Absatzspannen. Als sogar besonders schädlich im Hinblick auf die Gefahr des erhöhten Preisniveaus auf Verbraucherebene beurteilt wurde auch die weitere Gefahr, dass wettbewerbsschädliche Wirkungen von vertikalen Preisbindungen auch in der Begünstigung von Kollusionsergebnissen zwischen Abnehmern, das heißt Unternehmen auf Handelsebene, bestehen (VLL Rz 224).
Vertikale Preisbindungen sind als Kernbeschränkung vom Rechtsvorteil der gruppenweisen Freistellung ausgeschlossen. Die mit den tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmtes Verhalten) verbundenen horizontalen oder vertikalen Preisregulierungen sind als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sodass es auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen nicht mehr ankommt.
Vereinbarungen, die Preisabsprachen enthalten, profitieren auch nicht von der Bagatell-Bekanntmachung und sind somit stets spürbar. Art 101 Abs 1 AEUV verbietet ausdrücklich die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen. Preisabsprachen verletzen demnach per se das Kartellverbot. Das Verbot ist weit auszulegen und betrifft jede Vereinbarung, die direkt oder indirekt geeignet ist, Preiswettbewerb zu behindern. Nicht notwendig ist es, dass ein Kartell tatsächlich funktioniert oder keinerlei Ausnahmen vorsieht.
3.1. Aus diesen Grundsätzen folgt zunächst, dass die festgestellte Verhaltensweise der Antragsgegnerinnen und ihrer Abnehmer als tatbildlich im Sinne des § 1 Abs 1 KartG sowie Art 101 AEUV anzusehen ist. Die Maßnahmen zur Bestimmung der Verkaufspreise am POS sind als Vereinbarung im oben dargestellten Sinn zu betrachten, da eine Willensübereinstimmung dahin bestand, die Kurant- und Aktionspreise nach einem festgelegten Prozedere – unter Beachtung der Preisgestaltung der Mitbewerber – festzusetzen. Dass Rauch keine konkreten Druckmittel zur Durchsetzung und keine Handhabe hatte, Sanktionen zu verhängen, ändert an dieser Qualifikation nichts. Zumindest lag eine abgestimmte Verhaltensweise vor.
Die Preisvorgaben bzw Empfehlungen sind nicht als unverbindlich empfohlene Verkaufspreise anzusehen. Dies sind nämlich nur solche, die in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, dass mit der Festsetzung von Wiederverkaufspreisen nicht nur kein rechtliches Müssen, sondern auch kein geschäftliches Sollen aufgetragen wird. Eine freie Preisbildung ist nur gewährleistet, wenn es sich bei der Empfehlung um ein freiwilliges Können handelt (Petsche/Tautscher aaO, § 1 Rz 40f mwN). Rauch wollte mit seinen Maßnahmen zumindest ein geschäftliches Sollen erreichen. Die bloße Änderung der Terminologie und Verwendung des Begriffes „UVP“ ab einem bestimmten Zeitpunkt bewirkte – jedenfalls im gegenständlichen Zeitraum – noch nicht, dass die genannten Preise tatsächlich als unverbindlich angesehen werden sollten.
3.2. Bei den vorliegenden vertikalen Preisabsprachen handelt es sich somit um einen Kernverstoß. Sie fallen daher nicht unter die Bagatellregelung der De-minimis-Bekanntmachung. Auf Marktanteilsschwellen, deren Überschreitung von den Antragsgegnerinnen in Zweifel gezogen wird, kommt es demnach nicht an.
Weiters stellt eine Vereinbarung, die – wie hier – einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar (vgl EuGH 13.12.2012, C-226/11). Ob und welche wettbewerbsschädlichen Folgen die gegenständlichen Maßnahmen bewirkten, kann daher dahingestellt bleiben.
3.3. Aufgrund der dargestellten jüngsten höchstgerichtlichen Judikatur ist dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen, es gebe keinen industrieökonomischen Erfahrungssatz, wonach vertikale Preisbindungen in aller Regel negative Marktauswirkungen hätten, sodass ein „Plus-Faktor“ erforderlich sei, der Boden entzogen; konkrete Auswirkungen in einem Referenzszenario können dahingestellt bleiben. Der Oberste Gerichtshof verwies ausdrücklich darauf, dass sich die Auffassung einzelner Autoren, Preisbindungen in Vertriebssystemen könnten Ausdruck einer effizienten Marktstruktur sein, nicht durchgesetzt hat. Rechtsprechung und Europäische Kommission haben bis in die jüngste Vergangenheit daran festgehalten, dass (vertikale) Preisbindungen in Vertriebssystemen schädlich sein können.
Auch dem Vorbringen zur vergleichbaren Problematik bei einem Kommissionsmodell, dem das Handelsvertreterprivileg Rechtmäßigkeit zuerkennt, sowie den Überlegungen zu § 2 NahVG sind die unmissverständlichen Ausführungen in der höchstgerichtlichen Entscheidung entgegenzuhalten.
Desweiteren bestand kein Anlass, der Anregung auf Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH (laut ON 14 S 27) zu folgen. Der Oberste Gerichtshof konnte sich in seiner Entscheidung auf die europäische Rechtslage berufen (vgl Zimmer in Immenga/Mestmäcker EU Wettbewerbsrecht5 Art 101 AEUV Rz 274 ff mwN).
3.4. Eine sachliche und räumliche Marktabgrenzung ist nicht erforderlich, da das Bestehen der Zwischenstaatlichkeit jedenfalls zu bejahen war (siehe 1.4.) und dies zur Folge hat, dass eine Bagatellregelung nicht zur Anwendung gelangt. Eine exakte Marktabgrenzung ist bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, wie sie hier vorliegt, nicht erforderlich. Ausgehend vom Bestehen einer Kernbeschränkung musste die Marktstellung der beteiligten Unternehmen auf den jeweiligen Märkten nicht näher untersucht werden. Inwieweit die Abnehmer untereinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, kann dahingestellt bleiben, zumal die Antragsgegnerinnen jedes der antragsgegenständlichen Einzelhandelsunternehmen mit den Produkten aus den genannten Produktbereichen beliefern, die Händler diese Produkte an Letztverbraucher vertreiben und die Preisabsprachen mit allen Händlern nach einem einheitlichen Gesamtplan mit demselben Ziel erfolgten.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens und weitere Beweisaufnahmen waren daher entbehrlich.
4. Zusammengefasst sind die von Rauch gesetzten Maßnahmen zur Erreichung und Sicherstellung eines einheitlichen Preisniveaus (von Rauch als „Preispflege“ bezeichnet) als wettbewerbswidrig iSd § 1 KartG und Art 101 AEUV zu qualifizieren.
Dass der Zweitantragsgegnerin als Muttergesellschaft das Verhalten der Erstantragsgegnerin zuzurechnen ist, ist unbestritten, die Passivlegitimation beider Antragsgegnerinnen daher zu bejahen (vgl auch dazu 16 Ok 2/15b ua).
5. § 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind; der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben; gleiches gilt zufolge Artikel 23 VO 1/2003 im Unionsrecht. Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
Nach den Feststellungen wurden die Kartellrechtsverstöße durch die für die Erstantragsgegnerin tätigen Vertriebsmitarbeiter gesetzt, die jedenfalls zumindest mit bedingtem Vorsatz dahin gehandelt haben, dass mit den Abnehmern eine Preisfestsetzung in der festgestellten Art und Weise erzielt werde. Einen Rechtsirrtum dieser Mitarbeiter haben die Antragsgegnerinnen nicht behauptet; ein solcher wäre auch ohne Bedeutung, weil eine Geldbuße schon dann zu verhängen ist, wenn sich das Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht in Unkenntnis befinden kann (16 Ok 2/11 mwN). Dass die Mitarbeiter gegen ihnen von Entscheidungsträgern erteilte Weisungen verstoßen hätten, behaupteten die Antragsgegnerinnen ebenfalls nicht. Das Vorliegen eines Verschuldens steht somit außer Frage.
6.1. Gemäß § 33 KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Damit differenziert § 33 KartG - im Gegensatz zur unionsrechtlichen VO 1/2003 - nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen (Petsche/Tautscher aaO § 33 Rz 6). Bei den Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Eine dauernde Zuwiderhandlung besteht aus einer andauernden, eine fortgesetzte aus mehreren Handlungen, die jede für sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Somit handelt es sich bei einer dauernden Zuwiderhandlung um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt demgegenüber immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Petsche/Tautscher aaO § 33 Rz 7 f mwN).
6.2. Nach den Feststellungen lag im vorliegenden Fall eine fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht vor, wurden doch Einzelverstöße gesetzt, die alle auf einem einheitlichen Gesamtplan und Gesamtsystem beruhten. Da lediglich Wettbewerbsverstöße der Antragsgegnerinnen zu prüfen sind, ist nur auf deren Verhalten und nicht auf die einzelnen Abnehmer und deren Teilnahme an den Absprachen abzustellen. Es ist daher eine fortgesetzte Zuwiderhandlung anzunehmen, auch wenn nach den Feststellungen mit einzelnen Abnehmern (nämlich Z*** und M***) Preisabsprachen nur außerhalb des fünfjährigen Verjährungszeitraums erfolgten. Für das vorliegende Gesamtverhalten hat eine einheitliche Verjährungsfrist zu gelten.
6.3. Da die Zuwiderhandlungen insgesamt weniger als fünf Jahre vor Einbringung des Geldbußenantrags beendet wurden, ist der Verjährungseinwand nicht berechtigt.
7.1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen sind Rechtfertigungsgründe im Sinne des Artikel 101 Abs 3 AEUV nicht gegeben:
Diese Bestimmung ordnet eine Einzelfreistellung an für Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen, die
- unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn
- zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen,
- ohne dass den beteiligten Unternehmen
a) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder
b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.
Die Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (Petsche/Tautscher aaO § 2 Rz 13 f mwN).
7.2. Betreffend die Voraussetzung der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts machen die Antragsgegnerinnen geltend, Marken seien ein wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs. Der Markeninhaber sei berechtigt, jedes angemessene Mittel zur Beeinträchtigung des Werts der Marke zu verhindern und die in der Marketinglehre anerkannten Maßnahmen zur Positionierung und Erhaltung einer Marke ergreifen.
Die Antragsgegnerinnen vermengen damit allerdings das Recht eines Markeninhabers, aus der Inhaberschaft entspringende Schutzrechte (etwa nach §§ 10ff MSchG) in Anspruch zu nehmen (was ihnen zweifellos zusteht), mit der Frage, ob von einer Marke per se eine Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung ausgeht. Die Verhinderung einer Verunglimpfung, Verwässerung der Marke und des Trittbrettfahrens (vgl EuGH C-323/09, Rz 75ff) dient grundsätzlich der Interessenwahrung des Markeninhabers. Dass allerdings Maßnahmen zur Hintanhaltung solcher Beeinträchtigungen der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung dienen und fortschrittsfördernd sind, ist damit nicht gesagt.
Ob eine Maßnahme Effizienzgewinne mit sich bringt, darf nicht vom subjektiven Standpunkt der Parteien beurteilt werden. Es können lediglich objektive Vorteile berücksichtigt werden (Petsche/Tautscher aaO § 2 Rz 22). Diese können grundsätzlich in Kosteneinsparungen und qualitative Effizienzgewinne unterteilt werden. Erstere können etwa durch die Entwicklung neuer Produktionstechniken und -verfahren, durch Synergieeffekte durch Zusammenlegung bestehender Vermögenswerte oder durch Skalenvorteile erzielt werden. Qualitative Effizienzgewinne sind etwa technische Fortentwicklungen, die Erzeugung höherwertiger Produkte, die schnellere oder kostengünstigere Markteinführung oder das bessere Abstellen auf Kundenbedürfnisse (aaO Rz 24 mwN).
Verbesserungen oder Vorteile in dieser oder vergleichbarer Qualität vermögen die Antragsgegnerinnen nicht darzustellen. Ausgegangen wird letztlich davon, dass allein die Stärkung der Marke Rauch (bzw die Verhinderung einer Beeinträchtigung) und der damit verbundene Werterhalt samt Absatzsteigerung von Rauchprodukten das Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Dem kann aber nicht beigepflichtet werden. Voraussetzung wären vielmehr konkrete positive Effekte für die Abnehmer, die mit einer solchen Stärkung der Marke verbunden sein sollen; etwa dass damit die Entwicklung von besonders hochwertigen Produkten (die zB besonders vitaminreich, schmackhaft oder frei von künstlichen Zusatzstoffen sind) einhergehen würde, Kosteneinsparungen erreicht werden könnten oder eine bessere Versorgung gewährleistet wäre.
Es besteht kein Hinweis dafür, dass derartige Vorteile hätten erreicht werden sollen. Aus dem ins Treffen geführten Sachverhalt können solche nicht abgeleitet werden. Diese erste Voraussetzung des Artikel 101 Abs 3 AEUV liegt demnach nicht vor, weshalb die Anwendung der Rechtfertigungsnorm ausscheidet.
7.3. Erwähnt sei, dass auch die weiteren Voraussetzungen nicht erkennbar sind. Die Ausführungen der Antragsgegnerinnen betreffend die angemessene Beteiligung der Verbraucher, dass Verbraucher im Prinzip von starken Marken profitieren würden, es zu einer Verbesserung der Warenvielfalt und Orientierung sowie einer Reduktion der Suchkosten komme, lassen letztlich nicht erkennen, inwieweit dabei eine Weitergabe der Vorteile zu verstehen ist, die die tatsächlichen oder voraussichtlichen negativen Auswirkungen mindestens ausgleicht, die den Verbrauchern durch die Wettbewerbsbeschränkung entstehen (vgl Petsche/Tautscher aaO § 2 Rz 19 f mwN).
8. Zur Höhe der Geldbuße:
8.1. Gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 1 KartG bzw gegen Artikel 101 AEUV eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Darunter ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmens zu verstehen, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist. Für die Bemessungsgrundlage sind demnach nicht nur die Umsätze des unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens zugrundezulegen, sondern auch jene der Unternehmen, an dem der unmittelbar beteiligte Unternehmer eine Beteiligung innehat. Aufgrund der Bestimmung über die Berechnung von Umsatzerlösen in § 22 KartG gelten Unternehmen, die im Sinne des § 7 KartG verbunden sind, als ein einziges Unternehmen, dessen Gesamtumsatz heranzuziehen ist (Petsche/Tautscher aaO § 29 Rz 30).
Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 Abs 1 KartG insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Ein Erschwerungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 2 KartG insbesondere, wenn
1. das Kartellgericht gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat oder
2. der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder einer solchen Rechtsverletzung führend beteiligt gewesen ist.
Ein Milderungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 3 KartG insbesondere, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung
1. an einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt war;
2. die Rechtsverletzung aus eigenem beendet hat oder
3. wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hat.
Der Geldbuße kommt nach dem Willen des Gesetzgebers Präventionsfunktion zu. Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen. Rine solche Wirkung kann nur erreicht werden, wenn die Höhe und Wahrscheinlichkeit der Strafe den zu erwartenden Kartellgewinn übersteigt. Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den - nicht taxativ aufgezählten - gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind (16 Ok 2/15b mwN).
8.2. Als Kernverstoß handelt es sich bei den gegenständlichen Preisabsprachen um schwere Kartellrechtsverstöße, die immerhin rund 8 1/2 Jahre lang andauerten.
Die Höhe der erzielten Bereicherung konnte nicht festgestellt werden.
Weiters ist, wie die Antragstellerin zutreffend darstellt, angesichts der bestehenden Nachfragemacht im LEH das Verschulden der einzelnen Abnehmer der Antragsgegnerinnen schwerer zu werten als jenes von Rauch, welcher als Lieferant zu den festgestellten Preisabsprachen gedrängt wurde.
Andererseits übernahm Rauch eine sehr aktive Rolle und wirkte aktiv und intervenierend auf die Abnehmer ein, pochte auf das Einhalten der Preisdisziplin und betonte, wie wichtig der Erhalt des Preisniveaus und die Markenpflege sei. Rauch hatte weiters als relativ bedeutendes Unternehmen mit starker Marke eine höhere Verhandlungsmacht als kleine Lieferanten. Insofern ist der Verschuldensgrad differenziert zu betrachten.
Die Ablehnung eines „Settlements“ durch die Antragsgegnerinnen kann keinen Erschwerungsgrund darstellen, Gegenteiliges wurde von der Antragstellerin auch nicht behauptet.
Als mildernd ist zu werten, dass die Maßnahmen überwiegend im Interesse des LEH gelegen sind und Rauch – ungeachtet der eigenen Interessen – einem gewissen Druck ausgesetzt war. Zu bedenken ist weiters, dass Rauch – wie die Antragstellerin zugesteht - bereits vor Einleitung der kartellbehördlichen Ermittlungen einzelne Handlungen angepasst hat.
8.3. Die Parteien führten den Grundsatz der Gleichbehandlung bzw der Verhältnismäßigkeit ins Treffen, weshalb auf die in der Vergangenheit gegen andere Lieferanten des Einzelhandels verhängten Geldstrafen Bedacht zu nehmen sei. Genannt wurden nachstehende Kartellrechtsverfahren (Seite 8ff des Protokolls ON 35): Über „Vöslauer“ mit einem Jahresumsatz von EUR xxx Mio wurde eine Geldbuße von EUR 650.000,--, über „Pago“, einem zum Heineken-Konzern gehörigen Konkurrenzunternehmen von Rauch, wurde eine Geldbuße von EUR 152.400,-- verhängt. Aus der Ediktsdatei ergibt sich weiters, dass über die „NÖM AG“ wegen Verstöße im Zeitraum 2007 bis März 2012 eine Geldbuße von EUR 583.200,--, das sind rund 2 % des Höchstbetrags, verhängt wurde (29 Kt 60/14). Über „Kärntner Milch“ wurde für vertikale Preisabsprachen im Zeitraum Jänner 2007 bis Februar 2011 eine Geldbuße von EUR 375.000,-- verhängt (27 Kt 142/13). Diese Geldbußen wurden jeweils im Zusammenhang mit einem Anerkenntnis des belangten Unternehmens (Settlement) ausgesprochen, wobei die Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 36 Abs 2 KartG eine Geldbuße in bestimmter Höhe beantragt hatte. Die Aussagekraft solcher Geldbußenentscheidungen bezeichnete der Oberste Gerichtshof zuletzt als gering (16 Ok 2/15b).
Im Kartellrechtsverfahren gegen „Spar“, in dem über eine von mehreren Produktgruppen abzusprechen war, setzte das Höchstgericht eine Geldbuße von EUR 30 Mio, was etwa 3,5 % der gesetzlichen Obergrenze entspricht, fest.
8.4. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und ausgehend von einem Konzernumsatz für das Jahr 2015 in Höhe von EUR 861 Mio erscheint eine Geldbuße von EUR 1,7 Mio, das entspricht rund 2 % der gesetzlich möglichen Obergrenze, als angemessen.“