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Berichtigte Fassung
Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 2/22d


Bekannt gemacht am:

02.09.2022

Letzte Änderung:

14.03.2023

Entscheidungsdatum:

13.05.2022


„Es wird gemäß § 28 Abs 1 iVm Abs 1a Z 1 KartG 2005 festgestellt, dass die Antragsgegnerin an einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG teilgenommen hat, indem sie in einem am 11.3.2019 abgeschlossenen und von 1.1.2019 bis 10.2.2020 gültigen Vertrag mit der R+S Group Regeltechnik und Schaltanlagenbau GmbH, Salzburger Straße 678, 5084 Großgmain, vereinbarte, den österreichischen Markt für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäude anhand der jeweiligen Projektadresse nach Bundesländern und anhand bestimmter Kunden untereinander aufzuteilen.
 
Begründung:
 
Außer Streit steht:
Die R+S Regeltechnik und Schaltanlagenbau GmbH Group (idF „R+S Group“), FN 33836i, ein 1993 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Großgmain, Salzburg, ist in der Errichtung und Wartung der Regelungstechnik für Belüftung und Heizung in Gebäuden sowie im Bereich der Anlagentechnik tätig.
Bis zu ihrem Verkauf an Gerhard Scharl im Oktober 2018 war die Antragsgegnerin, FN 192447k (vormals „R+S Systems GmbH“) eine Tochtergesellschaft der R+S Group.
Im Jahr 2008 hatte die R+S Group zwei Drittel der Anteile der Antragsgegnerin übernommen; das übrige Drittel wurde von Georg Menneweger gehalten. Dessen Anteile erwarb die R+S Group im August 2015. Im Zuge des Anteilserwerbs im Jahr 2008 verlegte das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen seinen Sitz nach Wien und erweiterte seinen ursprünglichen Geschäftsbereich über das Contracting – Geschäft hinaus um Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Seit 2014 befand sich der Unternehmenssitz in Brunn am Gebirge, im Jänner 2018 wurde die Zweigniederlassung der R+S Group in Leoben auf die Antragsgegnerin übertragen. Im Oktober 2018 erfolgte die Trennung dieser Tochtergesellschaft mitsamt der Zweigniederlassung Leoben von der R+S Group. Konkret übernahm Gerhard Scharl, der zu diesem Zeitpunkt die Geschäfte der Antragsgegnerin führte, alle Anteile an dieser von der R+S Group und übertrug seinerseits seine Anteile an der R+S Group an die verbleibenden Gesellschafter. Seit August 2020 hat die Antragsgegnerin auch eine Niederlassung in Salzburg.
 
Am 11.3.2019 schlossen die Antragsgegnerin und die „R+S Group“ einen mit 1.1.2019 rückwirkend in Kraft getretenen Vertrag, welcher verschiedene Aspekte der Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen nach deren Trennung voneinander regeln sollte. Es wurde eine Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme nach Bundesländern vereinbart. Konkret wurde im Vertrag festgehalten (wobei die Antragsgegnerin als „R+S Wien“ und die R+S Group als „R+S Salzburg“ bezeichnet wird (Beilage ./C):
„(…) Ziel ist es, weiterhin gemeinsam den österreichischen Markt zu pflegen und gegenüber anderen Mitbewerbern zu bearbeiten.
Der Vertrag ist gültig zwischen der R+S Salzburg, der R+S Wien sowie mit allen direkt verbundenen Unternehmen zu diesen beiden Firmen. Auch zu Unternehmen, zu welchen einer der beiden Gesellschafter (…) Gesellschaftsanteile hält oder sich im Angestelltenverhältnis bzw Werkvertragsbasis befindet, hat dieser Vertrag Gültigkeit. (…)
2.) Gebietsaufteilung
Österreich wird für die Bearbeitung der Projekte von R+S Wien und R+S Salzburg (Abteilung MSR für Gebäudetechnik) wie folgt aufgeteilt:
R+S Group Salzburg:
- Vorarlberg
- Tirol
- Salzburg
- Oberösterreich
R+S Group Wien
- Wien
- Niederösterreich
- Burgenland
- Steiermark
- Kärnten
Ausschlaggebend für die vor angeführte Gebietsaufteilung ist die jeweilige Projektadresse.
Die Betreuung der Planer und Kunden erfolgt nur im jeweiligen Bereich lt oben angeführter Gebietsaufteilung. Im Bedarfsfall wird zwischen R+S Salzburg und R+S Wien über die Betreuung eines speziellen Planers/Kunden aus dem jeweiligen anderen Gebiet geredet und vereinbart.
Projekte aus dem Gebiet von R+S Salzburg werden von R+S Salzburg ausgeschrieben, angeboten, bearbeitet und an den Kunden abgerechnet.
Projekte aus dem Gebiet von R+S Wien werden von R+S Wien ausgeschrieben, angeboten, bearbeitet und an den Kunden abgerechnet.
Wird ein Projekt aus dem Gebiet „R+S Salzburg“ von R+S Wien geplant und verkauft, so ist eine Verkaufsprovision von R+S Salzburg an R+S Wien in der Höhe von 7% des Netto Auftragswertes der Schlussrechnung zu bezahlen (und umgekehrt). 30 Tage nach der Auftragsvergabe wird eine Provision I von 3% der Auftragssumme fällig. 60 Tage nach Legung der Schlussrechnung wird eine Provision II, der Rest von insgesamt 7% der Schlussrechnungssumme fällig. (…) Befindet sich der Auftraggeber für ein Projekt im Gebiet von R+S Wien im Gebiet von R+S Salzburg, ist die Kontaktaufnahme für die Angebotslegung mit R+S Salzburg abzustimmen.
Gleiches Prozedere gilt in umgekehrter Reihenfolge, wenn R+S Wien mit einem Planer aus dem Gebiet von R+S Wien für ein Projekt im Gebiet von R+S Salzburg eine Ausschreibung erstellt.
Projekte im Ausland sind von dieser Regelung nicht betroffen.
Sonstige Ausnahmen:
- Projekte und Anlagen, welche nicht in den Bereich „MSR für HKLS Gebäudetechnik“ fallen
- Systeme, Projekte und Anlagen, welche aus dem Vertrieb oder Verkauf eines Solution Partners (z.B. …) entstehen, außerhalb des Bereichs „Anlagenbau MSR und HKLS Gebäudetechnik“
- Anlagen und Projekte, welche vor in Kraft treten dieses Vertrages bestanden hatten, und bereits durch den jeweiligen Partner betreut und bearbeitet werden (z.B: …)
A) Ing. B*** (…)
Die Projekte von Ing. B*** werden von Gerhard Scharl bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Salzburg wird R+S Salzburg hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Eine Provision wir hier nicht fällig.
B) E*** (…)
Die Projekte im Gebiet von R+S Salzburg werden von R+S Salzburg bearbeitet. Die Projekte im Gebiet von R+S Wien werden von R+S Wien bearbeitet. Eine Provision wird hier nicht fällig.
C) C*** (…)
Die Projekte von C*** werden von R+S Salzburg bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Wien wird R+S Wien hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Ein Provision wird hier nicht fällig.
D) Fa. W*** (…)
Die Projekte von W*** werden von R+S Wien bearbeitet. Im Falle eines Auftraggebers/Projektes im Gebiet von R+S Salzburg wird R+S Salzburg hiervon im Zuge der Angebotslegung verständigt. Eine Provision wird hier nicht fällig.
E) Fa. L*** (…)
Die Projekte von L*** Österreich werden von R+S Salzburg und R+S Wien mit der vereinbarten Gebietsaufteilung bearbeitet. Wünscht sich der Kunde L*** , die Bearbeitung von Projekten und Dienstleistungen entgegen der Gebietsaufteilung, wird dies Gemeinsam besprochen und vereinbart.
Definition „bearbeitet“: Ausschreibung, Angebot, Lieferung und zugehörige Abrechnung des Projekts an den Kunden
Weitere Ausnahmen können jederzeit in schriftlicher Form vereinbart werden.
Verstößt eine Partei gegen diesen Punkt 2, ist eine Strafe in der Höhe des 0,5-fachen Auftragswertes Netto excl. Mwst. pro Verletzung von der den Punkt verletzenden Firma an die andere Firma aus diesem Vertrag innerhalb von 4 Wochen, nach der ersten Aufforderung, zu zahlen (Beispiel: […]). Die maximale Höhe pro Verstoß beträgt EUR 50.000,- Netto.“
Tatsächlich wurden in der Folge einige potentielle Kunden mit Sitz im Verkaufsgebiet des jeweils anderen Unternehmen wie im Vertrag vom 11.3.2019 vereinbart an das andere Unternehmen verwiesen. Die Antragsgegnerin teilte diesen Sachverhalt unter gleichzeitiger Vorlage von Informationen und Beweismittel am 29.1.2020 der Antragstellerin mit und beantragte ein Vorgehen nach § 11b Abs 1 oder 2 WettbG, woraufhin die Antragstellerin Ermittlungen im Bereich der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme durchführte. Nach Mitteilung der Ermittlungsergebnisse bekräftigte die Antragsgegnerin mit ihrer Eingabe vom 14.1.2021 ihren Willen zur Kooperation und beantwortete zügig und kontinuierlich Anfragen, legte eine eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers vor, der auch als Beteiligter vernommen wurde.
 
Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag die Beteiligung der Antragsgegnerin an der Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG gemäß § 28 Abs 1 iVm 1 a Z 1 KartG festzustellen.
Unter Darstellung des außer Streit stehenden Sachverhalts brachte sie vor, dass es mit dem am 11.3.2019 zwischen der Antragsgegnerin und der R+S Group abgeschlossenen Vertrag zu einer kartellrechtswidrigen Vereinbarung über die Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäudetechniksysteme nach Bundesländern sowie nach bestimmten Kunden gekommen sei, welche durch das Verweisen potentieller Kunden mit Sitz im Verkaufsgebiet des jeweils anderen Unternehmens an dieses auch umgesetzt worden sei.
Vom Kartellverbot des § 1 Abs 1 KartG seien Vereinbarungen, Beschlüsse sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen erfasst, wobei der Begriff „Vereinbarung“ weit ausgelegt werde und grundsätzlich jede Willensübereinstimmung zwischen Unternehmen über ihr Auftreten am Markt umfasse. Bei der vorliegenden Vereinbarung habe es sich um eine kartellrechtswidrige Absprache über die Aufteilung des österreichischen Marktes sowie von Kunden gehandelt. Aufgrund der Eindeutigkeit des Vertragsinhalts würden sich weitere Erwägungen erübrigen.
Die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung oder die Aufteilung der Märkte oder Bezugsquellen seien nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 KartG bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen; hier stehe die Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Vordergrund. Auf weitere Umsetzungshandlungen und Marktauswirkungen komme es dabei nicht mehr an. Vorliegend sei die Marktaufteilung bezweckt gewesen.
Die Antragsgegnerin habe bei der Antragstellerin ein Vorgehen nach § 11b Abs 1 oder 2 WettbG beantragt und in weiterer Folge durchgehend und umfassend kooperiert. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Erklärung der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin nicht über ausreichende Informationen und Beweismittel verfügt, um einen Antrag zur Anordnung einer Hausdurchsuchung hinreichend zu begründen. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Informationen und Beweismittel würden die Kriterien des § 11b Abs 1 Z 3 lit a WettbG erfüllen. Da die Antragsgegnerin ihre Mitwirkung an der Zuwiderhandlung eingestellt habe, in der Folge wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der Antragstellerin zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes zusammengearbeitet und sämtliche Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung, die sich in ihrem Besitz befunden hätten, vorgelegt habe und andere Unternehmen nicht zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen habe, seien sämtliche Voraussetzungen für ein Absehen von der Beantragung der Verhängung einer Geldbuße gemäß § 11b Abs 1 WettbG erfüllt und werde daher (nur) der Antrag auf Feststellung gemäß § 28 Abs 1 iVm Abs 1a Z 1 KartG gestellt.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich in der Verhandlung am 13.05.2022 dem Vorbringen und Antrag der Antragsstellerin an.
Die Antragsgegnerin stellte das Vorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit.
 
Beweiswürdigung:
Da gegen die Richtigkeit der außer Streit gestellten Tatsachen, die auch mit den vorgelegten Urkunden im Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren gemäß § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
 
In rechtlicher Hinsicht folgt:
1. Die Antragsgegnerin vereinbarte mit der „R+S Group“ im Vertrag vom 11.3.2019 eine Aufteilung des von den Unternehmen bearbeiteten Marktes nach Bundesländern sowie nach einzelnen Kunden. In bestimmten Fällen (Planung und Verkauf eines Projektes aus einem Gebiet durch das das andere Gebiet bearbeitende Unternehmen) wurde die Zahlung einer konkret festgesetzten Verkaufsprovision vereinbart, bei Verstößen gegen die vereinbarte Aufteilung war eine Strafzahlung in bestimmter Höhe vorgesehen.
2. Der Vertrag erfüllt völlig unzweifelhaft die Qualifikation einer „Vereinbarung zwischen Unternehmen“ iSd § 1  Abs 1 KartG (vgl Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 1 Rz 17 mwN). Eine Umsetzung der Vereinbarung erfolgte insofern, als einige potentielle Kunden an das entsprechend des Vertrags „zuständige“ Unternehmen verwiesen wurden.
3. Demnach war das außer Streit stehende Verhalten der Antragsgegnerin auf eine Aufteilung des österreichischen Marktes für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäude gerichtet, welche iSd § 1 Abs 2 Z 3 KartG verboten ist. Es handelt sich bei dieser Marktaufteilungsabsprache um eine Kernbeschränkung des Wettbewerbs, die grundsätzlich als bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs anzusehen ist (RS0120917). Hier steht die Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Vordergrund (Lager/Petsche aaO Rz 70 f). Die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung brauchen daher nicht berücksichtigt zu werden, zumal diese Form der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden kann (vgl Lager/Petsche aaO Rz 62 f).
4. Die vorliegende Verhaltensweise stellt somit eine verpönte Marktaufteilungsabsprache dar und es liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor.
5. Die Antragstellerin beantragte aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 11b Abs 1 WettbG lediglich die Feststellung der Teilnahme an einer Zuwiderhandlung gemäß § 28 Abs 1 iVm Abs 1a Z 1 KartG.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“


Bekannt gemacht am 02.09.2022

Änderung

Schlagworte von Mess-, Steuerungs- und Reglungstechnik für Gebäude, Marktaufteilung auf Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik für Gebäude, Marktaufteilung geändert.


Bekannt gemacht am 14.03.2023

Änderung

Entscheidungskategorie von M auf K geändert.


Ausdruck vom: 27.04.2024 17:20:49 MESZ