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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 4/24m


Bekannt gemacht am:

13.05.2025

Entscheidungsdatum:

06.11.2024


 „Über die Pichler Bau GmbH, Pichlerstraße 6, 8431 Gralla, FN 372344s, wird wegen ihrer im Zeitraum von zumindest Juni 2013 bis Juli 2016 in der Steiermark erfolgten Teilnahme an einer in Österreich im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis Oktober 2017 erfolgten, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 1 AEUV, in Form von kartellrechtswidrigen Preisabsprachen und/oder Preis-abstimmungen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Tiefbau gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG eine Geldbuße in Höhe von EUR 110.000,-- verhängt.
 
Begründung:
 
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und dKartG in Höhe von EUR 110.000,-- über die Antragsgegnerin.
Zusammengefasst brachte die BWB vor, die Antragsgegnerin hätte sich im Zeitraum von Juni 2013 bis Juli 2016 an einer einheitlichen und fortgesetzten kartellrechtswidrigen Gesamtzuwiderhandlung sowie aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Bauvorhaben (BVH) im Tiefbau beteiligt.
Der von der Gesamtzuwiderhandlung betroffene Wirtschaftszweig sei jener der Bauwirtschaft. Durch die Gesamtzuwiderhandlung hätten die beteiligten Unternehmen jahrelang und systematisch den Wettbewerb in der Bauwirtschaft ausgeschaltet bzw. in einem erheblichen Ausmaß reduziert.
Die Gesamtzuwiderhandlung habe kartellrechtswidrige Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Mitbewerbern in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Hoch- und Tiefbau in Österreich im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis Oktober 2017 umfasst.
Die Antragsgegnerin selbst hätte dabei an der Gesamtzuwiderhandlung im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit und regionalen Tätigkeitsschwerpunkte in unterschiedlichem Ausmaß im Zeitraum von Juni 2013 bis Juli 2016 unmittelbar teilgenommen und somit zur Verwirklichung der Gesamtzuwiderhandlung beigetragen.
Die konkrete, unmittelbare Teilnahme der Antragsgegnerin an der Gesamtzuwiderhandlung betraf dabei BVH in der Steiermark.
Aufgrund des Ausmaßes der unmittelbaren Teilnahme an der Gesamtzuwiderhandlung durch die Antragsgegnerin, die sich von jener der Hauptbeteiligten in einer Gesamtschau ua auch aufgrund der geringeren Intensität sowie der eingeschränkteren räumlichen Ausprägung unterscheidet, sei die Antragsgegnerin als Nebenbeteiligte zu betrachten.
Die Mechanismen der Gesamtzuwiderhandlung seien vielschichtig gewesen. Diese hätten Preisabsprachen, die Legung von Deckangeboten, die Aufteilung der Märkte durch Vereinbarung eines fixen Schlüssels für den Erhalt von Bauaufträgen, der dadurch erreicht worden sei, dass Mitbewerber bei Ausschreibungen zugunsten des begünstigen Bauunternehmens zurückgestanden seien sowie die Bildung kartellrechtwidriger ARGEs umfasst.
In einem kontinuierlichen System kartellrechtswidriger bi- und multilateraler Kontakte hätten sich die beteiligten Unternehmen gegenseitig rechtswidrig zur Erteilung von Aufträgen verholfen, ohne befürchten zu müssen, von einem günstigeren Angebot unterboten zu werden.
Dies habe dem gemeinsamen Ziel gedient, den Wettbewerb bei Ausschreibungen zu minimieren oder auszuschließen, um sich so unter anderem Marktanteile bzw eine kontinuierliche Auslastung zu sichern.
Die Absprachen der Mitbewerber hätten das zentrale Ziel von Ausschreibungen vereitelt, nämlich die Möglichkeit für den Auftraggeber, eine unabhängige und unbeeinflusste Wahl zu haben.
Um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und so unter anderem Marktanteile zu sichern, habe die Antragsgegnerin mit Bauunternehmen, die mit ihr im Wettbewerb seien, ihre Preise und ihr Verhalten bei Angebotsabgaben abgestimmt. So sei rangierend auf die Abgabe wettbewerbsfähiger Angebote verzichtet worden (sogenanntes „Zurückstehen“), indem entweder kein Angebot, oder ein bewusst überhöhtes Angebot (sog. Deckangebot oder auch kartellintern als „Fahne“ bezeichnet) gelegt worden sei. Die kartellrechtswidrigen Handlungen hätten auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit basiert, wonach der Zurückstehende bei späteren Aufträgen selbst durch entsprechendes Verhalten der anderen beteiligten Bauunternehmen zum Auftrag gelangt sei und so insgesamt alle beteiligten Bauunternehmen von dem mangelnden Wettbewerb der Reihe nach profitiert hätten.
Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit sei zum Teil durch die Vereinbarung von Ausgleichszahlungen oder anderen Ausgleichsleistungen für die „Zurückstehenden“ zusätzlich verstärkt worden. Teilweise sei auch eine Aufteilung der BVH auf der Grundlage von Quoten (sog fixer Schlüssel) erfolgt, die den historischen Marktanteilen der jeweiligen beteiligten Unternehmen entsprochen haben.
Als kartellstabilisierende Maßnahmen seien ein Punktesystem und Ausgleichsleistungen eingeführt worden. Im Punktesystem sei jedes Bauvorhaben bewertet worden und die gesammelten Punkte zwischen den Mitbewerbern saldiert worden. Anhand dieser Punkte seien dann die weiteren Aufträge verteilt worden oder allenfalls Differenzen monetär ausgeglichen worden, und zwar durch Ausgleichszahlungen, Subaufträge (zB im Sinne einer Beteiligung am BVH), Bildung einer ARGE, oder durch Lieferung oder Abnahme von Leistungen unter bevorzugten Konditionen (darunter Asphaltmischgut, sonstiges Material, Personal und Geräte).
Im Rahmen der wettbewerbswidrigen Aufteilung des Marktes durch die Antragsgegnerin und ihrer Mitbewerbern sei auch das Instrument der ARGE genutzt worden. So seien ARGEs gegründet worden, die nicht als wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig einzustufen gewesen seien, um an der jeweiligen Ausschreibung teilnehmen zu können.
Solche ARGEs seien als Schnittstelle für die Festsetzung eines gemeinsamen Angebotspreises und zur Aufteilung des Auftrages genutzt worden. Darüber hinaus sei es zur Beteiligung von Bauunternehmen an einer ARGE als sog stille ARGE-Partner gekommen. Bei dieser Konstellation seien nicht alle Partner als solche nach außen und gegenüber dem Auftraggeber in Erscheinung getreten, seien aber im Innenverhältnis Beteiligte der ARGE gewesen. Diese habe insbesondere dazu gedient, die Vorgaben des Auftraggebers in Bezug auf die Höchstzahl der zugelassenen ARGE-Partner zu umgehen.
Auf diese Weise sei über Jahre im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis Oktober 2017 ein österreichweites Kollusionssystem gewachsen, das dazu geführt habe, dass sich die beteiligten Bauunternehmen über das jeweilige Anbots- und Marktverhalten abstimmen und informieren haben können.
Zur Ausmittlung der beantragten Geldbuße brachte die BWB vor, dass als Ausgangspunkt dafür der von der Antragsgegnerin erzielte Umsatz im Straßenbau im Jahr 2015 herangezogen worden sei, somit EUR 2,38 Mio. Ausgehend von der (nur) regionalen und der kürzeren zeitlichen Ausprägung von 2013 bis 2016sowie dem Umfang der persönlichen Involvierung auf Unternehmensebene sei ein Betrag von EUR138.000,--ermittelt worden sei. Davon sei ein Abschlag für die einvernehmliche Verfahrensbeendigung und die Abgabe des Anerkenntnisses gewährt worden. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei eine Geldbuße von EUR 110.000,-- Mio angemessen, sodass die Verhängung in dieser Höhe beantragt werde.
In rechtlicher Hinsicht seien die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen in ihrer Summe als einheitliche und fortgesetzte Gesamtzuwiderhandlung zu qualifizieren, die die Einschränkung des Wettbewerbs iS des § 1 KartG und 101 Abs 1 AEUV bezweckten.
Die Zwischenstaatlichkeit sei zu bejahen, da sich die Gesamtzuwiderhandlung auf das gesamte österreichische Bundesgebiet erstreckt habe und betroffene Projekte regelmäßig EU-weit bekannt gemacht und ausgeschrieben worden seien. Damit sei neben innerstaatlichem Recht auch Unionsrecht anzuwenden.
Die getroffenen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen seien als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu qualifizieren, da im Rahmen eines Gesamtplans eine Vielzahl rechtswidriger aufeinanderfolgender Verhaltensweisen gesetzt worden seien und die beteiligten Unternehmen ein gemeinsames kartellrechtswidriges Ziel verfolgt haben, nämlich durch bi- und multilaterale Kontakte das Risiko des Wettbewerbs zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zu Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und sich so Marktanteile zu sichern.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag und dem Vorbringen der Antragstellerin an.
Die Antragsgegnerin stellte das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit. Sie akzeptierte die von der Antragstellerin beantragte Geldbußen als angemessen.
Feststellungen:
Auf Grund der Urkunden Beilagen ./A - ./E2 sowie Beilagen und der Außerstreitstellungen steht folgender Sachverhalt fest:
1. Die Antragsgegnerin
Die Antragsgegnerin mit Sitz in Pichlerstraße 6, 8431 Gralla ist insbesondere in den Bereichen Straßen-, Kanal-, Leitungs- und Brückenbau sowie im Hochbau (Errichtung von Bürogebäuden, funktionellen Gewerbe- und Industrieprojekten, Privathäusern sowie der Sanierung und Revitalisierung von Bestandsobjekten) aktiv. Die Antragsgegnerin wird zu 90% von der Pichler Beteiligungs GmbH sowie zu 10% von Dipl.-Ing. Andreas Bandion gehalten. Ihrerseits hält die Antragsgegnerin 90% der Anteile an der Baumir – Haus Ges.m.b.H. sowie 85% der Anteile an der Gralla Wohnen Projekt- u. Bauträger GmbH.
 
2. Umsätze:
Das Geschäftsjahr der Antragsgegnerin ist deckungsgleich mit dem Kalenderjahr, dh es läuft jeweils vom 1.1. bis 31.12. eines Jahres.
Im Geschäftsjahr 2023 beliefen sich die Umsatzerlöse der Antragsgegnerin auf ca EUR 20 Mio.
3. Ermittlungsverfahren
Im Frühjahr 2017 führte die BWB aufgrund von vom Kartellgericht erlassenen Hausdurchsuchungsbefehlen Hausdurchsuchungen bei Unternehmen der Bauwirtschaft gemäß § 12 Abs 1 WettbG durch. Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft („WKStA“) führte parallel strafrechtliche Ermittlungen im Bereich der Bauwirtschaft.
Am 04.04.2019 ergingen österreichweit Auskunftsverlangen nach § 11a Abs 1 WettbG an die an der Gesamtzuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, mit denen im Rahmen der laufenden Ermittlungen zum Verdacht kartellrechtswidriger Absprachen bei Ausschreibungen in Bezug auf BVH Informationen zu den Wirtschaftszweigen Asphaltmischgut und Straßenbau abgefragt wurden (BWB/K-587).
Die Mitteilungen der Beschwerdepunkte gem § 13 Abs 2 WettbG betreffend die Hauptbeteiligten der Gesamtzuwiderhandlung wurden von der BWB im Zeitraum von 10.12.2019 bis 24.02.2023 an die jeweiligen Unternehmen versendet. Gegenüber jenen Unternehmen, die im Unterschied dazu, wie auch die Antragsgegnerin als Nebenbeteiligte der Gesamtzuwiderhandlung zu betrachten sind, wurden ab dem 24.02.2023 die jeweiligen Mitteilungen nach § 13 Abs 2 WettbG übermittelt, der Antragsgegnerin konkret am 7.12.2023.
Am 14.5.2024 gab die Antragsgegnerin gegenüber der BWB ein Anerkenntnis ab, in dem sie den von der BWB vorgebrachten Sachverhalt außer Streit stellte und die in Aussicht gestellte Geldbuße akzeptierteund die rechtliche Qualifikation als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen § 1 Kartg und Art 101 AEUVanerkannte.
4. Betroffener Wirtschaftszweig:
Die Gesamtzuwiderhandlung betraf den Wirtschaftszweig der Bauwirtschaft und zwar sowohl den Hoch- als auch den Tiefbau. Dieser Wirtschaftszweig umfasst die Planungs- und Ausführungsleistungen an Bauwerken. Bauwerke sind Objekte, deren fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und die mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sind. Dazu zählen etwa oberirdische Strukturen wie Gebäude, Wohnbauten, Gesundheitsbauten, Schulbauten oder Verwaltungsbauten. Darüber hinaus werden auch Verkehrsbauwerke wie Gehwege, Fußgängertunnel, Straßenbauwerke oder Bauwerke für den Schienenverkehr unter den Begriff Bauwerke subsumiert.
Der Hochbau ist jener Sektor der Bauwirtschaft, der sich mit der Planung und Errichtung von Bauwerken befasst, die mehrheitlich oberhalb der Geländelinie liegen. Im Hochbau werden grundsätzlich folgende Kategorien an Bauwerken unterschieden:
Wohnungsbau, Verwaltungsbau, Gebäude für das Gesundheitswesen, Gebäude für Lehre und Forschung, Stadthallen, Bürgerzentren, Museen, Theater, Sportstätten, Freizeitanlagen, Einkaufszentren, Kaufhäuser und Industrie- und Produktionsgebäude.
Damit fallen Wohngebäude, aber auch Büro- und große Industriegebäude sowie Wasserversorgungs-, Kanal- und Entwässerungsanlagen in den Bereich Hochbau. Keller und in den Boden eingelassene Fundamente gehören grundsätzlich nicht mehr zum Hochbau.
Der Tiefbau umfasst jene Bauwerke, die auf oder unter der Geländelinie errichtet werden.
Damit sind nicht nur Fundamente vom Tiefbau erfasst, sondern auch der Straßen-, der Eisenbahn-, Stollen- und Tunnelbau sowie der Erdbau, bei dem Boden abgetragen, bewegt und am Ende wieder verdichtet wird. Auch die Errichtung von Versorgungs- und Entsorgungsnetzen, wie Kanalisationen und Staudämme, ist dem Tiefbau zuzurechnen. Brücken werden auch dem Verkehrswegebau zugerechnet. Zum Tiefbau zählen grundsätzlich folgende Kategorien an Bauwerken: Grundbau bzw Fundamente, Verkehrswegebau, Kanalbau, Erdbau, Brückenbau, Tunnelbau, Wasserbau, Spezialtiefbau und Siedlungswasserwirtschaft.
Der Straßenbau als Teilbereich des Tiefbaus umfasst die Planung, die Herstellung und die Erhaltung von Straßen und Wegen für den Fuß- und Fahrzeugverkehr. Gegenstand des Straßenbaus sind Autobahnen und Schnellstraßen, Gemeinde- und Landesstraßen sowie Fußgänger- und Radwege. Da Österreich insbesondere über ein vergleichsweise dichtes Autobahn- und Schnellstraßennetz verfügt, nimmt der Straßenbau einen besonderen Stellenwert in der Bauwirtschaft ein.
Die unmittelbare Teilnahme der Antragsstellerin an der Gesamtzuwiderhandlung betraf den Tiefbau.
5. Kartellrechtswidrige Gesamtzuwiderhandlung:
Im Rahmen des Kartells wurden zwischen den beteiligten Bauunternehmen Absprachen getroffen mit dem Zweck, den Wettbewerb zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und so Marktanteile zu sichern. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, stimmten die Wettbewerber ihre Preise und ihr Verhalten bei Angebotsabgaben ab. So verzichteten die beteiligten Unternehmen bewusst auf die Abgabe wettbewerbsfähiger Angebote, indem sie entweder kein Angebot (sog „Zurückstehen“), oder ein bewusst überhöhtes Angebot (sog „Deckangebotoder „Fahne“) abgaben.
Die kartellrechtswidrigen Handlungen basierten dabei auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit in der Erwartung, dass der Zurückstehende bei späteren Aufträgen selbst durch entsprechendes Verhalten der anderen beteiligten Bauunternehmen zum Auftrag gelangt und so insgesamt alle beteiligten Bauunternehmen von dem mangelnden Wettbewerb profitieren.
Die kartellrechtswidrigen Handlungen wurden innerhalb eines Unternehmens von Vorgängern an nachfolgende Mitarbeiter weitergegeben („vererbt“), bei Arbeitsplatzwechsel von einem Unternehmen zum nächsten mitgenommen.
So entstand ein nahezu österreichweites, gewachsenes, allgemein etabliertes Kollusionssystem, mit dem sich die beteiligten Unternehmen über das jeweilige Angebots-und Marktverhalten abstimmten bzw informierten, um in weiterer Folge das eigene Marktverhalten bei den betroffenen Ausschreibungen daran anzupassen.
Dieses Kollusionssystem ist als ein einheitliches Gesamtsystem zu betrachten. Auf diesem Wege haben die beteiligten Unternehmen bezweckt, sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen, ohne oder zumindest nur in einem geringeren Ausmaß befürchten zu müssen von einem günstigeren Angebot unterboten zu werden.
Damit wurde über weite Strecken der Wettbewerb zwischen den beteiligten Bauunternehmen von vornherein ausgeschaltet und der Zweck von Ausschreibungen unterwandert.
Den einzelnen wettbewerbsbehindernden Handlungen liegt ein Gesamtsystem zugrunde mit dem dahinterstehenden Gesamtplan der beteiligten Unternehmen, den Wettbewerb im Baubereich insgesamt zu minimieren oder auszuschließen, weshalb eine detailliert entwickelte Strategie, sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen, angewendet wurde, um so den Markt untereinander aufzuteilen.
Die von der Antragsgegnerin gesetzten unmittelbaren Handlungen im Rahmen der einheitlichen fortgesetzten Gesamtzuwiderhandlung bezogen sich regional (nur) auf die Steiermarkim Zeitraum Juni 2013 bis Juli 2016.
6. Kommunikationsmuster:
Die Umsetzungshandlungen und -modi wurden an die regionalen Gegebenheiten und die betroffene Bausparte angepasst. Die Absprachen erfolgten im Rahmen insbesondere bi- und multilaterale Kontakte, in Form von regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden, persönlichen Treffen, Kontaktaufnahmen per Telefon, E-Mail oder Fax.
6.1. Multilaterale Kontakte
Es wurden Gesprächsrunden, abhängig vom Zeitpunkt der Ausschreibungen, je nach Bedarf ein- oder mehrmals im Jahr unter den Mitbewerbern organisiert. Diese fanden zumeist in einer der Niederlassungen der an den Absprachen beteiligten Bauunternehmen statt. Im Rahmen dieser Gesprächsrunden wurde sowohl das Bauunternehmen, das den Auftrag für ein bestimmtes BVH erhalten sollte, als auch dessen Abgabepreis festgelegt. Zudem wurde vereinbart, dass die zurückstehenden Mitbewerber ein Angebot abgeben, das über dem gemeinsam festgelegten Abgabepreis des designierten Auftragsempfängers liegt.
Teilweise wurden auch die Abgabepreise der zurückstehenden Mitbewerber vom designierten Auftragsempfänger vorgegeben (sog. Preisvorgabe) (Beilage ./B, ./C, ./J, ./K, ./M, ./P,./Q).
6.2. Bilaterale Kontakte
Bilaterale Gespräche zu wettbewerbssensiblen Themen wurden ergänzend zu den oben genannten größeren Gesprächsrunden, aber auch unabhängig davon geführt. Bilaterale persönliche Treffen fanden in Räumlichkeiten der Niederlassungen der an der Gesamtzuwiderhandlung beteiligten Bauunternehmen oder außerhalb dieser (zB auf Autobahnraststationen, Tankstellen, in Lokalen oder auf Baustellen) statt.
Die kartellrechtswidrigen bilateralen Kontakte wurden ua dazu genutzt, sich bei Mitbewerbern über die Interessenslage hinsichtlich bestimmter BVH zu informieren, konkrete Vorgehensweisen zu vereinbaren oder sich über zukünftiges Verhalten bei der Angebotsabgabe auszutauschen.
Zu kartellrechtswidrigen bilateralen Kontakten kam es auch oft im Rahmen von notwendigen Kontakten bei laufenden ARGEs oder sonstigen Kooperationen wie zB Asphaltmischwerken, aber auch am Rande von Veranstaltungen der Bauwirtschaft (zB Veranstaltungen der GESTRATA-Gesellschaft zur Pflege der Straßenbautechnik mit Asphalt) (Beilagen ./M, ./R, ./S, ./T, ./U, ./V).
7. Umsetzungshandlungsmuster und -modi
7.1. Preisabsprachen bei Ausschreibungen samt Deckangeboten
Im Rahmen der Gesamtzuwiderhandlung wurden die in Ausschreibungen abzugebenden Preise vereinbart oder abgestimmt bzw es wurde besprochen, wenn ein Mitbewerber überhaupt kein Angebot legen soll.
Häufig kalkulierte jener Mitbewerber, welcher den Zuschlag erhalten sollte, den Angebotspreis für die zurückstehenden Mitbewerber und übermittelte diesen höhere Leistungsverzeichnisse bzw vorausgefüllte Angebotsunterlagen („Deckangebote“), um den zeitlichen und finanziellen Aufwand der Mitbewerber bei der Angebotslegung zu reduzieren.
Die zurückstehenden Mitbewerber gaben sodann diese Deckangebote zum Schein als von ihnen eigens kalkulierte Angebote (sog. Fahne) ab. Diese Umsetzungshandlung zielte dabei insb darauf ab, die Auftragserteilung an einen zuvor bestimmten Mitbewerber so weit wie möglich zu gewährleisten und so das Risiko des Wettbewerbs zu minimieren oder auszuschließen (Beilagen ./H, ./T,. /U, ./V).
7.2. Marktaufteilung
Im Rahmen der Gesamtzuwiderhandlung wurden auch Aufteilungen von Märkten besprochenund es erfolgte eine Aufteilung der BVH auf der Grundlage von Quoten (sog fixer Schlüssel), die häufig den historischen Marktanteilen der beteiligten Unternehmen entsprachen. So herrschte in manchen Regionen Einigkeit darüber, welches Bauunternehmen für Ausschreibungen in welchem Gebiet zuständig war. Die anderen Bauunternehmen standen bei diesen Ausschreibungen zurück(Beilagen ./B, ./F, ./G, ./G, ./I, ./J,./K).
7.3. Kartellrechtswidrige ARGEs:
Teilweise wurden Arbeitsgemeinschaften als Deckmantel für kartellrechtswidrige Handlungen genutzt. So wurden ARGEs gegründet, die für die Bauunternehmen objektiv nicht notwendig waren, um an der jeweiligen Ausschreibung teilnehmen zu können und als Schnittstelle für die Festsetzung eines gemeinsamen Angebotspreises und die Aufteilung des Auftrags zu dienen. Es kam auch vor, dass sich einzelne Bauunternehmen an einer derartigen ARGE als stille Partner beteiligten. In diesem Fall traten nicht alle ARGE-Partner als solche nach außen und gegenüber dem Auftraggeber in Erscheinung, waren aber im Innenverhältnis Beteiligte der ARGE. Dies diente insbesondere dazu, die Vorgaben des Auftraggebers in Bezug auf die Höchstzahl der zugelassenen ARGE-Partner zu umgehen. (Beilagen ./F, ./M, ./N, ./O).
7.4. Kontakte im Rahmen der Zusammenarbeit in Asphaltmischwerken
Wesentlich bei der Umsetzung der Gesamtzuwiderhandlung waren auch Kontakte zwischen Wettbewerbern im Rahmen der Zusammenarbeit in Asphaltmischwerken, die aufgrund ihrer Zulieferfunktion eine zentrale Rolle im Straßenbau spielen.
Kartellrechtswidrige Handlungen, die den Straßenbau betrafen, erfolgten häufig auch im Rahmen der Zusammenarbeit von Mitbewerbern in Asphaltmischwerken, die oft als Gemeinschaftsanlagen geführt werden. In der Regel trafen die an den wettbewerbsbeschränkenden Handlungen beteiligten Unternehmen entsprechend des in Prozent festgelegten Marktanteils am Mischgutverbrauch (angegeben in Mischguttonnen) eine Einigung darüber, welcher Mitbewerber für welche BVH die Auftragserteilung erhalten sollte (Beilagen ./E, ./M, ./N).
8. Instrumente zur Aufteilung von Bauaufträgen
8.1. Bieterrotation und „Schutzmechanismen“:
Ein Instrument zur Aufteilung von Bauaufträgen war die Organisation mittels Bieterrotation. Dabei kamen die beteiligten Unternehmen überein, dass sie hinsichtlich bestimmter Bauvorhaben wechselseitig zum Zug kommen und sich dabei gegenseitig durch die Abgabe höherer Deckangebote oder den gänzlichen Verzicht auf eine Angebotslegung unterstützen (Prinzip der Gegenseitigkeit). Bieterrotationen kamen dabei auch im Sinne eines von den beteiligten Unternehmen so bezeichneten „Kampfschutzes“ oder „Vollschutzes“ zur Anwendung.
Im Fall eines sogenannten „Vollschutzes“ wurden alle für eine Ausschreibung relevanten Mitbewerber in die Kartellabsprache eingebunden.
Im Fall eines sogenannten „Kampfschutzes“ wurde nur ein Teil der für eine Ausschreibung relevanten Mitbewerber (in der Regel vier oder fünf) in die Kartellabsprache eingebunden. (Beilagen ./M, ./C1, ./D1, ./E1, ./F1).
8.2. Interne Submission:
Im Vorfeld von Angebotsabgaben kam es in einigen Fällen auch zu sog „internen Angebotsöffnungen“ (auch „interne Submissionen“ genannt), bei denen die Mitbewerber vor der offiziellen Angebotsabgabe ihre Kalkulationsgrundlagen untereinander offenlegten. Dieses Vorgehen diente als Mittel der Entscheidungsfindung, welches der beteiligten Unternehmen den Auftrag bei der tatsächlichen Ausschreibung erhalten soll (Beilagen ./C, ./G, ./Q, ./F1, ./U1).
8.3. Fixer Schlüssel und Gebietsschutz
Für die Aufteilung von Aufträgen wurde auch ein sog „fixer Schlüssel“, dh eine Quote vereinbart, die jedem der beteiligten Unternehmen zustand. Der „fixe Schlüssel“ richtete sich dabei in der Regel nach den geschätzten Marktanteilen in einer bestimmten Region oder orientierte sich insb im Straßenbau an der geschätzten Gesamtmenge des zu verbauenden Asphaltmischguts pro Jahr (Beilagen ./W, ./C, ./M).
Die Gesamtzuwiderhandlung wurde fallweise auch durch Gebietsschutzvereinbarungen abgesichert. So wurden Gemeinden und Regionen einem Bauunternehmen pauschal „zugeteilt“ oder bestimmte Arten von Bauleistungen unter den Mitbewerbern aufgeteilt (Beilagen ./B, ./L, ./R, ./J1).
8.4.Punktesystem:
Ein kartellstabilisierender Mechanismus war die Gegenverrechnung anhand eines sog „Punktesystems“: Da ein größerer Teil der beteiligten Unternehmen regelmäßig in verschiedenen Ausschreibungsverfahren aufeinander traf, wurde mithilfe der Vergabe von „Punkten“/„Anteilen“/„Prozenten“ der Netto-Angebotssumme ein finanzieller Interessenausgleich unter den Beteiligten sichergestellt oder das Zurückstehen durch einen Arbeitsabtausch abgegolten(Beilagen ./G1, ./C, ./G).
Die Entlohnung für das Zurückstehen bei Ausschreibungen im Sinne eines Arbeitsabtausch erfolgte insb mit Subaufträgen (iSe Beteiligung am Bauvorhaben) oder durch Abtausch gegen andere Bauvorhaben, Bildung einer offenen oder stillen ARGE, der Lieferung oder Abnahme von Leistungen unter bevorzugten Konditionen, beispielsweise Asphaltmischgut, sonstiges Material, Personal oder Geräte oder den Bezug von größeren Abnahmemengen von Asphaltmischgut oder Beton (Beilagen ./H1, ./G, ./X).
Einige der beteiligten Unternehmen führten Aufzeichnungen über die sich aus diesem Punktesystem ergebenden „Forderungen und Verbindlichkeiten“gegenüber den anderen beteiligten Unternehmen (auch als „Kontokorrentverhältnis bezeichnet). Die erworbenen Punkte wurden zwischen den Mitbewerbern saldiert und dann entweder monitär oder durch einen Arbeitsaustausch ausgeglichen (Beilagen ./G1, ./C, ./G).
Teilweise erfolgte die Berechnungen der Ausgleichsleistung auch auf Grundlage eines Kartellaufschlags (Beilage (Beilage ./L).
9. Bauvorhaben mit unmittelbarer kartellrechtswidriger Beteiligung der Antragsgegnerin
Die Antragsgegnerin beteiligte sich an der oben in ihren verschiedenen Ausprägungsformen dargestellten Gesamtzuwiderhandlungunmittelbar bei32 von der Fachabteilung 16 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung zum Sonderinvestitionsprogramm 2013 ausgeschriebenen Bauvorhaben, weiters bei einer nicht mehr genau eruierbaren Anzahl von Bauvorhaben der Abteilung 7 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sowie bei vier weiteren ausgeschrieben Bauvorhaben unterschiedlicher Auftraggeber.
An der Gesamtzuwiderhandlung war eine Vielzahl von Bauunternehmen beteiligt. Der Grad der Teilnahme variierte. Aufgrund der geringeren Intensität der Teilnahme der Antragsgegnerin an der Gesamtzuwiderhandlung, und zwar von Juni 2013 bis Juli 2016 nur in der Steiermark, ist sie sowie weitere 19Bauunternehmen als Nebenbeteiligte des Baukartells zu qualifizieren. Diesen nebenbeteiligten Bauunternehmen standen 10 am Baukartell Hauptbeteiligte gegenüber, über die größtenteils bereits rechtskräftig Geldbußen verhängt wurden.
 
Betroffene Auftraggeber:
9.1. Fachabteilung 16 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung (Sonderinvestitionsprogramm 2013)
Bei den Ausschreibungen der Fachabteilung 16 des Amts der Steiermärkischen Landesregierung zum Sonderinvestitionsprogramm 2013(Sonderbudget des Landes Steiermark) nahm die Antragsgegnerin an Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Austausch über zukünftiges Abgabeverhalten teil. Von den kartellrechtswidrigen Handlungen sind alle 32 BVH betroffen, die im Rahmen des Sonderbudgets desLandes Steiermark ausgeschrieben wurden. Das Gesamtbauvolumen belief sichauf rund EUR 15 Mio. Die Ausschreibungen erfolgten im Zeitraum von 30.07.2013 bis 18.09.2013. Diese Ausschreibungen waren eine Folge der Insolvenz der Alpine.
Die kartellrechtswidrigen Handlungen erfolgten in Umsetzung der Gesamtzuwiderhandlung im Rahmen von bereits bestehenden regelmäßigen Kontakten anhand vorab durchgeführter „interner Submissionen“. Ziel der Handlungen war es, die BVH untereinander aufzuteilen und nicht-steiermärkische Mischgutproduzenten vom Markteintritt abzuhalten.
Für die konkrete Umsetzung der internen Submissionen („interne Angebotsöffnung“) trafen sich die beteiligten Unternehmen vor der offiziellen Angebotslegung und gaben sich gegenseitig ihre jeweiligen Kalkulationsgrundlagen bekannt. Auf dieser Grundlage wurde schließlich jenes Bauunternehmen bestimmt, welches nach dem übereinstimmenden Willen aller beteiligten Unternehmen in der Ausschreibung obsiegen sollte. Die anderen beteiligten Unternehmen mussten in weiterer Folge zurückstehen und ein höheres Angebot zugunsten des designierten Ausschreibungsgewinners legen. Anhand solcher internen Submissionen wurden sämtliche der 32 Straßenbauausschreibungen des Sonderinvestitionsprogramms 2013 aufgeteilt (Beilagen ./C, ./R1, ./S1, ./B, ./C, ./M, ./Z, ./T1, ./U1, ./B1)
Im Zuge dieser „internen Submissionen“ wurde auch der offizielle Anbotspreis festgelegt. Zu diesem Zweck wurde unter den beteiligten Unternehmen vereinbart, dass ein gemeinsam festgelegter Prozentsatz auf alle internen Angebotspreise hinzugerechnet wird. Der jeweils um diesen Prozentsatz erhöhte interne Angebotspreis bildete den offiziellen Angebotspreis. Somit kam es zu einer Parallelverschiebung, weil sich zur Bildung des offiziellen Angebotspreises die internen Angebotspreise aller beteiligten Unternehmen um den gleichen Prozentsatz erhöhten.
Die Höhe dieses Prozentsatzes richtete sich nach der zu erwartenden Konkurrenzsituation durch die übrigen Mitbewerber, die nicht an der Kartellabsprache teilnahmen und lag zwischen 5% und 33% (Beilagen ./U1, ./A1, ./S1).
Unter einigen beteiligten Unternehmen erfolgte schließlich ein gestaffelter Ausgleich, indem der Aufschlag unter allen an der „internen Submissionen“ beteiligten Unternehmen in Form eines festgelegten „fixen Schlüssels“ verteilt wurde. Der „Billigstbieter“ erhielt den höchsten Anteil iHv 25 % des Aufschlags, die übrigen Bieter teilten sich die restlichen 75% auf (2. Bieter 12%; 3. bis 5. Bieter 11%; 6. Bieter 10% usw) (Beilagen ./R1, ./C, ./Z, ./A1, ./U1).
Konkret betroffen waren folgende BVH:
 
Datum
BVH
Zuschlagssumme in EUR
30.7.2013
L 502, Sanierung Weirerteich-Laßnitz & RA L 524 Auenwinkel
1,87 Mio
6.8.2013
L242 Sanierung Bergl 1. Teil
0,20 Mio
6.8.2013
B 57, Sanierung Leitersdorf
0,23 Mio
6.8.2013
L 211, Sanierung Unterweißenb., 1. Teil
0,31 Mio
6.8.2013
L 201, Sanierung Berndorf-Kirchberg - 1.Teil
0,11 Mio
6.8.2013
B 66, Sanierung Kiefer
0,17 Mio
6.8.2013
B 69, Sanierung Radkersburg
0,29 Mio
7.8.2013
B 72, Sanierung Mitterndorf
0,18 Mio
7.8.2013
L 117, Sanierung Rettenegg, Teil 1
0,58 Mio
7.8.2013
B 54, Sanierung Seibersd.-Grafend.
0,04 Mio
8.8.2013
L 619, Sanierung Trahütten, 6. Teil - Straße
0,21 Mio
8.8.2013
L 652, Sanierung Wernersdorf, 1.Teil mit Objekt
0,59 Mio
8.8.2013
L 624, Sanierung Labuttendorf - St. Nikolai o. D.
0,35 Mio
12.8.2013
L 353, Sanierung Heilbrunn (Teilbereiche)
0,35 Mio
12.8.2013
L 416, Sanierung Waldbacherstraße (Teilbereiche)
0,15 Mio
12.8.2013
B 97, Sanierung Stadl-Einach
0,71 Mio
13.8.2013
B 68, Sanierung Sulz + Raabbrücke Takern
0,67 Mio
13.8.2013
B 138, Sanierung Bliem
0,28 Mio
13.8.2013
B 24, Sanierung Bezirksgrenze bis Knacklahn
0,36 Mio
13.8.2013
L 711, Sanierung Bartlbauer
0,50 Mio
13.8.2013
B 146, Sanierung ODF Admont
0,18 Mio
20.8.2013
L 104, Sanierung Breitenau
0,29 Mio
20.8.2013
B 20, Sanierung Fallenstein, 1.Teil
0,52 Mio
20.8.2013
B 23, Sanierung Frein
0,09 Mio
20.8.2013
B 115, Sanierung Vordernberg Anstieg, 1. Teil
0,56 Mio
21.8.2013
B 116, Sanierung Anschluss St. Marein
0,09 Mio
21.8.2013
B 20, Sanierung Schatz
0,10 Mio
21.8.2013
B 21, Sanierung Unteres Halltal, 1. Teil
0,67 Mio
22.8.2013
L 371, Sanierung Hausmannstätten - Fernitz
0,77 Mio
17.9.2013
L 305, Sanierung Hohenegg bei St. Marein
1,18 Mio
18.9.2013
B 65, Sanierung Kainbach I und Teilbereich
0,34 Mio
18.9.2013
L 301, Sanierung Hitzendorf bis Söding und 2 Brücken
0,49 Mio
 
 
9.2. Sonstige Bauvorhaben Fachabteilung 7 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung
Bei den Ausschreibungen der Abteilung 7 - Gemeinden, Wahlen und ländlicher Wegebau des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung nahm die Antragsgegnerin an langjährigen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Austausch über zukünftiges Abgabeverhalten teil. Hauptsächlich betroffen waren Ausschreibungen zur Lieferung von Mischgutmengen mit kleineren Auftragsvolumina, zT jedoch auch Ausschreibungen mit größeren Auftragsvolumina (> EUR 500.000).
Bei den Gesprächsrunden wurde die allgemeine Aufteilung von Mischgutmengen anhand eines „Aufteilungsschlüssels“ besprochen. Sobald die Ausschreibung erfolgte, folgten begleitende Kontakte, um die Aufteilung der Ausschreibungen (iS eines Arbeitstausches) vorzunehmen (Beilagen . /C, ./Y, ./O1, ./S1, ./V1, ./W1, ./W, ./X1).
Es ist nicht mehr exakt nachvollziehbar, welche BVH derFachabteilung 7 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung von den Absprachen betroffen waren. Sie reichen jedoch zumindest bis 2014 zurück und dauerten bis zumindest Ende 2015 an.
9.3. Weitere betroffenen Bauvorhaben
Bei folgenden weiteren vier BVH von verschiedenen Auftraggebern nahm die Antragsgegnerin an den Absprachen unmittelbar teil:
 
Datum
BVH
Auftraggeber
24.6.2013
A9 INS Schwarzlsee - Wildon
/ Vorleistungen
ASFINAG Bau Management GmbH
17.9.2013
L401 San. Oberpuch L401
Sanierung Wenireith-Oberbuch
FA 16
22.9.2014
ABA Klausen Nord
Gemeinde Bad Gleichenberg
Juli 2016
Mischgutlieferung und einbau
Öko Region Kaindorf
Gemeinde Kaindorf
am Hartberg, 8224
Kaindorf bei Hartberg,
Kaindorf 29
 
 
Beweiswürdigung:
 
Von der Antragsgegnerin wurde der von der BWB vorgebrachte Sachverhalt und Deliktszeitraum ausdrücklich außer Streit gestellt. Die außerstreitgestellten Behauptungen stehen mit dem Inhalt der vorgelegten Urkunden Beilagen ./A – ./E2 im Einklang.
Da die Antragsgegnerin die Urkunden als echt anerkannte und diese als unbedenklicheinzustufen sind, konnte das Kartellgericht von weiteren Beweisaufnahmen gemäß § 33 AußStrG absehen und die Feststellungen auf das Vorbringen der BWB und den Inhalt der Urkunden gründen.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur „Zwischenstaatlichkeit“:
Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere sind nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstige Geschäftsbedingungen sowie nach Z 3 leg.cit. die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen verboten.
Nach Art 101 Abs 1 AEUV sind alle jene Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dazu gehören insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (lit a) sowie die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (lit c). Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003).
Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen. Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist – was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p mwN).
Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind schon ihrem Wesen nach geeignet den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu behindern, indem es die wirtschaftliche Verflechtung hintanhalten, die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können (RS0120478;Leitlinien zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl 2004/C 101/07, Rn 77 ff).
Die festgestellte Gesamtzuwiderhandlung, an der die Antragsgegnerin beteiligte, erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet von Österreich, sodass das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit zu bejahen und Unionsrecht anzuwenden ist.
2. Zum Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise:
Das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV erfasst – wie jenes des § 1 Abs 1 KartG – den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen, zwischen den beteiligten Unternehmern die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. In der Praxis ist eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz, weil diese Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens gleichrangig sind (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 1 Rz 14 ff).
Der Begriff der „Vereinbarung“ wird weder in Art 101 AEUV noch in § 1 KartG definiert. Er ist nach herrschender Ansicht weit auszulegen. Eine Vereinbarung im Sinn der genannten Bestimmungen liegt bereits dann vor, wenn die Parteien ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (16 Ok 2/22p;6 Ob 105/19p; 6 Ob 166/19h mwN). Fordert ein Unternehmen ein anderes zu einem bestimmten Verhalten auf, liegt darin ein Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung steht die tatsächliche Befolgung der Aufforderung gleich (Schröter/Voet van Vormizeele in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht², 265 mwN; vgl auch Gugerbauer, Die kartellrechtliche Bankenbereichsausnahme im EWR, ÖBA 1992, 770 [777]). Bei einer Vereinbarung zwischen Unternehmern kommt es daher weder auf die Form der Vereinbarung (diese kann schriftlich, mündlich oder schlüssig getroffen werden) noch darauf an, ob sie auch tatsächlich umgesetzt wird (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 18 f mwN).
Neben Vereinbarungen (und Beschlüssen von Unternehmervereinigungen) sind auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot erfasst. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH um jede Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmern, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Unter einer Verhaltensabstimmung ist also eine „Fühlungnahme“ zwischen den Unternehmern zu verstehen, die geeignet und bestimmt ist, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 25 ff mwN).
Erfasst ist jede unmittelbare oder mittelbare Koordination zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 31).
3. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
Vereinbarungen stellen dann einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV dar, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Prinzipiell müssen Wettbewerbsbeschränkungen, um vom Kartellverbot erfasst zu sein, auch spürbar sein. Spürbarkeitskriterien sind der Marktanteil, die Marktstellung, die finanziellen Ressourcen und der Umfang der Produktion der beteiligten Unternehmen sowie der Umfang der betroffenen Handelsströme (RS0106875). Handelt es sich bei den Vereinbarungen jedoch um solche, die ihrer Natur nach geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen und sind diese auch auf diesen Zweck gerichtet sind, liegt es auf der Hand, dass solche Vereinbarungen spürbare negative Auswirkungen auf den Markt haben. Es wird daher davon ausgegangen, dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, also eine, die schon ihrem Wesen nach schädlich für den Wettbewerb sind, den Wettbewerb stets spürbar beeinträchtigt (Hiersche/Mertel in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht, § 1 Rz 74, EuGH C-228/18 – Budapest Bank; EuGH C-345/14 - Maxima Latvija). Aus diesen Erwägungen sind bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen die konkreten Auswirkungen, also der genaue Umfang der Spürbarkeit für den Markt im Verfahren nicht zu prüfen (RS0120477). Solche Kernbeschränkungen gelten demzufolge unabhängig vom Marktanteil der beteiligten Unternehmen als „spürbar“ (vgl EuGH 13. 12. 2012, C-226/11, Expedia, RS0106875, 16 Ok 2/22k).
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren ist, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Zusammenhangs sind auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Markts oder dieser Märkte zu berücksichtigen. Für einen wettbewerbswidrigen Zweck reicht es bereits aus, wenn die Vereinbarung das Potenzial hat, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten, dh wenn sie konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts zu führen (EuGH C-32/11 - Allianz Hungária, mwN). Das wesentliche Kriterium für die Einordnung als bezweckte Wettbewerbsbehinderung ist, dass eine solche Handlung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt (EuGH C-67/13 P - Groupement des cartes bancaires, mwN).
Kernbeschränkungen des Wettbewerbs wie Preisabsprachen, Produktions- und Absatzbeschränkungen und Marktaufteilungsabsprachen sind grundsätzlich bezweckte Beschränkungen des Wettbewerbs (RS0120917).
Das zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerbern etablierte System der festgestellten Preisabsprachen, Marktaufteilungen und des Informationsaustauschesstellen Kernverstöße dar, die als bezweckteVerstöße gegen die Bestimmungen des Art 101 Abs 1 lit a und c AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG in Fortschreibung der zitierten Rechtsprechung nicht in Richtung Spürbarkeit im Sinne der Darstellung der konkreten Auswirkungen auf den Markt, zu prüfen sind.
Durch die fortgesetzte regelmäßige Beteiligung der Antragsgegnerin am festgestellten kollusiven System der Preisabsprachen, Absprachen über Verhalten bei den Ausschreibungen, Marktaufteilungsabsprachen im Wirtschaftszweig des Hoch- und Tiefbausverstieß die Antragsgegnerin gegen das Kartellverbot nach § 1 KartG und Art 101 AEUV in Form der bezweckten Behinderung des Wettbewerbs.
4. Einheitlich fortgesetzte Zuwiderhandlung
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist dann von einer einheitlichen fortgesetzten Zuwiderhandlung auszugehen, wenn ein Gesamtplanvorliegt, in den sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts einfügen, und zwar unabhängig von der Tatsache, dass eine oder mehrere dieser Handlungen auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen Art 101 AEUV darstellen könnten (EuGH vom 22.10.2020, Silver Platics GmbH & Co.KG/Kommission, C-702/19p; EuGH vom 26. Jänner 2017, Villeroy & Boch/Kommission, C‑642/13).
Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (EuGH vom 26. Jänner 2017, Villeroy & Boch/Kommission, C-642/13P; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, Rn. 156 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wäreesgekünstelt, das durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen, und aus ihm mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu konstruieren (vgl EuGH vom 26.Jänner 2017, Villeroy & Boch/Kommission C-642/13P; EuGH vom 22. Oktober 2020, C-702/19P; EuGH vom 16.Juni 2022, Toshiba Samsung Storage Technology Corp/Kommission, C-700/19P).
Anders als in Art 25 VO 1/2003 wird im österreichischem KartG nicht zwischen fortgesetzten Zuwiderhandlungen und anderen Arten einer Zuwiderhandlung differenziert (Schwarz in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 33 KartG 2005).
Seit der Entscheidung 16 Ok 2/15b ist die Rechtsfigur der einheitlichen fortgesetzten Zuwiderhandlung bei Verstößen gegen Art 101 AEUVauch in Österreich höchstgerichtlich anerkannt.
Der OGH sprach aus, dass eine Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen dann eine fortgesetzte Zuwiderhandlung und rechtliche Einheit darstellt, wenn die Verhaltensweisen miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) verbunden sind. Die einzelnen Teilhandlungen müssen in ihrer Begehungsweise gleichartig sein, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sein (16 Ok 2/15b).
Eine solche Gesamtzuwiderhandlung ist allgemein durch ein kontinuierliches wettbewerbswidriges Verhalten der Kartellbeteiligten mit einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel gekennzeichnet (16 Ok 3/23m).
Der Oberste Gerichtshof streicht hervor, dass bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen ist, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Ein Gesamtplan muss nicht von Anfang an existiert haben, sondern kann auch erst im Laufe der Zeit ausgearbeitet worden sein (16 Ok 2/15b).
Aufgrund der oben getroffenen Feststellungen, nach denen die Antragsgegnerin sich in das kollusive Gesamtsystem mit dem von allen beteiligten Mitbewerbern verfolgten Gesamtplan durch ihr abgestimmtes Verhalten den Wettbewerb zu beeinträchtigen, ist die Beteiligung der Antragsgegnerin als Teilnahme an der fortgesetzten Zuwiderhandlung zu qualifizieren.
5. Zum Verschulden:
§ 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind. Der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten aber die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5 f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
Vorsätzlich handelt gemäß § 5 Abs 1 StGB, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Demgegenüber handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 6 Abs 1 StGB), und wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB).
Gem§ 3 Abs 1 VbVG, der nach kartellobergerichtlicher Rechtsprechung im Kartellverfahren analog anzuwenden ist (RS0124134 [T1]), ist ein Verband - ein solcher ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 leg.cit. insbesondere eine juristische Person - unter den weiteren Voraussetzungen des Abs 2 oder des Abs 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn 1. die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist oder 2. durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen.
Die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VbVG sind hier erfüllt, weil durch die festgestellten Verhaltensweise Pflichten der Antragsgegnerin verletzt wurden.
Für Straftaten eines Entscheidungsträgers ist gemäß § 3 Abs 2 VbVG der Verband verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Entscheidungsträger iSd VbVG ist nach dessen § 2 Abs 1, wer 1. Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten, 2. Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt, oder 3. sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt.
Für Straftaten von Mitarbeitern ist gemäß § 3 Abs 3 VbVG der Verband verantwortlich, wenn
1. Mitarbeiter den Sachverhalt, der dem gesetzlichen Tatbild entspricht, rechtswidrig verwirklicht haben; der Verband ist für eine Straftat, die vorsätzliches Handeln voraussetzt, nur verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat; für eine Straftat, die fahrlässiges Handeln voraussetzt, nur, wenn Mitarbeiter die nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben; und
2. die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.
Mitarbeiter iSd VbVG ist gemäß § 2 Abs 2 leg.cit., wer (unter anderem) aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband erbringt.
Dass die Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin nach den hier analog anwendbaren Kriterien des § 3 Abs 2 VbVG(Verantwortlichkeit des Verbandes für die Tatbegehung durch Entscheidungsträger)bzw des Abs 3 (Verantwortlichkeit des Verbandes für Tatbegehung durch Mitarbeiter) vorliegt, wurde weder in Frage gestellt noch bestritten, sodass präzise Feststellungen dazu, welche Personen die einzelnen kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen gesetzt haben, unterbleiben konnten. Vielmehr führen die uneingeschränkten Außerstreitstellungen durch die Antragsgegnerin, die auch das Tatsachenvorbringen der BWB zum Verschulden umfassten, rechtlich dazu, dass die Antragsgegnerin im Wege der Zurechnung der Tatbegehung in analoger Anwendung des VbVGein Verschuldenan der Gesamtzuwiderhandlung im Sinne des § 29 KartG trifft.
5. Zur Verjährung:
Das kartellrechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerin umfasste den Zeitraum von Juni 2013 bis Juli 2016.
§ 33 KartG idF BGBl I Nr. 176/2021 ist nach § 86 Abs 12 KartG auf Rechtsverletzungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (10.9.2021) noch nicht verjährt sind.
Gemäß § 33 Abs 1 1. Satz KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird gem cit leg 2.Satz unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer oder einer beteiligten Unternehmervereinigung eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekanntgegeben wird. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Frist neu zu laufen.
Anders als Art 25 der VO 1/2003 differenziert § 33 KartG nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen.
Bei den Dauerdelikten ist zwischen dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen zu unterscheiden. Eine dauernde Zuwiderhandlung besteht aus einer andauernden, eine fortgesetzte aus mehreren Handlungen, die jede für sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Somit handelt es sich bei einer dauernden Zuwiderhandlung um ein abgrenzbares rechtswidriges Verhalten, das ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum gesetzt wird. Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt demgegenüber immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Traugottin Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 33 Rz 6 und 7).
Wie bereits unter Punkt 4. ausgeführt waren die Handlungen der Antragsgegnerin Teil der einheitlichen fortgesetzten Zuwiderhandlung, sodass die Verjährungsfrist nicht vor Beendigung der Gesamtzuwiderhandlung zu laufen beginnen kann (EuGH Heureka Group/Google LLC, C-605/21).
Da die Gesamtzuwiderhandlung, an der die Antragsgegnerin sich beteiligte, erst im Oktober 2017 beendet wurde, beginnt die Verjährungsfrist für alle festgestellten kartellrechtswidrigen Handlungen der Antragsgegnerin erst mit Oktober 2017 zu laufen.
Wie bereits erwähnt wird die fünfjährige Verjährungsfrist unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer oder einer beteiligten Unternehmervereinigung eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekanntgegeben wird.
Da im Frühjahr 2017 von der BWB die erste Hausdurchsuchung im Rahmen des Ermittlung im Baukartellfall stattfand und die Auskunftsverlangen nach § 11a Abs 1 WettbG im April 2019 ergangen sind und die Antragsgegnerin die Mitteilung der Beschwerdepunkte nach § 11a Abs 1 WettbG am 7.12.2023, lag beimGeldbußenantrag aus Mai 2024keine Verjährung gem § 33 KartG vor.
6. Keine Rechtfertigungsgründe:
Ein Freistellungs- bzw Rechtfertigungsgrund nach § 2 Abs 1 KartG und Art 101 Abs 3 AEUV wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar.
7. Zur Höhe der Geldbuße:
Gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 1 KartG bzw gegen Art 101 AEUV eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Darunter ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmers zu verstehen, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist.
Seit der Entscheidung 16 Ok 6/23b ist klargestellt, dass das in § 29 KartG angesprochene „vorausgegangene Geschäftsjahr“ für die Ermittlung des Geldbußenrahmens das dem Erlass der Entscheidung vorangegangene Geschäftsjahr ist, im Anlassfall somit das Jahr 2023.
Bei der Bemessung der Geldbuße ist gemäß § 30 Abs 1 KartG insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Ein Erschwerungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 2 KartG insbesondere, wenn
1. das Kartellgericht gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat oder
2. der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder an einer solchen Rechtsverletzung führend beteiligt war.
Ein Milderungsgrund ist es gemäß § 30 Abs 3 KartG insbesondere, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung
1. an einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt war,
2. die Rechtsverletzung aus eigenem beendet hat,
3. wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen hat oder
4. den aus der Rechtsverletzung entstandenen Schaden ganz oder teilweise gutgemacht hat.
Die Bemessung der verhängten Geldbuße beruht auf der von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Berechnung durch die Bundeswettbewerbsbehörde.
Gemäß § 36 Abs 2 KartG darf das Kartellgericht über die beantragte Geldbuße nicht hinausgehen.
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat die von ihr dargelegten Milderungs- und Erschwerungsgründe im Sinne des § 30 Abs 3 KartG angemessen berücksichtigt.
Weitere Milderungsgründe sind nicht ersichtlich. Eine niedrigere Geldbuße als die beantragte, die bei einem Umsatz der Antragsgegnerin von EUR 20 Mio im Geschäftsjahr 2023rund einem Zwanzigstel des Höchstbetrags nach § 29 Z 1 KartG entspricht, kommt angesichts der Schwere und Dauer des Verstoßes undder durch die Rechtsverletzung zwangsläufig erzielten Bereicherung und der erheblichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen jedenfalls nicht in Betracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Ausdruck vom: 15.06.2025 13:25:28 MESZ