Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Zusammenschluss
24 Kt 3/16
09.06.2017
26.08.2016
"Der am 23.12.2015 von der Antragsgegnerin zu BWB/Z-2906 angemeldete Zusammenschluss, wonach die Antragsgegnerin den Erwerb von (direkt bzw. indirekt) über 25% der Anteile an Casinos Austria Aktiengesellschaft (in der Folge kurz „CASAG“) sowie von (indirekt) über 25% der Anteile an Österreichische Lotterien Gesellschaft mbH (in der Folge kurz „ÖLG“) sowie den Erwerb von Kontrolle an CASAG beabsichtige, wird untersagt.
B e g r ü n d u n g :
Unstrittig ist Folgendes:
Am 20.1.2016 meldete die Austrian Gaming Holding a.s. (in der Folge kurz „AGH“) zu BWB/Z-2933 ebenfalls einen Zusammenschluss bei der Bundeswettbewerbsbehörde an. Die AGH beabsichtigte im Rahmen dieses Vorhabens, (1.) ihre derzeitige (indirekte) Beteiligung im Umfang von 29,63% an Medial Beteiligungsgesellschaft mbH (in der Folge kurz „MEDIAL“) durch den Erwerb weiterer Beteiligungen von 59,26% auf 88,89% der Geschäftsanteile an MEDIAL zu erhöhen und (2.) 16,79% der Aktien der CASAG zu erwerben. MEDIAL halte 38,29% der Aktien der CASAG. Durch diesen Erwerbsvorgang würde AGH somit direkt bzw. indirekt 50,82% der Aktien halten und somit alleinige Kontrolle an CASAG erwerben. AGH halte über die zu 100% von ihr gehaltene CAME Holding GmbH (in der Folge kurz „CAME“) eine indirekte (durchgerechnete) Beteiligung an CASAG in Höhe von 11,35%. CAME wiederum halte eine Beteiligung im Umfang von 29,63% an MEDIAL.
Die von AGH zu BWB/Z-2933 eingebrachte Zusammenschlussanmeldung wurde mit Wirksamkeit vom 29. Februar 2016 zurückgezogen.
In ihrem Prüfungsantrag hat die Bundeswettbewerbsbehörde betont, seit Oktober 2015 Marktgespräche mit verschiedenen Stakeholdern im Glücksspielbereich (Eigentümervertreter, Unternehmensvertreter, öffentliche Institutionen, Wettbewerber, Spielerschutzeinrichtungen) geführt zu haben, um einen Überblick über die Rahmenbedingungen und Marktverhältnisse am Glücksspielmarkt zu erhalten. Noch zeitgleich mit den Marktgesprächen sei sie mit den Anmeldern in Pränotifikationsgespräche eingetreten, in denen es zu einem ergiebigen Informationsaustausch gekommen sei. Nach Ansicht der BWB sei die von der Anmelderin gewählte sachliche Marktabgrenzung (Spielbanken inkl. Glücksspielautomaten in Spielbanken, Lotterie-Glücksspiele, Onlinegaming, Video Lottery-Terminals [VLTs], Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten und Sportwetten) im Wesentlichen plausibel und sinnvoll. Allerdings müsse darauf hingewiesen werden, dass eine wettbewerbsökonomische Marktabgrenzung nie dahingehend interpretiert werden dürfe, dass keine wettbewerblichen Wirkungen von einem Markt auf den anderen bestünden. Sie besage vielmehr nur, dass die Substitutionsbeziehungen – und damit die wettbewerblichen Wirkungen – nicht so stark seien, dass sie als ein Produkt/eine Leistung angesehen werden könnten.
Zu den wettbewerblichen Auswirkungen führte die BWB aus, dass es sich bei dem vorliegenden Zusammenschlussvorhaben in wettbewerblicher Sicht um das Vorliegen von Restwettbewerb handle. Dies sei bedingt durch die rechtlichen/regulatorischen Rahmenbedingungen, die in mehreren Märkten den Wettbewerb unterschiedlich stark einschränkten. Trotz erheblicher Regulierungsdichte bestünden Indizien für das Bestehen von wettbewerblichen Spielräumen. Es bestünden auch wettbewerbliche Wechselwirkungen zwischen den von der Anmelderin definierten Märkten.
Zusammengefasst wurden die negativen Auswirkungen auf dem Markt durch die BWB in den Rz 101 – 104 ihres Prüfungsantrags wie folgt:
– Verringerung des Restwettbewerbs auf dem Casino-Markt
– Verminderung der wettbewerblichen Schranken, die vom Casino-Markt und vom VLT-Markt auf die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin auf den Märkten für Landesausspielungen ausgehen
– potenzieller Wettbewerb: Beseitigung des einzigen Wettbewerbers, der hinsichtlich des Potenzials an (VLT-)Lizenzen und seiner wirtschaftlichen Kraft der starken Stellung der Antragsgegnerin auf den Märkten für Landesausspielungen gefährlich werden könne
– Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung auf dem vorgelagerten Markt insbesondere durch Kontrolle eines weiteren Teils der heimischen Nachfrage.
Die BWB betonte bereit zu sein, rasch in Gespräche über Auflagen einzutreten (24 Kt 4/16t-1).
Im Prüfungsantrag des Bundeskartellanwalts (24 Kt 3/16w) führte diese Amtspartei aus, dass für den Fall, dass das Kartellgericht das Vorliegen eines anmeldefähigen Zusammenschlusses bejahen sollte, werde es die inhaltliche Prüfung vorzunehmen haben. Mit dem Bundeskartellanwalt sei der von der BWB gestellte Prüfungsantrag abgestimmt worden und zur Vermeidung von Wiederholungen erhebe er die von der BWB in deren Prüfungsantrag gestellten Ausführungen, auch jene zur inhaltlichen Prüfung des Zusammenschlussvorhabens, zum eigenen Vorbringen.
Nach Verbindung der beiden Verfahren über die Prüfungsanträge der Amtsparteien erging mit Beschluss vom 25.2.2016 ein Verbesserungsauftrag an die Antragsgegnerin, dem diese mit Schriftsatz vom 2.3.2016 nachkam. Mit Schriftsatz vom 8.7.2016 (ON 37) beantragte die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs 1 KartG 2005 die fünfmonatige Frist auf sechs Monate, somit bis 2.9.2016 zu verlängern.
Mit Schriftsatz vom 18.3.2016 (ON 10) bezog die Antragsgegnerin zu den inhaltlichen Prüfungsanträgen der Amtsparteien Stellung. Zusammengefasst führte die Antragsgegnerin aus, dass das geplante Zusammenschlussvorhaben keine wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen mit sich bringen könne:
Es gebe de facto keine Überschneidungen im Spielbankenbereich, da die Antragsgegnerin nur im grenznahen Ausland tätig sei und die Standorte überdies ein unterschiedliches Publikum anziehen würde und/oder zu weit voneinander entfernt seien. Das Angebot in den Spielbanken in Österreich unterliege einer strengen Regulierung, die eine Verschlechterung zum Nachteil der Konsumenten unmöglich mache.
Auswirkungen auf den nationalen Spielbankenmarkt im Falle der Erteilung von zwei Spielbankenkonzessionen an die Antragsgegnerin seien aus diesem Grund ebenfalls ausgeschlossen. Die Erteilung von weiteren Konzessionen in Österreich sei keinesfalls als wettbewerbsfördernde Maßnahme gedacht gewesen. Im Fokus stünden hier vielmehr die adäquate Deckung der bestehenden Nachfrage durch qualifizierte Unternehmen, um illegales, unkontrolliertes Glücksspiel möglichst zurückzudrängen.
Selbst wenn man VLT-Outlets und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten als einem Markt zugehörig ansehen würde bzw. zwischen diesen Wechselwirkungen bestünden, käme es nur in wenigen Regionen in Niederösterreich zu Überschneidungen, die dazu führen würden, dass es dort als Folge des Zusammenschlussvorhabens nur mehr einen Betreiber gäbe. Doch selbst in diesem Fall sei auf Grund des strengen regulatorischen Regimes nicht ersichtlich, was sich nachhaltig verändern hätte sollen.
Auch vertikale Auswirkungen seien nicht möglich, da die Marktanteile der beteiligten Unternehmen bei richtiger geografischer Marktabgrenzung gering seien und selbst bei Annahme von nationalen Märkten keine negativen Folgen zu befürchten seien. Die CASAG-Gruppe sei für die international tätigen Hersteller kein wesentlicher Abnehmer und die Antragsgegnerin beliefere bereits jetzt diverse dritte Unternehmen in Österreich, obwohl diese ebenso wie die Antragsgegnerin auf den nachgelagerten Märkten tätig seien und nicht ersichtlich sei, wie sich das Vorhaben auf diese Geschäftsbeziehungen auswirken könnte.
Der Zusammenschluss würde ganz im Gegenteil diverse Vorteile mit sich bringen. Insbesondere würde die Implementierung eines segmentsbundeslandübergreifenden Spielerschutzes ermöglicht werden. Wie die BWB in ihrem Prüfungsantrag richtigerweise angemerkt habe, sei der Spielerschutz ein übergeordnetes Ziel des österreichischen Gesetzgebers, dem auch nach Unionsrecht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt werde.
Auch wenn die Antragsgegnerin der Ansicht sei, dass das gegenständliche Zusammenschlussvorhaben aus all den angeführten Gründen keinerlei wettbewerbliche Bedenken hervorrufe, sei sie im Sinne einer einvernehmlichen Lösung bereit, mögliche Auflagen mit den Amtsparteien zu verhandeln. Ein erster diesbezüglicher Vorschlag sei bereits an die Amtsparteien übermittelt worden, ein Gesprächstermin sei für die Woche nach Ostern vereinbart. Zwischen den Parteien des Verfahrens kam es während des Verfahrens auch zu Auflagengesprächen bzw Gesprächen über Verpflichtungszusagen (siehe ON 16 und ON 19).
Beweis wurde erhoben durch die Beilagen ./ A bis ./S in 24 Kt 4/16t, ./A bis ./H, ./1 bis ./19 und ./I sowie durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens (ON 24), dessen Ergänzung (ON 46) und Erörterung der Auflagenvorschläge der Antragsgegnerin in der Verhandlung am 26.8.2016 (ON 68).
Folgende wesentlichen Feststellungen werden getroffen:
Die Zusammenschlussparteien CASAG und die Antragsgegnerin sind die mit Abstand bedeutendsten Akteure auf dem österreichischen Glücksspiel- und Sportwettenmärkten. Die CASAG betreibt 12 Spielbanken, 16 WIN-WIN VLT-Outlets, Lotterieglücksspiele und Sportwetten. Glücksspiele und Sportwetten werden über die Filialen, aber auch über Trafiken (zB Tipp 3) und online verkauft. Die Antragsgegnerin betreibt unter der Marke Admiral 147 Automatensalons (das sind sämtliche Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten, wobei der erst im März 2016 eröffnete Standort in der Traunuferstraße in Ansfelden (Oberösterreich) nicht berücksichtigt ist) und rund 200 Wettcafés in den Bundesländern, in denen Automatenspiel erlaubt ist (oft an einem gemeinsamen Standort mit Automatensalons). Sportwetten werden terrestrisch vor allem über die Wettcafés, aber auch über Terminals an anderen Standorten und online vertrieben. Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin einer der größten europäischen Hersteller von Glücksspielautomaten und VLTs. Die Bedeutung der Zusammenschlussparteien illustriert der Anteil der beiden Unternehmen an den Bruttospiel- und Bruttowetterträgen österreichischer Glücksspiel- und Wettaktivitäten von gemeinsam 77% (bezogen auf die Ausgaben für Glücksspiel- und Sportwetten – online und terrestrisch – von sich in Österreich aufhaltenden Personen).
Glücksspiel kann neben Vergnügen und Freizeitbeschäftigung auch Suchtgefahr und Kriminalität hervorbringen. Genau aus diesen Gründen ist in Österreich ein Regulierungsrahmen geschaffen worden, der den Spielerschutz und die Ausbreitung von Kriminalität (wie Betrug) im illegalen Glücksspiel verhindern soll.
Derzeit ist Wettbewerb innerhalb der regulatorischen Grenzen mit dem Glücksspielgesetz vereinbar. Das BMF hatte entsprechend die Konzession für die zusätzlichen Wiener Spielbanken an zwei in Wien noch nicht vertretene Spielbanken (die Antragsgegnerin und Gauselmann) vergeben, was zu einer Struktur mit drei Anbietern auf engem Raum geführt hätte. Auch bei der Vergabe der Konzessionen für Automatensalons haben sich einzelne Länder zur Ausschöpfung des wettbewerblichen Rahmens des Glücksspielgesetzes mit der Vergabe von drei Lizenzen entschieden. Zusammen mit den VLTs-Outlets und CASAGSpielbanken sind somit bis zu 4 Anbietern in den einzelnen Bundesländern im Einklang mit dem Glücksspielgesetz tätig.
Wettbewerb kann sich im Rahmen der sehr ausgeprägten Regulierung förderlich für den Verbraucher auswirken. Eine Verbesserung des legalen Glücksspielangebots verhindert ein Abdrängen von (auch süchtigen) Spielern in die Illegalität und Kriminalität. Dies ist ein ausdrückliches Ziel des Spielerschutzes. Wenn die Gefahr einer Suchtsteigerung effektiv verhindert wird, profitieren alle Spieler (auch die Nichtsüchtigen) naturgemäß von den Anreizen zur Qualitätsverbesserung, die mit mehr Wettbewerb einhergehen.
Spielerschutz geht mit Einnahmenverlust der Glücksspielanbieter einher (was die jüngste Einführung weiterer Maßnahmen in Österreich zeigt). Dieser Interessenkonflikt gilt für private Monopolisten (mit Gewinnmaximierungsinteresse) wie auch im Wettbewerb. Entscheidend ist, dass die Durchsetzung der Regulierung zum Spielerschutz nicht durch den Wettbewerb eingeschränkt ist. Genau dafür sorgt das Glücksspielgesetz, das den maximalen Umfang und die Bedingungen des Wettbewerbs regelt und umfangreiche Auflagen zum Spielerschutz macht. Im österreichischen Glücksspielsektor sind derzeit folgende wettbewerblich relevante Aspekte von Regulierungsvorgaben betroffen:
Die Auswahl und die Überwachung der Anbieter;
die räumliche Kapazitätssteuerung (Betriebspflicht, Obergrenzen);
die Einsatzhöhen-, Ausschüttungsquoten und Maximalgewinnregulierung;
die Spielerkontrolle und -steuerung;
Beschränkungen bei Marketing und Werbung.
Bei effektivem Spielerschutz kann sich Wettbewerb im Glücksspielsegment positiv auf die Verbraucher auswirken. Die Schaffung eines effektiven Spielerschutzes kann nicht kausal auf das Zusammenschlussvorhaben der Antragsgegnerin zurückgeführt werden.
Es gibt verfahrensbezogen auf den gegenständlichen Zusammenschluss folgende sachliche und räumliche Märkte:
Spielbanken: Der Markt für Spielbanken (ohne Automatenglücksspiel) mit einem Einzugsradius von 60 Minuten. Spielbanken mit einem Automatenangebot konkurrieren sowohl mit anderen Spielbanken wie auch mit VLT-Outlets und Automatensalons im Markt für Automatenglücksspiel. In drei konkreten räumlichen Märkten im Spielbankenmarkt ergeben sich Überschneidungen zwischen den Zusammenschlussparteien. Dies sind die Regionen Wien/Baden, Linz und Bregenz.
Automatenglücksspiel: Dies umfasst das Automatenangebot in VLT-Outlets, Automatensalons und Spielbanken (Markt für Automatenglücksspiel). Die räumlichen Märkte in diesem Automatenglücksspielmarkt sind, weil wesentliche Wettbewerbsparameter regional festgelegt werden, bundeslandweit zu betrachten, wobei besonders zu berücksichtigen ist, dass es eine starke Interaktion zwischen dem Burgenland, Wien und Niederösterreich gibt. Die Spielbanken konkurrieren sich auch untereinander in Bezug auf das Automatenangebot. Lotterieglücksspiel: Das in Österreich über den terrestrischen Vertrieb angebotene Lotterieglücksspiel.
Online-Glücksspiel: Das in Österreich online angebotene Glücksspiel.
Sportwetten (Wettcafés) mit einem Einzugsbereich von 20 Minuten konkurrieren lokal miteinander, wohingegen das Online-Angebot national einheitlich ist und auch der Vertrieb von Sportwetten über Trafiken (Tipp 3) sehr flächendeckend erfolgt. Toto ist von geringer marktlicher Bedeutung.
Automatenherstellung: Es gibt einen europaweiten Markt für die Entwicklung und Herstellung von Automaten. Für den Einsatz von Automaten in Österreich ist eine Anpassung erforderlich, die einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Daher sind Anbieter, die bereits in Österreich tätig sind, deutlich engere Wettbewerber als solche, die noch nicht in Österreich tätig sind. Es ist plausibel, dass ein relevanter österreichweiter Markt für den Vertrieb von angepassten Automaten vorliegt. Letztlich kann auch hier eine genaue Marktabgrenzung offengelassen werden.
Konzessionsmärkte: Konzessionen für Spielbanken, Lotterieglücksspiel und Glücksspielautomaten für Landesausspielungen werden jeweils europaweit ausgeschrieben. Erfahrung in Österreich ist keine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Teilnahme an diesen Ausschreibungen. Die Ausschreibungsmärkte sind daher europaweit abgegrenzt.
Die für die Untersagung des Zusammenschlusses relevanten wettbewerblichen Wirkungen des Zusammenschlusses:
Aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens samt Ergänzungsgutachtens ist festzustellen, dass zu erwarten ist, dass durch den angemeldeten Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung auf folgenden Märkten entstehe oder verstärkt wird:
1. auf dem Spielbankenmarkt Wien/Baden,
2. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Niederösterreich, Burgenland und Wien sowie
3. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Oberösterreich und
4. auf dem Markt für Automatenglücksspiel in Kärnten.
Auf diesen Märkten finden sich durchwegs kombinierte Marktanteile der Zusammenschlussparteien in der Bandbreite von 68% bis 100%. Bei der Gesamtbeurteilung des Zusammenschlussvorhabens ist zudem zu berücksichtigen, dass die CASAG im Bereich des Online-Glücksspiels und im Bereich des Vertriebs von Glücksspielangeboten über die Trafiken quasi über ein Monopol verfügt und somit durch den Zusammenschluss in weiteren Bereichen der Randwettbewerb abnimmt oder entfällt.
Diese Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen und nachvollziehbaren Gutachten ON 24 und dessen Ergänzung ON 46 samt den mit diesen Schriftstücken vorgelegten unbedenklichen Beilagen und den sonstigen Beweismitteln, auf die sich das Gutachten samt Ergänzung stützen. Weiters findet das Gutachten auch seine Stütze in der Äußerung gemäß § 11 Abs 3 KartG 2005 der Amatic Industries GmbH und der Amatic Entertainments AG, ON 53.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 12 Abs 1 KartG 2005 hat das Kartellgericht dann, wenn die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragt wurde, ….
2. den Zusammenschluss zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird; ….
Gemäß § 4 Abs 1 KartG 2005 ist ein Unternehmer marktbeherrschend, wenn er als Anbieter oder Nachfrager
1. keinem oder nur einem unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder
2. eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.
Gemäß § 4 Abs 2 KartG 2005 trifft einen Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager am gesamten inländischen Markt oder einem anderen örtlich relevanten Markt
1. einen Anteil von mindestens 30% hat oder
2. einen Anteil von mehr als 5% hat und dem Wettbewerb
von höchstens zwei Unternehmen ausgesetzt ist oder
3. einen Anteil von mehr als 5% hat und zu den vier größten Unternehmen auf diesem Markt gehört, die zusammen einen Anteil von mindestens 80% haben,
die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs 1 KartG 2005 nicht vorliegen.
Im vorliegenden Fall liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor, weil die Schwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG 2005 überschritten sind (siehe schon die Zusammenschlussanmeldungen in den Beilagen ./A, S 13). Das angemeldete Vorhaben begründet einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 3 und 5 KartG 2005.
Da die kombinierten Marktanteile im gegenständlichen Zusammenschluss nach den Feststellungen, die für die Untersagung des Zusammenschlusses relevant waren, in einer Bandbreite von 68% bis 100% lagen, ist eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 4 Abs 1 KartG 2005 zu vermuten. Der Beweis des Gegenteils im Sinn des § 4 Abs 2 KartG 2005 wurde von der Antragsgegnerin nicht erbracht.
Gemäß § 12 Abs 3 KartG 2005 kann das Kartellgericht den Ausspruch, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, mit entsprechenden Auflagen verbinden, wenn die Voraussetzungen für eine Nichtuntersagung sonst nicht gegeben sind. Auflagen verpflichten die beteiligten Unternehmen zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen und setzen das Einverständnis der beteiligten Unternehmen voraus. Sie dürfen jedoch nicht in die Rechtsposition Dritter eingreifen.
Die Antragsgegnerin hat zwar Auflagen (ON 58 und ON 68) vorgeschlagen und beharrlich an diesen festgehalten (ON 64 und ON 68). Der Auflagenvorschlag, der in ON 68 vorgelegt wurde, geht auch nicht wesentlich über jenen der ON 58 hinaus.
Eine Überprüfung durch den gerichtlichen Sachverständigen wurde in ON 58 nicht einmal, im Ergebnis jedoch in ON 60 beantragt.
Die Auflagenvorschläge, die als Verpflichtungszusage formuliert sind, sind nach den Vorschlägen der Antragsgegnerin ursprünglich auf 5 Jahre - in ON 68 bis 2027 – befristet. Eine Begründung für diese Befristung blieb die Antragsgegnerin schuldig. Die Vorschläge der Antragsgegnerin sind auch derart „weich“ formuliert, dass sie entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin auch nicht überprüft werden können. Eine Überprüfbarkeit der Verpflichtungszusage hinsichtlich der Spielbanken hat die Antragsgegnerin gar nicht angeboten. Ein Überprüfungsangebot hat die Antragsgegnerin auch nicht hinsichtlich Auflagenvorschläge (VLTs) Pkt 4. ff. gelegt. Das Überprüfungsangebot im Pkt 2. (VLTs) ist trotz der Länge der Verpflichtungszusage unbestimmt („nachweislich, entsprechend, unabhängiges Marktforschungsinstitut …“).
Die von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Auflagen vermochten auch offensichtlich die Amtsparteien nicht zu überzeugen, da sie ansonsten in Form von Verpflichtungszusagen diesen gegenüber abgegeben hätten werden können, worauf die Amtsparteien sodann in der Lage gewesen wären, ihre entsprechenden Prüfungsanträge zurückzuziehen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
In ihrer Stellungnahme ON 60 hat die Bundeswettbewerbsbehörde mit nachvollziehbarer Begründung darauf hingewiesen, dass der Auflagenvorschlag der Antragsgegnerin (ON 58) nicht geeignet ist („in keinster Weise“) zu einer Beseitigung des Untersagungsgrundes nach § 12 Abs 1 Z 2 KartG 2005 zu führen. Ihrer Argumentation hat sich der Sachverständige auch in der Verhandlung ON 68 im wesentlichen angeschlossen. Mit ihrem Schriftsatz vom 19.8.2016, ON 65 (der am Freitag, den 19.8.2016, um 17.44 Uhr per WebERV beim Kartellgericht eingebracht wurde, den Amtsparteien analog § 112 ZPO direkt zugestellt wurde – nicht aber dem SV), beharrt die Antragsgegnerin auf ihrer bisherigen Argumentation und beantragt wiederholend
- den Zusammenschluss gem. § 12 Abs 1 KartG nicht zu untersagen
- in eventu den Zusammenschluss unter den Auflagen (Auflagenvorschlag vom 5.8.2016, ON 58) gemäß § 12 Abs 3 KartG nicht zu untersagen
- in eventu unter modifizierten Auflagen oder Beschränkungen, denen die Antragsgegnerin auf Basis der Erörterung mit dem Kartellgericht und den Amtsparteien unter Mitwirkung des Sachverständigen „zugestimmt hat“ gemäß § 12 Abs 3 KartG nicht zu untersagen.
Der angemeldete Zusammenschluss war deswegen, weil das Gutachten samt Ergänzung und Erörterung zu dem eindeutigen Schluss gekommen ist, dass zu erwarten ist, dass durch den angemeldeten Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung auf den Märkten 1. Spielbankenmarkt Wien/Baden, 2. Automatenglücksspiel in Niederösterreich, Burgenland und Wien sowie 3. Automatenglücksspiel in Oberösterreich und 4. Automatenglücksspiel in Kärnten entsteht oder verstärkt wird, zu untersagen. Dies in seiner Gesamtheit, weil durch den Anteilserwerb und den Erwerb von Kontrolle an der CASAG die einzelnen Vorhaben des Zusammenschlusses nicht voneinander getrennt werden können.
Trotz dem Beharren auf ihren Auflagenvorschlägen ON 58 im Schriftsatz ON 65 konnten die Bedenken am Zusammenschluss i.S.d. § 12 Abs 1 Z 2 KartG 2005 auch durch die Erörterungen in der Verhandlung am 26.8.2016 nicht beseitigt werden. Die Voraussetzungen des § 12 Abs 3 KartG 2005 liegen ebenfalls nicht vor. Auch der gegen Ende der Verhandlung ON 68 vorgelegte Auflagenvorschlag beseitigt die Bedenken beim Zusammenschluss i.S.d. § 12 Abs 1 Z 2 KartG 2005 nicht."