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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 104/13


Bekannt gemacht am:

31.03.2014

Entscheidungsdatum:

15.10.2013


 

Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw Art 81 EG und § 1 KartG, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen mit wesentlichen Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, die von Anfang 2007 bis Anfang 2012 andauerten und den Endkundenvertrieb von Brauereiprodukten betrafen, gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 52.500,- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG in Höhe von EUR 52.500,- und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin einerseits und namhafte Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen andererseits über den Zeitraum von Anfang 2007 bis Anfang 2012 vertikale Preisabstimmungsmaßnahmen durchgeführt hätten. Zwischen der Antragsgegnerin und Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels habe es Preisvereinbarungen betreffend Mindest/Kurant(verkaufs-)preise gegeben. Die Abstimmung der Endverkaufspreise mit dem Lebensmitteleinzelhandel sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Lebensmitteleinzelhandel eine kostenbedingte Erhöhung der Einkaufspreise zum Teil nur dann akzeptiert habe, wenn die Antragsgegnerin ihrerseits den Nachweis erbracht habe, dass andere Einzelhändler ihre Wiederverkaufspreise ebenso kostenbedingt anpassten, womit von der Antragsgegnerin die Preise koordiniert worden seien. Damit habe man sicherstellen wollen, dass Preiserhöhungen linear im Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt würden.

Die vertikalen Preisbindungsvereinbarungen seien dadurch auch horizontal abgesichert worden. Dieses Verhalten der Antragsgegnerin sei als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV (Art 81 EG) und § 1 KartG zu werten. Ein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV liege nicht vor.

Aufgrund der Schwierigkeit, einen „tatbezogenen Umsatz“ zu ermitteln, sei die Antragstellerin im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin von einem Ausgangsbetrag von EUR 50.000,- ausgegangen. Für die Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 50 % vorzunehmen, sodass sich ein Betrag von EUR 75.000,- ergebe. Davon seien Abzüge von insgesamt 30 % vorzunehmen, nämlich ein Nachlass von 10 % für die Kooperation bei der Aufklärung und die Berücksichtigung der Drucksituation, der die Antragsgegnerin von Seiten des Einzelhandels ausgesetzt gewesen sei und ein Nachlass von 20% für die Reduktion des Verfahrensaufwandes durch die Abgabe des Anerkenntnisses. Demgemäß werde ein Bußgeld von EUR 52.500,- beantragt. Die Höhe dieses Betrages werde als ausreichend general- und spezialpräventiv angesehen, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin offenbar bereits Schritte eingeleitet habe, um zukünftige Kartellrechtsverstöße hintanzuhalten.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin gab am 22.5.2013 ein Anerkenntnis mit folgendem Inhalt ab:

Anerkenntnis

Im Bereich des Vertriebs von Bierprodukten hat es von 2007 bis in das Jahr 2012 neben den Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Abstimmungsmaßnahmen betreffend Verkaufspreise zwischen der Rieder Bier und wesentlichen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels gegeben. Im Rahmen dieser vertikalen Preisabstimmungsmaßnahmen wurden zwischen der Rieder Bier und Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Kurantpreise und insbesondere Aktionspreise des Lebensmittelhandels abgestimmt.

Rieder Bier nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AUEV bzw § 1 KartG zu werten ist und kein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 AEUV (3) bzw § 2 KartG dafür vorliegt. In diesem Zusammenhang hat die Rieder Bier ihre Verkaufsmitarbeiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich zukünftig an derartigen vertikalen Abstimmungen nicht beteiligen dürfen und entsprechende interne Leitlinien verfasst. Zudem wurden die zuständigen Verkaufsmitarbeiter geschult, wie sie sich rechtskonform zu verhalten haben. Schließlich deuten die von der BWB sichergestellten Unterlagen darauf hin, dass Rieder Bier mittlerweile kartellrechtliche Beratung in Anspruch genommen hat, und dass dies zu einer Änderung des inkriminierten Verhaltens hin zur Kartellrechtskonformität geführt hat.“

Mit Schriftsatz vom 18.9.2013 verwies die Antragsgegnerin auf das abgegebene Anerkenntnis Beilage ./A und gab ihr Einverständnis mit der Seitens der Bundeswettbewerbsbehörde vorgenommenen Bußgeldberechnung bekannt.


 

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr 1/2003 haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, Art 101 AEUV parallel zum nationalen Wettbewerbsrecht anzuwenden. Gem Art 101 Abs 1 AEUV sind mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen und abgestimmte Verhaltensweisen, welche geeignet sind den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb der gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

Bei den von der Antragsgegnerin ausdrücklich zugestandenen vertikalen Preisabstimmungen mit Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels handelte es sich um iSd Art 101 AEUV (Art 81 EG) bzw § 1 KartG unzulässige Verhaltensweisen, die jedenfalls objektiv geeignet waren, in die Bestimmung der Preise der Händler einzugreifen und den Wettbewerb für die Produkte in den betroffenen Produktgruppen zu beschränken. Sie bezweckten daher eine Wettbewerbsbeschränkung und stellten somit einen Kernverstoß gegen Art 101 AEUV und gegen das Kartellverbot des § 1 KartG dar.

Rechtfertigungsgründe dafür liegen nicht vor; solche wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Die Bemessung der Höhe der verhängten Geldbuße beruht auf dem von der Antragsgegnerin ausdrücklich nicht bestrittenen Antrag der Antragstellerin, über den das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 KartG nicht hinausgehen darf.

Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe iSd § 30 Abs 3 KartG, nämlich den wesentlichen Beitrag der Antragsgegnerin zur Aufklärung des Sachverhalts, die erhebliche Reduktion des Verfahrensaufwands durch das Anerkenntnis sowie den Umstand, dass die Antragsgegnerin als Lieferantin infolge der starken Marktkonzentration auf der Abnehmerseite einem erheblichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt ist, ausreichend berücksichtigt. Erschwerungsgründe sind ebenso wenig ersichtlich wie sonstige Milderungsgründe.


Ausdruck vom: 29.03.2024 14:19:48 MEZ