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Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 8/19g


Bekannt gemacht am:

03.05.2022

Entscheidungsdatum:

22.07.2021


Der Antragsgegnerin wird aufgetragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung, der darin besteht, dass sie

1. der Erstantragstellerin auf das Entgelt für die Beförderung von persönlich adressierten Massendrucksachen („Info.Mail“) bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte oder geringere Jahresboni gewährt, und

4. die mit Großkunden vereinbarten Rabattstaffeln und Rabattsätze (Jahresboni) für Info.Mail einer Geheimhaltungsverpflichtung unterwirft,

binnen einem Monat ab Rechtskraft abzustellen.

Der Antrag des Inhalts, der Antragsgegnerin möge aufgetragen werden, es zu unterlassen,

7. den der Erstantragstellerin für die End-to-End-Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio gewährten Vorleistungsrabatt zu kürzen; in eventu

der Erstantragstellerin für die End-to-End-Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio niedrigere Rabatte zu gewähren als für Päckchen Small Eco und für Päckchen Small Prio im Vertrag vom 14.11.2019 vereinbart wurde,

wird abgewiesen.

Begründung:

I. Unstrittiger Sachverhalt:

Die Erstantragstellerin mit Sitz in 1210 Wien ist eine Tochtergesellschaft der DPI Holding GmbH mit Sitz in 1210 Wien (FN 369163m). Unternehmensgegenstand der Erstantragstellerin sind Vor- und Konsolidierungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Zustellung von Briefen sowie persönlich adressierten Massendrucksachen für Großkunden (so etwa Energieversorger, Telekommunikationsunternehmen, Großhandel ua) an deren Endkunden. Unter Konsolidierungsdienstleistungen wird vor allem das Avisieren, Prüfen der Maschinenfähigkeit, Vorsortieren und zeitgerechte Aufliefern von persönlich adressierten Postsendungen in einem Verteilzentrum der Antragsgegnerin verstanden. Damit ist eine Optimierung der Versandkosten der jeweiligen Absender, aber auch der Verarbeitungskosten der Antragsgegnerin verbunden. Für Druck und Kuvertierung bedient sich die Erstantragstellerin externer Dienstleister wie der Zweit-, Dritt- und Viertantragstellerin.

Primärer Unternehmensgegenstand der Zweit-, Dritt- und Viertantragstellerinnen ist somit die Aufbereitung, der Druck, die Kuvertierung sowie die Bereitstellung der Sendungen/Mailings für die terrestrische Zustellung der Antragsgegnerin. Die Drittantragstellerin bietet darüber hinaus den Briefversand ins Ausland an. Die Viertantragstellerin ist mit der Erstantragstellerin konzernmäßig verbunden, da beide Tochtergesellschaften der DPI Holding GmbH sind.

Die Antragsgegnerin steht zu 52,85% im Eigentum der Österreichischen Beteiligungs AG, deren Alleinaktionär die Republik Österreich ist. 47,15% der Anteile an der Antragsgegnerin befinden sich in privatem und institutionellem Streubesitz. Sie wurde gemäß § 1 des Poststrukturgesetzes (BGBl Nr. 201/1996) zur Besorgung der ehemals der staatlichen Post- und Telegraphenverwaltung vorbehaltenen Aufgaben errichtet und ist gemäß § 12 Abs 1 Postmarktgesetz (BGBl I Nr. 123/2009 - PMG) Universaldienstbetreiber. Der Universaldienst ist gemäß § 6 PMG ein Mindestangebot an Postdiensten, die allgemein zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung als notwendig angesehen werden, flächendeckend im Bundesgebiet angeboten werden und zu denen alle Nutzerinnen und Nutzer zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben. Dabei umfasst der Universaldienst die Abholung, Sortierung, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2kg und Postpaketen bis 10kg sowie die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen. Nach § 6 Abs 3 PMG werden die den Leistungen des Universaldiensts zugrundeliegenden Verträge durch die Aufgabe in Postbriefkästen oder durch die Übergabe der Postsendungen an einen anderen Zugangspunkt abgeschlossen. Da nach § 3 Z 6 PMG Verteilerzentren keine Zugangspunkte iSd § 6 Abs 3 PMG sind, liegt kein Universaldienst vor, wenn Post – wie im vorliegenden Fall – bei einem Verteilerzentrum oder Hauspostamt eingeliefert wird. Die in § 21 PMG normierte Nichtdiskriminierung beim Entgelt für Postdienstleistungen gilt nur für den Universaldienst.

Nur die Antragsgegnerin verfügt über ein bundesweit flächendeckendes Zustellsystem für Briefe und Info.Mail.

Die Antragsgegnerin ist über ihren 70%-Anteil an der Post 102 Beteiligungs GmbH (FN 376985s) Gesellschafterin der D2D - direct to document GmbH (FN 310867h). Letztere ist unmittelbare Wettbewerberin der Antragstellerinnen.

Weiters ist die Antragsgegnerin Alleingesellschafterin der feibra GmbH (FN 101096x), die im Bereich Werbemittelverbreitung und Konsolidierung tätig ist und damit unmittelbare Wettbewerberin der Erstantragstellerin ist.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Produktkategorien Brief, Info.Mail und – nach einer Ausdehnung des Antrags mit Schriftsatz vom 1.2.2021, ON 56 - Päckchen Small Prio und Eco.

Dieser Sachverhalt ist nicht strittig.


 

II. Anträge:

Die Antragstellerinnen begehrten mit ihrem am 5.6.2019 eingebrachten Antrag, erweitert und präzisiert in der Tagsatzung vom 26.11.2019 (ON 14 S 3), die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin, der darin bestehe, dass die Antragsgegnerin

1. den Antragstellerinnen für die End-to-End-Beförderung von Briefen oder persönlich adressierten Massendrucksachen bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte, bzw. geringere Jahresboni gewähre,

2. anderen Großkunden bei gleicher Jahresmenge zusätzlich zu den Jahresboni Sofortrabatte einräume,

3. den Antragstellerinnen für die Erbringung von Teilleistungen (Sortieren von Briefen oder persönlich adressierten Massendrucksachen für die einzelnen Verteilzentren, Weitertransport der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen zu den jeweiligen Zustellpostämtern, Zustellung der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen an die Empfänger) Tarife und Rabatte (Boni) in der gleichen Höhe verrechne bzw. gewähre wie anderen Großkunden für die Durchführung der kompletten End-to-End-Beförderung von Briefen und persönlich adressierten Massendrucksachen,

4. die mit Großkunden vereinbarten Rabattstaffeln und Rabattsätze (Jahresboni) einer Geheimhaltungsverpflichtung unterwerfe und

5. Geschäftskunden die Möglichkeit einräume (insbesondere durch die Wahl des Auflieferortes) frei auszusuchen, ob sie Umsatzsteuer bezahle oder nicht.

Darüber hinaus stellten sie das Eventualbegehren auf Feststellung, dass die Antragsgegnerin dadurch, dass sie als den sachlich und räumlich relevanten Markt für die bundesweit flächendeckende End-to-End-Beförderung von Briefen und persönlich adressierten Massendrucksachen beherrschendes Unternehmen die Antragstellerinnen, insbesondere die Erstantragstellerin dadurch benachteiligt habe, dass sie den Antragstellerinnen, insbesondere der Erstantragstellerin, für die End-to-End-Beförderung von Briefen oder persönlich adressierten Massendrucksachen bei gleicher Jahresmenge gegenüber anderen Großkunden eingeschränkte Rabattstaffeln, geringere Rabatte bzw. geringere Jahresboni gewährt habe,

bzw. anderen Großkunden bei gleicher Jahresmenge zusätzlich zu den Jahresboni Sofortrabatte eingeräumt habe,

bzw. dadurch, dass sie für Teilleistungen im Rahmen der End-to-End-Beförderung von Briefen und persönlich adressierten Massendrucksachen der Erstantragstellerin die gleichen Entgelte verrechnet habe wie anderen Großkunden, für die (wesentlich umfangreichere) gesamte End-to-End-Beförderung, ihre beherrschende Stellung iSv § 5 Abs 1 KartG bzw. § 5 Abs 1 Z 3 KartG missbraucht habe.

Mit Schriftsatz vom 1.2.2021 (ON 56) dehnten die Antragstellerinnen ihren Abstellungsantrag wie folgt aus: Das Kartellgericht möge den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin, der darin bestehe, dass sie

6. der Erstantragstellerin für die Erbringung von Teilleistungen (Sortieren von Briefen oder persönlich adressierten Massendrucksachen für die einzelnen Verteilzentren, Weitertransport der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen zu den jeweiligen Zustellpostämtern, Zustellung der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen an die Empfänger, usw) Tarife und Rabatte (Boni) in einer derart geringen Höhe verrechne bzw gewähre, dass kein angemessener Gewinn ermöglicht werde; in eventu:

der Erstantragstellerin für die Erbringung von Teilleistungen (Sortieren von Briefen oder persönlich adressierten Massendrucksachen für die einzelnen Verteilzentren, Weitertransport der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen zu den jeweiligen Zustellpostämtern, Zustellung der Briefe und persönlich adressierten Massendrucksachen an die Empfänger, usw) Tarife und Rabatte (Boni) zu fordern / gewähren, die höher seien als ein vom Kartellgericht zu bestimmendes angemessenes Entgelt;

7. der Erstantragstellerin für die End-to-End-Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio den Vorleistungsrabatt kürze; in eventu:

der Erstantragstellerin für die End-to-End-Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio niedrigere Rabatte gewähre, als für Päckchen Small Eco und für Päckchen Small Prio im Vertrag vom 14.11.2019 vereinbart worden seien,

abstellen.

Der bisherige Abstellungsantrag wurde wieder wie im Antrag ON 1 auf die Erstantragstellerin eingeschränkt (ON 56 S 12).


 

Zur besseren Gliederung des Prozessstoffes und zur übersichtlicheren Verfahrensführung wird – insbesondere auch im Hinblick auf den bevorstehenden Richterwechsel - mit dem vorliegenden Teilbeschluss über jene Punkte der Anträge abgesprochen, die bereits entscheidungsreif sind.


 

III. Vorbringen:

Die Antragstellerinnen brachten im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin im Geschäftsbereich Info.Mail für die Zustellung persönlich adressierter Massendrucksachen mit Großkunden in der Regel Jahresverträge abschließe, in denen diesen Kunden von der Antragsgegnerin auf den feststehenden Tarif für die Zustellung ein Rabatt zugesagt werde, dessen Höhe von der Jahresmenge der zuzustellenden Massendrucksachen abhänge und der somit ein reiner Mengenrabatt sei. Dabei gebe es bei der Antragsgegnerin im Info.Mail-Geschäftsbereich aber kein offenes, transparentes und für jedermann geltendes Rabattsystem. Vielmehr biete die Antragsgegnerin ihren Kunden für gleichwertige Leistungen Rabatte in unterschiedlicher Höhe und benachteilige vor allem Dienstleister, also Druckereien und Konsolidierer, gezielt. So erhielten Direktkunden der Antragsgegnerin für Info.Mail-Sendungen zusätzlich zu den Jahresbonusrabatten Sofortrabatte bis zu 20% für „Neu-Geschäfte“. Dabei würden diese Rabatte oft unrichtig unter dem Titel „Neukundengeschäft“ ausgewiesen, obwohl kein Neukundengeschäft vorliege.

Die im Mai 2015 gegründete Erstantragstellerin sei im Produktumfeld Vordienstleistungen für gewerbliche Brief- und Info.Mail-Versender der einzige Dienstleister, da dieses Geschäftsmodell durch zu geringe Vergütungen für Vordienstleistungen sowie Streichung und Kürzung von Mengenbonifikationen nicht lukrativ sei. Die Erstantragstellerin arbeite höchst effizient. So beschäftige sie nur eine Person geringfügig und den Geschäftsführer über Werkvertrag, der für die gesamte operative Tätigkeit verantwortlich sei. Die Vordienstleistungen würden in Innenabstimmung mit den Zweit- bis Viertantragstellerinnen als Schwester- und Partnerdruckereien erbracht. Vom Verhalten der Antragsgegnerin seien auch alle anderen Dienstleister betroffen.

Die Zweit-, Dritt- und Viertantragstellerinnen hätten ihr Postvolumen und das ihrer Kunden gebündelt und über den Postvertrag der Erstantragstellerin aufgeliefert, da nur auf diesem Weg Rabatte erzielt werden hätten können. Eine Benachteiligung der Zweit-, Dritt- und Viertantragstellerinnen liege somit auf der Hand. Überdies bevorzuge die Antragsgegnerin vor allem im Druckbereich eigene Tochtergesellschaften und sehe für Dienstleister schlechtere Rabattstaffeln vor als für andere Unternehmen. Aus diesen Gründen werde der Vorteil der Zweit-, Dritt- und Viertantragstellerin eines kosteneffizienten Drucks aufgehoben, sodass diese keine Neukunden akquirieren könnten.

Nach dem Markteintritt der Erstantragstellerin in den Markt für Post-Konsolidierungsdienstleistungen im Mai 2015 habe die Antragsgegnerin Maßnahmen ergriffen, um die Erstantragstellerin gezielt zu behindern. So habe sie die Rabattstaffeln für die Erstantragstellerin im Vergleich zu den zuvor der Viertantragstellerin gewährten Jahresbonifikationen zu Ungunsten der Erstantragstellerin massiv gesenkt. Andere Großkunden der Antragsgegnerin hätten hingegen für den gleichen Jahresumsatz deutlich höhere Jahresboni erhalten. Dies betreffe insbesondere die für Konsolidierer typischen höheren Jahresumsätze. Die Erstantragstellerin werde im Vergleich zu anderen Großkunden der Antragsgegnerin, die selbst (intern) versendeten, durch nachteilige Rabattstaffeln massiv benachteiligt. Auch würden potenzielle Kunden der Erstantragstellerin von der Antragsgegnerin in der Weise abgezogen, als ihnen von der Antragsgegnerin zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Jahresbonus ein Extrabonus angeboten werde. Überdies gewähre die Antragsgegnerin im Bereich Brief und Info.Mail ausgewählten Kunden höhere Rabattstaffeln und schließe mit diesen intransparente Sondervereinbarungen ab, die einer Geheimhaltungsklausel unterlägen. Dies betreffe etwa die Kunden A*****, L*****, W*****, D*****, M***** und B*****. Der Ö***** habe 2015 sogar einen Sofortrabatt von 45% auf Info.Mails erhalten. Derartige Konditionen seien für externe Dienstleister oder Konsolidierer wie die Erstantragstellerin denkunmöglich und könnten von dieser nie angeboten werden. Anderen größeren Kunden der Antragsgegnerin würden im Wege von Nebenvereinbarungen zum Info.Mail-Vertrag wesentlich bessere Konditionen garantiert, so etwa den Kunden S*****, R***** und U*****. Branchenmanager der Antragsgegnerin könnten sogenannte „Rabatt-Reserven“ von 0,8% bis 1,5% vom Umsatz zusätzlich zu den vereinbarten Rabattsätzen „freihändig“ an Kunden weitergeben, um diese zum Vertragsabschluss zu bewegen und einen Abschluss bei der Erstantragstellerin nicht lukrativ zu machen. Der Antragstellerin werde eine solche Rabattreserve nicht gewährt.

Die FEIBRA GmbH sei eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin und erbringe als direkte Wettbewerberin der Erstantragstellerin Konsolidierungsleistungen. Sie zahle zwar zunächst die regulären Zustellungstarife an die Antragsgegnerin, erhalte aber 6 bis 8 mal jährlich eine Gutschrift von der Antragsgegnerin und habe daher einen deutlich kostengünstigeren Zugang zu den Teilleistungen der Antragsgegnerin.

Der K***** habe die Antragsgegnerin eine Rahmenvereinbarung mit besseren Konditionen angeboten, nachdem die Erstantragstellerin der K***** ein Angebot zur Auflieferung von Brief- und Info.Mail-Sendungen übermittelt habe. Daher sei die Erstantragstellerin nicht zum Zug gekommen.

Der Antragsgegnerin komme als ehemalige Monopolistin für Postdienstleistungen und Universaldienstbetreiber in weiten Teilen des österreichischen Postsektors, so auch auf dem Markt für die End-to-End-Beförderung von Briefen und persönlich adressierten Massendrucksachen und auf den Markt für Teilleistungen in Form von Sortierung, Verteilung und Zustellung an die Empfänger im Rahmen der end-to-end-Beförderung von Briefen und persönlich adressierten Massendrucksachen eine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 1 Z 1 und 2 sowie § 4 Abs 3 KartG zu. Hinsichtlich der Produktsegmente Brief und Info.Mail sei es ihr nämlich seit der Veröffentlichung der letzten Postrahmenrichtlinie 2008 und deren Umsetzung ins österreichische Recht gelungen, ihre marktbeherrschende Stellung auf 100% des Marktes auszubauen. Damit gehe die Abschottung des österreichischen Briefmarkts gegen in- und ausländische Wettbewerber einher.

Konsolidierer wie die Erstantragstellerin könnten ihre Leistung erst erbringen, wenn sie auf Leistungen der Antragsgegnerin zugreifen können. Die Antragstellerinnen seien daher als Kunden der Antragsgegnerin zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Leistungen der Antragsgegnerin angewiesen. Ihnen komme ein Rechtsanspruch auf die Einräumung der gleichen Rabatte, wie sie selbst einliefernden Massenversendern gewährt würden, zu. Dieser werde den Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin jedoch kartellrechtswidrig verweigert. Es liege der Fall einer Preis-Kosten-Schere (margin squeeze) vor, da die Antragsgegnerin auf Kosten ihrer eigenen Marge die Konditionen für Großkunden niedriger ansetze als die der Erstantragstellerin angebotenen Konditionen. Die Erstantragstellerin könne dadurch mit der Antragsgegnerin am Endverbrauchermarkt preislich nur konkurrieren, wenn sie Verluste in Kauf nehme. Dabei seien die Teilleistungen der Antragsgegnerin für das Angebot des Endprodukts unentbehrlich. Die von der Antragsgegnerin praktizierte Preis-Kosten-Schere behindere den Wettbewerb auf dem End-to-End-Beförderungsmarkt für Briefe und persönlich adressierte Massendrucksachen und verstoße gegen § 5 Abs 1 Z 3 KartG und Art 102 AEUV.

Die von der Antragsgegnerin mit Großkunden für Brief- und Info-Mail-Dienste abgeschlossenen Vereinbarungen enthielten eine Geheimhaltungsklausel, die auch Preise, Rabatte und Jahresbonifikationen umfasse. Bei Weitergabe von Daten an Dritte werde den Kunden der Antragsgegnerin die Kündigung des Vertrages angedroht. Dadurch würden Kunden der Antragsgegnerin von einer Offenlegung der Konditionen gegenüber Dritten abgehalten. Die Geheimhaltungsklausel bewirke oder begünstige eine Marktabschottung zu Gunsten der Antragsgegnerin. Sie verhindere einen Marktvergleich und werde von der Antragsgegnerin verwendet, um unterschiedliche, für sie günstige Verträge am Markt zu positionieren. Eine Transparenz der Portobezugskonditionen der Antragsgegnerin würde die dauerhafte Existenz eines vorgelagerten Marktes ermöglichen oder begünstigen. Überdies sei die Antragsgegnerin am relevanten Markt der Zustellung adressierter Sendungen keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt. Daher stelle die Geheimhaltungsverpflichtung selbst einen Behinderungsmissbrauch iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG dar und begünstige die Preis-Kosten-Schere.

Massenversender und Konsolidierer seien auf unterschiedlichen Märkten tätig, da Massenversender keine Postdienstleistungen für Dritte anböten, sondern die teilleistungsrelevanten Eigenleistungen im eigenen Unternehmen erbrächten oder sich diese Dienste von Dritten beschafften. Massenversender bildeten für die Dienstleistungen der Konsolidierer wenigstens potenziell eine Abnehmergruppe. Daher liege zwischen den Konsolidierern und den Massenversendern die für die Preis-Kosten-Schere notwendige vertikale Verkäufer-Käufer-Beziehung vor. Die Konsolidierer befänden sich mit der Antragsgegnerin um diese Abnehmergruppe in einem End-to-End-Wettbewerb.

In weiterer Folge brachten die Antragstellerinnen jedoch vor, dass sich Endkunden und Konsolidierer/Druckdienstleister auf der gleichen Marktstufe befänden. Letztere würden unmittelbar für den Endkunden tätig. Der Endkunde bediene sich des Konsolidierers, um die von diesem erbrachte Tätigkeit auszulagern, anstatt sie unmittelbar selbst zu erbringen. Endkunden, Druckdienstleister und Konsolidierer nützten damit idente Teilleistungen der Antragsgegnerin. Konsolidierer oder Druckdienstleister, die im Auftrag von Großkunden auflieferten, bezögen bei der Antragsgegnerin exakt die gleichen Teilleistungen wie die Großkunden selbst. Da durch die Vorarbeit von Konsolidierern bei der Antragsgegnerin ein geringerer administrativer Aufwand anfalle, sollten die Rabatte an Konsolidierer eigentlich höher ausfallen als jene für Großkunden als Endkunden. Die Antragsgegnerin bevorzuge jedoch Großkunden zu Lasten der Konsolidierer und Druckdienstleister. Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich des ausgedehnten Abstellungsantrages brachten die Antragstellerinnen im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin biete neben den Produkten Brief und Info.Mail auch das Produkt Päckchen National (Österreich) in den Größen Small und Medium sowie den Zustellungsgeschwindigkeiten Eco und Prio an. Die Definition dieser Produkte durch die Antragsgegnerin erfolge über Abmessungen und Gewicht, wobei Päckchen Small maximale Abmessungen von 353mm Länge, 250mm Breite und 30mm Höhe, somit C4-Kuverts für ungefaltete A4-Blätter umfasse. Bei geringeren Abmessungen, etwa C5 oder C6-Kuverts, oder Überschreitung der Gewichtsgrenze des Produkts Brief von 75g liege auch ein Päckchen Small vor. Die Gewichtsobergrenze für Päckchen Small Prio liege bei 2kg. Päckchen Small seien Brief- und keine Warensendungen und beinhalteten Rechnungen, Mahnungen, Kontoauszüge ua. Die Antragsgegnerin habe dieses Produkt früher auch „Maxi-Brief“ genannt und erst ab 2017 eine Umbenennung in Päckchen Small vorgenommen. Die Antragsgegnerin sei Marktbeherrscherin für den Markt für Briefsendungen und damit auch für Päckchen Small, da sie bei Briefen bis 2kg als alleiniger Anbieter am österreichischen Markt auftrete und es keine Drittanbieter gebe. Ein eigener Markt für „Päckchen“ existiere nicht.

Den Endkunden werde von der Antragsgegnerin seit 1.4.2020 für Päckchen Small Prio EUR 2,75 und für Päckchen Small Eco EUR 2,55 (umsatzsteuerfrei im Rahmen des Universaldienstes) verrechnet. Diese Produkte hätten einen Aufschlag von mehr als 100% und trügen mehr als 70% zum Gewinn der Antragsgegnerin bei.

Die Erstantragstellerin als Konsolidierer biete ihren Kunden an, deren Postsendungen, damit auch Päckchen National Small, bei der Antragsgegnerin aufzuliefern. Dabei „lebe“ sie von dem ihr von der Antragsgegnerin gewährten Vorleistungsrabatt, sofern sie einen Mindestumsatz von EUR 10.000,-- mit den Produkten Päckchen Prio Small und Medium gemeinsam erziele und bestimmte Vorleistungen erbringe. Diese Vorleistungen seien vertraglich geregelt und umfassten eine Vielzahl von sehr kostenintensiven Leistungen wie Freimachung, 100% Maschinenfähigkeit, Auflieferung an bestimmte Auflieferorte, Aufbereitung über eine lizenzierte Software mit der Zusatzleistung Sendungsverfolgung, elektronisches Aviso, Sortierung, Verwendung von Behältern, Einhaltung der Regel für die Sortierung innerhalb der Behälter etc.

Da die Erstantragstellerin den Höchstumsatz von 35.000 Stück (gemeint wohl: EUR 35.000,--) erzielt und die Vorleistungen erbracht habe, habe sie auf Basis des Vertrages vom 14.11.2019 für Eco Päckchen im Jahr 2020 mit einem Rabatt von 10% aufliefern können. Hingegen sehe der Vertrag Eco Päckchen vom 26.11.2020 für das Jahr 2021 bei gleichem Umsatz eine Maximalrabattierung von 8% vor. Dies stelle eine Entgeltreduktion bei Päckchen Eco von 20% dar, die nicht nur die Antragstellerinnen, sondern alle Vertragspartner treffe.

Der Vertrag für Päckchen Prio für das Jahr 2020 vom 14.11.2019 habe keinen Rabatt vorgesehen, sondern einen Preis von EUR 2,50 für den Fall der Erreichung eines Mindestumsatzes von EUR 10.000,-- durch die Erstantragstellerin und Erbringung der definierten Vorleistungen. Gemessen am Endkundenverkaufspreis von EUR 2,75 habe dies einen Vorteil von EUR 0,25 dargestellt und einem Rabatt von 9,1% entsprochen. Der Vertrag für Päckchen Prio vom 15.1.2021 für das Jahr 2021 sehe bei einem Umsatz von 35.000 Stück (gemeint wohl: EUR 35.000,--) eine Maximalrabattierung von 8% vor. Dies stelle eine Entgeltreduktion bei Päckchen Prio von 12% dar, die nicht nur die Antragstellerinnen, sondern alle Vertragspartner treffe. Im Hinblick auf die von der Erstantragstellerin im Jahr 2020 für beide Päckchen-Produkte erzielten Umsätze von insgesamt [EUR 400.000,-- bis 600.000,--] würde dies für die Erstantragstellerin bei der Annahme eines ähnlichen Umsatzes für 2021 eine Reduktion des Vorleistungsentgelts zwischen [EUR 6.000,-- und EUR 11.000,--] bei gleicher Menge und gleicher Leistung bedeuten.

Dabei handle es sich um eine einseitige, unangekündigte, willkürliche und ohne kausale Begründung erfolgte, somit missbräuchliche Entgeltkürzung, da der Reduktion des Vorleistungsrabatts keine Verringerung der von der Erstantragstellerin zu erbringenden Leistung entgegenstehe. Vielmehr bewirke die Entgeltreduktion ausschließlich eine Gewinnerhöhung bei der Antragsgegnerin zu Lasten sämtlicher Dienstleister, nicht nur der Antragstellerinnen. Wenn die Erstantragstellerin die Reduktion des Rabattes an ihre Endkunden in Form einer Preiserhöhung weiter gäbe, würden diese mehr als den Endkundenverkaufspreis der Antragsgegnerin von EUR 2,75 bezahlen. Dies würde zwangsläufig zum Verlust der Kunden führen.

Da der Vertrag für 2021 wie schon zuvor nicht verhandelbar gewesen sei, stelle das Vorgehen der Antragsgegnerin für die Erstantragstellerin eine sachlich nicht gerechtfertigte Willkür und damit ein Diktat von Preisen/Geschäftsbedingungen iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG dar.

Überdies habe die Antragsgegnerin der Erstantragstellerin die Vereinbarung Eco Business Brief National erstmals am 18.12.2020 übermittelt, obwohl Vertragsbeginn am 1.1.2021 gewesen sei. Vergleichbares gelte für die Verträge für das Produkt Päckchen. Der Erstantragstellerin sei somit keine angemessene Reaktionszeit zur Verfügung gestanden. Änderungen in der Verarbeitung und in Subkunden-Verträgen seien für die Erstantragstellerin mit dieser Vorlaufzeit nicht durchführbar gewesen. Die Versendung eines Vertrages einen Monat vor Vertragsbeginn könne sich nur ein quasimonopolistischer Marktbeherrscher wie die Antragsgegnerin erlauben.

Die Antragsgegnerin transportiere Briefe, Info.Mail und Päckchen für Endkunden vom Absender zum Empfänger (End-to-End-Beförderung) und sei Marktbeherrscherin auf diesen Märkten. Ihre Leistungen umfassten die Annahme des Poststückes vom Absender bis hin zur Übergabe an den Empfänger. Die Gegenleistung des Endkunden sei das Porto bzw. Info.Mail-Entgelt. Die mit der End-to-End-Beförderung verbundenen Leistungen der Antragsgegnerin, wie Überprüfung der Empfängeranschrift, Sortierung nach Maß oder Gewicht sowie der Empfängeranschrift im Behälter sowie weitere Sortierung innerhalb der Behälter, die Einspielung in eine Software für den Fall der gewünschten Sendungsverfolgung und die Trennung von nicht bescheinigten Sendungen von solchen mit Sendungsverfolgung verursachten bei der Antragsgegnerin Sach- und Personalaufwand. Konsolidierer als Teil der End-to-End-Beförderungskette erbrächten entsprechend der mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Verträge bestimmte Vorleistungen. Diese müsste die Antragsgegnerin erbringen, wenn der Endkunde selbst einliefere. Nach Erbringung dieser Leistungen und Erreichung einer gewissen Umsatz- und/oder Mengengrenze erhielten die Antragstellerinnen als Vorleistungsrabatt einen Nachlass auf das Porto. Die von der Antragsgegnerin für die Vorleistungen der Antragstellerinnen gewährten Preise seien nicht marktgerecht und unangemessen, da die Gestehungskosten nicht gedeckt und kein angemessener Gewinn möglich sei. Dieses systematische Vorgehen der Antragsgegnerin sei darauf ausgerichtet, die Antragstellerinnen, insbesondere die Erstantragstellerin, vom Markt zu verdrängen. Damit wolle sie einerseits deren Eintritt als unabhängiger Zusteller auf dem Postmarkt verhindern und andererseits den Wettbewerb ihrer Tochter, der D2D-direct to document GmbH, fördern. Die Antragsgegnerin habe seit 2014 die Vorleistungsrabatte systematisch reduziert, obwohl die Leistungsverpflichtungen für die Antragstellerinnen erhöht worden seien.

Die Antragstellerinnen müssten ihre gesamte Produktion auf die Erfüllung der Voraussetzungen der Antragsgegnerin für den Erhalt der Vorleistungsrabatte ausrichten. Sie könnten am freien Markt erheblich effizienter produzieren und Kosten einsparen.

In den räumlichen Vergleichsmärkten Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Rumänien, Norwegen, Schweden und Belgien würden zumindest 100% höhere Rabatte gewährt als dies die Antragsgegnerin tue. Somit entspreche das von der Antragsgegnerin gewährte Vorleistungsentgelt in Österreich nicht annähernd den von den Antragstellerinnen erbrachten Leistungen. Durch ein SV-Gutachten für Wettbewerbsökonomie sei zu prüfen, ob die von der Antragsgegnerin gewährten Vorleistungsentgelte denjenigen Kosten Rechnung trügen, die sich die Antragsgegnerin durch die Vorleistungen der Antragstellerinnen erspare.

Der Missbrauch dauere nach wie vor an. Für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens werde eventualiter ein Feststellungsantrag gestellt. Den Antragstellerinnen sei durch die Ungleichbehandlung durch die Antragsgegnerin und den damit verbundenen Entfall der Jahresboni ab 2018 ebenso ein Schaden entstanden wie aus der Vergabe unterschiedlicher Verträge am Markt in den Jahren 2016 und 2017. Ihnen komme daher ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zu.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung der Anträge und wendete im Wesentlichen ein, die begehrte Abstellung müsse schon daran scheitern, dass von den Antragstellerinnen kein noch andauernder Verstoß behauptet werde. Die Antragstellerinnen vermischten die behaupteten Missbrauchstypen der Margenbeschneidung, des Behinderungsmissbrauchs durch Geheimhaltungsklauseln und der Diskriminierung.

Die Antragstellerinnen könnten eine angebliche marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin weder behaupten noch beweisen, da sie kein entsprechendes Vorbringen erstattet hätten. Die Antragsgegnerin sei auf dem Markt für die Zustellung adressierter Werbesendungen in den letzten Jahren zunehmendem Wettbewerb ausgesetzt, vor allem durch E-Mail-Werbung und Werbung über Online-Plattformen. Auch könne die Antragsgegnerin nicht auf staatliche Mittel zurückgreifen. Als Universaldienstbetreiberin unterliege die Antragsgegnerin zahlreichen Bestimmungen, die ihre unternehmerische Freiheit einschränkten, so etwa die flächendeckende Grundversorgung mit einem Mindestangebot an Postdiensten. Die Antragsgegnerin könne ihre Tätigkeit daher nicht auf profitable Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte beschränken, sondern müsse ein flächendeckendes Zustellsystem betreiben. Darüber hinaus habe es 2019 über 40 Unternehmen als Postdienstleister gegeben. Da die Antragsgegnerin im Bereich der Abholung und Sortierung von Werbesendungen außerdem mit zahlreichen Konsolidierern im Wettbewerb stehe, werde ihre Marktposition zunehmend geschwächt.

Das Vorbringen der Antragstellerinnen sei insofern auch unschlüssig, als sie einerseits die vertikale Beziehung zwischen Konsolidierern einerseits und Endkunden andererseits vorbrächten, andererseits jedoch davon ausgingen, dass Endkunden und Konsolidierer auf der selben Marktstufe stünden. Eine Erklärung für diesen Widerspruch lieferten die Antragstellerinnen nicht.

Eine unzulässige Diskriminierung iSd § 5 Abs 1 Z 3 KartG liege nicht vor. Konsolidierer und Großkunden der Antragsgegnerin seien auf unterschiedlichen Marktstufen tätig, da Großkunden Endkunden der Antragsgegnerin seien, während Konsolidierer lediglich Teilleistungen von der Antragsgegnerin bezögen, um ihrerseits Leistungen an Endkunden anbieten zu können. Mengenrabatte dienten dazu, die Nachfrage nach Postdienstleistungen zu erhöhen. Dazu seien aber nur die Absender selbst in der Lage. Die Tätigkeit der Konsolidierer, die im Wesentlichen in der Übergabe zuvor bei Absendern eingesammelter Post bestehe, könne nicht zur Erhöhung des Postaufkommens beitragen. Dies sei vom EuGH im Urteil vom 6.3.2008, Deutsche Post, ausgesprochen worden. Das Diskriminierungsverbot beziehe sich nur auf Unternehmen auf der selben Wirtschaftsstufe. Sollte es in einzelnen Fällen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung einzelner Kunden im Vergleich zu den Antragstellerinnen gekommen sein, so sei dies auf die Ausschöpfung des geringfügigen Verhandlungsspielraums der Antragsgegnerin, der zulässig und kartellrechtlich nicht zu beanstanden sei, zurückzuführen. Da selbst für einen Marktbeherrscher kein allgemeiner Kontrahierungszwang bestehe, muss ein solcher Spielraum im Fall einer weit weniger gravierenden Anwendung unterschiedlicher Preise ebenfalls bestehen. Der Gerichtshof habe in der Entscheidung Post Danmark I sogar eine selektive Niedrigpreispolitik gegenüber bestimmten Kunden als zulässig anerkannt, solange sie nicht zur Verdrängung eines Wettbewerbers vom Markt führe. Damit sei die Gewährung unterschiedlicher Konditionen für Endkunden einerseits und Konsolidierer andererseits sachlich gerechtfertigt. Aus dem Marktmachtmissbrauchsverbot könne auch keine „Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit sich selbst“ abgeleitet werden. Die Antragstellerinnen könnten daher keine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Antragsgegnerin selbst monieren.

Geheimhaltungsklauseln dienten dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor Offenlegung gegenüber Dritten und stellten daher kein missbräuchliches Verhalten dar. Die Aufnahme von Geheimhaltungsklauseln sei vor dem Hintergrund der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Geschäftsverkehr üblich. Damit könne im Übrigen der Austausch wettbewerblich sensibler Informationen, der kartellrechtlich verboten sei, verhindert werden. Die Geheimhaltungsklausel hindere auch einen Konditionenvergleich durch einen Kunden, der verschiedene Angebote einholen wolle, nicht. Geheimhaltungsverpflichtungen könnten somit sogar kartellrechtlich geboten sein und würden im Zusammenschlussverfahren von der Bundeswettbewerbsbehörde offensichtlich als unproblematisch angesehen.

Es sei nicht richtig, dass die Antragsgegnerin Rabatte bzw. Jahresboni für Bestandskunden unrichtigerweise als Neukundengeschäfte deklariert habe. Die von den Antragstellerinnen ins Treffen geführten Fälle hätten vielmehr Rabatte für Sonderaktionen zum Zweck der Neukundenwerbung oder Kundenreaktivierung betroffen. Diese Rabatte könnten auch von Konsolidierern in Anspruch genommen werden, wenn sie Neukunden oder Reaktivierer „brächten“. Die Antragsgegnerin habe die Erstantragstellerin jährlich zu den Info.Mail-Sonderaktionen im Rahmen des Programms „pimp my campaign“ eingeladen. Die Viertantragstellerin habe ihren Kunden wiederholt Sonderaktionen auf dieser Basis angeboten. Darüber hinaus hätten die Antragstellerinnen die Aktionsrabatte bisher einfach nicht benützt. Eine Kombination von Sofortrabatten mit anderen Rabatten sei nicht möglich. Dies gelte für alle Unternehmen und nicht nur für Konsolidierer.

Die FEIBRA GmbH und die D2D-Direct to Document GmbH würden von der Antragsgegnerin in keiner Weise bevorzugt. Die FEIBRA GmbH, die keine regulären Briefträger einsetze, könne Zustellleistungen billiger erbringen. Sie habe mit der Antragsgegnerin einen entsprechenden Vertrag geschlossen und werde für diese Dienstleistung entlohnt. Gutschriften der Antragsgegnerin an die FEIBRA GmbH gebe es nicht. Die Vermutung der Quersubventionierung durch die Antragstellerinnen sei daher unrichtig. Die D2D-Direct to Document GmbH, an der die Antragsgegnerin 70% halte, verfüge über einen eigenen Betrieb und sei organisatorisch klar von der Antragsgegnerin getrennt. Mitarbeiter in Personalunion für die D2D-Direct to Document GmbH und die Antragsgegnerin gebe es nicht. Behauptungen der Gewährung von „Porterleichterungen“ seien unrichtig.

Die Antragstellerinnen hätten eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin auf dem Markt für „Päckchen“ entsprechend der von den Antragstellerinnen relevierten Päckchen-Verträge nicht bescheinigt. Die Päckchen-Verträge beträfen den eher schwergewichtigen und nicht maschinenfähigen Waren- und Dokumentenversand, den sogenannten „Spezialversand von Waren und Dokumentensendungen“. Der Bereich der nicht maschinenfähigen Päckchen mit Wareninhalt werde von der Antragsgegnerin innerhalb des Rabattgefüges für den Produktbereich Brief gesondert behandelt. Für die Inanspruchnahme von Rabatten/Boni in diesem Bereich sei daher der Abschluss einer gesonderten Vereinbarung erforderlich. Im Bereich Versand von Päckchen herrsche mit den alternativen Anbietern GLS oder DPD ein intensiver Wettbewerb, sodass die Antragstellerinnen keineswegs auf die Antragsgegnerin angewiesen seien.

Selbst wenn man von einer marktbeherrschenden Stellung auf dem hier relevanten Markt für nicht maschinenfähige Päckchen mit Wareninhalt ausginge, liege keine Unangemessenheit des Entgelts vor. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin inklusive des Produktbereichs Päckchen seien von der zuständigen Regulierungsbehörde auf ihre Übereinstimmung mit den im PMG genannten Kriterien hinsichtlich Kostenorientierung, Erschwinglichkeit und Transparenz überprüft worden. Die Tarifgestaltung der Antragsgegnerin entspreche den einschlägigen regulierungsrechtlichen Vorgaben. Die Antragsgegnerin sei den sie treffenden Anzeigepflichten betreffend die AGB für alle relevanten Produktbereiche, also auch für Päckchen, nachgekommen. Die Regulierungsbehörde habe keinen Widerspruch gegen die Tarifgestaltung erhoben und die AGB einschließlich anwendbarer Rabatte und relevanter Vorleistungen damit implizit genehmigt. Damit habe sie überprüft und bestätigt, dass die in den AGB Brief geregelten Entgelte und Rabatte ua kostenorientiert seien. Die vertraglichen Rabatte lägen auch nach der Kürzung für das Jahr 2021 nach wie vor über den von der RTR genehmigten Rabatten nach den AGB. Die regulierungsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Angemessenheit der Preise seien daher jedenfalls erfüllt.

In den Verträgen mit den Antragstellerinnen für 2021 hätten die Entgeltanpassungen ausschließlich Päckchen und die auf Versand von Päckchen anwendbaren Rabatte betroffen. Der Grundpreis laut AGB sei unverändert geblieben. Die Anpassungen hätten auf einer objektiv und wirtschaftlich nachvollziehbaren Grundlage beruht und Veränderungen in Bezug auf die Kosten der Antragsgegnerinnen sowie negative Entwicklungen in Bezug auf das Sendungsaufkommen widergespiegelt. Die Rabattanpassungen bei Päckchen für das Jahr 2021 hätten sich bei einem Umsatz von EUR 35.000,-- in einer Preiserhöhung von lediglich 1,2% bis 2% niedergeschlagen. Von einer unangemessenen Preiserhöhung könne daher keine Rede sein.

Die Frage der Preisangemessenheit sei von der Prüfung des bestellten Sachverständigen ohnehin mitabgedeckt, und zwar auch für den Bereich Päckchen. Der Sachverständige habe einen Preismissbrauch klar verneint. Er habe im Bereich Brief auch die Daten für den Produktbereich Päckchen berücksichtigt (Produktgruppe „Rest“ S 12 des GA vom 4.11.2020), das heißt, auch für diese Produktgruppe eine Kosten-Preis-Schere und somit jedenfalls auch „excessive pricing“ verneint.

Für die Feststellung eines excessive pricing-Missbrauchs müsste ein krasses Missverhältnis zwischen Kosten und Erlösen vorliegen. Die Preise müssten stark und eindeutig überhöht sein. Davon könne hier keine Rede sein.

Die Antragsgegnerin verpflichte die Antragstellerinnen nicht zur Erbringung bestimmter zusätzlicher Leistungen, die nicht angemessen abgegolten würden, sondern gewähre vielmehr Vertragskunden ab einer gewissen Versandmenge zusätzliche Rabatte und spezifiziere die mit dieser zusätzlichen Rabattgewährung verbundenen Versandkriterien. Diese gingen kaum über die Versandkriterien nach den anwendbaren AGB hinaus. Die Antragsgegnerin bezahle an die Antragstellerinnen somit keinerlei Vorleistungsentgelt. Vielmehr bezahlten die Antragstellerinnen ein Entgelt für die Beförderungsleistung durch die Antragsgegnerin, die die Antragstellerinnen benötigen, um ihrerseits Leistungen an ihre Endkunden zu erbringen. Das Entgelt für die Beförderungsleistung bestehe in dem um anwendbare Rabatte verminderten Porto. Die geringfügigen Rabattanpassungen könnten daher nicht als Entgeltkürzung um 20% dargestellt werden. Vielmehr seien die Rabatte im Vergleich zum Vorjahr um lediglich 1,2% bis 2% gekürzt worden. Sie seien von den Vorleistungsrabatten, die Kunden auf das Porto von Briefen lukrieren könnten, streng zu unterscheiden.

Die Versandkriterien bei Päckchen stellten allgemeine Versandvorbereitungen wie etwa das Anbringen des Freimachungsvermerks oder bei größeren Mengen die Auflieferung in Großauflieferungsfilialen oder Verteilerzentren, die Auflieferung in Behältern und ähnliches dar. Diese müssten erfüllt sein, um bei Erreichung einer gewissen Versandmenge oder Erbringung tatsächlicher vordefinierter Vorleistungen einen Mengenrabatt oder einen Vorleistungsrabatt zu lukrieren. Dies gelte für Kunden, die auf Basis der AGB und für Kunden, die auf Basis individueller Kundenvereinbarungen auflieferten, gleichermaßen. Die nach Vertrag zu erfüllenden Versandkriterien unterschieden sich - vom Punkt Auflieferort abgesehen - nicht nennenswert von den in den AGB enthaltenen Vorgaben, die von der Regulierungsbehörde geprüft worden seien. Ein Mehraufwand für die Antragstellerinnen bestehe jedenfalls nicht. Weder Päckchen S noch Päckchen M müssten auf Basis der relevierten Verträge maschinenfähig sein. Es werde kein Entgelt bei fehlender Maschinenfähigkeit verrechnet. Zusätzlich würden Konsolidierern Rabatte ohne Voraussetzung einer Mindestmenge pro Auflieferung gewährt.

Nur dort, wo die Antragsgegnerin eine zusätzliche Leistung anbiete, für die eine entsprechende Aufbereitung der Sendungen notwendig sei, wie etwa bei der entgeltfreien Zusatzleistung Sendungsverfolgung, würden im Vertrag bestimmte, über die AGB hinausgehende Versandkriterien oder Vorbereitungshandlungen genannt. Daraus ergebe sich jedoch kein nennenswerter Mehraufwand für die Antragstellerinnen. Sollte der Kunde diese entgeltfreie Zusatzleistung nicht in Anspruch nehmen wollen, entfalle die Vorbereitungshandlung. Von den Antragstellerinnen würden somit keine zusätzlichen vertraglichen Vorleistungen verlangt. Die Argumentation der Antragstellerinnen, die Antragsgegnerin würde vertraglich auferlegte zusätzliche „Leistungsverpflichtungen“ nicht oder nicht angemessen abgelten, gehe somit ins Leere. Von einer Benachteiligung der Konsolidierer könne keine Rede sein.

Die Antragsgegnerin habe ihre Tarifstruktur für das Jahr 2021 den geänderten Umständen anpassen müssen. Das Sendungsaufkommen sei stark zurückgegangen, während die Kosten gestiegen seien, sodass eine Anpassung der mengenbasierten Jahresbonifikationen für 2021 notwendig gewesen sei. Der hohe Fixkostenanteil der Antragsgegnerin könne kurz- bis mittelfristig nicht entsprechend dem Mengenrückgang reduziert werden, sodass sich bei sinkenden Mengen steigende Stückkosten ergäben. Bei Briefen inklusive Päckchen S hätten sich die Stückkosten bedingt durch den Mengenrückgang von 2018 auf 2019 um [0 bis 10%] erhöht. Dazu können die Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Covid-19 für den Einsatz des Bundesheeres, Gesundheits- und Vorsichtsmaßnahmen und vermehrte Abwesenheiten. Um die Belastung durch den Kostenanstieg reduzieren zu können, sei eine Anpassung der Preise bzw. Rabatte erforderlich gewesen.

Der Abschluss von Jahresverträgen sei in der Branche üblich und den Antragstellerinnen bekannt. Für sie sei die Notwendigkeit des Abschlusses eines neuen Vertrages mit Geltungsbeginn Jänner des nächsten Jahres nicht überraschend gewesen. Die Antragsgegnerin habe der Erstantragstellerin die entsprechenden Vereinbarungen am 27.11.2020 per E-Mail übermittelt und das Vertragsgespräch telefonisch bereits eine Woche davor geführt. Im Vertragsgespräch in der KW 47/2020 sei die Erstantragstellerin insbesondere über die Tarifanpassung per 1.1.2021 in den „Päckchen-Verträgen“ informiert worden. Die Erstantragstellerin habe die neuen Vereinbarungen am 21.12.2020 unterzeichnet. Ihrem Änderungswunsch in Bezug auf die Konditionen für Päckchen S Prio laut Telefonat vom 5.1.2021 habe die Antragsgegnerin entsprochen. Die Erstantragstellerin habe anstelle der Vereinbarung mit Fixpreisen eine Vereinbarung mit einem mengenbasierten Umsatzbonus gewünscht. Die Antragsgegnerin habe die bestehende und bereits unterzeichnete Vereinbarung mit Fixpreisen rückwirkend durch die gewünschte Vereinbarung mit einem mengenbasierten Umsatzbonus ersetzt. Die entsprechende Vereinbarung sei der Erstantragstellerin am 15.1.2021 übermittelt und von dieser am 10.2.2021 unterzeichnet worden. Von einer nicht angemessenen Reaktionszeit für die Erstantragstellerin könne daher in keiner Weise gesprochen werden.

Worin das berechtigte Interesse der Antragstellerinnen an der in eventu beantragten Feststellung liege, werde nicht ausreichend ausgeführt. Soweit sie entstandene Schäden behaupteten, reiche das Vorbringen nicht aus, da ansonsten jede Preiserhöhung oder jede Einräumung unterschiedlicher Konditionen schadenersatzrechtliche Folgen hätte. Dies sei nicht der Fall.


 

IV. Beweisaufnahme:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden (Beilagen ./A - ./NNN, ./1 - ./21 und ./I) sowie die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Gugler ON 28, ON 46 und ON 60.


 

V. Sachverhalt:

1. Marktabgrenzung und Marktbeherrschung für das Produkt Info.Mail:

In die Produktkategorie Info.Mail fallen vom Format und Gewicht idente Sendungen mit werblichem Inhalt und ausschließlich gedruckter Anschrift, von denen mindestens 400 Stück gleichzeitig aufgegeben werden. Sie müssen maschinenfähig sein (Gutachten Univ.Prof.Dr. Gugler ON 46 S 33). Es handelt sich um persönlich adressierte Drucksachen, also Direktmarketing-Aussendungen in Briefform, wie etwa adressierte Werbung, die der Kunde nicht auf Grund einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung versenden muss. In die Kategorie Brief fallen hingegen Sendungen in Briefform, deren Versendung auf Grund einer rechtlichen oder vertraglichen Pflicht erfolgt, wie etwa Rechnungen, Mahnungen, Vorschreibungen etc.

Die Datenaufbereitung, der Druck, die Kuvertierung oder das Einschweißen in eine Folie, die Adressierung und Frankierung von Info.Mail-Sendungen sowie deren Auflieferung in einem Verteilzentrum der Antragsgegnerin können entweder a) von Großkunden selbst oder b) von einem vom Großkunden beauftragten Konsolidierer erbracht werden. Die Konsolidierer holen die Poststücke beim Großkunden ab, sortieren sie nach Produktkategorien, Produkten, Verteilzentren ua, erstellen Versanddokumente, avisieren die Sendungen bei der Antragsgegnerin und liefern die vorsortierten Postmengen zu bestimmten Verteilzentren der Antragsgegnerin. Großkunden, die selbst aufliefern, erledigen alle diese Arbeitsschritte selbst.

Sobald die Info.Mail-Sendungen entweder durch Konsolidierer oder durch Großkunden selbst eingeliefert wurden, erfolgen die weiteren im Zustellvorgang anfallenden Leistungen, nämlich die Sortierung der Info.Mail im Verteilzentrum, der Transport der sortierten Sendungen zu den jeweils zuständigen Verteilzentren und die Auslieferung der Info.Mail an die Empfänger durch die Antragsgegnerin. Nur diese verfügt über ein bundesweit flächendeckendes Zustellnetz für Info.Mail.

Der horizontal sachlich relevanten Markt ist aus der nachgelagerten Endkundensicht mit „Info.Mail“ abgegrenzt;

Der räumlich relevante Markt erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet;

(Gutachten SV Univ.Prof.Dr. Gugler ON 28 S 3).

Im Bereich Info.Mail ist die Antragsgegnerin nicht im Bereich Druck/Vorleistungen tätig. Auch ihre Tochterfirma D2D – direct to document GmbH ist nicht wesentlich in diesem Bereich tätig, da sich ihr Geschäftsbereich zu [mehr als 90%] auf Briefe und nur [weniger als 10]% auf Info.Mail erstreckt (Gutachten Univ.Prof.Dr. Gugler ON 46 S 29 und ON 28 S 39). Unter den Vorleistungen in diesem Zusammenhang werden die oben beschriebenen Leistungen (die Aufarbeitung, der Druck, die Kuvertierung, das Avisieren, die Prüfung der Maschinenfähigkeit, das Vorsortieren und das zeitgerechte Auf liefern von Info.Mail in einem Verteilzentrum der Antragsgegnerin) verstanden (Gutachten SV Univ.Prof.Dr. Gugler ON 28 S 8). Im Bereich Info.Mail sind die Vorleistungen Bestandteil der Produktdefinition und der Vereinbarung, das heißt, dass die Vorleistungen jedenfalls von den Kunden der Antragsgegnerin erbracht werden müssen, damit die Preise der Antragsgegnerin für Info.Mail zur Anwendung kommen. Daher werden für Info.Mail-Sendungen von der Antragsgegnerin keine zusätzlichen Vorleistungsrabatte gewährt (Gutachten Univ.Prof. Dr. Gugler ON 28 S 31). In Österreich gibt es ca. 80 Letter-Shops sowie einige Großdruckereien, die Info.Mail-Sendungen produzieren und die Vorleistungen für die Kunden der Antragsgegnerin erbringen (Gutachten SV Univ.Prof.Dr. Gugler ON 28 S 4).

Im Markt Info.Mail liegt der Marktanteil der Antragsgegnerin bei etwa [mehr als 90%] und die Antragsgegnerin ist marktbeherrschend (Gutachten Univ.Prof.Dr. Gugler ON 28 S 3).


 

2. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin in der Produktkategorie Info.Mail:

A) Rabatte:

Die Antragsgegnerin schließt für das Produkt Info.Mail sowohl mit Konsolidierern als auch mit selbst einliefernden Großkunden längerfristige Vereinbarungen, in der Regel Jahresverträge, ab, in denen festgelegt wird, unter welchen Bedingungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Antragsgegnerin Rabatte gewährt werden. Weiters sind in diesen Vereinbarungen die Versandbedingungen sowie die Rabattstaffeln geregelt. Die Rabatte werden bei Erreichung von Mindestumsätzen für das Produkt Info.Mail sowie bei Erfüllung sämtlicher vereinbarter Versandvorbereitungen und Vorleistungen ausgezahlt. Bei Unterschreitungen der Mindestumsätze gelangen keine anteilsmäßig aliquotierten Rabatte, verhältnismäßig verminderten Rabatte oder dergleichen zur Auszahlung. Zur Berechnung der Mindestnettoumsätze werden die Grundentgelte für die Beförderung der Sendungen herangezogen (Beilage ./M, ./K, ./L).

Zur Illustration werden hier als Beispiel die der Viertantragstellerin (damals noch kbprint.com.at Druck & Kommunikation GmbH) für das Jahr 2015 für Info.Mail gewährten Rabatte dargestellt:

2.3.5. Rabattstaffel

Jahresumsatz (netto) Jahresbonifikation

ab EUR 25.000 2,0%

ab EUR 50.000 3,0%

ab EUR 75.000 3,5%

ab EUR 100.000 4,5%

ab EUR 250.000 5,0%

ab EUR 500.000 5,5%

ab EUR 750.000 6,5%

ab EUR 1,000.000 7,5%

ab EUR 1,500.000 9,0%

ab EUR 2,000.000 10,5%

(Beilage ./K).

In einem Anhang zur jeweiligen Vereinbarung sind die einzuhaltenden Versandvorbereitungen aufgelistet, ohne die kein Rabatt gewährt wird. Dazu gehören die Voraussetzungen für die maschinelle Les- und Bearbeitbarkeit, also einzuhaltende Mindestmaße, die Aufbereitung mit der Software „Postversandmanager Professional“ ab einer Menge von 60.000 Stück sowie die Ankündigung dieser Menge spätestens 5 Werktage vor Auflieferung. Für Sendungen zum Info.Mail Vorteilstarif muss der Post-Versandmanager ab Auflieferung einer Menge von 50.000 Stück verwendet werden. Die Sendungen müssen nicht nach Postleitzahl des Empfängers sortiert werden, müssen jedoch stehend, Anschrift auf Anschrift, mit einem Freimachungsvermerk oben, in den von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Briefbehältern oder geeigneten Kuvertkartons in Rollcontainern oder auf Europaletten aufgeliefert werden (zB Anhang A in Beilage ./L).


 

Die von der Antragsgegnerin ihren Endkunden einerseits und den Konsolidierern andererseits gewährten Rabatte im Bereich Info.Mail waren im Durchschnitt bis zum Jahr 2017 vergleichbar. Ab diesem Zeitpunkt gingen die Rabatte für Konsolidierer stark zurück. Im Jahr 2019 entsprach der Rabatt der Konsolidierer nur noch rund 34% des Rabatts, den Endkunden der Antragsgegnerin erhielten. Vergleicht man den Rabatt der Konsolidierer im Jahr 2017 mit jenem im Jahr 2019, so betrug er 2019 nur mehr 28% des Ursprungswerts. 2017 waren unter den 50 größten Kunden der Antragsgegnerin noch 6 Konsolidierer mit einem gesamten Anteil von [5 bis 10%] an den Umsätzen der Antragsgegnerin im Bereich Info.Mail. Im Jahr 2019 reduzierte sich dies auf vier Konsolidierer, die weniger als [unter 5%] der Umsätze im Info.Mail-Bereich verursachten. Der Marktanteil der Konsolidierer an den Umsätzen der 50 größten Kunden der Antragsgegnerin hat sich daher innerhalb von 2 Jahren mehr als gedrittelt. Hintergrund für die Verminderung der Rabattstaffel für die Erstantragstellerin war, dass die Antragsgegnerin den Markteintritt von Konsolidierern im Bereich Info.Mail nicht schätzte.

2017 waren 4 Großkunden der Antragsgegnerin besser gestellt als der bestgestellte Konsolidierer. Diese Großkunden hatten einen gesamten Anteil von [20 bis 30%] an den Info.Mail-Umsätzen der Antragsgegnerin. Sie lukrierten einen durchschnittlichen Rabatt von knapp 40%. 2019 erhöhte sich der Anteil der besser als der bestgestellte Konsolidierer gestellte Kunden auf 40, die mehr als die Hälfte der Gesamtumsätze im Info.Mail-Bereich hatten. Der von ihnen erhaltene durchschnittliche Rabatt sank zwar von knapp 40% auf etwa 14%. Dieser ist jedoch immer noch mehr als 3x höher als der von den Konsolidierern erhaltene Rabatt. Diese Kunden sind daher für die Konsolidierer als Zielgruppe nicht erreichbar. Diese signifikante Ungleichbehandlung der Konsolidierer führte im Jahr 2018 zum Austritt der Erstantragstellerin aus dem Markt für Info.Mail. Die Antragsgegnerin nimmt für sich in Anspruch, zu dieser Ungleichbehandlung berechtigt zu sein. Sie ist daher jederzeit bereit, beim Produkt Info.Mail Konsolidierer gegenüber ihren eigenen Großkunden im oben dargestellten Sinne zu diskriminieren.

Die Rabatte im Info.Mail-Bereich enthalten eine signifikante operative Komponente und sind keine reinen Mengenrabatte.

Konsolidierer geben einen Großteil der lukrierten Rabatte an ihre Kunden weiter. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Kunden der Konsolidierer auf weitergegebene Rabatte nicht mit einer Stimulation der Nachfrage nach Postdiensten reagieren. Damit befinden sich im Bereich Info.Mail Kunden der Antragsgegnerin und Konsolidierer in einer vergleichbaren Situation, da beide Gruppen als Reaktion auf Preissenkungen das Gesamtvolumen der Antragsgegnerin erhöhen. Ob dies direkt über Mengenrabatte der Antragsgegnerin oder indirekt über weitergegebene Rabatte der Konsolidierer passiert, spielt aus ökonomischer Sicht keine Rolle (Gutachten SV Unvi.Prof.Dr. Gugler ON 46 S 46).

B) Geheimhaltungsverpflichtung:

In den Vereinbarungen betreffend ua das Produkt Info.Mail ist sowohl bei Konsolidierern als auch bei Großkunden eine Geheimhaltungsklausel enthalten, in der sich beide Vertragsteile verpflichten, den gesamten Vertragsinhalt geheim zu halten und diese Verpflichtung auch Mitarbeitern oder beauftragten Dritten zu überbinden. Die Geheimhaltungsverpflichtung umfasst alle im Zuge des Vertragsverhältnisses erlangten Informationen und besteht auch nach Beendigung der Vereinbarung weiter. Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungsverpflichtung berechtigt die Antragsgegnerin zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung. Die Geheimhaltungsverpflichtung bezieht sich insbesondere auch auf die in den Vereinbarungen enthaltenen Rabattstaffeln, da lediglich die in den Anhängen angeführten Versandvorbereitungen teilweise von der Geheimhaltungsverpflichtung ausgenommen sind (Beilage ./M, ./K und ./L).


 

3. Rabatte auf das Entgelt für die Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio:

Neben den Produkten „Brief“ und „Info-Mail“ bietet die Antragsgegnerin auch das Produkt „Päckchen Österreich“ an. Dabei unterscheidet sie in ihrer Preisliste Päckchen Small und Päckchen Medium. Päckchen Small kann ein maximales Format von 353mm Länge, 250mm Breite und 30mm Höhe und ein Gewicht von bis zu 2kg haben. Der Preis für Päckchen Österreich Prio (rascher Versand mit Zustellung am nächsten Werktag) beträgt seit 1.4.2020 EUR 2,75, für Päckchen Österreich Eco (Zustellung innerhalb von 2-3 Tagen nach Aufgabe) EUR 2,55. Die Preise sind umsatzsteuerfrei im Rahmen des Universaldienstes. Sendungen, die nicht maschinell bearbeitbar sind, werden in der jeweils nächsthöheren Entgeltstufe verrechnet. Somit stellt sich der Tarif der Antragsgegnerin für Päckchen Österreich laut Preisliste vom 1.4.2020 wie folgt dar:


(Beilage ./ZZ S 5).

Ein Päckchen Small liegt auch dann vor, wenn die Abmessungen geringer als das maximale Format sind, aber die Gewichtsgrenze des Produktes Brief von 75g überschritten wird.

Am 14.11.2019 schloss die Antragsgegnerin mit der Erstantragstellerin eine Vereinbarung betreffend das Produkt Eco Päckchen National mit der Geltungsdauer 1.1.2020 bis 31.12.2020. Inhalt dieser Vereinbarung war, dass die Erstantragstellerin die Antragsgegnerin mit der Beförderung und Zustellung ua der Produkte Eco Päckchen S und Eco Päckchen M, beide nicht bescheinigt (im Folgenden Eco Päckchen National), beauftragt. Es wurde vereinbart, dass bei Erreichung eines Jahresumsatzes von netto EUR 35.000,-- mit Eco Päckchen National im Vereinbarungsjahr der Erstantragstellerin auf den jeweiligen Nettoumsatz mit Eco Päckchen National eine Jahresbonifikation von 10% gewährt wird (Beilage ./AAA S 3).


 

Die Erstantragstellerin erzielte 2020 mit dem Produkt Eco Päckchen National S einen Umsatz von EUR 200.000,-- und EUR 300.000] und überstieg somit den Schwellen-Nettoumsatz von EUR 35.000,--. Daher wurde ihr von der Antragsgegnerin die Jahresbonifikation von 10% gewährt.

Mit Vereinbarung vom selben Datum betreffend das Produkt Prio Päckchen National wurde zwischen der Antragsgegnerin und der Erstantragstellerin anstatt der gemäß den AGB Brief National idjgF geltenden Beförderungsentgelte für nicht bescheinigte Päckchen S und Päckchen S mit Zusatzleistung Sendungsverfolgung ein Fixtarif je Stück von EUR 2,50 vereinbart. Dieser gelangt ausschließlich bei Erreichung eines Mindestumsatzes in Höhe von EUR 10.000,-- mit Prio Päckchen S und Prio Päckchen M (zusammengerechnet) im jeweiligen Vereinbarungsjahr zur Anwendung (Beilage ./CCC S 3).

Für Päckchen Prio National S (und M) erreichte die Erstantragsstellerin den Mindestumsatz in Höhe von EUR 10.000,--. Damit kam der Fixtarif von EUR 2,50 (statt EUR 2,75) für Prio Päckchen S im Jahr 2020 zur Anwendung. Im Jahr 2020 erzielte die Erstantragstellerin mit dem Produkt Päckchen Prio einen Umsatz von [EUR 170.000,-- bis EUR 270.000] (eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers der Erstantragstellerin Beilage ./FFF).

Bei den Antragsgegnerinnen kam es im Jahr 2020 auf Grund der COVID-19-Pandemie und deren negativen wirtschaftlichen Auswirkungen zu reduzierten Mengenströmen im Brief- und Werbegeschäft und zu Zusatzkosten zur Aufrechterhaltung des Universaldienstes. Die Umsatzerlöse verbesserten sich zwar etwas gegenüber der Vorjahresperiode, das Konzernergebnis (Ebit) reduzierte sich jedoch stark. Dies ist ua auf einen Rückgang in den Sparten Brief und Werbepost von 4,6% bei hohem Fixkostenanteil zurückzuführen. Hingegen gab es in der Sparte Paket und Logistik einen Umsatzanstieg (www.ots.at/presseaussendung/1.Quartal2020; www.post.at/geschäftsbericht2020; www.kurier.at/wirtschaft/post-2020-mit-ebit-rückgang-weniger-briefe-mehr-pakete/401165142 ua).

Aus diesen Gründen wurde in der zwischen der Antragsgegnerin und der Erstantragstellerin abgeschlossenen Vereinbarung vom 26.11.2020 betreffend das Produkt Eco Päckchen National die Jahresbonifikation für das Produkt Eco Päckchen National bei einem Jahresnettoumsatz ab EUR 35.000,-- mit 8% festgelegt, also im Vergleich zum Vorjahr um 2% gekürzt (Beilage ./BBB S 3 = Beilage ./19). Die Antragsgegnerin übermittelte diese Vereinbarung der Erstantragstellerin mit E-Mail vom 27.11.2020 (Beilage ./17). Sie wurde von der Erstantragstellerin aber erst am 21.12.2020 unterfertigt (Beilage ./19).

Mit Vereinbarung vom 26.11.2020 wurde für das Produkt Prio Päckchen National bei Erreichung eines Mindestumsatzes von EUR 10.000,-- mit Prio Päckchen S und Prio Päckchen M (zusammengerechnet) ein Fixtarif je Stück von EUR 2,70 für Prio Päckchen S für das Jahr 2021 vereinbart (Beilage ./18). Diese Vereinbarung mit Fixpreis wurde der Erstantragstellerin mit E-Mail vom 27.11.2020 geschickt (Beilage ./17) und von ihr am 21.12.2020 unterfertigt (Beilage ./18). Allerdings wurde sie über Wunsch der Erstantragstellerin im Jänner 2021 beendet und durch die neue Vereinbarung vom 15.1.2021 rückwirkend ab 1.1.2021 ersetzt (Beilage ./20; Beilage ./21 = ./DDD). Inhalt dieser neuen Vereinbarung war, dass vom 1.1. bis 31.12.2021 die Jahresbonifikation für Prio Päckchen National bei einem Jahresnettoumsatz ab EUR 35.000,-- 8% beträgt (Beilage ./DDD S 3 = Beilage ./21).

Für das Jahr 2021 waren, um die Jahresbonifikation für Eco Päckchen National zu erhalten, von der Erstantragstellerin laut Anhang B Punkt II und III der Vereinbarung vom 26.11.2020 folgende Versandvorbereitungen zu erfüllen:

II. Eco Päckchen National

Auflieferort

Die Auflieferung hat für Eco Päckchen S und Eco Päckchen M, beide nicht bescheinigt, in den Brief Verteilzentren 1000 Wien, 4000 Allhaming, 5000 Wals bei Salzburg, 6000 Hall in Tirol, 6965 Wolfurt, 8000 Graz oder 9000 Villach bzw., soweit der Kunde Auftraggeber des jeweiligen Hauspostamtbetreibers ist, bei den Hauspostämtern (HAPO) 1360 Feibra, 1362 VENDO Kommunikation + Druck, 1365 printfinish, 2204 Dataform, 3112 NÖ Pressehaus, 7054 Leykam Müllendorf oder 7204 Leykam Neudörfl zu erfolgen.

Dokumente und Versandsoftware

Für Sendungen der Produkte Eco Päckchen S und Eco Päckchen M, beide nicht bescheinigt, muss die Aufgabeliste „Aufgabeliste Eco Päckchen“ verwendet werden.

Alternativ zu der Versandsoftware-Lösung der Post kann eine lizenzierte Versandsoftware verwendet werden.

Vorleistungen

- Früheinlieferung in der, im Rahmen dieser Vereinbarung definierten, Filiale oder Verteilzentrum bis 14.00 Uhr oder zu einem mit der Post abgestimmten Termin.

- Eco Päckchen S und Eco Päckchen M, beide nicht bescheinigt, benötigen den „Bar freigemacht“ Freimachungsvermerk für Eco Sendungen.

- Für nicht bescheinigte Eco Päckchen S und Eco Päckchen M ist ein elektronisches Aviso mittels einer Versandsoftware oder per Mail an infomail.streuplan@post.at ab 1000 Stück zumindest 5 Werktage (ausgenommen Samstag) vor Auflieferung erforderlich. Änderungen vom Aviso sind gleichfalls elektronisch unter Bekanntgabe der Auftragsnummer mitzuteilen.

- Entgelteinrichtung über gültige Stundungsvereinbarung lt. AGB Brief National.

- Keine Mindestmenge pro Auflieferung.

Für nicht maschinenfähige Eco Päckchen S und Eco Päckchen M, welche im Rahmen dieser Vereinbarung aufgeliefert werden, wird abweichend zu den Bestimmungen lt. AGB Brief National kein nächst höheres Entgelt verrechnet und diese bleiben bonusrelevant.

III. Gemeinsame Bestimmungen für Eco Brief National und Eco Päckchen National

Sortierung

Sendungen sind nach Eco Brief M und Eco Päckchen S und Eco Päckchen M nach unterschiedlichem Format zu sortieren und in getrennten Briefbehältern aufzuliefern.

Für die Produkte Eco Brief S, Eco Brief M, Eco Päckchen S und A Behälter zu verwenden.

Innerhalb der A Behälter hat die Sortierung

- der Sendungen mit Höchstmaß 235mm x 162mm (C5) stehend und gleich ausgerichtet (alle Anschriften in eine Richtung zeigend) zu erfolgen,

- Sendungen mit Höchstmaß 353mm x 250mm (B4) sind liegend mit der Anschrift nach oben einzulegen.

(Beilage ./BBB = ./19).

Für das Produkt Prio Päckchen National lauten die notwendigen Versandvorbereitungen, um die Jahresbonifikation zu erhalten, laut Vereinbarung vom 15.1.2021 (Anhang B) wie folgt:

II. PRIO PÄCKCHEN NATIONAL

Die Auflieferung hat für PRIO Päckchen S und PRIO Päckchen M, nicht bescheinigt, und PRIOI Päckchen S mit Zusatzleistung Sendungsverfolgung in den Brief Verteilzentren 1000 Wien, 4000 Allhaming, 5000 Wals bei Salzburg, 6000 Hall in Tirol, 6965 Wolfurt, 8000 Graz oder 9000 Villach bzw., soweit der Kunde Auftraggeber des jeweiligen Hauspostamtbetreibers ist, bei den Hauspostämtern (HAPO) 1360 Feibra, 1362 VENDO Kommunikation + Druck, 1365 printfinish, 2204 Dataform, 3112 Walstead NP Druck, 7054 Walstead Leykam Müllendorf oder 7204 Walstead Leykam Neudörfl zu erfolgen.

Dokumente und Versandsoftware

Für Sendungen der Produkte Prio Päckchen S und Prio Päckchen M, beide nicht bescheinigt, muss die Aufgabeliste „Aufgabeliste Prio Päckchen“ verwendet werden.

Sendungen des Produkts Prio Päckchen S mit Zusatzleistung Sendungsverfolgung sind über den Postversandmanager (PVM) aufzubereiten und mit der Aufgabeliste „Prio Päckchen S mit Zusatzleistung Sendungsverfolgung“ aufzugeben. Alternativ zu der Versandsoftware-Lösung der Post kann eine lizenzierte Versandsoftware verwendet werden; auch hier ist für die Aufgabe von Prio Päckchen S mit Zusatzleistung Sendungsverfolgung die Aufgabeliste erforderlich.

Vorleistungen

- Früheinlieferung in der, im Rahmen dieser Vereinbarung definierten, Filiale oder Verteilzentrum bis 14.00 Uhr oder zu einem mit der Post abgestimmten Termin.

- Für Sendungen mit Sendungsverfolgung ist ein elektronisches Einzelaviso notwendig. Dieses muss spätestens bei der Auflieferung bei der Post vorliegen.

- Prio Päckchen S und Prio Päckchen M, beide nicht bescheinigt, benötigen den „Bar freigemacht“ Freimachungsvermerk für Prio Sendungen. Für Prio Päckchen S mit Sendungsverfolgung ist zusätzlich der definierte Barcode gemäß Barcodefibel anzubringen.

- Für nicht bescheinigte Prio Päckchen S und Prio Päckchen M ist ein elektronisches Aviso mittels einer Versandsoftware oder per Mail an infomail.streuplan@post.at ab 1000 Stück zumindest 5 Werktage (ausgenommen Samsatag) vor Auflieferung erforderlich. Änderungen zum Aviso sind gleichfalls elektronisch unter Bekanntgabe der Auftragsnummer mitzuteilen.

- Entgelteinrichtung über gültige Stundungsvereinbarung lt. AGB Brief National.

- Keine Mindestmenge pro Auflieferung.

Für nicht maschinenfähige Prio Päckchen S und Prio Päckchen M, welche im Rahmen dieser Vereinbarung aufgeliefert werden, wird abweichend zu den Bestimmungen lt. AGB Brief National kein nächst höheres Entgelt verrechnet und diese bleiben bonusrelevant.

III. Gemeinsame Bestimmungen für Prio Brief National und Prio Päckchen National

Sortierung

Sendungen sind nach Prio Brief S, Prio Brief M, Prio Päckchen S und Prio Päckchen M nach unterschiedlichem Format zu sortieren und in getrennten Briefbehältern aufzuliefern.

Die Trennung von nicht bescheinigten Sendungen und Sendungen mit Sendungsverfolgung ist ebenfalls erforderlich.

Für die Produkte Prio Brief S, Prio Brief M, Prio Päckchen S sind A Behälter zu verwenden.

Innerhalb der A Behälter hat die Sortierung

- der Sendungen mit Höchstmaß 235mm x 162mm (C5) stehend und gleich ausgerichtet (alle Anschriften in eine Richtung zeigend) zu erfolgen,

- Sendungen mit Höchstmaß 353mm x 250mm (B4) sind liegend mit der Anschrift nach oben einzulegen.

Innerhalb der A Behälter hat die Sortierung

- der Sendungen mit höchstens 235mm x 162mm (C5) stehend und gleich ausgerichtet (alle Anschriften in eine Richtung zeigend) zu erfolgen,

- Sendungen mit Höchstmaß 353mm x 250mm (B4) sind liegend mit der Anschrift nach oben einzulegen.

(Beilage ./DDD = ./21).


 

Diese Vorleistungen entsprachen jenen in den Vereinbarungen für 2020 und wurden somit in ihrem Umfang nicht geändert (Beilagen ./AAA, ./BBB, ./CCC und ./DDD).

Laut Punkt 1.1 sowie Anhang B II letzter Absatz der Vereinbarungen für 2020 und 2021 ist die Maschinenfähigkeit für Eco Päckchen S und Prio Päckchen S nicht erforderlich. Für nicht maschinenfähige Eco Päckchen S und Prio Päckchen S wird abweichend zu den Bestimmungen laut AGB Brief National kein nächsthöheres Entgelt verrechnet und diese bleiben bonusrelevant.

Die Verringerung des Rabatts für das Jahr 2021 betraf nicht nur die Erstantragstellerin, sondern sämtliche Kunden der Antragsgegnerin (unwidersprochenes Vorbringen der Erstantragstellerin im Provisorialverfahren ON 56 S 4).

Der Stückpreis an Porto für Päckchen S Prio betrug für die Erstantragsstellerin 2020 EUR 2,50 und 2021 EUR 2,53. Der Stückpreis für Päckchen S Eco betrug 2020 EUR 2,30 und 2021 EUR 2,35 (jeweils gerundet).

Sollte die Erstantragstellerin 2021 mit den Produkten Päckchen S Prio und Päckchen S Eco einen ähnlichen Umsatz erzielen wie 2020, würde sie auf der Basis der Vereinbarungen für das Jahr 2021 (Beilagen ./BBB und ./DDD) um rund [EUR 6.000,-- bis 10.000,--] weniger Rabatt erhalten (eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers der Erstantragstellerin Beilage ./FFF).


 

VI. Beweiswürdigung:

Soweit sich der festgestellte Sachverhalt nicht auf das übereinstimmende Vorbringen der Antragstellerinnen und der Antragsgegnerinnen stützt, gründet er sich auf die jeweils in Klammer angeführten Beweismittel, die unwidersprochen und unbedenklich sind.

Darüber hinaus erfolgten die Feststellungen aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass die Antragsgegnerin den Markteintritt von Konsolidierern nicht schätzte, gründet sich auf das Schreiben vom 28.7.2016 in Beilage ./O, in dem der Mitarbeiter der Antragsgegnerin T***** gegenüber M***** von der D*****, die als Konsolidierer tätig war, unverblümt angab: „Zwar mag ich ‚ein Konsolidieren im Info.Mail-Bereich nicht wollen‘, was meines Erachtens aus Sicht der Post nachvollziehbar ist, jedoch liegt es mir fern, eine solche Geschäftstätigkeit durch nicht rechtskonforme Mittel zu be- oder verhindern.“

Die Feststellungen zur Preisentwicklung für die den Endkunden der Antragsgegnerin einerseits und den Konsolidierern andererseits gewährten Rabatte im Bereich Info.Mail und zur Entwicklung dieser Rabatte ab dem Jahr 2017 stützen sich auf das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr. Gugler in ON 46 (S 45). Die von den Antragstellerinnen mit Urkunden vorgelegten Einzelbeispiele fügen sich in diese Darstellung ein. So ergibt sich aus den Beilagen ./K und ./M, dass die der Viertantragstellerin für das Jahr 2015 gewährten Rabatte für Info.Mail (die in den Feststellungen als Beispiel aufgelistet sind) in etwa jenen entsprechen, die auch bereits für das Jahr 2011 gegenüber dem Konsolidierer k***** zur Anwendung kamen. Auch die der Großkundin der Antragsgegnerin W***** für das Jahr 2015 gewährte Rabattstaffel entsprach – wenn auch nicht exakt, so doch im Großen und Ganzen – jener, die die Viertantragstellerin 2015 erhielt. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Rabattstaffel in Beilage ./K mit jener für die W***** in Beilage ./S. In ihrem Vorbringen behaupteten die Antragstellerinnen zwar, dass die Rabattstaffel für die W***** 2016 deutlich höher gewesen sei als jene der Viertantragstellerin für 2016, übersehen hiebei jedoch, dass die vorgelegte Beilage ./S die Rabattstaffel der Firma W***** für 2015 und nicht – wie behauptet – für 2016 betrifft. Somit waren noch im Jahr 2015 die Rabattstaffeln für Konsolidierer und Großkunden in etwa gleich hoch. Nach dem Markteintritt der Erstantragstellerin im Jahr 2015 kam in die Rabattstaffeln für Konsolidierer ab 2016 erste Bewegung:

Für das Kalenderjahr 2016 schloss die Antragsgegnerin mit der Erstantragstellerin am 11.11.2015 eine Vereinbarung für das Produkt Info.Mail, in der folgende Rabattstaffel (unter der Bedingung der Einhaltung der oben genannten Bedingungen für die Versandvorbereitung und Verarbeitung) enthalten war:

2.3. Bonifikation

Rabattstaffel

Jahresumsatz (netto) Jahresbonifikation

ab EUR 30.000 2,00%

ab EUR 55.000 2,50%

ab EUR 100.000 3,00%

ab EUR 150.000 4,00%

ab EUR 300.000 5,00%

ab EUR 500.000 5,50%

ab EUR 900.000 6,00%

ab EUR 1,200.000 6,50%

(Beilage ./L)


 

Hingegen gewährte die Antragsgegnerin ihrem Großkunden L***** für das Jahr 2016 folgende Rabattstaffel:


 

Rabattstaffel Info.Mail 2016

Jahresumsatz (ab EUR) Jahresbonifikation in %

27.500 1,00%

50.000 1,50%

75.000 2,00%

100.000 3,00%

150.000 4,00%

300.000 5,00%

600.000 5,50%

900.000 6,50%

1,200.000 7,50%

1,500.000 8,00%

2,000.000 9,00%

2,500.000 10,00%

(Beilage ./R).

Die A***** war bis 2016 Kundin der Viertantragsgegnerin für das Produkt Info.Mail. Ab 2016 erhielt die A***** von der Antragsgegnerin bessere Konditionen als von der Viertantragstellerin und beendete daher das Geschäftsverhältnis mit letzterer (Beilage ./Q).

Dass die Antragsgegnerin für Konsolidierer einerseits und Großkunden andererseits für den Bereich Info.Mail verschiedene Rabattstaffeln verwendet, wurde von der Antragsgegnerin im übrigen auch selbst eingeräumt. Mit der Argumentation, dass es sich um Kunden auf verschiedenen Wirtschaftsstufen handle, vertrat sie den Standpunkt, dazu berechtigt zu sein.

Die Feststellung, dass es sich bei den im Bereich Info.Mail gewährten Rabatten nicht um reine Mengenrabatte, sondern um operative Rabatte handelt, gründet sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Univ.Prof.Dr. Gugler im Gutachten ON 46 sowie im Ergänzungsgutachten ON 60, in dem der Sachverständige sich mit den Einwendungen der Antragsgegnerin zum Gutachten ON 46 in diesem Punkt auseinandersetzte und bekräftigte, dass die Rabatte im Bereich Info.Mail keine reinen Mengenrabatte seien, sondern eine signifikante operative Komponente enthielten (S 18).

In ihrem Schriftsatz vom 19.3.2021 (ON 71) beantragte die Antragsgegnerin zwar die mündliche Erörterung des Gutachtens sowie des Ergänzungsgutachtens, führte zum hier relevanten Punkt, ob es sich im Bereich Info.Mail um reine Mengenrabatte oder um operative Rabatte handle, lediglich aus, dass sie diese Einschätzung des Sachverständigen nicht teile (ON 71 S 4). Konkrete Fragen an den Sachverständigen, die im Rahmen einer mündlichen Erörterung beantwortet werden, legte sie nicht dar. Eine mündliche Erörterung des Gutachtens zum Bereich Info.Mail war daher entbehrlich.

Hinsichtlich des Themenbereichs „Päckchen“ folgte das Gericht den Angaben des Geschäftsführers der Antragstellerin in seiner eidesstättigen Erklärung Beilage ./FFF, soweit diese nicht in einzelnen Details den von den Antragstellerinnen selbst vorgelegten Urkunden widersprachen. Eine Vernehmung des Geschäftsführers der Erstantragstellerin als Partei war daher entbehrlich.

2020 betrug der Umsatz der Erstantragstellerin für das Produkt Päckchen Eco [EUR 200.000,-- bis EUR 300.000,--]. Die Jahresbonifikation laut Vereinbarung, die die Erstantragstellerin von der Antragsgegnerin erhielt, betrug 10%, somit [EUR 20.000,-- bis EUR 30.000,--].

Im Jahr 2021 wurde diese Jahresbonifikation auf 8% vermindert. Bei einem angenommenen gleichen Umsatz für das Produkt Päckchen Eco S betrug die Jahresbonifikation daher [EUR 15.000,-- bis 25.000,--]. Dies entspricht einer Verringerung der Jahresbonifikation von [EUR 4.000,-- bis EUR 6.000,--].

Beim Produkt Päckchen Prio S betrug im Jahr 2020 der Fixtarif EUR 2,50 statt EUR 2,75 ab einem Umsatz von EUR 10.000,--. Dies entspricht einem Rabatt von rund 9,1%. Der Umsatz für das Produkt Päckchen Prio S betrug bei der Erstantragstellerin 2020 [EUR 180.000,-- bis EUR 280.000,--]. 9,1% Rabatt sind daher [EUR 18.000,-- bis EUR 28.000,--]. Im Jahr 2021 wurde der Rabatt laut Vereinbarung auf 8% gesenkt. Bei einem angenommenen gleichen Umsatz für das Jahr 2021 betrug der Rabatt somit [EUR 15.600,-- bis EUR 21.600,--], also eine Verringerung des Rabatts um [EUR 2.000,-- bis EUR 4.000,--]. Insgesamt erhielt die Erstantragstellerin somit für die Produkte Päckchen Eco S und Päckchen Prio S 2021 [EUR 6.000,-- bis EUR 10.000,--] weniger an Rabatt als 2020.

Der Geschäftsführer der Erstantragstellerin gab in seiner eidesstättigen Erklärung Beilage ./FFF an, dass die Erstantragstellerin unter den genannten Umständen 2021 um rund [EUR 6.000,-- bis EUR 11.000,--] weniger Rabatt erhalten würde. Auf der Basis der angeführten genauen Zahlen war nicht seiner Schätzung zu folgen, sondern von rund [EUR 6.000,-- bis EUR 10.000,--] weniger Rabatt auszugehen und diese Zahl den Feststellungen zugrunde zu legen.

Der Geschäftsführer der Erstantragstellerin führte in seiner eidesstättigen Erklärung zwar an, dass die Erstantragstellerin, um die Jahresbonifikation zu erhalten, als Vorleistung auch die Maschinenlesbarkeit erbringen müsse (Beilage ./FFF). Er gab in diesem Zusammenhang an, dass die zu erbringenden Vorleistungen vertraglich geregelt seien, und verwies auf Punkt 6. der Verträge für 2019 und 2020 sowie Anhang B.

Aus den Vereinbarungen Beilage ./BBB für Eco Päckchen National und Beilage ./DDD für Prio Päckchen National, jeweils für das Jahr 2021, Punkt 1.1 und Anhang B II letzter Absatz, ergibt sich jedoch, dass die Maschinenfähigkeit keine Voraussetzung für die Gewährung der Jahresbonifikation bei Eco Päckchen National und Prio Päckchen National ist. Dies gilt auch für die Vereinbarungen für das Jahr 2020.


 

VI. Rechtliche Beurteilung:

1. Missbrauchsverbot im nationalen und europäischen Wettbewerbsrecht:

Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dabei gelten all jene Verhaltensweisen als missbräuchlich, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, somit Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 23). Voraussetzung für den Anwendungsbereich des nationalen Missbrauchsverbots ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt. Dies kann den gesamten Markt oder nur Teile des Markts umfassen. Nach dem Auswirkungsprinzip des § 24 Abs 2 KartG ist nicht relevant, ob der Sachverhalt im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist, sofern er sich auf den inländischen Markt auswirkt.

Nach Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.


 

2. Zur „Zwischenstaatlichkeit“:

Gemäß Art 5 VO (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl 2003 L 1/1 (VO Nr. 1/2003) sind die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig. Sie können von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflichtungszusagen annehmen und Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige Sanktionen verhängen.

Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gilt das Prinzip des umfassenden Vorrangs von europäischem Kartellrecht vor nationalem Kartellrecht insofern nur eingeschränkt, als es auf Grund der Ausnahme in Art 3 Abs 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 den Mitgliedstaaten bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt ist, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen – wie missbräuchliche Verhaltensweisen iSd Art 102 AEUV – vorzusehen. Damit können bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auch strengere innerstaatliche Vorschriften wie etwa § 4 Abs 3 KartG angewendet werden (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 5 Rz 11).

Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilig sein könnte. Es kommt daher nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates erstrecken, sind in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedsstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13 mwN). Art 102 AEUV kann auch in Fällen anwendbar sein, in denen sogar nur ein Teil des Mitgliedstaats betroffen ist (Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, 83 Rz 21 mwN).

Das Geschäftsgebiet der Antragsgegnerin umfasst das gesamte Bundesgebiet. Daher kann nach den oben dargelegten Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelns vorliegen.

Damit kann auf den vorliegenden Sachverhalt im Bereich der Missbrauchsaufsicht sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht zur Anwendung gelangen.


 

3. Marktabgrenzung für Info.Mail:

Die Missbrauchsaufsicht des § 5 KartG und des Art 102 AEUV setzen eine marktbeherrschende Stellung und deren Missbrauch voraus. Kommt einem Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung zu, scheidet der Missbrauch per se aus. Da die Feststellungen der marktbeherrschenden Stellung die Abgrenzung des relevanten Markts nach sachlichen und geografischen Kriterien voraussetzt, ist die Frage der Marktabgrenzung für die Missbrauchsaufsicht grundlegend.

Der Markt ist der zentrale Grundbegriff des Wettbewerbsrechts. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist er der ökonomische Ort des Tausches, definiert durch die Marktteilnehmer, die sich als Anbieter und Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen mit gegensätzlichen und wirtschaftlichen Interessen gegenüberstehen (16 Ok 15/08 mwN; 16 Ok 8/14h). Die Aufgabe der Marktabgrenzung bei der Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte liegt darin, Wettbewerbsbeziehungen zu identifizieren. Mit der Abgrenzung eines Marktes sowohl in seiner sachlichen als auch in seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RIS-Justiz RS0129158).

Der sachlich relevante Markt ist nach dem Bedarfsmarktkonzept zu ermitteln. Nur solche Waren oder Dienstleistungen können ein und denselben relevanten Markt bilden, die aus der Sicht des durchschnittlichen Nachfragers als Bedarfsträger austauschbar sind. Daher kommt es auf die funktionelle Austauschbarkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen an (RIS-Justiz RS0124671; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 7).

Im vorliegenden Fall umfasst der sachlich relevante Markt das Produkt Info.Mail.

Der geografisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmer die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (RIS-Justiz RS0123677 = 16 Ok 4/08).

Maßgebliche Faktoren für die Bestimmung des geografisch relevanten Marktes sind ua die Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, die Existenz von Marktzutrittsschranken oder Verbraucherpräferenzen, deutlich unterschiedliche Marktanteile der Unternehmen zwischen räumlich benachbarten Gebieten oder wesentliche Preisunterschiede (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl C 1997/372, 5 Rz 8).

Ein bestimmter Produktmarkt im Bereich des Marktbeherrschungstatbestands kann sich auf einzelne regionale oder lokale Teilmärkte im Gebiet von Österreich, auf das gesamte Bundesgebiet oder auch auf einen anderen, nicht mit dem Inland begrenzten räumlich relevanten Markt beschränken (16 Ok 14/02; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 30f).

Der geografisch relevante Markt ist mit dem gesamten Bundesgebiet abgegrenzt.


 

4. Marktbeherrschung für Info.Mail:

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 4 Abs 1 Z 1 KartG) oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat, wobei insbesondere die Finanzkraft, die Beziehung zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen sind, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken (§ 4 Abs 1 Z 2 KartG; RIS-Justiz RS0119451). Ein marktbeherrschendes Unternehmen ist somit in der Lage, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, weil es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten. Die Erlangung und Behauptung einer marktbeherrschenden Stellung per se stellt jedoch für sich allein keine vom KartG untersagte Verhaltensweise dar. Verpönt ist nur der Missbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung iSd § 5 KartG (Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG2 § 4 Rz 9).

Im Hinblick auf den festgestellten Marktanteil der Antragsgegnerin von rund 99 % am Markt für Info.Mail ist sie dort marktbeherrschend.


 

5. Missbrauchsverbot:

Damit unterliegt sie dem Missbrauchsverbot des § 5 Abs 1 Z 3 KartG. Nach dieser Bestimmung ist die Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen verboten. Sie entspricht fast wörtlich dem Tatbestand des Art 102 lit c AEUV, der erfüllt wird, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen für gleichwertige Leistungen von seinen Handelspartnern unterschiedliche Preise fordert, dadurch bestimmte Handelspartner benachteiligt und diese Benachteiligung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Fallgruppe der Diskriminierung kann neben Art 102 Satz 2 lit c AEUV auch unter die Generalklausel des Art 102 Satz 1 AEUV subsumiert werden (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6, Band 1, Art 102 AEUV Rn 135). Die Diskriminierung wird in § 5 Abs 1 Z 3 KartG daher entsprechend der europäischen Regelung erfasst, die Auslegung folgt den europäischen Vorgaben (4 Ob 23/08y; RIS-Justiz RS0110382).

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung vorliegt, sind folgende Punkte zu prüfen:

  • Das Gleichbehandlungsgebot des Art 102 AEUV und des § 5 Abs 1 Z 3 KartG erstreckt sich nur auf Sachverhalte, die vergleichbar sind. Eine Identität der Sachverhalte ist hingegen nicht erforderlich (Gugerbauer, KartG3 Rz 63 mwN).

  • Es kommt nicht auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung an, sondern lediglich darauf, dass die Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung gegenüber allen Handelspartnern gleich ist (Fuchs in Immenga/Mestmäcker aaO Rn 388; EuGH 14.2.1978, 27/76, Rn 234 – United Brands).

  • Zu prüfen ist daher, ob Marktteilnehmer bei vergleichbarer Sachlage ungleich behandelt werden und ob diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist (Fuchs in Immenga/Mestmäcker aaO Rn 388 ff; Gugerbauer, KartG3 Rz 61). Auch dem Marktbeherrscher ist eine Differenzierung erlaubt, wenn die Geschäftspartner nach objektiven Maßstäben in ihren relevanten Eigenschaften nicht übereinstimmen und die Differenzierung daher sachlich gerechtfertigt ist (zur sachlichen Rechtfertigung bei Verweigerung der Geschäftsaufnahme s. 16 Ok 1/12; 16 Ok 1/15f).

  • Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (1 Ob 39/17t).

  • Überdies muss Diskriminierung geeignet sein, sich auf die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens auszuwirken (EuGH 19.4.2018, C-525/16, Rn 27f – Port. Urheberrechtsverwaltungsgesellschaft).


 

Die Preis- und Konditionendiskriminierung weist Elemente des Ausbeutungs- und des Behinderungsmissbrauchs auf. Einerseits werden durch die unsachliche Benachteiligung bestimmte Handelspartner schlechter gestellt und deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem relevanten Markt beeinträchtigt. Gleichzeitig wird durch das selbe diskriminierende Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens eine andere Gruppe von Handelspartner begünstigt. Für die Erfüllung des Diskriminierungstatbestands ist es allerdings nicht erforderlich, dass zur Ausbeutung eines Vertragspartners auch die Beeinträchtigung anderer Marktteilnehmer in Wettbewerb tritt (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 5 Rz 48).

Im vorliegenden Fall liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor. Die von der Antragsgegnerin gewährten Rabattstaffeln beziehen sich auf die Beförderung von Info.Mail vom Zeitpunkt der Einlieferung in ein Verteilzentrum bis zur Zustellung an den Empfänger. Da Kunden der Antragsgegnerin, die das Produkt Info.Mail nützen wollen, in gleicher Weise Vorgaben zur Einlieferung erfüllen müssen, um in den Genuss von Rabatten zu kommen, macht es keinen Unterschied, ob bestimmte Mengen an Info.Mail-Sendungen von Konsolidierern oder von Großkunden der Antragsgegnerin ohne Zwischenschaltung eines Konsolidierers eingeliefert werden. Die Einlieferung von Info.Mail in Verteilzentren der Antragsgegnerin durch Konsolidierer ist daher mit der Einlieferung durch Großkunden vergleichbar.

Ab dem Jahr 2017 klaffte die Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung durch die massiv unterschiedlichen Rabatte für Konsolidierer einerseits und Großkunden der Antragsgegnerin andererseits auseinander. Damit wurden Konsolidierer und Großkunden als Marktteilnehmer von der Antragsgegnerin massiv ungleich behandelt.

Als sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung stützte sich die Antragsgegnerin darauf, dass Großkunden und Konsolidierer auf verschiedenen Marktstufen tätig seien und sie nach dem Urteil des EuGH vom 11.2.2015, C-340/13 – bpost SA, zur unterschiedlichen Behandlung von Konsolidierern und eigenen Großkunden berechtigt sei.

Aus dieser Argumentation ist jedoch für die Antragsgegnerin nichts zu gewinnen. Beim Produkt Info.Mail handelt es sich nicht um Mengenrabatte. Vielmehr weisen die Rabatte eine starke operative Komponente auf. Im Urteil des EuGH vom 6.3.2008, C-287/06 – C-292/06 – Deutsche Post AG, wurde ausgesprochen, dass Art 12 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1977 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in der durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.6.202 (ABl. L 176, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Postdienste-Richtlinie 97/67) dem entgegenstehe, dass Konsolidierern Sondertarife verweigert werden, die der nationale Postanbieter im Bereich seiner Exklusivlizenz Geschäftskunden für die Einlieferung von Mindestmengen vorsortierter Sendungen in seinen Briefzentren gewähre.

Im Urteil C-340/13 – bpost SA sprach der EuGH aus, dass sich Absender – also Großkunden der Post – und Konsolidierer im Hinblick auf operative Rabatte in einer vergleichbaren Situation befänden. Davon seien Mengenrabatte je Absender zu unterscheiden, die geeignet seien, beim Absender einen Anreiz dafür zu setzen, mehr Postsendungen zu übergeben und dem Postunternehmen dadurch die Erzielung größenbedingter Kostenersparnisse zu ermöglichen. Die Tätigkeit der Konsolidierer als solche trage hingegen nicht zu einer Erhöhung der bpost SA übergebenen Post und somit nicht dazu bei, dass Letztere Einsparungen erziele (Rn 47).

Die Überlegungen im Urteil bpost SA lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Abgesehen davon, dass es sich um operative und nicht um reine Mengenrabatte handelt, steht fest, dass Konsolidierer einen Großteil der lukrierten Rabatte an ihre Kunden weitergeben und dass es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass Kunden der Konsolidierer auf weitergegebene Rabatte nicht mit einer Stimulation der Nachfrage nach Postdiensten reagieren. Damit befinden sich im Bereich Info.Mail Kunden der Antragsgegnerin und Konsolidierer in einer vergleichbaren Situation. Sie stehen der Antragsgegnerin beim Produkt Info.Mail auch nicht auf verschiedenen Marktstufen gegenüber, sondern liefern in gleicher Weise bestimmte Mengen an Info.Mail zu den gleichen Bedingungen ein, erhalten dafür jedoch von der Antragsgegnerin völlig verschiedene Rabattstaffeln. Eine sachliche Rechtfertigung für die vorliegende Diskriminierung liegt daher nicht vor.

Im Hinblick auf Postkonsolidierer hat auch die Kommission festgehalten, dass es diskriminierend sei, diesen für die Einspeisung gebündelter und vorsortierter Sendungen mehrerer Absender Teilleistungsrabatte zu verweigern, die Massenversendern für gleiche Mengen vorsortierter Post gewährt werden (KOMM 20.10.2004, COMP/38.745, Rz 86 f).

Die Tatsache, dass im Markt-Info.Mail die Diskriminierung der Erstantragstellerin, die bei vergleichbaren Mengen signifikant geringere Rabatte von nur etwa 1/3 erhielt, im Jahr 2018 zu ihrem Austritt aus diesem Markt führte, hindert die Fassung eines Abstellungsauftrags nicht. Gegenstand eines kartellgerichtlichen Abstellungsauftrags kann nach ständiger Rechtsprechung nur ein noch andauerndes verbotswidriges Verhalten sein. Ein Abstellungsauftrag setzt denknotwendig ein Andauern des Missbrauchs im Entscheidungszeitpunkt voraus. Ist der Missbrauch bereits abgestellt, ist ein solcher Auftrag unzulässig (RIS-Justiz RS0116044 [T3]; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 26 Rz 20).

Von einer Abstellung des Missbrauchs kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Antragsgegnerin nimmt für sich in Anspruch, zur Ungleichbehandlung von Großkunden und Konsolidierern berechtigt zu sein. Dies ist ein massiver Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin jederzeit bereit ist, sich aktiv missbräuchlich zu verhalten und dies gegenüber allenfalls noch im Markt befindlichen Teilnehmern auch durchzusetzen. Sollte die Erstantragstellerin die Geschäftsentscheidung treffen, am Markt für Info.Mail wieder teilzunehmen, so wäre sie nach wie vor mit der Ungleichbehandlung von Konsolidierern und Großkunden konfrontiert. Daher gibt es keine Anhaltspunkte für die Einstellung des Missbrauchs.


 

6. Geheimhaltungsverpflichtung:

Nach Art 12 vierter und fünfter Gedankenstrich der Postdienste-Richtlinie 97/67 in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.2.2008 (ABl. L 52, S. 3) geänderten Fassung müssen die Tarife transparent und nicht diskriminierend sein. Wenden Anbieter von Universaldienstleistungen Sondertarife an, beispielsweise für Dienste für Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer verschiedener Nutzer, so gelten die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung sowohl für die Tarife als auch für die entsprechenden Bedingungen.

Dies schließt eine Geheimhaltung von tatsächlich vereinbarten Tarifen aus.

Die Antragsgegnerin argumentiert im Zusammenhang mit ihrer Praxis individueller Preisverhandlungen unter Geheimhaltung von deren Ergebnissen damit, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen habe. Mit dieser Argumentation verkennt sie jedoch die Natur des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses. Grundsätzlich kann die Frage, ob eine bestimmte Angabe als Geschäftsgeheimnis anzusehen ist, nur im Einzelfall beantwortet werden (16 Ok 6/14i). Geschäftsgeheimnisse sind etwa technische oder finanzielle Angaben in Bezug auf das Know-how eines Unternehmens, Kostenrechnungsmethoden, Produktionsgeheimnisse und -verfahren, Bezugsquellen, produzierte und verkaufte Mengen, Marktanteile, Kunden- und Händlerlisten, Vermarktungspläne, Kosten und Preisstruktur oder Absatzstrategien. Bei einem Wettbewerbsverstoß kann es sich jedoch niemals um ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis handeln (16 Ok 14/13; 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 37 Rz 26). Die Geheimhaltungsverpflichtung im Zusammenhang mit den Rabattstaffeln im Bereich Info.Mail dient dazu, die wettbewerbsrechtlich relevante Diskriminierung und damit den Verstoß gegen § 5 Abs 3 KartG zu verschleiern. Die Antragsgegnerin kann daher nicht argumentieren, dass es sich bei den individuell verhandelten Rabattstaffeln um ein Geschäftsgeheimnis handelt.

Zuletzt ist noch anzumerken, dass sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen könnte, dass bei der Einlieferung in Verteilzentren, die keine Zugangspunkte iSd § 6 Abs 3 PMG sind, nach § 3 Z 6 PMG kein Universaldienst vorliegt und das in § 21 PMG normierte Nichtdiskriminierungsgebot beim Entgelt nur für den Universaldienst gilt. Ein nach Unionsrecht verpöntes Verhalten darf auf Grund des prinzipiellen Vorrangs des Unionsrecht nicht nach nationalem Recht geduldet werden (RIS-Justiz RS0113722; RS0109951; für viele: Fromberger/Schmidt, Die Kollision von nationalem und europäischem Recht – zugleich ein Beitrag zur Problemverortung im Mehrebenensystem, ZJS 1/2018, 29 ff – www.zjs-online.com). Daher kann eine einfach-gesetzliche Regelung wie jene der §§ 21 sowie 3 Z 6 PMG iVm 6 Abs 3 PMG, wonach das Nichtdiskriminierungsgebot beim Entgelt nur für den Universaldienst gilt und bei Einlieferung in Verteilzentren kein Universaldienst vorliegt, das Nichtdiskriminierungsgebot des Art 12 der Postdienst-Richtlinie 97/67 nicht außer Kraft setzen.

Die Antragsgegnerin ist daher iSd Art 12 der Postdienste-Richtlinie verpflichtet, im Bereich Info.Mail ein transparentes Rabattsystem für ihre Kunden zu verwenden.


 

7. Fassung des Abstellungsauftrags:

Nach der Rechtsprechung ist im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht. Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (16 Ok 1/18k, 2/18g; 16 Ok 4/20d; RIS-Justiz RS0132207). Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare, auch noch so geringfügige Variante eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher grundsätzlich nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat (16 Ok 13/08; RIS-Justiz RS0000878 [T15]). Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 4/20d mwN). Mit der Abstellung müssen jene Effekte ausgeschaltet werden, die die Maßnahme als missbräuchlich iSd § 5 KartG erscheinen lassen. Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich daher gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Eingriffe in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit sind auf das zur Erreichung des Normzwecks unbedingt notwendige Maß zu beschränken (16 Ok 4/20d). Im vorliegenden Fall ist daher ein Unterlassungsgebot ausreichend.

Die Abstellungsanordnung ist auch iSd § 26 KartG nicht unverhältnismäßig, da zum einen mit einem Unterlassungsauftrag weniger in die Dispositionsfreiheit der Antragsgegnerin eingegriffen wird als mit einem Auftrag zu positivem Tun, und zum anderen die verhaltensorientierte Maßnahme der Unterlassung von Diskriminierung für sich gesehen verhältnismäßig ist.

8. Leistungsfrist:

Nach § 37 Abs 2 AußStrG hat das Gericht, soweit dies erforderlich ist, zur Erfüllung seiner Aufträge eine angemessene Frist oder einen angemessenen Termin zu bestimmen. Für die Berechnung der Frist gilt § 409 Abs 3 ZPO sinngemäß. Auch nach der Rechtsprechung in Kartellrechtssachen ist dann, wenn der Abstellungsauftrag die Verpflichtung zu einem aktiven Tun enthält, die Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist grundsätzlich sachgerecht (16 Ok 1/18k, 2/18g = RIS-Justiz RS0132208; 16 Ok 4/20d). Das Unterlassungsgebot stellt der Antragsgegnerin zwar frei, auf welche Weise sie den Missbrauch konkret abstellt. Um dem Abstellungsauftrag Folge zu leisten, ist aber zwangsläufig ein aktives Tun auf Seiten der Antragsgegnerin erforderlich. Zur Umsetzung des Abstellungsauftrags war der Antragsgegnerin daher eine – mit einem Monat angemessene – Frist einzuräumen.

9. Rabatte auf das Entgelt für die Beförderung von Päckchen Small Eco und Päckchen Small Prio:

Das Kartellgericht entscheidet nach § 36 Abs 1 KartG nur auf Antrag, wobei es über den Verweis auf § 9 AußStrG in § 38 KartG genügt, dass das Begehren hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet (Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 36 Rz 13).

Der ausgedehnte Antrag der Antragstellerinnen lautet, dass es die Antragsgegnerin zu unterlassen habe, den der Erstantragstellerin für die End-to-End-Beförderung von Päckchen Small Prio und Eco gewährten Vorleistungsrabatt zu kürzen, in eventu niedrigere Rabatte als im Vertrag vom 14.11.2019 vereinbart wurden, zu gewähren. Allerdings bedient sich die Erstantragstellerin für die Beförderung der Päckchen Small Prio und Eco der Antragsgegnerin und nicht umgekehrt, wie dies die Erstantragstellerin in ihrem Schriftsatz ON 56 S 6 AS 82 selbst vorgebracht hat. Die Erstantragstellerin hat der Antragsgegnerin das – um eine allfällige Jahresbonifikation verringerte – Entgelt für die Beförderung zu bezahlen. Daher muss der Antrag so gedeutet werden, dass es die Antragsgegnerin zu unterlassen habe, die der Erstantragstellerin laut Vertrag vom 14.11.2019 gewährte Jahresbonifikation auf das Entgelt für die Beförderung von Päckchen Small Prio und Eco zu kürzen.

Die Antragstellerinnen stützen sich auf eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin auf dem Markt für die Beförderung von Päckchen bis zu 2kg in Österreich. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Argumentation der Antragsgegnerin, ob ihr in diesem Bereich überhaupt eine marktbeherrschende Stellung zukommt, da für Päckchen S sowohl vom Gewicht als auch von der Abmessung her nicht nur Brief- oder Dokumenten-, sondern auch Warensendungen möglich seien und gerade in diesem Bereich erheblicher Wettbewerb bestehe, kann hier ebenso unterbleiben wie ein Eingehen auf die Frage, ob die Marktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG für die Antragsgegnerin greift oder § 4 Abs 3 KartG zutrifft.

Auch unter der Annahme, dass der Antragsgegnerin eine marktbeherrschende Stellung in dem vom ausgedehnten Antrag betroffenen Bereich zukommt, muss dieser schon daran scheitern, dass der Antragsgegnerin in diesem Umfang kein missbräuchliches Verhalten angelastet werden kann.

Die Antragsgegnerin gewährt ihren Kunden bei den Produkten Eco Päckchen S und Prio Päckchen S unter bestimmten Bedingungen einen Nachlass auf den Listenpreis dieser Produkte. Die Bedingungen umfassen einerseits eine bestimmte Umsatzhöhe (über EUR 10.000,--) sowie andererseits bestimmte Leistungen, die die Kunden im Zusammenhang mit der Einlieferung und Sortierung zu erbringen haben.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen (ON 69, S 7, AS 209) sind diese Vorleistungen nur die Voraussetzung für die Gewährung der Jahresbonifikation und nicht für die Annahme und Beförderung des Produkts Päckchen Prio S und Päckchen Eco S. Mit der Bezahlung des Portos laut Preisliste Beilage ./ZZ von EUR 2,75 für Päckchen Prio S und EUR 2,55 für Päckchen Eco S werden von der Antragsgegnerin diese Päckchen angenommen und befördert, von wem auch immer sie aufgegeben werden.

Thema des vorliegenden Verfahrens ist somit die Jahresbonifikation. Sie ist rechtlich als Rabatt einzuordnen:

Entscheidend für die Beurteilung als Rabatt ist nicht die Bezeichnung oder ökonomische Gestaltung, sondern die Tatsache, dass sich der gewährte wirtschaftliche Vorteil als Preisnachlass auswirkt. Somit sind Rabatte ein Mittel des Preiswettbewerbs. Dieses steht auch Unternehmen in marktbeherrschender Stellung im Rahmen ihrer besonderen Verantwortung für den Wettbewerb grundsätzlich zu Gebote. Die Grenzen des Zulässigen werden aber überschritten, wenn Preise auf das Niveau von Kampfpreisen sinken oder wenn die Rabattgewährung aus anderen Gründen, etwa auf Grund ihrer sog- oder treuefördernden Wirkung nicht mehr als Mittel eines fairen Leistungswettbewerbs angesehen werden kann. Für die kartellrechtliche Bewertung von Rabatten entscheidend ist die Frage, an welche Bedingungen die Rabattgewährung anknüpft (Schröter/Bartl in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht2 S 874 f).

Mengenrabatte sind grundsätzlich zulässig, wenn sie auf objektiver Grundlage gewährt und berechnet werden. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sie ausschließlich an den Umfang der bei dem betroffenen Hersteller getätigten Käufe anknüpfen und wenn der weitergegebene Vorteil mit der Kostenersparnis des marktbeherrschenden Unternehmens korrespondiert.

Unbedenklich sind ferner Funktionsrabatte, die den Abnehmer dafür belohnen, dass er dem Lieferanten bestimmte Aufgaben abnimmt (Schröter/Bartl aaO S 876 und 877; Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 5 Rz 72 mwN).

Die Anknüpfung der Rabatte an die Höhe des Umsatzes wird von der Erstantragstellerin in keiner Weise thematisiert, da sie die in den Vereinbarungen enthaltenen Umsatzschwellen ohnehin um ein Vielfaches übersteigt. Sie argumentiert, dass sie, um die Jahresbonifikation zu erhalten, dafür bestimmte Vorleistungen erbringen müsse. Entgegen der Ansicht der Erstantragstellerin handelt es sich bei der Jahresbonifikation nicht um ein Entgelt für diese Vorleistungen, sondern vielmehr um einen kombinierten Funktions- und Mengenrabatt, den die Antragsgegnerin allen ihren Kunden bei Erfüllung der entsprechenden Bedingungen gewährt. Im Übrigen bezeichnet die Erstantragsgegnerin selbst in ihrem Vorbringen im Schriftsatz ON 56 S 3 AS 79 und S 4 AS 80 die Jahresbonifikation zutreffend als Rabatt.

Zuletzt argumentiert die Erstantragstellerin damit, dass die Antragsgegnerin diese Jahresbonifikation nicht vermindern hätte dürfen. Der Erstantragstellerin kommt jedoch kein Anspruch auf eine bestimmte Rabatthöhe zu. Da die Antragsgegnerin den Rabatt sämtlichen Kunden in gleicher Höhe gewährt, wie dies die Erstantragstellerin selbst vorbringt, stellt eine Verminderung eines grundsätzlich zulässigen Rabatts von 2 Prozentpunkten bzw. 1,1 Prozentpunkten keinen Missbrauch dar. Dies zeigt sich auch an der Auswirkung für die Erstantragstellerin in absoluten Zahlen, wonach bei einem Umsatz über EUR [EUR 470.000,-- bis 500.000,-- die Verminderung des Rabatts knapp EUR 6.000,-- bis EUR 10.000,--] ausmacht. Es muss der Antragsgegnerin möglich sein, die Rabatte an geänderte Umstände wie etwa Kostensteigerungen oder starken Rückgang des Sendungsaufkommens anzupassen. Darin kann kein Missbrauch iSd § 5 KartG gesehen werden.

Die Erstantragstellerin kann auch nicht damit argumentieren, dass der Rabatt die Gegenleistung für von ihr erbrachte Vorleistungen ist, die trotz der Verminderung des Rabattes gleich bleiben. Diese erbrachten Vorleistungen sind Bedingung für die Gewährung eines Funktionsrabattes, der auf Grund dieser Vorleistungen auf einer sachlichen wirtschaftlichen Rechtfertigung beruht.

Das Argument der Erstantragstellerin, dass ihr keine angemessene Reaktionszeit auf die Vereinbarungen Päckchen National Prio und Päckchen National Eco verblieben sei, ist nicht berechtigt. Die Vereinbarungen wurden der Erstantragstellerin am 27.11.2020 übermittelt und galten ab 1.1.2021. Der Erstantragstellerin war bekannt, dass in diesem Zusammenhang Jahresverträge geschlossen werden. Ein Zeitraum von über einen Monat vor Vertragsbeginn ist als angemessene Reaktionszeit zu werten.“


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Ausdruck vom: 28.04.2024 17:07:31 MESZ