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Berichtigte Fassung
Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 1/19w


Bekannt gemacht am:

02.10.2019

Entscheidungsdatum:

14.05.2019


1. Über die Antragsgegnerin des Verfahrens 26 Kt 1/19w wird wegen der im Zeitraum von Oktober 2008 bis Juli 2013 erfolgten fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG durch die Aufteilung der Bezugsquellen bei der Sammlung von Fahrzeugaltbatterien, indem die Antragsgegnerin mit den Antragsgegnerinnen des Verfahrens 26 Kt 2/19t ihr Verhalten dahin abstimmte, bei kleinen Anfallstellen mit jährlichen Sammelmengen von bis zu einer Tonne nicht in Wettbewerb zu treten, gemäß § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße von EUR 60.000,-- verhängt.

2. Gemäß § 28 Abs 1 iVm § 28 Abs 1a Z 1 KartG wird festgestellt, dass die Antragsgegnerinnen des Verfahrens 26 Kt 2/19t im Zeitraum von Oktober 2008 bis Juli 2013 gegen § 1 Abs 1 KartG dadurch fortgesetzt zuwider handelten, dass sie an einer Aufteilung der Bezugsquellen bei der Sammlung von Fahrzeugaltbatterien teilnahmen, indem sie mit der Antragsgegnerin des Verfahrens 26 Kt 1/19w ihr Verhalten dahin abstimmten, bei kleinen Anfallstellen mit jährlichen Sammelmengen von bis zu einer Tonne nicht in Wettbewerb zu treten.

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße von EUR 60.000,-- wider die zu 26 Kt 1/19w in Anspruch genommene Antragsgegnerin (in der Folge auch: Banner) sowie die Feststellung einer Zuwiderhandlung nach § 1 KartG wider die zu 26 Kt 2/19t in Anspruch genommenen Antragsgegnerinnen (in der Folge auch: BMG und Eco-Bat).

Dabei berief sich die Antragstellerin auf die von den Antragsgegnerinnen zum Zweck der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung abgegebenen Anerkenntnisse, in denen die Antragsgegnerinnen den von der Antragstellerin vorgebrachten Sachverhalt anerkannt und zur Kenntnis genommen haben, dass für das beschriebene Verhalten kein Rechtfertigungsgrund vorliege. Banner habe weiters die Angemessenheit der Geldbuße von EUR 60.000,-- iSd § 30 KartG bestätigt.

Zusammengefasst wurde vorgebracht:

Banner sei eine Herstellerin von Batterien. Als solche erwerbe sie aus Altbatterien recyceltes Blei.

Als Teilnehmer auf dem Werkstoffmarkt für Altbatterien seien (oftmals in unterschiedlichen Rollen) „Anfallstellen“ (und zwar Hersteller-Anfallstellen [wie Kfz-Werkstätten, Kfz-Händler, Pannendienste] sowie sonstige Anfallstellen [wie Mülldeponien, kommunale Altstoffsammelzentren]) und „Sammler“ (ds unmittelbare Abnehmer von Altbatterien bei den Anfallstellen, die die gesammelten Altbatterien an „Altstoffhändler“ oder uU direkt an „Recycler“ verkaufen) tätig. Der einzige Recycler von Altbatterien in Österreich sei BMG, welche im Inland bis heute die einzige Betreiberin einer Bleischmelze sei. Eco-Bat sei der Mutterkonzern von BMG.

Etwa bis 2006/2007 habe es keinen Markt für Altbatterien im klassischen Sinn gegeben. Fahrzeugbatteriehersteller seien aufgrund der Batterienverordnung 1991 (BatVO 1991) seit 1.7.1991 zur Sammlung und Entsorgung von (eigenen und fremden) Altbatterien verpflichtet gewesen. Dabei habe es sich nicht um einen Produktmarkt, sondern um einen Dienstleistungsmarkt gehandelt, auf dem mehrheitlich die Hersteller selbst, teilweise aber auch Drittunternehmen als externe Sammler tätig geworden seien. Letztere hätten gegen Entgelt die gesetzliche Rücknahmeverpflichtung der Hersteller erfüllt. Banner sei einer der Hersteller, der über ein entsprechendes betriebsinternes Logistiksystem verfüge und hierdurch auch selbst als Sammler tätig sei.

Da durch unterschiedliche Sammelkosten – insbesondere für jene Hersteller, die über kein eigenes Sammel-/Logistiksystem verfügten – eine Marktverzerrung entstanden wäre, hätten die größten Hersteller im Jänner 1996 das System des „Umweltforums Starterbatterien“ (UFS) gegründet, das zu 26 Kt 309/97 auch kartellgerichtlich genehmigt und bis Juni 2008 zweimal verlängert worden sei. Das UFS sei durch „Systembeiträge“ der Hersteller finanziert worden. Das UFS habe die (nach Abzug der administrativen Kosten und eines Gewinnanteils verbleibenden) Systembeiträge als „Sammelvergütung“ an die UFS-Teilnehmer, die Altbatterien gesammelt und nachweislich an BMG übergeben hätten, ausgezahlt. UFS-Teilnehmer seien Hersteller, die überwiegend Altbatterien der von ihnen belieferten Neubatterie-Kunden zurückgenommen hätten, sowie gewerbliche Sammler gewesen. Die Sammelvergütung habe im Wesentlichen eine Umlage bzw Umverteilung der Sammelkosten und somit die Ausschaltung des Preisfaktors Batteriesammlung dargestellt.

Bis 2006/2007 habe ein gemeinsames Verständnis bei der Altbatteriensammlung unter dem Dach des UFS bestanden, nicht miteinander in Wettbewerb zu treten, und zwar weder im Verhältnis der Hersteller untereinander noch im Verhältnis der Hersteller zu den sonstigen Anfallstellen, sodass die Sammelmengen stabil bleiben sollten. BMG sei dabei „künstlich“ horizontal eingebunden worden, indem BMG bei rund 10 gewerblichen Sammlern Altbatterien bezogen und hiefür Sammelvergütungen erhalten habe, weshalb BMG und seine gewerblichen Sammler eine Sammeltätigkeit bei Hersteller-Anfallstellen unterlassen sollten. Im Ergebnis hätten sich die Hersteller und BMG darauf festgelegt, bei ihren „angestammten Versorgungsquellen“ zu bleiben. Allerdings wäre aufgrund hoher Logistikkosten und niedriger Bleipreise für die Hersteller ein Sammeln abseits der von ihnen belieferten Kunden in der Regel wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen; umgekehrt wäre für Altstoffsammler die Sammlung bei Hersteller-Anfallstellen nicht sinnvoll gewesen, da sie hiebei keine anderen Altstoffe einsammeln konnten. Ohne das „gemeinsame Verständnis“ hätte ein Wettbewerb um Altbatterien bis zur Umstellung des UFS-Systems im Oktober 2008 (siehe unten) zu einer Verzerrung der finanziellen Lastenverteilung im UFS geführt. Diese Verzerrung (bzw die Trittbrettfahrer-Problematik) hätte darin bestanden, dass ein Hersteller durch erhöhte Sammelmengen höhere Sammelvergütungen erhalten hätte, die seine höheren Sammelkosten gedeckt hätten; während der Hersteller, dessen Sammelmengen dadurch gesunken wären, weiterhin die selben Kosten für den Erhalt seiner Sammellogistik und denselben Systembeitrag hätte tragen müssen; dadurch wären in weiterer Folge die Gesamtsammelkosten gestiegen, was wiederum zu höheren Sammelbeiträgen geführt hätte. Das „gemeinsame Verständnis“ habe daher der weitgehenden Reduktion der mit der Altbatteriensammlung und -entsorgung verbundenen Kosten gedient, die andernfalls in Form höherer Neubatterien-Preise an die Kunden weitergegeben worden wären.

Mitte 2006 habe der Preis von Neublei drastisch zu steigen begonnen, infolgedessen der beim Verkauf von Altbatterien an Bleischmelzen erzielbare Preis die Sammelkosten deutlich übertroffen habe. Es sei 2006/2007 zu einer grundlegenden Veränderung der Branche gekommen und ein Markt für Altbatterien entstanden, in dem das Sammeln von Altbatterien bei einem erheblichen Anteil der Anfallstellen auch ohne Sammelvergütungen einträglich gewesen sei. Ab 2006 hätten gewerbliche Sammler ihre Sammeltätigkeit vermehrt über Altstoffsammelzentren hinaus ausgedehnt und auch bei Werkstätten und Kfz-Händlern gesammelt. Dabei hätten sie vor allem den großen Hersteller-Anfallstellen Abgeltungen für die Altbatterien angeboten. Dies habe zur Folge gehabt, dass im System des UFS die Systembeiträge zahlenden Hersteller den gewerblichen Sammlern deren mittlerweile einträgliches Geschäft zusätzlich (durch die Auszahlung der Sammelvergütungen) subventioniert hätten, was zu Unmut und Spannungen geführt habe. Eine Beschwerde des Herstellers Bären bei BMG vom Mai 2007 über den aggressiven Wettbewerb um Altbatterien durch UFS-Mitglieder und Preisangebote von Altstoffhändlern sowie die darauf folgende Korrespondenz zeige, wie die geänderten Marktbedingungen und der resultierende Wettbewerb um Altbatterien die grundlegende Funktionsweise des UFS-Systems in Frage gestellt hätten.

Ab Oktober 2008 nach Inkrafttreten der BatVO 2008, mit dem die Teilnahme an einem Sammel- und Verwertungssystem für alle Hersteller und Importeure neuer Fahrzeugbatterien verpflichtend wurde und demgemäß neue Systeme auftraten - seien sodann vom UFS keine Systembeiträge mehr eingehoben und keine Sammelvergütungen mehr ausgezahlt worden (sog „inverkehr­setzungsseitiges Nulltarifmodell“). Stattdessen hätten die Sammler für die gesammelte Altbatteriemenge an das UFS einen „Anrechnungsbeitrag“ gezahlt. Die Sammler seien somit nicht mehr als entlohnte Dienstleister tätig geworden, sondern hätten als „Einkäufer“ bei den Anfallstellen für das wertvolle Produkt „Altbatterie“ gezahlt, um es zu einem besseren Preis an den Recycler weiterzuverkaufen.

Im Jahr 2015 hätten rund zwei Drittel der Anfallstellen Abgeltungen für Altbatterien gefordert.

Ein Export der Altbatterien ins Ausland, wo oft mehrere Bleischmelzen konkurrierten, sei zwar möglich, jedoch mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden (zumal ein Notifizierungsverfahren erforderlich sei, behördliche Auflagen einzuhalten seien und Transportkosten entstünden). Eine Rentabilität bestehe nur beim Export großer Mengen. Den Herstellern, die Mitglieder des UFS seien, sei der Export seit 2008 untersagt. Aufgrund der speziellen Topografie der Anfallstellen, der erheblichen zusätzlichen Exportkosten und der überwiegenden Determinierung des Marktes durch das UFS-System sei von einem nationalen Markt auszugehen.

Ab 2008 sei der Anteil der exportierten Altbatterien-Menge von anfangs 3,5% auf 26,4% im Jahr 2013 gestiegen. Rund 70 bis 75% der Altbatterien würden weiterhin im Rahmen des UFS gesammelt.

XXX. Vor diesem Hintergrund habe es besondere Kooperationen (über die Aufteilung der Altbleimengen) zwischen BMG und Banner gegeben. Auch vor dem Hintergrund steigender Bleipreise im Jahr 2006 hätten sich die Antragsgegnerinnen gemeinsam bemüht, die Altbatterie-Abgeltungen niedrig zu halten.

In einer Korrespondenz von 2014 und 2015 habe Banner auf BMG wegen deren Sammeltätigkeiten Druck ausgeübt und dabei auf den entstehenden „Preiskampf“, welcher zwecks Erhalt eines niedrigen Preisniveaus zu verhindern sei, und das „gemeinsame Verständnis“, wonach BMG nicht bei Bannerkunden sammeln solle, Bezug genommen. Eco-Bat habe sich von diesen Aussagen distanziert und darauf verwiesen, keine dem Wettbewerbsrecht widersprechenden Absprachen treffen zu wollen.

Aus der Korrespondenz gehe jedoch hervor, dass BMG in der Zeit zuvor – nämlich nach dem Oktober 2008 - im Einvernehmen mit Banner darauf verzichtet habe, bei Banner-Kunden Altbatterien zu sammeln. Umgekehrt habe Banner darauf verzichtet, Altbatterien ins Ausland zu exportieren oder durch Aufnahme einer zweiten Schmelze in den UFS Konkurrenz für BMG zu schaffen. Es habe zwischen diesen Unternehmen (weiterhin) das gemeinsame Verständnis bestanden, nicht miteinander in Wettbewerb zu treten. Im Juli 2013 habe BMG dieses Verhalten beendet und sei nach und nach aggressiv mit Banner in Wettbewerb getreten.

In rechtlicher Hinsicht führte die Antragstellerin aus, § 1 KartG untersage alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Die demonstrative Aufzählung der verbotenen Verhaltensweisen in § 1 Abs 2 KartG entspreche jener in Art 101 AEUV. Die Einschränkung des Wettbewerbs könne entweder bezweckt oder bewirkt werden, worunter zwei selbständige Alternativen des Tatbestandes zu sehen seien. Die verbotenen Verhaltensweisen müssten geeignet sein, zwischen den beteiligten Unternehmen die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. Der Begriff „Vereinbarung“ werde weit ausgelegt und liege schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Nicht notwendig sei, dass es sich um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handle. Daneben seien abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot umfasst. Dabei handle es sich um jede Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmen, die bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lasse. Erfasst sei eine „Fühlungnahme“ zwischen Unternehmen, die geeignet und bestimmt sei, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen. Die Grenze zwischen Vereinbarung und abgestimmter Verhaltensweise sei fließend. Eine Abgrenzung sei aber nicht erforderlich, da die beiden Verhaltensformen ohnehin gleichermaßen verboten und die Rechtsfolgen dieselben seien. Das hier vorliegende gemeinsame Verständnis der Antragsgegnerinnen, bei der Sammlung von Altbatterien nicht gegenseitig in Wettbewerb zu treten, sei eine Willensübereinstimmung zwischen Unternehmen über ihr Auftreten am Markt und daher eine kartellrechtswidrige Vereinbarung; jedenfalls sei es als abgestimmte Verhaltensweise zu qualifizieren.

Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, bei der die Auswirkungen unberücksichtigt bleiben könnten, liege vor, wenn die Beschränkung ihrem Wesen nach geeignet sei, den Wettbewerb iSd Art 101 AEUV zu beschränken. Entscheidend sei, ob die Vereinbarung schon ihrer Art nach als auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet anzusehen sei. Solche Beschränkungen hätten im Hinblick auf die mit den Wettbewerbsvorschriften verfolgten Ziele ein derart großes Potential für negative Auswirkungen auf den Wettbewerb, dass es nicht notwendig sei, deren tatsächliche Auswirkungen am Markt nachzuweisen.

Das hervorgekommene, auch nach dem Oktober 2008 bestehende gemeinsame Verständnis von Banner und BMG, nicht miteinander in den Wettbewerb zu treten, stelle eine Aufteilung der Vorsorgungsquellen dar, welche (gemeinsam mit der Festsetzung von Verkaufspreisen) zu den gravierendsten Verstößen im Bereich des EU-Kartellrechts zähle. Mit der Aufteilung der Versorgungsquellen würden ua Beschränkungen des zwischen den kartellbeteiligten Parteien bestehenden Nachfragewettbewerbs auf vorgelagerten Märkten erfasst. Derartige horizontale Absprachen über Versorgungsquellen seien als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren.

Hingegen hätten die beschriebenen Verhaltensweisen bis zum Anstieg der Bleipreise 2006/2007 keinen wettbewerblich schädlichen Hintergrund gehabt. Im Zeitraum zwischen 2006/2007 bis Oktober 2008 habe der Zweck des gemeinsamen Verständnisses fortbestanden, eine Verzerrung der Lastenverteilung im UFS (bzw die Trittbrettfahrer-Problematik) zu vermeiden und die Sammlung möglichst kosteneffizient durchzuführen. Nach der Judikatur des EuGH (Cartes Bancaires) schließe zwar die Tatsache, dass eine Maßnahme ein legitimes Ziel (Bekämpfung von Trittbrettfahrern) verfolge, die Annahme eines wettbewerbsbeschränkenden Zwecks nicht aus, dieser Zweck müsse jedoch belegt werden. Es bestehe hier kein Nachweis, dass ein solcher Zweck vorgelegen sei, weshalb das gemeinsame Verständnis in dieser Zeit nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren sei. Im Oktober 2008 sei der vormalige legitime Zweck der Verhaltensweise durch das Inkrafttreten des „Nulltarifsystems“ weggefallen. Ab diesem Zeitpunkt sei Zweck des gemeinsamen Verständnisses bezüglich der Altbatteriensammlung die Beschränkung des Wettbewerbs gewesen, um die Altbatterie-Abgeltungen an Anfallstellen niedrig zu halten.

Dieses im Zeitraum Oktober 2008 bis Juli 2013 bestehende Verhalten stelle einen Verstoß gegen § 1 KartG dar.

Es habe jedoch nicht alle Anfallstellen betroffen. Im Bereich des (großvolumigen) Altmetallhandels hätten in erster Linie Sekundärrohstoffhändler sowie Komplettentsorger agiert. Batteriehersteller seien hier nicht im Rahmen ihrer Sammeltätigkeit sondern im Rahmen der Rohstoffbeschaffung aktiv. Auch große oder gebündelte Anfallstellen (etwa große Händler, große Kfz-Händler oder Werkstättenketten) seien nicht betroffen, da diese ihre Altbatterien-Menge regelmäßig im Rahmen von Ausschreibungen veräußern würden. Für diese Bereiche seien die gegenständlichen Verhaltensweisen daher nicht relevant. Tatsächlich betroffen seien kleine Anfallstellen, dh mittlere und kleine Kfz-Händler und -Werkstätten, die ua von Banner mit Neubatterien beliefert worden seien und denen von den Herstellern Altbatteriesammelkästen (sog Paloxen) bereitgestellt worden seien. Bei diesen Anfallstellen seien in der Regel jährlich Sammelmengen von bis zu einer Tonne angefallen.

Die betroffenen Anfallstellen würden lediglich einen kleinen, wenn auch langsam steigenden Anteil der Gesamtmenge von Banner bezogener Altbatterien darstellen. Banner habe im Geschäftsjahr 2008 an die betroffenen Anfallstellen Altbatterie-Abgeltungen von weniger als EUR XXX geleistet, bis 2013 seien diese Abgeltungen schrittweise gestiegen, hätten aber auch bei Beendigung des Verstoßes EUR XXX nicht überstiegen. Diese Beträge lägen allerdings unter jenem Wert, der sich bei freiem Wettbewerb eingestellt hätte.

Hinsichtlich der Schwere des Verschuldens sei daher zu beachten, dass nur ein kleiner Teil der Anfallstellen und somit nur ein kleiner Teil der gesammelten Altbatterien betroffen gewesen seien, die betroffenen Abgeltungen zu Beginn des Verstoßes deutlich geringer gewesen seien und auch bei Beendigung den oa Betrag nicht überschritten hätten. Da keinem weiteren Unternehmen (Mitbewerber von Banner) eine Beteiligung am Verstoß habe nachgewiesen werden können, sei davon auszugehen, dass die Auswirkungen geringer ausgefallen seien, als dies bei Beteiligung weiterer oder aller Marktteilnehmer der Fall wäre. Darüber hinaus sei das kartellrechtswidrige Verständnis zwischen den Antragsgegnerinnen aus deren Zusammenwirken im UFS im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Altbatterien­sammlung und aus dem überwiegend vertikalen Verhältnis zwischen den Unternehmen hervorgegangen. XXX. Die horizontale Wettbewerbsbeschränkung sei somit aus einer vertikalen Geschäftsbeziehung XXX hervorgegangen. Das Verschulden der Antragsgegnerinnen sei daher als gering einzustufen.

Betreffend Banner sei unter Berücksichtigung der in § 30 KartG enthaltenen Kriterien für die Bemessung der Geldbuße – nämlich (i) der weltweite Konzernumsatz von EUR 302 Mio (2017), (ii) der Durchschnitt der betroffenen Abgeltungen, (iii) die Schwere der Rechtsverletzung, (iv) die Dauer des Verstoßes, (v) das geringe Verschulden, (vi) die Kooperation bei der Aufklärung des Sachverhaltes sowie (vii) dass Banner die wesentlichen Sachverhaltselemente des Kartellverstoßes außer Streit gestellt habe, um eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung zu ermöglichen, - ein Bußgeld in der beantragten Höhe angemessen. Diese Höhe werde als ausreichend general- und spezialpräventiv eingeschätzt.

Betreffend BMG und Eco-Bat werde gemäß § 11b Abs 1 WettbG von der Beantragung einer Geldbuße abgesehen. Diese beiden Antragsgegnerinnen hätten die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Kronzeugenstatus erfüllt.

Die Antragstellerin habe am 20.2.2018 in Anwesenheit des Rechtsvertreters der BMG die Einvernahme des ehemaligen Geschäftsführers der BMG vorgenommen. Darin liege eine einem beteiligten Unternehmen bekannt gegebene, auf Ermittlung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung, wodurch die Verjährung unterbrochen worden sei. Die gegenständlichen Verhaltensweisen seien nicht verjährt.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und den Anträgen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin des Verfahrens 26 Kt 1/19w (Banner) trat den Sach- und Rechtsausführungen der Antragstellerin nicht entgegen. Sie verwies auf das abgegebene Anerkenntnis und den Umstand ihrer Kooperation. Die beantragte Geldbuße werde für angemessen erachtet.

Die Antragsgegnerinnen des Verfahrens 26 Kt 2/19t (BMG und Eco-Bat) nahmen die Anträge zur Kenntnis, gaben keine inhaltliche Stellungnahme dazu ab und verwiesen auf das von ihnen vorgelegte Anerkenntnis.

Sachverhalt:

Da der von der Antragsstellerin dargestellte Sachverhalt unbestritten blieb, gegen dessen Richtigkeit auch im Hinblick auf die vorgelegten Urkunden (./A bis ./N des Aktes 26 Kt 1/19w sowie ./A bis ./N des Aktes 26 Kt 2/19t) keine Bedenken bestehen und letztlich die abgegebenen Anerkenntniserklärungen (jeweils ./A) die Behauptungen bestätigen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

Der vorgetragene Sachverhalt ist vielmehr der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Ergänzend ist – aufgrund der unbestrittenen Angabe der Antragsgegnerin Banner (ON 10 S 2) – festzustellen, dass sich der von Banner im vorausgegangenen Geschäftsjahr (1.4.2018 bis 31.3.2019) erzielte Konzernumsatz in einem vergleichbaren Rahmen bewegte wie der im zuvor abgelaufenen Geschäftsjahr (1.4.2017 bis 31.3.2018) erreichte Konzernumsatz von EUR 302 Mio (vgl https://www.bannerbatterien.com/de-at/Unternehmen/Zahlen-und-Fakten).

Rechtlich folgt daraus:

1. Die Antragstellerin hat die aus dem Sachverhalt abzuleitenden Rechtsfolgen zutreffend dargestellt. Auf die Ausführungen wird daher verwiesen. Ergänzt sei:

2.1. Die in § 1 Abs 1 KartG genannten Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens (Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen) sind gleichrangig, weshalb eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz ist (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian² § 1 KartG Rz 15). Vorliegend kam es auf Basis des bei Banner und BMG bestehenden gemeinsamen Verständnisses (jedenfalls) zu einer abgestimmten Verhaltensweise dieser Antragsgegnerinnen. In subjektiver Hinsicht ist daher die dritte in § 1 Abs 1 KartG vorgesehene Form der Kollusion erfüllt.

2.2. Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 KartG ist eine Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Die hervorgekommene Vorgehensweise der Antragsgegnerinnen, bei der Sammlung von Altbatterien wechselseitig nicht in Wettbewerb zu treten - in concreto: der Verzicht von BMG, bei Banner-Kunden Altbatterien zu sammeln, verbunden mit dem Verzicht von Banner, Altbatterien ins Ausland zu exportieren oder durch eine zweite Bleischmelze Konkurrenz für BMG zu schaffen -, stellt eine Aufteilung der Versorgungsquellen in diesem Sinne dar.

Ein solcher Kartellrechtsverstoß stellt einen "Kernverstoß" gegen § 1 KartG dar. Kernbeschränkungen sind grundsätzlich bezweckte Beschränkungen des Wettbewerbs, zumal hier die Abschwächung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Vordergrund steht (Lager/Petsche aaO Rz 57 und 70). Eine koordinierte Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen ist eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (16 Ok 10/16f mwN). Auf die tatsächlichen schädlichen Auswirkungen der Verhaltensweise auf den relevanten Markt „Sammlung von Altbatterien in Österreich“ muss daher nicht eingegangen werden.

2.3. Somit liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor. Rechtfertigungsgründe nach § 2 KartG wurden nicht behauptet und sind nicht erkennbar.

3. Die zunächst fortgesetzte, mit Juli 2013 beendete Rechtsverletzung ist nicht verjährt. Gemäß § 33 KartG idF KaWeRÄG 2017 darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird – wie durch das KaWeRÄG 2017 neu normiert wurde - unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekannt gegeben wird.

Diese neue Bestimmung trat gemäß § 86 Abs 5 KartG am 1.5.2017 in Kraft und bedurfte keiner Übergangsregel. Wurde nämlich bei einer Rechtsverletzung, die – wie vorliegend - am 30.4.2012 noch nicht beendet war, am 1.5.2017 – oder danach innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist ab Beendigung der Rechtsverletzung – eine Verfolgungshandlung gesetzt und dem Unternehmen bekannt gegeben, dann bewirkt diese Bekanntgabe nach dem neuen Regime bereits eine Unterbrechung der Verjährung, sodass die Frist neu zu laufen beginnt (vgl Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht³ S 93).

Da hier bei Einvernahme des Geschäftsführers der BMG am 20.2.2018 die Fünfjahresfrist noch nicht abgelaufen war, trat durch die Einvernahme die Unterbrechung der Verjährung ein.

4. Demnach sind - betreffend die Antragsgegnerin zu 26 Kt 1/19w - alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße nach § 29 Z 1 lit a KartG erfüllt.

Nähere Prüfungen zur Höhe der zu verhängenden Geldbuße erübrigen sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der beantragte Bußgeldbetrag, den die Antragsgegnerin Banner als angemessen bestätigte, überhöht wäre. Bei der Bemessung wurde insbesondere zutreffend berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin an der Aufklärung des Sachverhalts maßgeblich mitwirkte. Für eine (weitere) Reduktion des Bußgeldes bestand keine Veranlassung.

5. Betreffend die Antragsgegnerinnen zu 26 Kt 2/19t gilt: Gemäß § 28 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht dann, wenn die Zuwiderhandlung gegen ein im ersten Hauptstück enthaltenes Verbot bereits beendet ist, die Zuwiderhandlung festzustellen, soweit daran ein berechtigtes Interesse besteht. Ein solches Interesse liegt nach § 28 Abs 1a Z 1 KartG auch vor, wenn die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen einen Unternehmer begehrt wird, dem die Bundeswettbewerbsbehörde Kronzeugenstatus zuerkannt hat.

Den beiden Antragsgegnerinnen BMG und Eco-Bat wurde dieser Kronzeugenstatus zuerkannt. Damit ist das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung, der die Antragsgegnerinnen auch nicht entgegentraten, gegeben.“



Bekannt gemacht am 02.10.2019

Änderung

Beteiligte von Bundeswettbewerbsbehörde, Banner GmbH auf ebenso 26 Kt 2/19t, Bundeswettbewerbsbehörde, Banner GmbH geändert.


Ausdruck vom: 27.04.2024 15:29:53 MESZ