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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 1/23h


Bekannt gemacht am:

10.01.2025

Entscheidungsdatum:

27.06.2024


 Über die Erstantragsgegnerin Fronius International GmbH und die Zweitantragsgegnerin G & K Privatstiftung wird wegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG und Art 101 AEUV in Form von kartellrechtswidrigen Vereinbarungen mit Vertragshändlern über Wiederverkaufspreise, Gebietsaufteilung und Wettbewerbsverbote sowie kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen beim Vertrieb von Fronius-Schweißtechnik im gesamten Hoheitsgebiet von Österreich im Zeitraum von 26.1.2007 bis 2.7.2021 eine Geldbuße in Höhe von EUR 3.000.000 verhängt.
 
Begründung:
 
Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte zuletzt gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG die Verhängung einer Geldbuße wie aus dem Spruch ersichtlich. Die Antragsgegnerinnen hätten am 12.3.2023 freiwillig ein Anerkenntnis abgegeben und den zuletzt mit Schriftsatz vom 24.4.2024 konkretisierten Sachverhalt außer Streit gestellt. Die Antragsgegnerinnen hätten – zusammengefasst – anerkannt, dass das von der Bundeswettbewerbsbehörde beschriebene Verhalten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG und Art 101 AEUV darstelle und hierfür kein Rechtfertigungsgrund bestehe. Die Antragsgegnerinnen hätten außerdem erklärt, eine Geldbuße von EUR 3.000.000 Mio für angemessen zu erachten und seien dieser nicht entgegengetreten.Bei der Bemessung der beantragten Geldbuße seiender Umsatz der Antragsgegnerinnen im Jahr 2020 (letztes Geschäftsjahr vor Einstellung der Zuwiderhandlung), die Schwere der Zuwiderhandlung (Kernbeschränkung), das Verschulden der Erstantragsgegnerin sowie die nachweisliche Dauer des Verstoßes (14 Jahre)berücksichtigt und ein Kooperationsabschlag sowie ein Settlementabschlag gewährt worden.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich diesem Antrag an.
Die Antragsgegnerinnen stellten den im konkretisierten Antrag vorgebrachten Sachverhalt außer Streit, traten der rechtlichen Beurteilung der Bundeswettbewerbsbehörde nicht entgegen und akzeptierten die vorgenommene Geldbußenberechnung.
Folgender Sachverhalt steht fest:
I. Antragsgegnerinnen:
Die Erstantragsgegnerin hat ihren Sitz in Pettenbach und ist in drei Geschäftsfeldern, u.a. im Bereich der Schweißtechnik aktiv. Die Erstantragsgegnerin vertreibt selbst hergestellte Fronius Schweißtechnik im EWR teils über eigene Tochtergesellschaften, teils über Vertragshändler. Am österreichischen Markt vertreibt sie ihre Schweißprodukte selbst über vier Standorte in Wien, Salzburg, Innsbruck und Wels. In den Bundesländern Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, dem südlichen Burgenland und Osttirol erfolgt der Vertrieb über Vertragshändler der Erstantragsgegnerin, nämlich die Zultner Metall GmbH (FN 399006z) (idF Zultner) und die Haberkorn Ulmer GmbH (FN 217032s) (idF Haberkorn). Die Vertriebsbeziehung bestand bereits viele Jahre vor dem Abschluss schriftlicher Verträge im Jänner 2007.
Die Erstantragsgegnerin steht zu 100% im Eigentum der Zweitantragsgegnerin.
Die weltweiten Gesamtumsätze der Erst- und Zweitantragsgegnerin (konsolidierte Gruppenumsätze) betrugen im Geschäftsjahr 2020 ca. EUR 847 Mio, im Geschäftsjahr 2021 ca. EUR 995,8 Mio und im Geschäftsjahr 2022 ca. EUR 1.229 Mio. Im Geschäftsfeld Schweißtechnikprodukte wurden in Österreich im Geschäftsjahr 2020 Umsätze in der Höhe von EUR XX Mio erzielt.
II. Zuwiderhandlung
A. Überblick:
Die Erstantragsgegnerin schloss durch ihren Geschäftsführer A* mit Zultner (bzw. deren Gesamtrechtsvorgängerin Zultner GmbH & Co KG, FN 9181b, früher Wilhelm Zultner & Co) am 26. Jänner 2007 und mit Haberkorn am 9. Juni 2008eine Vertriebsvereinbarung („Langfristige Fronius-Vertretungsvereinbarung-Vertragshändler“, in der Folge: Vertriebsvereinbarung)über den Vertrieb von Fronius-Schweißtechnik und Schweißzubehör (in der Folge: Vertragswaren) ab.
Die Vertriebsvereinbarung enthielt Regelungen über Gebietsaufteilungen, Preisabstimmungen, Wettbewerbsverbote und den Austausch sensibler Geschäftsinformationen.
Aus der Vereinbarung ergab sich durch die Zuweisung von Vertriebsgebieten in Verbindung mit der sogenannten Fair-Play-Regelung eine Gebietsaufteilung, die durch ergänzende Vertragspraxis abgesichert wurde.
Anhang 3 zur Vertriebsvereinbarung sah Preisabstimmungen zwischen der Erstantragsgegnerin und deren Vertriebspartnern Zultner und Haberkorn bei sogenannten Global Player-Kunden vor.
Das vertragliche Wettbewerbsverbot sicherte den Ausschluss des intra-brand-Wettbewerbs zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner und Haberkorn ab und förderte aufgrund des hohen Marktanteils der Vertragswaren die marktverschließende Wirkung der gegenständlichen Kooperation.
Über die Vertragspraxis hinaus gab es weitere Preisabsprachen und Vertriebskoordinationen. Zumindest seit 2011 tauschten sich die Erstantragsgegnerin, Zultner und Haberkorn wiederholt anlässlich der Auftragsanbahnung mit Kunden detailliert über Angebotskonditionen inklusive Preise aus und legten Deckangebote. Darüber hinaus wurden auch allgemein Informationen über Preise und sensible Geschäftsdaten ausgetauscht sowie Absprachen über Preise für Geschäfte mit weiteren Kunden (BBG, ÖBB) bzw. für den Internetvertrieb getroffen und Vertriebsmaßnahmen akkordiert.
Zultner und Haberkorn traten nicht als Erfüllungsgehilfen bzw. Subunternehmer der Erstantragsgegnerin, sondern als eigenständige Anbieter am Markt auf.
Die Erstantragsgegnerin stellte sämtliche inkriminierten Verhaltensweisen am 2.7.2021 ein.
B. Preisabsprachen und Koordinierung im Vertrieb:
1. Preisabsprachen:
Punkt III.5 der Vertriebsvereinbarung zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner bzw. der Erstantragsgegnerin und Haberkorn hielt fest, dass globale Kunden (Global Player) sehr wichtig seien und verwies bezüglich deren Bearbeitung auf Anhang 3 zur Vertriebsvereinbarung. Anhang 3 hielt zur Regelung Global Player fest: „Die Vertriebsleitung International trifft mit definierten Global Playern und der nationalen Geschäfts-/Vertriebsleitung eine Konzernvereinbarung, die für alle Beteiligten verbindlich wirksam ist.“ Demnach sollten weltweit gleiche Voraussetzungen gelten: International vereinbarter Preis + national unterschiedliche Aufschläge (Zölle, Transporte, Zahlungsziele)“. Weiters wurde in Anhang 3 festgehalten: „Wir leben gemeinsam die Konzernvereinbarungen mit allen Konsequenzen“ und „[d]ie Ansprechpartner für Global Player halten uns immer am laufenden Stand. Im Gegenzug informieren wir die Ansprechpartner über lokale Vorkommnisse“.
Aufgrund dieser Regelungen waren Zultner und Haberkorn gemäß Punkt III.5 der Vertriebsvereinbarung verpflichtet, bei der Bearbeitung der Globalkunden Anhang 3 zu beachten und sich an die von der Erstantragsgegnerin mit Global Playern getroffenen Konzernvereinbarungen über die Konditionen der Global Player beim künftigen Bezug von Fronuis Schweißtechnik, zu halten. Als Partei der Vertriebsvereinbarung waren Zultner und Haberkorn nämlich Beteiligte in diesem Sinn und daher zur Einhaltung der Konzernvereinbarung verpflichtet. Dies hatte zur Konsequenz, dass die Global Player Vereinbarung Vorgaben für Preise und Konditionen beim Bezug von Fronius-Schweißtechnik nicht nur für Konzernunternehmen der Erstantragsgegnerin machte, sondern auch für den Bezug von Fronuis-Schweißtechnik bei den konzernrechtlich nicht verbundenen Vertragshändlern Zultner und Haberkorn.
Die Erstantragsgegnerin, Zultner und Haberkorn lebten die Verbindlichkeit der Konzernvereinbarung und die daraus resultierenden Preisvorgaben der Erstantragsgegnerin an Zultner und Haberkorn.
Die Erstantragsgegnerin informierte Zultner und Haberkorn regelmäßig über Wiederverkaufspreise, Rabatte und Konditionen aus den jeweiligen Global Player Vereinbarungen und forderte sie auf diese Konditionen in ihren Systemen zu hinterlegen und bei Geschäften mit den Globalkunden anzuwenden.
Darüber hinaus kam es zu Abstimmungen über Konditionen, Preise und Margen zwischen der Erstantragsgegnerin und ihren Vertragshändlern Zultner und Haberkorn, wenn letztere Geschäftsabschlüsse mit Globalkunden verhandelten oder Angebote abgeben wollten. Dabei wurden unterschiedliche Themen besprochen: Einerseits gab es immer wieder Unklarheiten über die anzuwendenden Preise, andererseits gab es auch Diskussionen, wenn die Global Player Preise für die Vertragshändler Zultner und Haberkorn zu niedrig waren oder Abstimmungsbedarf hinsichtlich der Preise für weitere – für sie vergleichbare – Kunden bestand, die nicht Global Player waren. Überdies legten Zultner und Haberkorn gegenüber der Erstantragsgegnerin vertrauliche Informationen aus ihren Geschäftsbeziehungen mit Global Playern offen, indem sie die Erstantragsgegnerin regelmäßig über die von ihnen mit Globalkunden erzielten Umsätze informierten. Die Erstantragsgegnerin benötigte diese Informationen für die jährlichen Verhandlungen mit den Global Player Kunden über die Verlängerung der Vereinbarungen; Umsatzrückgänge mit diesen Kunden konnten zu schlechteren Global Player-Vereinbarungen führen.
So gab die Erstantragsgegnerin beispielsweise Zultner betreffend des Global Player Kunden Magna wiederholt konkrete Wiederverkaufspreise für bestimmte Paketangebote oder Produkte vor bzw. wurden die Preise abgestimmt: Im März 2015 übermittelte die Erstantragsgegnerin per Email Zultner die Konditionen für Paketpreise für Magna Europe mit der Bitte um Freigabe. Ende 2017 informierte die Erstantragsgegnerin Zultner per Email über das neue Preisabkommen mit Magna Cosma Europe und teilte mit, dass spezielle Nettopreise für Pakete vom 1.1.2018 bis 13.12.2018 gültig seien; alle anderen Preise unterlägen dem vereinbarten Gruppenrabatt auf Basis der aktuellen Preisliste. Im März 2018 wurden die Wiederverkaufspreise für die „TST 3500c Magna Edition“ zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner abgestimmt. Im Dezember 2018 teilte die Erstantragsgegnerin Zultner die neuen Rabatte für die Magna Cosma Engieneering Europe GmbH ab 1.1.2019 mit.Anfang 2019 informierte die Erstantragsgegnerin Zultner, dass die speziellen Nettopreise für Pakete für Magna Cosma Europe aus dem Jahr 2018 auch für 2019 gelten.
Auch 2020 gab es im Kontext der Global Player-Vereinbarung eine Abstimmung zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner; ein Mitarbeiter der Erstantragsgegnerin teilte einem Mitarbeiter von Zultner mit Email vom 8.7.2020 Folgendes mit: „Wir haben im globalen Vertrag ja auch einen Absatz mit Consignment…. bitte schau dir das mal an und wir können uns dann darüber unterhalten“. In der mit diesem Email übermittelten Global Player-Vereinbarung („Supplier Term Sheet“) hält die Erstantragsgegnerin überdies explizit fest, dass die ausverhandelten Konditionen kein Vertragsangebot darstellen, sondern lediglich die Verhandlungen effektivieren sollen.
Im November 2021 tauschten sich die Erstantragsgegnerin und Zultner ausführlich über Rabatte und Margen von Zultner bei Magna Steyr, Magna Cosma, Magna Fuel Tec und Magna Presstec aus; Hintergrund waren Unklarheiten von Zultner, in welchem Umfang die Rabatte aus den General Player-Vereinbarungen für diese Betriebe anwendbar waren.
2015 stimmten die Erstantragsgegnerin und Zultner konkret die Preise für ein Paketangebot von Zultner an den Kunden Magna Cosma ab.
Im Jahr 2016 sprachen sich die Erstantragsgegnerin und Zultner bezüglich der Ausschreibung des Projekts Mercedes G Mopf für den Kunden Magna Presstec in Graz ab. Ziel war, dass beide eigenständig an der Ausschreibung teilnehmen, die Angebotskonditionen jedoch aufeinander abstimmen; Hintergrund war, dass die Ausschreibung eine Lieferung für den Kunden Magna Graz betraf, der nach der Intention der Erstantragsgegnerin durch Zultner beliefert werden sollte.
Auch gegenüber Haberkorn gab die Erstantragsgegnerin wiederholt konkrete Wiederverkaufspreise für bestimmte Paketangebote oder Produkte für den Global Player Kunden Liebherr vor bzw. wurden die Preise abgestimmt. So informierte die Erstantragsgegnerin Haberkorn jedenfalls in den Jahren 2016 bis 2020 jährlich über die von der Erstantragsgegnerin betreffend des Kunden Liebherr vorgegebenen Rabatte; alle diesbezüglich von der Erstantragsgegnerin an Haberkorn übermittelten Schreiben hielten die Gültigkeitsdauer der übermittelten Konditionen, Preise und weitere Informationen zur Handhabung genau fest. Auch Haberkorn war aufgrund von Anhang 3 zur Vertriebsvereinbarung an diese Preisvorgaben für General Player Kunden gebunden.
Die Erstantragsgegnerin stellte den Anspruch Wiederverkaufspreise betreffend den Kunden Liebherr abzustimmen. Haberkorn entsprach dieser Anforderung.
2. Umsatzinformationen der Vertragshändler an die Erstantragsgegnerin:
Zultner übermittelte der Erstantragsgegnerin regelmäßig Informationen über die von Zultner mit Magna-Betrieben in der Steiermark erzielten Umsätzen, so mit Email von 4.11.2020 die von Jänner bis September 2020 erzielten Umsätze und mit Email vom 10.6.2021 betreffend die 2020/2021 hinsichtlich der Magna-Betriebe erzielten Umsätze.
Auch Haberkorn übermittelte der Erstantragsgegnerin regelmäßig Informationen über die Umsätze von Haberkorn mit dem General Player Kunden Liebherr, so jedenfalls in den Jahren 2017, 2018 und 2019.
Mit Email vom 22.6.2021 informierte die Erstantragsgegnerin Haberkorn über eine Preisanhebung der Preise für den Kunden Liebherr ab 1.7.2021 um 4 % bei unveränderten Rabatten.
3. Deckangebote:
Die Erstantragsgegnerin und ihre Vertragshändler Zultner und Haberkorn kooperierten jahrelang bei der Angebotslegung an Kunden mit dem Ziel, Preise und Konditionen so abzustimmen, dass der gebietszuständige Vertragshändler das günstigste Angebot legen konnte. Die nicht-zuständigen Vertragshändler legten demnach Angebote nur, um die Bestbieterposition des gebietszuständigen Vertragshändlers zu decken.
Die Deckangebotspraxis zwischen der Erstantragsgegnerin, Haberkorn und Zultner als Beteiligte erfolgte durch folgende Abstimmungsformen:
a) Deckangebots-Anfragen eines der Beteiligten an die anderen Beteiligten mit zeitgleicher Weiterleitung des konkreten eigenen Angebots und Informationen zu gewünschten Abweichungen bei den Konditionen sowie zu Kontaktdaten des Kunden;
b) Email-Korrespondenz zwischen den Beteiligten zwecks Kontrolle/Genehmigung konkreter Deckangebote vor Absendung an den Kunden; und
c) Implizite Abstimmung zwischen den Beteiligten durch Angebot eines Beteiligten außerhalb seines Vertriebsgebiets, das alle Kriterien eines Deckangebots in Relation zum Angebot des gebietszuständigen Vertragshändlers erfüllt (gleicher Zeitpunkt, gleiche Produkte, gleiche Ansprechperson, etwas höhere Preise).
Da Anfragen zur Abgabe von Deckangeboten wechselnd sowohl von der Erstantragsgegnerin als auch ihren Kooperationspartnern, sohin Zultner und Haberkorn, ausgingen, können horizontale Elemente der Absprachen nicht ausgeschlossen werden. In der Sache ging es dabei aber immer noch ausschließlich um den Ausschluss des in vertikalen Vertriebsverhältnissen möglichen intra-brand Wettbewerbs.
Im Jahr 2012 gab es beispielsweise Abstimmungen zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner betreffend ein Angebot für das Volkstheater Wien, und zwar fragte die Erstantragsgegnerin bei Zultner wie folgt um ein Deckangebot an:Hallo B*, kannst du bitte dem Volkstheater ein Deckoffert schicken, wie in der Anlage angeboten nur netto ohne Rabatt! … Bitte mailen anC*@volkstheater.at… und mir eine kurze Antwort senden, wenn es verschickt wurde.“Die Erstantragsgegnerin und Zultner stimmten sich dann noch über Details des Angebots ab.
Am 28.4.2021 richtete Zultnerfolgende Deckangebotsanfrage an die Erstantragsgegnerin: „WICHTIG: Angebot müßte bitte am 29.04.2021 Vormittag erstellt und versendet werden. Bitte Angebote lt. Aufstellung. z.Hd.Hr.D*D*@xx.at; Angebot 1 ( eigenes Angebot ): 2 Stk. TransSteel 2200 Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS. € 1.705,00/Stk; Angebot 2 ( eigenes Angebot ): 1 Stk. TransSteel 3000 Pulse. H2O Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS 4.390,00 €/Stk.; Angebot 3 ( eigens Angebot ): 2 Stk TransSteel 5000-2 Pulse H2O Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS € 5.290,00€/Stk ;Zahlung ( Maximal ) -2 % Skonto / 14 Tage netto.“
Mit Email vom 5.1.2012 ersuchte Haberkorn unter Anschluss der eigenen Angebote die Erstantragsgegnerin um die Erstellung von vier Deckangeboten für den Kunden Wifi Dornbirn: „Hallo E*!...Bitte um Erstellung von 4 Angeboten… mit -10% -5% Rabatt… Zahlung 30 Tage Netto … Lieferung ab Werk … an folgende Mail Adresse schicken: F*@vlbg.wifi.at“.
Auch 2018 trat Haberkorn mit dem Ersuchen um Erstellung eines Deckangebots betreffend BSBZ Hohenems an die Erstantragsgegnerin heran.
Mit Email vom 7.11.2017 übermittelte die Erstantragsgegnerin an Haberkorn eine Deckangebotsanfrage betreffend das Seniorenzentrum Linz. Darin wurde um Angebotslegung wie im mitgeschickten Anhang (Angebot 117909) „jedoch mit 7 % bis 10 % Rabatt -GESAMTNETTO; Zahlungsbedingungen: 30 Tage netto; Senden bitte an Herr G*, G*@szl.linz.at und BCC an Frau H* H*@fronius.com,ersucht.
Insgesamt kam es zwischen Jänner 2007 und Juli 2021 in zahlreichen Fällen zu Deckangeboten unter Beteiligung der Antragsgegnerin, Haberkorn bzw. Zultner.
4. Preisabsprachen bei bestimmten Kunden:
Zwischen der Erstantragsgegnerin Zultner und Haberkorn wurden auch bei der Bearbeitung anderer Kunden Preise abgesprochen und dazu sensible Informationen ausgetauscht. Dies gilt für die ÖBB sowie für Lieferungen im Kontext der BBG-Rahmenvereinbarung (mit der Bundesbeschaffung GmbH). Dabei stimmte sich die Erstantragsgegnerin immer wieder mit Zultner und Haberkorn über Preise, Rabatte und Konditionen ab. Weiters kam es im Zusammenhang mit Ausschreibungen der ÖBB zu Deckangebotsanfragen zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner.
Beispielsweise erhielten die Erstantragsgegnerin und Zultner am 13.5.2014 eine Einladung zur Teilnahme an einer Ausschreibung der ÖBB. Zultner wandte sich am selben Tag an die Erstantragsgegnerin mit der Bitte um Rückruf. Am 2.6.2014 schrieb eine Mitarbeiterin der Erstantragsgegnerin per Email zurück: „Mit der Bitte um ein Deckoffert – wie gewohnt – sende ich euch anbei die ÖBB-Ausschreibung sowie unser Angebot (als Vorlage)….Bitte bei den Rabatten pro Preisgruppe teil. 1-2% unter unseren Rabatten bleiben → speziel PG 1 und 3 > 18 % / PG 5 > 24 %. 30 Tage netto. Es wird zu einer 2. Angebotsrunde eingeladen werden bei welcher ihr nicht mehr erneut anbieten braucht – Erstangebot wird zählen. Bei den Wartungsverträgen usw. könnt ihr auch gerne einschränken. Bitte das Angebot vorab nochmals zu uns senden – zum checken.“
Im Rahmen einer Emailkorrespondenz vom 21.4.2021 zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner wurde der Fall einer versehentlichen Unterbietung der Erstantragsgegnerin durch Zultner für eine ÖBB-Angebotsanfrage für Linz diskutiert.
Auch bei Aufträgen mit BBG-Kunden kam es immer wieder dazu, dass die Erstantragsgegnerin Zultner aufforderte Deckangebote abzugeben bzw. die Angebote mit der Erstantragsgegnerin abzustimmen; beispielsweise betreffend den BBG-Kunden Justizanstalt Innsbruck fragte die Erstantragsgegnerin mit Emails vom 17. und 21.8.2018 ein Deckangebot von Zultner an.
5. Abgestimmtes Verhalten im Bereich Vertrieb und bei Wiederverkaufspreisen:
Punkt III.3. der Vertriebsvereinbarung verpflichtete die Vertragshändler Haberkorn und Zultner gemeinsam mit der Erstantragsgegnerin jährlich Marketing- und Aktionspläne sowie Umsatzziele zu erstellen. Die Berichte von Haberkorn und Zultner enthielten wettbewerbssensible Informationen zu Umsätzen und Kunden, strategischen Zielen und Vertriebsschwerpunkten. Die in den Marketingplänen von Haberkorn betreffend die Jahre 2016 bis 2018 vorgenommenen Analysen betonen die Bedeutung von E-Shops und Internet und halten fest, dass Preisgestaltungen und Darstellungen im Internet bedenklich seien und verfolgt werden müssen; zudem beschwerte sich Haberkorn über den Wettbewerb der FA Castolin mit Produkten von Fronius.
Die in den Marketingplänen 2015 bis 2018 von Zultner vorgenommenen Analysen des Geschäftsfelds Schweißtechnik enthielten auch den Hinweis, dass der Wettbewerber EWM nach wie vor Zugriff auf Fronius Ersatzteile habe. Hervorzuheben ist auch die Einschätzung vonZultnerin ihren Marketingplänen 2017 und 2018, wonach sie gemeinsam mit der Erstantragsgegnerin„wahrscheinlich ca. [60% - 80%] Marktanteil“habe.
Weiters kam es im Kontext von Punkt III.1. der Vertriebsvereinbarung dazu, dass die Erstantragsgegnerin regelmäßig Listen- und Aktions- sowie Paketverkaufspreise an ihre Vertragshändler übermittelte, ohne dass dabei klar kommuniziert worden wäre, dass es sich um unverbindliche Preisempfehlungen handelte.
Außerdem gab es anlässlich von Vertriebs- und Servicetagungen, an denen mehrmals jährlich Mitarbeiter der Erstantragsgegnerin und Mitarbeiter von Zultner und Haberkorn teilnahmen, einen Austausch von Informationen über Konditionen und Rabatte.
Zudem kam es zwischen der Erstantragsgegnerin und ihren Vertragshändlern zu Abstimmungen betreffend des Internetvertriebs. Die Erstantragsgegnerin forderte von ihren Vertragshändlern Zultner und Haberkorn im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb, dass auf deren Websites nur Listenpreise dargestellt werden. Da der Erstantragsgegnerin bekannt war, dass die Listenpreise von Zultner und Haberkorn ohnehin freiwillig verwendet wurden, gab es darüber aber keine Diskussionen.
Bezüglich der im Kontext der Covid-Krise gestarteten Vermarktungsaktionen für Fronius-Standardpakete kommunizierte die Erstantragsgegnerin gegenüber Haberkorn und Zultner im Jänner 2021: „Die ONLINE Bewerbung einiger Pakete bzw. deren Preise müssen wir ab 01.02.2021 herausnehmen!….Wir werden auf unserer AT Homepage diese Pakete weiter anführen Preis jedoch „auf Anfrage“. Dies gilt auch für unsere Vertragshändler – bitte daher um zeitgerechte Umsetzung“...und „Einige unserer Pakete müssen preislich ab July 2021 angehoben werden. Bis Ende Juni werden wir unsere aktuellen Preispakete weiterführen.
Die Einhaltung dieser Vorgabe wurde auch von der Erstantragsgegnerin überwacht.
Im Mai 2021 übermittelte die Erstantragsgegnerin jeweils ein Email an Zultner und Haberkorn, in dem die österreichische Vertriebsstrategie für Fronius-Pakete erläutert wurde; dabei erfolgten genaue Vorgaben für Paketpreise und Rabatte.
C. Gebiets- und Kundenaufteilungen durch die Vertriebsvereinbarung:
Punkt II.1 in Verbindung mit Anhang 10 der jeweiligen Vertriebsvereinbarung wies Zultner das Vertriebsgebiet Kärnten, Osttirol, südliches Burgenland und Steiermark und Haberkorn Vorarlberg zu und hielt fest, dass Zultner bzw. Haberkorn ihre Absatzbemühungen auf das vertraglich definierte Vertragsgebiet zu konzentrieren hatten. Der Gebietsschutz wurde ergänzt durch Punkt II.2 der Vertriebsvereinbarung, die vorgab, dass die Vertragshändler bei Lieferungen außerhalb des Vertragsgebiets an die Regeln des sogenannten „Internationalen Fair Play“ laut Anhang 1 gebunden sind. Wesen der Fair-Play-Regelung war, dass Vertriebspartner beim Verkauf der Vertragsware deren künftigen Einsatzort in Erfahrung bringen mussten. Lag der Einsatzort nicht im zugewiesenen Vertragsgebiet, kam es zu einem finanziellen Ausgleichsmechanismus (Gebühren). Bei Nichtbeachtung des vorgeschriebenen Procederes durch den Vertriebspartner erhöhten sich die Gebühren. Die Gebühren kamen jenem (internationalen) Vertriebspartner zugute, dessen Gebietsschutz durch den Verkauf des gebietsfremden Fronius-Vertriebspartners beeinträchtigt wurde.
Die Erstantragsgegnerin stellte in den Jahren 2019 und 2020 in Anwendung des Anhangs 1 „International Fair-Play“ der Vertriebsvereinbarungen sowohl an Zultner als auch an Haberkorn Rechnungen und Gutschriften aus.
Des Weiteren leitete die Erstantragsgegnerin Kundenanfragen meist beim ersten Kontakt an den gebietszuständigen Vertragshändler weiter; die Gebietszuständigkeit wurde nach Maßgabe von Postleitzahlen festgestellt und strikt gelebt.
D. Wettbewerbsverbot:
Die Vertriebsvereinbarung enthielt folgende Wettbewerbsverbote: Laut Punkt III.7 sagte die Erstantragsgegnerin zu, im Vertragsgebiet keinen anderen Vertragshändler zu bestellen (Wettbewerbsverbot I). Zultner und Haberkorn als Vertragshändler versprachen laut Punkt I.1, der Vertriebsvereinbarung während der Dauer der Vereinbarung im Vertragsgebiet keine Erzeugnisse zu vertreiben oder selbst herzustellen, die mit den Vertragswaren konkurrieren (Wettbewerbsverbot II).
Fronius-Schweißtechnik hatte in Österreich in den Jahren 2016 bis 2020 im B2B-Bereich der Elektroschweißgeräte einen Marktanteil von[40% - 60%].Von Zultner wurde die marktstarke Stellung in den Marketingplänen 2017 und 2018 wiedergegeben und dabei der eigene Marktanteil bei Fronius-Schweißtechnik mit ca. 60% - 80%] eingeschätzt.
 
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt steht außer Streit. Angesichts des Akteninhalts, insbesondere der Urkunden ./A bis ./L2, bestehen gegen diese Außerstreitstellungen keine Bedenken, weshalb von weiteren Erhebungen Abstand zu nehmen war (§ 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG).
 
Rechtlich folgt:
1.)Zwischenstaatlichkeit
Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003). Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003 verpflichtet Kartellbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten, neben ihrem nationalen Recht stets auch die Art 101 und/oder 102 AEUV anzuwenden, sofern das fragliche Unternehmensverhalten zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geeignet ist (RS0124844).
Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit des Art 101 Abs 1 AEUV handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen. Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist – was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p mwN).
Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind idR zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat nämlich schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindert (Leitlinien zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, ABl 2004/C 101/07, Rn 77 ff). Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 7/15p; 16 Ok 8/16m; RS0120478).
Nach den Feststellungen deckte das gegenständliche Vertriebssystem für Fronius-Schweißtechnik ganz Österreich ab. Praktiken wie absoluter Gebietsschutz schotten den Markt auch gegen den Zugang von Wettbewerbern aus angrenzenden Märkten in anderen Mitgliedstaaten ab. Der Sachverhalt ist demnach sowohl nach § 1 KartG als auch nach Art 101 AEUV zu prüfen.
2.)Kartellverbot:
Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere sind nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen sowie nach Z 3 leg.cit. die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen verboten.
Nach Art 101 Abs 1 AEUV sind alle jene Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dazu gehören insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (lit a) sowie die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (lit c).
Im vorliegenden Fall wurden vorwiegend kartellrechtswidrige vertikale Vertriebskooperationen getroffen. Ob die Deckangebotspraxis als eigenständige horizontale Praxis zu werten ist, kann dahingestellt bleiben, weil sie ebenfalls als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nach denselben Bestimmungen verboten wäre.
3.) Zum Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise:
Das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV erfasst – wie jenes des § 1 Abs 1 KartG – insbesondere den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen, zwischen den beteiligten Unternehmern die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. In der Praxis ist eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz, weil diese Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens gleichrangig sind (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 1 Rz 14 ff).
Erfasst ist jede unmittelbare oder mittelbare Koordination zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 31).
Angesichts des festgestellten Sachverhalts, insbesondere der expliziten Regelungen in der Vertriebsvereinbarung, kann im gegenständlichen Fall das Vorliegen einer Vereinbarung nicht zweifelhaft sein. Soweit gewisse Praktiken im Randbereich des festgestellten Sachverhalts nicht unmittelbar aus expliziten Vereinbarungen abgeleitet werden können, ist jeweils zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise gegeben.
4.) „Bezwecken“ und „Bewirken“:
Vereinbarungen stellen dann einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV dar, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder (alternativ) bewirken.
Wenn fest steht, dass eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden. Die Unterscheidung zwischen „bezweckten“ und „bewirkten“ Verstößen liegt darin begründet, dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können.
Sogenannte Kernbeschränkungen, namentlich die ersten drei Regelbeispiele des Art 101 Abs 1 AEUV, darunter Preisabsprachen und die Aufteilung von Märkten, sind als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verboten (Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht³ Art 101 AEUV Rz 78 ff; Braun in Langen/Bunte, Kartellrecht13, Nach Art 101 AEUV, Rz 20; zu § 1 KartG: Lager/PetscheaaO § 1 Rz 57 u 104; uva). Sie sind auch von der De‑Minimis‑Bekanntmachung der Europäischen Kommission (ABl 2014/C 291/01) durch deren Pkt II.12 ausgenommen.
In diesem Sinn sind die zwischen derErstantragsgegnerin und Zultner bzw.Haberkorn im Zeitraum ab Jänner 2007 bzw. ab Juli 2008 bis 2.7.2021aufgrund der bestehenden Vertriebsvereinbarung in ihrer Gesamtheitvorgenommenen Preisabsprachen unddie Marktaufteilung sowie weiters die zwischen diesen Unternehmen geübte Deckangebotspraxis, welche wiederum zu einer Preisabstimmung und Marktaufteilung führte, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen iSd Art 101 Abs 1 lit a undc AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG zu betrachten, deren unmittelbare Auswirkung auf den Markt nicht geprüft zu werden braucht.Ob einzelne Regelungen, insbesondere die „Fair-Play“-Regelung und die „Global-Player“-Regelung für sich alleine als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu beurteilen ist, kann in Anbetracht der Gesamtzuwiderhandlung dahin gestellt bleiben.
Das in der Vertriebsvereinbarung in den Punkten I.1. und III.7. enthaltene Wettbewerbsverbot sicherte den Ausschluss des intra-brand-Wettbewerbs zwischen der Erstantragsgegnerin und Zultner und Haberkornab. Dass eine marktverschließende Wirkung tatsächlich eintrat, stellen die Antragsgegnerinnen auch nicht in Abrede.
5.) Keine Freistellung nach der vGVO:
Für die Beurteilung der allfälligen kartellrechtlichen Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender vertikaler Vereinbarungen sind im Hinblick auf den Tatzeitraum Jänner 2007bis 2.7.2021 die vGVO 2010 (im Folgenden: vGVO) und die zugehörigen EK-Leitlinien für vertikale Beschränkungen (im Folgenden: LL) maßgeblich.
Wesentliche Voraussetzungen der Anwendbarkeit der vGVO sind die Nichtüberschreitung der Marktanteilsschwelle des Art 3 sowie das Nichtvorliegen von Kernbeschränkungen iSv Art 4.
Diese Voraussetzungen einer Freistellung nach vGVO sind im Anlassfall nicht erfüllt: Dies gilt insbesondere schon wegen der deutlichen Überschreitung der Marktanteilsschwelle von 30% (jeweils für Lieferanten und Abnehmer) des Art 3 vGVO durch die Beteiligten, die mit Fronius Schweißtechnik einen Marktanteil in Österreich von mehr als[40% bis 60%] haben. Aufgrund der exklusiven Berechtigung der Vertragshändler im jeweils zugewiesenen Vertriebsgebiet ist davon auszugehen, dass Zultner und Haberkorn in ihrem Vertriebsgebiet (= regionaler Nachfragemarkt) diesen Marktanteil anteilig repräsentieren und dass daher ihr Marktanteil am regionalen Nachfragemarkt ebenfalls zumindest über 30% liegt.
Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die gegenständlichen Vereinbarungen und Vertriebspraktiken mehrere Kernbeschränkungen verwirklichen. Für vertikale Vereinbarungen mit Kernbeschränkungen gilt die Vermutung, dass sie unter Art 101 Abs 1 AEUV fallen. Nach den LLgilt überdies die Vermutung, dass solche Kernbeschränkungen die Voraussetzungen für die Rechtfertigung nach Art 101 Abs 3 AEUV wahrscheinlich nicht erfüllen.
Art 4 Abs 1 lit a vGVO definiert als Kernbeschränkung die Beschränkung des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters Höchstverkaufspreise festzusetzen und Preisempfehlungen auszusprechen.
Nach dem festgestellten Sachverhalt waren Zultner und Haberkorn bei der Preisfestsetzung nicht gänzlich frei, insbesondere im Kontext der Deckangebotspraxis zwischen der Erstantragsgegnerin Zultner und Haberkorn, darüber hinaus was sogenannte Global Player Kunden betraf. Außerdem gab es Abstimmungen bei Geschäften mit BBG-Kunden, den ÖBB sowie auch im Internetvertrieb. Auch die regelmäßige Kommunikation von Bruttopreisen und des relevanten Zeitpunkts für Preiserhöhungen der Erstantragsgegnerin an Haberkorn impliziert preisrelevante Abstimmungen. In Summe ist somit unzweifelhaft, dass eine Wettbewerbsbeschränkung iSv Art 4 Abs 1 lit a vGVO zwischen der Erstantragsgegnerin und ihren Vertragshändlern bezweckt war. Der Verstoß wird auch verwirklicht, wenn Preisabstimmungen nur Teile der Vertriebstätigkeit bzw. der Preisfestsetzung im Wiederverkauf betreffen.
Art 4 Abs 1 lit b vGVO definiert als Kernbeschränkung die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das bzw. an die der Abnehmer verkaufen darf, mit Ausnahme von Beschränkungen des aktiven Verkaufs. Die Erstantragsgegnerin und ihre Vertragshändler haben eine strikte Gebietsaufteilung gelebt. Dies zeigte sich in der Praxis der Weiterleitung von Anfragen gebietsfremder Kunden an den gebietszuständigen Vertragshändler. Die Verpflichtung, Kundenanfragen jeweils an den gebietszuständigen Vertragshändler weiterzuleiten, ist als mittelbare Maßnahme zur Erreichung der von Art 4 Abs 1 lit b vGVO verbotenen Aufteilung von Märkten nach Gebieten und Kunden und damit als Verstoß gegen § 1 KartG bzw. Art 101 AEUV zu werten (LL, Rz 50).
Ein Wettbewerbsverbot stellt im Vertikalverhältnis die Verpflichtung des Abnehmers dar, keine Waren oder Dienstleistungen herzustellen, zu beziehen, zu verkaufen oder weiterzuverkaufen, die mit Vertragswaren oder -dienstleistungen im Wettbewerb stehen (Art 1 Abs 1 lit d Vertikal-GVO). Solche Verbote sind nach der Vertikal-GVO freigestellt, wenn ihre Dauer – anderes als vorliegend -fünf Jahre nicht übersteigt (Art 5 Abs 1 lit a Vertikal-GVO).
Dass diese Verhaltensweisen aus wirtschaftlicher Sicht für die Marktbearbeitung notwendig wären wurde nicht behauptet und war auch nicht erkennbar.
Im Ergebnis scheidet eine Rechtfertigung damit jedenfalls aus.
6.) Gesamtzuwiderhandlung:
Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Traugott in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 33 Rz 6 und 7).
Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG kann sich somit nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt einschließlich der verwendeten Methoden und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (EuG T-27/10 – AC-Treuhand/Kommission).
Fortgesetzte Zuwiderhandlungen sind Verstöße, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind (16 Ok 2/15b [16 Ok 8/15k] mwN).
Aus der Gesamtheit der festgestellten Umstände und dem Zusammenspiel der einzelnen Elemente der dargestellten Kartellverstöße zeigt sich, dass es sich nicht bloß um eine Mehrzahl isolierter Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht im Einzelfall handelt, sondern vielmehr eine einheitliche und fortgesetzte Gesamtzuwiderhandlung vorliegt. Diese ist eingebettet in den bereits in der Vertriebsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Gesamtplan, den markeninternen Wettbewerb auszuschalten, indem räumliche Märkte sowie auf dieser Basis zugeordnete Kundengruppen aufgeteilt und die Preissetzungsfreiheit beschränkt werden. Die einzelnen dargestellten Ausführungshandlungen sind demnach rechtlich zu einer Einheit zusammenzufassen. Der zeitliche Rahmen der Gesamtzuwiderhandlung durch die Erstantragsgegnerin begann mit dem Abschluss der ersten Vertriebsvereinbarung am 26.1.2007 und endete unstrittig am 2.7.2021.
7.) Zum Verschulden:
§ 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind. Der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Gleiches gilt zufolge Art 23 VO 1/2003 im Unionsrecht.
Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten aber die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5 f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
Dass vorliegend die Erstantragsgegnerin schuldhaft gehandelt hat, ist unzweifelhaft und wurde von ihr zugestanden. Der Abschluss und die Umsetzung einer wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthaltenden Vertriebsvereinbarung sowie die Abgabe von Deckangeboten müssen jedenfalls mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) der handelnden Mitarbeiter der Erstantragsgegnerin erfolgt sein.
 
Es sind somit alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße erfüllt. Gemäß § 29 Abs 3 KartG konnte die Geldbuße nicht nur wider die unmittelbar beteiligte Erstantragsgegnerin, sondern auch über die Zweitantragsgegnerin als Muttergesellschaft verhängt werden (vgl Koprivnikar/Mertel in Egger/Harsdorf-Borsch, aaO § 29 KartG Rz 53).
8.) Höhe der Geldbuße:
Gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG ist bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen § 1 KartG bzw. gegen Art 101 AEUV eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen. Darunter ist der weltweite Umsatz des jeweils am Wettbewerbsverstoß beteiligten Unternehmers zu verstehen, wobei die Berechnungsbestimmung des § 22 KartG heranzuziehen ist.
Für die Bemessung der Geldbuße gilt § 30 KartG. Nähere Prüfungen zur Höhe der Geldbuße erübrigen sich allerdings im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.
Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass die beantragte Geldbuße überhöht wäre. Eine niedrigere Geldbuße als die beantragte Summe kommt angesichts der Schwere und Dauer des Verstoßesaus spezial- und generalpräventiven Erwägungennicht in Betracht. Die Antragsgegnerinnen bestätigten den beantragten Betrag als angemessen.“
 

Ausdruck vom: 28.05.2025 06:06:35 MESZ