zur Navigation
Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

127 Kt 7/23a


Bekannt gemacht am:

09.04.2025

Entscheidungsdatum:

25.01.2024


 „Über die Erstantragsgegnerin Zultner Metall GmbH, FN 399006z, und die Zweitantragsgegnerin Zultner Immobilien und Beteiligungs GmbH, FN 50612f, wird wegen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG und Art 101 AEUV im Zeitraum vom 26.1.2007 bis 30.11.2021 in Form von kartellrechtswidrigen Absprachen über Wiederverkaufspreise, Gebietsaufteilung und Wettbewerbsverbote sowie kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen beim Vertrieb von Fronius Schweißtechnik eine Geldbuße in der Höhe von EUR 505.000 verhängt.
Begründung:
Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte eine Geldbuße wie aus dem Spruch ersichtlich. Bei der Bemessung der beantragten Geldbuße seiender Umsatz der Antragsgegnerinnen im von der Zuwiderhandlung betroffenen Bereich im Jahr 2020 (letztes Geschäftsjahr vor Einstellung der Zuwiderhandlung), die Schwere der Zuwiderhandlung (Kernbeschränkung), das Verschulden der Erstantragsgegnerin sowie die nachweisliche Dauer des Verstoßes von 14 Jahren berücksichtigt und ein Kooperationsabschlag sowie ein Settlementabschlag gewährt worden.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich diesem Antrag an.
Die Antragsgegnerinnen stellten den im Antrag vorgebrachten Sachverhalt außer Streit bzw bestritten ihn nicht und traten der rechtlichen Beurteilung der Bundeswettbewerbsbehörde nicht entgegen.
Demnach steht folgender Sachverhalt fest:
I. Antragsgegnerinnen:
Die Erstantragsgegnerin vertreibt hochwertige Metalle und Schweißtechnik, hat ihren Sitz in Graz und betreibt mehrere Niederlassungen in Österreich. Sie ist seit vielen Jahren Händlerin von Schweißtechnik und Schweißzubehör, hergestellt von der Fronius International GmbH, FN 149888z (in der Folge: Fronius). Die Vertriebsbeziehung bestand bereits Jahrzehnte vor dem Abschluss schriftlicher Verträge im Jänner 2007.
Die Erstantragsgegnerin steht zu 100 % im Eigentum der Zweitantragsgegnerin und wird von dieser allein kontrolliert.
Die Erstantragsgegnerin und die Schiekmetall GmbH konsolidieren ihre Umsätze in der Zweitantragsgegnerin (gemeinsam: Zultner-Gruppe), die zugleich auch eigene Umsätze vor allem mit Vermietung erzielt. Die Zultner-Gruppe erzielte im Geschäftsjahr 2022, dem letzten Geschäftsjahr vor Einbringung des gegenständlichen Antrags, konsolidierte Gesamtumsätze in der Bandbreite von EUR 45 bis 60 Mio weltweit und EUR 45 bis 60 Mio in Österreich. Die weltweiten Gesamtumsätze (konsolidierte Gruppenumsätze) lagen im Geschäftsjahr 2020 in der Bandbreite von EUR 35 bis 45Mio und im Geschäftsjahr 2021 in der Bandbreite von EUR 45 bis 60Mio. Im hier relevanten Geschäftsfeld Schweißtechnikprodukte wurden in Österreich im Geschäftsjahr 2020, dem letzten Geschäftsjahr vor Einstellung der gegenständlichen Zuwiderhandlung, Umsätze in der Bandbreite von EUR 1 bis 5Mio erzielt.
II. Zuwiderhandlung
A. Überblick:
Die Erstantragsgegnerin (bzw deren Gesamtrechtsvorgängerin Zultner GmbH & Co KG, früher Wilhelm Zultner & Co) schloss durch ihren Geschäftsführer mit Fronius am 26. Jänner 2007 eine Vertriebsvereinbarung („Langfristige Fronius-Vertretungsvereinbarung-Vertragshändler“, in der Folge: Vertriebsvereinbarung) über den Vertrieb von Fronius-Schweißtechnik und Schweißzubehör (in der Folge: Vertragswaren) ab.
Bereits die Vertriebsvereinbarung enthielt Regelungen über Preisabstimmungen, Gebietsaufteilungen sowie Wettbewerbsverbote. Absoluter Gebietsschutz ergab sich unmittelbar aus der Vertriebsvereinbarung durch die Zuweisung von Vertriebsgebieten in Verbindung mit der sogenannten Fair-Play-Regelung. Der absolute Gebietsschutz wurde aber auch durch ergänzende Vertragspraxis abgesichert. Anhang 3 zur Vertriebsvereinbarung sah Preisabstimmungen zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin als deren Vertriebspartnerin bei sogenannten Global Player-Kunden vor. Das vertragliche Wettbewerbsverbot sicherte den Ausschluss des Intra-brand-Wettbewerbs zwischen der Erstantragsgegnerin und Fronius ab und förderte aufgrund des hohen Marktanteils der Vertragswaren die marktverschließende Wirkung der gegenständlichen Kooperation.
Über die Vertragspraxis hinaus gab es weitere Preisabsprachen und Vertriebskoordinationen: Seit 2007 tauschten sich die Erstantragsgegnerin, Fronius, sowie auch die Haberkorn Gmbh, Wolfurt (in der Folge: Haberkorn), eine weiterer Vertriebspartnerin von Fronius, wiederholt anlässlich der Auftragsanbahnung mit Kunden detailliert über Angebotskonditionen inklusive Preise aus und legten Deckangebote. Darüber hinaus wurden auch allgemein Informationen über Preise und sensible Geschäftsdaten ausgetauscht sowie Absprachen über Preise für Geschäfte mit weiteren Kunden (BBG, ÖBB) bzw für den Internetvertrieb getroffen und Vertriebsmaßnahmen akkordiert.
Die Praxis des Gebietsschutzes und die Wettbewerbsverbote sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht notwendig für die Marktbearbeitung. Die Erstantragsgegnerin trat auch nicht als Erfüllungsgehilfin von Fronius, sondern als eigenständige Anbieterin am Markt auf.
Die Vertriebsvereinbarung wurde mit Wirkung zum 1.12.2021 durch einen neuen Vertriebsvertrag ohne die inkriminierten Regelungen ersetzt.
B. Preisabsprachen und preisbezogene Koordinierung im Vertrieb:
1. Preisabsprachen auf Grundlage der Vertriebsvereinbarung:
Punkt III.1 der Vertriebsvereinbarung lautete: „Nationale Verkaufspreise sind mit Fronius abzustimmen.“ Punkt III.5 der Vertriebsvereinbarung hielt fest, dass globale Kunden sehr wichtig seien und verwies bezüglich deren Bearbeitung auf Anhang 3 zur Vertriebsvereinbarung. Anhang 3 hielt zur Regelung Global Player fest: „Die Vertriebsleitung International trifft mit definierten Global Playern und der nationalen Geschäfts-/Vertriebsleitung eine Konzernvereinbarung, die für alle Beteiligten verbindlich wirksam ist.“ Demnach sollten weltweit gleiche Voraussetzungen gelten: International vereinbarter Preis + national unterschiedliche Aufschläge (Zölle, Transporte, Zahlungsziele)“. Weiters wurde in Anhang 3 festgehalten: „Wir leben gemeinsam die Konzernvereinbarungen mit allen Konsequenzen“ und „[d]ie Ansprechpartner für Global Player halten uns immer am laufenden Stand. Im Gegenzug informieren wir die Ansprechpartner über lokale Vorkommnisse“.
Diese Regelung hatte zur Konsequenz, dass sich unmittelbar aus dem Vertriebsvertrag eine Preisbindung ergab: So war die Erstantragsgegnerin als Vertragshändlerin gemäß Punkt III.5 der Vertriebsvereinbarung verpflichtet, bei der Bearbeitung der Globalkunden (Global Player) Anhang 3 zu beachten. Aus Anhang 3 ergab sich wiederum, dass Konzernvereinbarungen von Fronius mit Globalkunden für alle Beteiligten verbindlich waren. Als Partei der Vertriebsvereinbarung war die Erstantragsgegnerin Beteiligte in diesem Sinn und daher zur Einhaltung der Konzernvereinbarung verpflichtet.
Fronius informierte die Erstantragsgegnerin regelmäßig über die Konditionen des Global Player-Kunden Magna und es kam darüber hinaus bei der Belieferung von verschiedenen Betriebsstätten von Magna im Vertriebsgebiet der Erstantragsgegnerin wiederholt zum Informationsaustausch bzw zur Diskussion von Wiederverkaufspreisen, Rabatten und Margen zwischen der Erstantragsgegnerin und Fronius.
2015 wurden beispielsweise konkret die Preise für ein Magna Package zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin abgestimmt und außerdem von Fronius-Konditionen für Paketangebote für Magna Europe mit der Bitte um Freigabe an die Erstantragsgegnerin übermittelt.
Im Jahr 2016 sprachen sich Fronius und die Erstantragsgegnerin bezüglich der Ausschreibung des Projekts Mercedes G Mopf in Deutschland mit dem Ziel ab, dass beide eigenständig an der Ausschreibung teilnehmen, die Angebotskonditionen jedoch aufeinander abstimmen sollten. Hintergrund war, dass die Ausschreibung eine Lieferung für den Globalkunden Magna Graz betraf, der nach der Intention von Fronius durch die Erstantragsgegnerin beliefert werden sollte.
Die Konditionen und Preisänderungen für Magna Cosma ab 2018 wurden der Erstantragsgegnerin im Dezember 2017 kommuniziert. 2018 wurden auch Wiederverkaufspreise für die „TST 3500c Magna Edition“ konkret zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin abgestimmt. Weiters wurden bereits im November 2018 neue Rabatte für Magna Cosma ab 1.1.2019 von Fronius an die Erstantragsgegnerin „zur Info und Umsetzung“ bekannt gegeben. Anfang 2019 informierte Fronius die Erstantragsgegnerin, dass die speziellen Nettopreise für Pakete und Verschleißteile für Magna Cosma aus dem Jahr 2018 auch für 2019 gelten.
Auch 2020 gab es im Kontext der Global Player-Vereinbarung Abstimmung zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin: „Wir haben im globalen Vertrag ja auch einen Absatz mit Consignment…. bitte schau dir das mal an und wir können uns dann darüber unterhalten“. Außerdem übermittelte die Erstantragsgegnerin im November 2020 detaillierte Umsatzinformationen mit Magna-Betrieben an Fronius. In der mit E-Mail vom 8.7.2020 übermittelten Global Player-Vereinbarung mit Magna Cosma („Cosma International Preferred MRO Supplier Term Sheet“) hält Fronius überdies explizit fest, dass diese Vereinbarung kein Vertragsangebot darstellt, sondern lediglich die Verhandlungen effektivieren soll.
Im November 2021 tauschten sich Fronius und die Erstantragsgegnerin sehr ausführlich über Rabatte und Margen der Erstantragsgegnerin bei Magna Steyr, Magna Cosma, Magna Fuel Tec und Magna Presstec aus. Hintergrund waren Unklarheiten, in welchem Umfang die Rabatte aus der Fronius-Global-Kundenvereinbarung für diese Betriebe anwendbar waren. In diesem Kontext hielt die Erstantragsgegnerin schriftlich gegenüber Fronius Folgendes fest: „Wir haben bei Magna Graz in den letzten Jahren immer fast dieselben Konditionen gehabt wie bei den Cosma Betrieben und haben das auch für 2O21 so angeboten, also Rabatte und Preise von 2020 gleich gelassen. Dafür sind seit 2018 die davor geltenden Bonusvereinbarungen gefallen. Wir müssen Graz immer etwas gesondert betrachten, sind sie doch auch einer unserer größten Metallkunden. Für Fuel-Tec Sinabelkirchen gelten zwar die gleichen Rabatte wie für Magna Graz jedoch die Preise von 2021. Bei den Cosma Betrieben halten wir uns natürlich ganz an die globale Vereinbarung von Fronius. Ist das für euch so in Ordnung?“
2021 fanden im Anschluss zur Kommunikation von Fronius International, dass die Preise für den Globalkunden Magna Cosma ab 1.7.2021 nicht angehoben werden sollen, ausführliche Diskussionen zwischen der Erstantragsgegnerin und Fronius Österreich statt. Die Erstantragsgegnerin übermittelte dabei detaillierte Umsatzinformationen und konnte von Fronius einen 4 %-igen Naturalrabatt zum Ausgleich der Mehrkosten und Margenreduktionen infolge der Globalkundenregelung erreichen.
2. Deckangebote:
Fronius und seine Vertragshändler, und zwar die Erstantragsgegnerin und Haberkorn, kooperierten jahrelang bei der Angebotslegung an Kunden mit dem Ziel, Preise und Konditionen so abzustimmen, dass der gebietszuständige Vertragshändler das günstigste Angebot legen konnte. Die nicht-zuständigen Vertragshändler legten demnach Angebote nur, um die Bestbieterposition des gebietszuständigen Vertragshändlers zu decken.
Die Deckangebotspraxis zwischen Fronius, Haberkorn und die Erstantragsgegnerin als Beteiligte erfolgte durch folgende Abstimmungsformen:
a) Deckangebots-Anfragen eines der Beteiligten an die anderen Beteiligten mit zeitgleicher Weiterleitung des konkreten eigenen Angebots und Informationen zu gewünschten Abweichungen bei den Konditionen sowie zu Kontaktdaten des Kunden;
b) E-Mail-Korrespondenz zwischen den Beteiligten zwecks Kontrolle/Genehmigung konkreter Deckangebote vor Absendung an den Kunden; und
c) Implizite Abstimmung zwischen den Beteiligten durch Angebot eines Beteiligten außerhalb seines Vertriebsgebiets, das alle Kriterien eines Deckangebots in Relation zum Angebot des gebietszuständigen Vertragshändlers erfüllt (gleicher Zeitpunkt, gleiche Produkte, gleiche Ansprechperson, etwas höhere Preise).
Da Anfragen zur Abgabe von Deckangeboten wechselnd sowohl von Fronius als auch seinen Kooperationspartnern, sohin der Erstantragsgegnerin und Haberkorn, ausgingen, können horizontale Elemente der Absprachen nicht ausgeschlossen werden. In der Sache ging es dabei aber immer noch ausschließlich um den Ausschluss des in vertikalen Vertriebsverhältnissen möglichen intra-brand Wettbewerbs.
Im Jahr 2012 gab es beispielsweise Abstimmungen zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin betreffend ein Angebot für das Volkstheater Wien, und zwar fragte Fronius bei der Erstantragsgegnerin wie folgt um ein Deckangebot an: „Hallo A*, kannst du bitte dem Volkstheater ein Deckoffert schicken, wie in der Anlage angeboten nur netto ohne Rabatt! … Bitte mailen an*@*.atund mir eine kurze Antwort senden, wenn es verschickt wurde.“ Die Erstantragsgegnerin und Fronius stimmten sich dann noch über Details des Angebots ab.
Im Jahr 2021 richtete die Erstantragsgegnerin folgende Deckangebotsanfrage an Fronius: „WICHTIG: Angebot müßte bitte am 29.04.2021 Vormittag erstellt und versendet werden. Bitte Angebote lt. Aufstellung. z.Hd. B* *@*.at; Angebot 1 ( eigenes Angebot ): 2 Stk. TransSteel 2200 Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS. € 1.705,00/Stk; Angebot 2 ( eigenes Angebot ): 1 Stk. TransSteel 3000 Pulse. H2O Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS 4.390,00 €/Stk.; Angebot 3 ( eigens Angebot ): 2 Stk TransSteel 5000-2 Pulse H2O Standard Paket Österreich AKTIONSPREIS € 5.290,00€/Stk ;Zahlung ( Maximal ) -2 % Skonto / 14 Tage netto.“
Auch in den in der nachfolgenden Liste genannten Fällen kam es zu Deckangeboten unter Beteiligung der Antragsgegnerin. Dabei sind alle bekannten Fälle genannt, in denen Deckangebote gelegt oder angefragt wurden, ungeachtet dessen, ob dies zu einem Verkauf führte:
 
Jahr
Kunde
Angebotssumme
2007
HTL Jenbach
2.500,00
2010
Euroclima Appartebau GmbH
2.678,00
2010
WIFI Steiermark
11.368,00
2010
LBS Pinkafeld
6.082,00
2010
Schulungszentrum Fohnsdorf
23.827,00
2010
HTL Fulpmes
3.000,00
2011
LBS Pinkafeld
2.500,00
2011
LBS Pinkafeld
1.794,00
2011
WIFI Klagenfurt Technikzentrum
48.318,00
2011
Wildbach und Lawinenverbauung
700,00
2011
HTL Villach
1.720,00
2011
CPA Computer-Process GmbH
2.882,00
2011
Marcher GmbH
2.000,00
2012
FIT-ZEL Transport GmbH
10.000,00
2012
LBS Pinkafeld
8.449,00
2012
Moser Medizintechnik GmbH
7.300,00
2012
Volkstheater Wien
3.400,00
2012
Phönix Ostarrichi
3.400,00
2012
Künz Hans
16.000,00
2013
OOE Theater und Orchester GmbH
2.000,00
2013
Böhler Schweißtechnik
29.500,00
2013
WIFI Graz
9.559,00
2013
WIFI Graz
13.115,00
2013
CERES Beratungs GmbH
3.500,00
2013
Flughafen Salzburg
4.000,00
2014
WIFI Kärnten
13.320,00
2014
ÖBB Shared Service Center
-
2014
ÖGB GPS GmbH
151.000,00
2014
Stadt Villach
4.900,00
2014
STRABAG AG
4.260,00
2015
Tiroler Fachberufsschule Lienz
60.000,00
2015
Landesberufsschule Graz
87.940,00
2015
Chemson Polymer Add AG
2.669,00
2015
Landesberufsschule Arnfels
64.000,00
2015
Stadttheater Klagenfurt
9.294,00
2015
HTL Pinkafeld
55.852,00
2015
LW Fachschule Güssing
2.595,00
2016
Felbertauernstraße AG
3.200,00
2016
HTL Weiz
1.164,00
2016
Felbertauernstraße AG
6.275,00
2016
Landesberufsschule VII Graz
2.684,00
2016
WK Kärnten BGA Vermietung
6.576,00
2016
LBS Arnfels
76.100,00
2016
Heereslogistikzentrum Kärnten
4.760,00
2016
WIFI Steiermark
14.788,00
2016
Courtyard Linz Marriot Hotel
5.400,00
2016
LBS Pinkafeld
8.099,00
2016
ÖBB Infrastruktur AG
1.900,00
2016
TAL Jochberg
11.600,00
2017
BFI Wien
12.000,00
2017
HTL Wolfsberg
16.332,00
2017
LBS VII Graz
-
2017
LBS VII Graz
-
2017
Jugend am Werk Berufsausbildung
1.200,00
2017
Land NOE Brückenmeisterei Korneuburg
7.254,00
2017
Magna Auteca GmbH
3.800,00
2017
Magna Auteca GmbH
3.051,00
2017
BFI OOE
4.000,00
2017
SZL Seniorenzentrum Linz
3.300,00
2017
Landesberufsschule Eggenburg
7.000,00
2018
ÖBB Technische Service GmbH
6.157,00
2018
BFI Wien
15.000,00
2018
WIFI Kärnten
6.156,00
2018
JA Innsbruck
9.500,00
2018
Fehberger Stahlbau GmbH
1.995,00
2018
Amt LR Kärnten LFS Goldbrunn
8.309,00
2018
Amt Kärnten LR BS Ferlach
1.989,00
2018
Amt Kärnten LR BM Villach
4.474,00
2018
Roither Werbetechnik e.U.
5.596,00
2018
WIFI Dornbirn
14.827,00
2018
WIFI Dornbirn
32.400,00
2018
Landesberufsschule II Bregenz
8.500,00
2019
GW St. Pölten Integrative GmbH
12.500,00
2019
WK Kärnten BGA Vermietung
14.054,00
2019
Tiroler Fachberufsschule Lienz
7.612,00
2019
Magistrat LH Klagenfurt
3.300,00
2019
Amt Kärnten LR-LW Althofen
5.354,00
2019
WKOOE Fahrtechnik
30.000,00
2019
Amt Kärnten LR LS Goldbrunnhof
4.154,00
2019
Treibacher Industrie AG
6.440,00
2019
ÖBB Infrastruktur AG; Wolfurth
9.500,00
2019
Wirtschaftskammer Kärnten BGA Vermietung
29.948,00
2020
Magistrat LH Klagenfurt
8.328,00
2020
ÖBB Technische Service GmbH
9.000,00
2020
Landesberufsschule LBS II Bregenz
3.000,00
2021
FREY Metalltech GmbH
17.117,00
2021
Berufsschule Innsbruck
67.989,00
2021
Wiener Linien
20.000,00
2021
LBS Eggenberg, Stockerau
6.600,00
2021
Sägewerk Schwaiger D
5.000,00
2021
WIFI Eisenstadt
38.000,00
2021
Pologen
5.000,00
2021
Henry GmbH
-
 
3. Preisabsprachen bei bestimmten Kunden:
Zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin wurden auch bei der Bearbeitung anderer Kunden Preise abgesprochen und dazu sensible Informationen ausgetauscht. Dies gilt für die ÖBB sowie für Lieferungen im Kontext der BBG-Rahmenvereinbarung (mit der Bundesbeschaffung GmbH). Dabei stimmte sich Fronius immer wieder mit der Erstantragsgegnerin über Preise, Rabatte und Konditionen ab, die die Erstantragsgegnerin im unmittelbaren Geschäftskontakt oder auch bei Beschaffungsvorgängen mit den ÖBB bzw mit BBG-Kunden zur Anwendung brachte, insbesondere dahin, dass die Erstantragsgegnerin die Fronius-Rahmenverträge dieser Kunden in ihren eigenen Geschäftsbeziehungen zu den ÖBB bzw zu BBG-Kunden anwendete.
4. Abgestimmtes Verhalten im Bereich Vertrieb und bei Wiederverkaufspreisen:
Nach Punkt III.3. der Vertriebsvereinbarung erstellte die Erstantragsgegnerin gemeinsam mit Fronius jährlich Marketing- und Aktionspläne sowie Umsatzziele. Diese Berichte, jedenfalls aber die Aktionspläne der Jahre 2015 bis 2018, enthielten wettbewerbssensible Informationen zu Umsätzen und Kunden, strategischen Zielen und Vertriebsschwerpunkten. Die dort von der Erstantragsgegnerin vorgenommene Analyse des Wettbewerbs enthielt auch den Hinweis, dass der Wettbewerber EWM nach wie vor Zugriff auf Fronius-Ersatzteile habe. Hervorzuheben ist auch die Einschätzung der Erstantragsgegnerin in ihren Marketingplänen 2017 und 2018, wonach sie gemeinsam mit Fronius wahrscheinlich einen Marktanteil von ca 65 bis 75 % habe.
Weiters kam es offensichtlich im Kontext von Punkt III.1. der Vertriebsvereinbarung regelmäßig zur Übermittlung von Fronius-Bruttopreislisten, ohne dass dabei klar kommuniziert worden wäre, dass es sich um unverbindliche Preisempfehlungen handelte. Nach dem Verständnis von Fronius wie seinen Vertriebspartnern sollten diese Preislisten auch an Kunden verteilt werden. Außerdem gab es anlässlich von Tagungen, an denen mehrmals jährlich auch Mitarbeiter der Erstantragsgegnerin teilnahmen, einen Austausch von Informationen über Konditionen und Rabatte.
Fronius forderte außerdem von seinen Vertragshändlern, der Erstantragsgegnerin und Haberkorn, im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb, dass auf deren Websites nur Listenpreise dargestellt werden sollten. Da bei Fronius bekannt war, dass die Listenpreise von der Erstantragsgegnerin ohnehin freiwillig verwendet wurden, gab es darüber aber keine Diskussionen.
Bezüglich der im Kontext der Covid-Krise gestarteten Vermarktungsaktionen für Fronius-Standardpakete gab es im Jänner 2021 eine Kommunikation, dass für bestimmte Produkte keine Preise mehr kommuniziert werden dürften bzw „Preise auf Anfrage“ dargestellt und außerdem für einige Pakete die Preise ab 1.7.2021 angehoben werden sollten. Die Einhaltung dieser Vorgabe wurde auch von Fronius überwacht. Im Mai erhielt die Erstantragsgegnerin eine Mail von Fronius, in der die österreichische Vertriebsstrategie für Fronius-Pakete erläutert wurde; dabei erfolgten genaue Vorgaben für Paketpreise und Rabatte.
C. Gebiets- und Kundenaufteilungen durch die Vertriebsvereinbarung:
Punkt II.1 in Verbindung mit Anhang 10 der Vertriebsvereinbarung wies der Erstantragsgegnerin das Vertriebsgebiet Kärnten, Osttirol, südliches Burgenland und Steiermark zu und hielt fest, dass die Erstantragsgegnerin seine Absatzbemühungen auf das vertraglich definierte Vertragsgebiet zu konzentrieren hatte. Der Gebietsschutz wurde ergänzt durch Punkt II.2 der Vertriebsvereinbarung, die vorgab, dass die Erstantragsgegnerin bei Lieferungen außerhalb des Vertragsgebiets an die Regeln des sogenannen „Internationalen Fair Play“ laut Anhang 1 gebunden war. Wesen der Fair-Play-Regelung war, dass Vertriebspartner beim Verkauf der Vertragsware deren künftigen Einsatzort in Erfahrung bringen mussten. Lag der Einsatzort nicht im zugewiesenen Vertragsgebiet, kam es zu einem finanziellen Ausgleichsmechanismus (Gebühren). Bei Nichtbeachtung des vorgeschriebenen Procederes durch den Vertriebspartner erhöhten sich die Gebühren strafweise. Die Gebühren kamen jenem (internationalen) Vertriebspartner zugute, dessen Gebietsschutz durch den Verkauf des gebietsfremden Fronius-Vertriebspartners beeinträchtigt wurde. Die Fair-Play-Regeln kamen bei der Erstantragsgegnerin auch in den Jahren 2017, 2019 und 2020 zur Anwendung.
Des Weiteren leitete Fronius Kundenanfragen meist beim ersten Kontakt an den gebietszuständigen Vertragshändler weiter; die Gebietszuständigkeit wurde nach Maßgabe von Postleitzahlen festgestellt und strikt gelebt.
D. Gebiets-/Kundenaufteilung durch die Automationsvereinbarung:
Mit Wirkung vom 5.12.2020 hatten Fronius und die Erstantragsgegnerin eine Automationsvereinbarung abgeschlossen, die bis zum 31.8.2021 in Kraft war. Darin wurde eine Erfolgsvergütung in der Höhe von 5 % des Rechnungsnettoerlöses für die Erstantragsgegnerin für alle Automationsgeschäfte von Fronius mit Kunden im Vertragsgebiet der Erstantragsgegnerin vereinbArt und von Fronius zugesichert, dass Ersatz- und Verschleißteile an Kunden im Vertragsgebiet nur zu Listenpreisen angeboten werden. Die Vereinbarung verstärkte sowohl die Gebiets-/Kundenaufteilung als auch die Wettbewerbsverbote, die sich aus der Vertriebsvereinbarung zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin ergaben.
E. Wettbewerbsverbot:
Die Vertriebsvereinbarung enthielt folgende Wettbewerbsverbote: Laut Punkt III.7 sagte Fronius zu, im Vertragsgebiet keinen anderen Vertragshändler zu bestellen (Wettbewerbsverbot I). Die Erstantragsgegnerin als Vertragshändlerin versprach laut Punkt I.1, Herstellung und Vertrieb von Erzeugnissen, die mit den Vertragswaren konkurrieren, zu unterlassen (Wettbewerbsverbot II).
III. Marktstellung:
Fronius-Schweißtechnik hatte in Österreich in den Jahren 2016 bis 2020 im B2B-Bereich der Elektroschweißgeräte einen Marktanteil von mehr als 45 bis 55 %. Von der Erstantragsgegnerin wurde die marktstarke Stellung in den Marketingplänen 2017 und 2018 wiedergegeben und dabei der eigene Marktanteil bei Fronius Schweißtechnik mit ca 65 bis 75 % eingeschätzt.
IV. Vorsatz und Beteiligung von Entscheidungsträgern:
Die vorgenannten Handlungen wurden von der Erstantragsgegnerin in der Absicht vorgenommen,gemeinsam mit Fronius Vertriebsgebiete aufzuteilen und Verkaufsgebiete sowie Vertriebsstrategien abzustimmen.
Die Vertriebsvereinbarung wurde seitens der Antragsgegnerinnen in dieser Absicht geschlossen. Diese Vertriebsvereinbarung und ihr Zweck waren auch einem Repräsentanten der Antragsgegnerin bekannt und er fand sich damit ab. Insbesondere wusste er, dass damit ein Vertriebssystem mit Gebietsaufteilung etabliert wurde, welches die Möglichkeiten der Beteiligten einschränkte, aktive und passive Verkäufe außerhalb des eigenen Vertragsgebiets vorzunehmen. Außerdem war auch ihm bewusst und er fand sich damit ab, dass es betreffend bestimmte Kunden, sogenannte Global‑Player, Vereinbarungen über Wiederverkaufspreise gab.
 
Zur Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt steht außer Streit. Angesichts des Akteninhalts, insbesondere der Urkunden ./A bis ./A1, bestehen gegen diese Außerstreitstellungen keine Bedenken, weshalb von weiteren Erhebungen Abstand zu nehmen war (§ 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG).
 
Rechtlich folgt:
1.) Zwischenstaatlichkeit
Die Anwendung von Art 101 und 102 AEUV fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art 5 VO [EG] 1/2003). Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003 verpflichtet Kartellbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten, neben ihrem nationalen Recht stets auch die Art 101 und/oder 102 AEUV anzuwenden, sofern das fragliche Unternehmensverhalten zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geeignet ist (RS0124844).
Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit des Art 101 Abs 1 AEUV handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung der Absprache trifft, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Unionsrecht zu beurteilen. Art 101 Abs 1 AEUV erfordert, dass die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder der Missbrauch der beherrschenden Stellung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Diese Voraussetzung ist – was schon durch Abstellen auf die „Eignung“ angelegt ist – weit zu verstehen (16 Ok 7/15p mwN).
Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind idR zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können. Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat nämlich schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die in der Europäischen Union angestrebte wirtschaftliche Verflechtung behindert (Leitlinien zum Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, Abl 2004/C 101/07, Rn 77 ff). Daher können auch Maßnahmen von Unternehmen, die sich nur auf den Wettbewerb innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats auswirken, den innergemeinschaftlichen Handel beeinflussen (16 Ok 4/13; 16 Ok 2/15b; 16 Ok 7/15p; 16 Ok 8/16m; RS0120478).
Nach den Feststellungen deckte das gegenständliche Vertriebssystem für Fronius-Schweißtechnik ganz Österreich ab. Praktiken wie absoluter Gebietsschutz schotten den Markt auch gegen den Zugang von Wettbewerbern aus angrenzenden Märkten in anderen Mitgliedstaaten ab. Der Sachverhalt ist demnach sowohl nach § 1 KartG als auch nach Art 101 AEUV zu prüfen.
2.) Kartellverbot:
Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle), verboten. Insbesondere sind nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen sowie nach Z 3 leg cit die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen verboten.
Nach Art 101 Abs 1 AEUV sind alle jene Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dazu gehören insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (lit a) sowie die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (lit c).
Im vorliegenden Fall wurden vorwiegend kartellrechtswidrige vertikale Vertriebskooperationen getroffen. Ob die Deckangebotspraxis als eigenständige horizontale Praxis zu werten ist, kann dahingestellt bleiben, weil sei ebenfalls als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nach denselben Bestimmungen verboten wäre.
3.) Zum Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise:
Das Kartellverbot des Art 101 Abs 1 AEUV erfasst – wie jenes des § 1 Abs 1 KartG – insbesondere den Wettbewerb beeinträchtigende Vereinbarungen zwischen Unternehmern und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie geeignet sein müssen, zwischen den beteiligten Unternehmern die Unsicherheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschließen oder zu vermindern. In der Praxis ist eine Abgrenzung dieser Begriffe von geringer Relevanz, weil diese Formen wettbewerbsbeschränkenden Zusammenwirkens gleichrangig sind (Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 1 Rz 14 ff).
Der Begriff „Vereinbarung“ wird in diesem Zusammenhang weit ausgelegt: Nicht notwendig ist, dass es sich dabei um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handelt; eine Vereinbarung liegt vielmehr schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Folglich ist der Begriff der Vereinbarung durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt. Bei einer Vereinbarung zwischen Unternehmern kommt es daher weder auf die Form der Vereinbarung (diese kann schriftlich, mündlich oder schlüssig getroffen werden) noch darauf an, ob sie auch tatsächlich umgesetzt wird (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 18 f mwN).
Neben Vereinbarungen (und Beschlüssen von Unternehmervereinigungen) sind auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot erfasst. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH um jede Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmern, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Unter einer Verhaltensabstimmung ist also eine „Fühlungnahme“ zwischen den Unternehmern zu verstehen, die geeignet und bestimmt ist, deren Wettbewerbsrisiko abzuschwächen (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 2ff mwN).
Erfasst ist jede unmittelbare oder mittelbare Koordination zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Lager/Petsche aaO § 1 Rz 31).
Angesichts des festgestellten Sachverhalts, insbesondere der expliziten Regelungen in der Vertriebsvereinbarung, kann im gegenständlichen Fall das Vorliegen einer Vereinbarung nicht zweifelhaft sein. Soweit gewisse Praktiken im Randbereich des festgestellten Sachverhalts nicht unmittelbar aus expliziten Vereinbarungen abgeleitet werden können, ist jeweils zumindest eine abgestimmte Verhaltensweise gegeben.
4.) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
Vereinbarungen stellen dann einen Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV dar, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Prinzipiell müssen Wettbewerbsbeschränkungen, um vom Kartellverbot erfasst zu sein, auch spürbar sein. Spürbarkeitskriterien sind der Marktanteil, die Marktstellung, die finanziellen Ressourcen und der Umfang der Produktion der beteiligten Unternehmen sowie der Umfang der betroffenen Handelsströme (RS0106875). Handelt es sich bei den Vereinbarungen jedoch um solche, die ihrer Natur nach geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen und sind diese auch auf diesen Zweck gerichtet, liegt es auf der Hand, dass solche Vereinbarungen spürbare negative Auswirkungen auf den Markt haben. Es wird daher davon ausgegangen, dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, also eine, die schon ihrem Wesen nach schädlich für den Wettbewerb sind, den Wettbewerb stets spürbar beeinträchtigt (Hiersche/Mertel in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht, § 1 Rz 74, EuGH C-228/18 – Budapest Bank; EuGH C-345/14 - Maxima Latvija). Aus diesen Erwägungen sind bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen die konkreten Auswirkungen, also der genaue Umfang der Spürbarkeit für den Markt im Verfahren nicht zu prüfen (RS0120477). Solche Kernbeschränkungen gelten demzufolge unabhängig vom Marktanteil der beteiligten Unternehmen als „spürbar“ (vgl EuGH 13.12.2012, C-226/11, Expedia, RS0106875, 16 Ok 2/22k).
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthält, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Zusammenhangs sind auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Markts oder dieser Märkte zu berücksichtigen. Für einen wettbewerbswidrigen Zweck reicht es bereits aus, wenn die Vereinbarung das Potenzial hat, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten, dh wenn sie konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts zu führen (EuGH C-32/11 - Allianz Hungária, mwN). Das wesentliche Kriterium ist, dass eine solche Handlung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt (EuGH C-67/13 P - Groupement des cartes bancaires, mwN).
Kernbeschränkungen des Wettbewerbs wie Preisabsprachen, Produktions- und Absatzbeschränkungen und Marktaufteilungsabsprachen sind grundsätzlich bezweckte Beschränkungen des Wettbewerbs (RS0120917).
Das zwischen derErstantragsgegnerin und Fronius etablierte System von Preisabsprachen, Marktaufteilungen und des Informationsaustauschesist als bezweckterVerstoß gegen die Bestimmungen des Art 101 Abs 1 lit a und c AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG in Fortschreibung der zitierten Rechtssprechung nicht in Richtung Spürbarkeit iSd konkreten Auswirkungen auf den Markt zu prüfen.
5.) Gesamtzuwiderhandlung:
Eine fortgesetzte Zuwiderhandlung liegt immer dann vor, wenn eine zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasste Vielzahl rechtswidriger aufeinander folgender Verhaltensweisen oder mehrere abgrenzbare Handlungen, die auf die Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung gerichtet sind, erfolgen (Traugottin Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 33 Rz 6 und 7).
Der Begriff der fortgesetzten Zuwiderhandlung umfasst eine Mehrzahl von rechtswidrigen Verhaltensweisen oder von Handlungen zur Durchführung einer einzigen Zuwiderhandlung, die durch ein gemeinsames subjektives Element zu einer Einheit verbunden sind (EuGH C-235/92 P - Montecatini/Kommission).
Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 AEUV und § 1 Abs 2 Z 1 und 3 KartG kann sich somit nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem kontinuierlichen Verhalten ergeben. Bei der Einstufung unterschiedlicher Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insoweit ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf eine einheitliche Zielsetzung gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die dieses Verhältnis belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt einschließlich der verwendeten Methoden und im Zusammenhang damit die Zielsetzung der verschiedenen fraglichen Handlungen (EuG T-27/10 – AC-Treuhand/Kommission).
Fortgesetzte Zuwiderhandlungen sind Verstöße, die aus mehreren Teilhandlungen bestehen, die in ihrer Begehungsweise gleichartig sind, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem Gesamtvorsatz getragen sind (16 Ok 2/15b [16 Ok 8/15k] mwN).
Aus der Gesamtheit der festgestellten Umstände und dem Zusammenspiel der einzelnen Elemente der dargestellten Kartellverstöße zeigt sich, dass es sich nicht bloß um eine Mehrzahl isolierter Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht im Einzelfall handelt, sondern vielmehr eine einheitliche und fortgesetzte Gesamtzuwiderhandlung vorliegt. Diese ist eingebettet in den bereits in der Vertriebsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Gesamtplan, den markeninternen Wettbewerb auszuschalten, indem räumliche Märkte sowie auf dieser Basis zugeordnete Kundengruppen aufgeteilt und die Preissetzungsfreiheit beschränkt werden. Die einzelnen dargestellten Ausführungshandlungen sind demnach rechtlich zu einer Einheit zusammenzufassen.
6. Dauer der Zuwiderhandlung:
Die Vertriebsvereinbarung enthält mit den Regeln zum Fair Play (Punkt II Abs 1 sowie Anhang 1 der Vertriebsvereinbarung) sowie zur Bearbeitung der Globalkunden (Punkt III Abs 5 sowie Anhang 3 der Vertriebsvereinbarung) zwei vertragliche Vereinbarungen, die aus sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lassen. Außerdem wurden durch die vertraglichen Wettbewerbsverbote in Punkt III.7 und Punkt I.1 der Vertriebsvereinbarung - insbesondere auch vor dem Hintergrund des hohen Marktanteils der Fronius Schweißtechnik in Österreich - diese Wettbewerbsbeschränkungen abgesichert und verstärkt.
Daher ist bei der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung auf die Gültigkeitsdauer der Vertriebsverträge abzustellen, ohne dass Nachweise der Umsetzung und Auswirkungen dieser Vereinbarungen erforderlich wären. Gleichwohl wurde festgestellt, dass diese vertraglich bedingten Wettbewerbsbeschränkungen tatsächlich gelebt wurden und außerdem auch über die vertraglichen Vorgaben hinaus Wettbewerbsbeschränkungen praktiziert wurden.
7. Keine Freistellung nach der vGVO:
Für die Beurteilung der allfälligen kartellrechtlichen Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender vertikaler Vereinbarungen sind im Hinblick auf den Tatzeitraum Juni 2008 bis November 2021 (Wirksamkeit des gegenständlichen Vertriebsvertrags) die vGVO 2010 (im Folgenden: vGVO) und die zugehörigen EK-Leitlinien für vertikale Beschränkungen (im Folgenden: LL) maßgeblich. Die seit 1.6.2022 geltende neue vGVO (EU) 2022/720 ist dagegen im Anlassfall noch nicht anwendbar, weil das Verhalten bereits vor diesem Zeitpunkt, konkret am 31.11.2021, eingestellt wurde.
Wesentliche Voraussetzungen der Anwendbarkeit der vGVO sind die Nichtüberschreitung der Marktanteilsschwelle des Art 3 sowie das Nichtvorliegen von Kernbeschränkungen iSv Art 4.
Diese Voraussetzungen einer Freistellung nach vGVO sind im Anlassfall nicht erfüllt: Dies gilt insbesondere schon wegen der deutlichen Überschreitung der Marktanteilsschwelle von 30 % (jeweils für Lieferanten und Abnehmer) des Art 3 vGVO durch die Beteiligten, die mitFronius Schweißtechnik einen Marktanteil in Österreich von mehr 45 bis 55 % haben. Aufgrund der exklusiven Berechtigung der Erstantragsgegnerin als Vertragshändlerin im zugewiesen Vertriebsgebiet ist davon auszugehen, dass diese in ihrem Vertriebsgebiet (= regionaler Nachfragemarkt) diesen Marktanteil anteilig repräsentiert und dass daher ihr Marktanteil am regionalen Nachfragemarkt ebenfalls zumindest über 30 % liegt.
Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die gegenständlichen Vereinbarungen und Vertriebspraktiken mehrere Kernbeschränkungen verwirklichen. Für vertikale Vereinbarungen mit Kernbeschränkungen gilt die Vermutung, dass sie unter Art 101 Abs 1 AEUV fallen. Nach den LL (Rz 47) gilt überdies die Vermutung, dass solche Kernbeschränkungen die Voraussetzungen für die Rechtfertigung nach Art 101 Abs 3 AEUV wahrscheinlich nicht erfüllen.
Art 4 Abs 1 lit a vGVO definiert als Kernbeschränkung die Beschränkung des Abnehmers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, unbeschadet der Möglichkeit des Anbieters Höchstverkaufspreise festzusetzen und Preisempfehlungen auszusprechen.
Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Erstantragsgegnerin als Vertragshändlerin nicht gänzlich frei bei der Preisfestsetzung, insbesondere was sogenannte Global Player betraf. Darüber hinaus gab es Abstimmungen bei Geschäften mit BBG-Kunden, den ÖBB sowie auch im Internetvertrieb. Auch die regelmäßige Kommunikation von Bruttopreisen und des relevanten Zeitpunkts für Preiserhöhungen von Fronius an die Erstantragsgegnerin impliziert preisrelevante Abstimmungen. In Summe ist somit unzweifelhaft, dass eine Wettbewerbsbeschränkung iSv Art 4 Abs 1 lit a vGVO zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin bezweckt war. Der Verstoß wird auch verwirklicht, wenn Preisabstimmungen nur Teile der Vertriebstätigkeit bzw der Preisfestsetzung im Wiederverkauf betreffen.
Art 4 Abs 1 lit b vGVO definiert als Kernbeschränkung die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das bzw an die der Abnehmer verkaufen darf, mit Ausnahme von Beschränkungen des aktiven Verkaufs. Fronius und die Erstantragsgegnerin als Vertragshändlerin haben eine strikte Gebietsaufteilung gelebt. Dies zeigte sich in der Praxis der Weiterleitung von Anfragen gebietsfremder Kunden an den gebietszuständigen Vertragshändler. Die Verpflichtung, Kundenanfragen jeweils an den gebietszuständigen Vertragshändler weiterzuleiten, ist als mittelbare Maßnahme zur Erreichung der von Art 4 Abs 1 lit b vGVO verbotenen Aufteilung von Märkten nach Gebieten und Kunden und damit als Verstoß gegen § 1 KartG bzw Art 101 AEUV zu werten (LL, Rz 50). Selbiges gilt für die zwischen Fronius und der Erstantragsgegnerin vereinbarte Fair-Play-Regelung (Anhang 1 der Vertriebsvereinbarung), welche ein Überwachungssystem betreffend den tatsächlichen Bestimmungsort der gelieferten Ware sowie infolge der nach den vertraglichen Fair-Play-Regeln vorgesehenen Gebühren (Service Commitment/Charge) faktisch Ertragsschmälerungen bei Verkäufen außerhalb des zugewiesenen Vertragsgebiets vorsah (LL, Rz 50). Zudem zeigt die Praxis der Deckofferte in aller Deutlichkeit das Ausmaß der Marktaufteilung, das zwischen den Beteiligten praktisch realisiert wurde.
Im Übrigen waren die Verhaltensweisen aus wirtschaftlicher Sicht nicht für die Marktbearbeitung notwendig. Die Erstantragsgegnerin trat auch nicht als Erfüllungsgehilfe von Fronius, sondern als eigenständiger Anbieter am Markt auf.
Im Ergebnisscheidet eine Rechtfertigung damit jedenfalls aus.
7.) Zum Verschulden:
§ 29 KartG stellt klar, dass Geldbußen nur bei Verschulden zu verhängen sind. Der Unternehmer muss den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Gleiches gilt zufolge Art 23 VO 1/2003 im Unionsrecht.
Das KartG definiert nicht näher, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Einschlägige Definitionen enthalten aber die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 5 f StGB und § 3 VbVG (16 Ok 2/11).
Vorsätzlich handelt gemäß § 5 Abs 1 StGB, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Demgegenüber handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 6 Abs 1 StGB), und wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB).
Gemäß dem – nach der bisherigen Judikatur (RS0124134 [T1]) analog anwendbaren - § 3 Abs 1 VbVG ist ein Verband – ein solcher ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 leg cit. insbesondere eine juristische Person – unter den weiteren Voraussetzungen des Abs 2 oder des Abs 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn 1. die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist oder 2. durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen.
Die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VbVG sind hier erfüllt, weil durch die festgestellten Verhaltensweise Pflichten der Antragsgegnerinnen verletzt wurden.
Für Straftaten eines Entscheidungsträgers ist gemäß § 3 Abs 2 VbVG der Verband verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Entscheidungsträger iSd VbVG ist nach dessen § 2 Abs 1, wer 1. Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten, 2. Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt, oder 3. sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt.
Für Straftaten von Mitarbeitern ist gemäß § 3 Abs 3 VbVG der Verband nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen verantwortlich.
Nach dem festgestellten Sachverhalt wurden die Kartellrechtsverstöße jedenfalls auch von einem Entscheidungsträgerder Erstantragsgegnerin gesetzt oder zumindest mitgetragen. Dieser hatjeweils mit Vorsatz gehandelt, weil ihm die Grundsätze der Gesamtzuwiderhandlung und deren Zielsetzung bekannt waren und er sich damit abgefunden hat. Ob er dagegen von jeder einzelnen Verhaltensweise oder jedem einzelnen Faktum Kenntnis hatte, ist angesichts dessen irrelevant.
Da demnach einen Entscheidungsträger der Antragsgegnerinnen ein Verschulden trifft, bedarf es keiner Erörterung, ob im Lichte der Entscheidung des EuGH vom 7.2.2013, C-68/12, Protimonopolný úrad Slovenskej, an der (analogen) Anwendung der (engeren) Zurechnungsvoraussetzungen des VbVG festzuhalten ist.
8.) Haftung der Zweitantragsgegnerin:
Gemäß § 29 Abs 2 KartG richtet sich die Geldbuße gegen Zuwiderhandlungen, die von Unternehmen begangen wurden. Ein Unternehmen ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und ihrer Finanzierung. Nach § 29 Abs 3 KartG ist die Geldbuße gegen Unternehmer zu verhängen, die die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung betrieben haben, als rechtliche Nachfolger danach betreiben oder in wirtschaftlicher Kontinuität fortführen. Sie kann auch gegen Muttergesellschaften verhängt werden, die zu derselben wirtschaftlichen Einheit gehören wie ein an der Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen.
Die Zweitantragsgegnerin hält 100 % der Geschäftsanteile der Erstantragsgegnerin und kontrolliert diese alleine. Damit sind beide Antragsgegnerinnen als wirtschaftliche Einheit anzusehen und Adressatinnen der Geldbuße.
9.) Zur Verjährung:
Nach § 33 Abs 1 KartG darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer oder einer beteiligten Unternehmervereinigung eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekanntgegeben wird. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Frist neu zu laufen.
Anders als Art 25 der VO 1/2003 differenziert § 33 KartG nicht zwischen einmaligen, dauernden und fortgesetzten Zuwiderhandlungen bzw Zustands- und Dauerdelikten. Nach dem Gesetzeswortlaut muss das Verhalten insgesamt beendet sein, um den Beginn der Verjährungsfrist auszulösen.
Bei fortgesetzten Delikten beginnt die Verjährungsfrist erst mit Beendigung des letzten Teilakts zu laufen (16 Ok 2/15b [16 Ok 8/15k] mwN).
Wie bereits ausgeführt, liegt hier eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung der Antragsgegnerinnen gegen das Kartellrecht vor, da alle Einzelverstöße auf einem einheitlichen Gesamtplan und Gesamtsystem beruhen. Diese Gesamtzuwiderhandlung wurde erst im November 2021 beendet, sodass keine Verjährung eingetreten ist.
10.Zur Bemessung der Höhe der Geldbuße:
Gegen einen Unternehmer, der vorsätzlich oder fahrlässig dem Kartellverbot (§ 1 KartG) zuwiderhandelt oder gegen Art 101 AEUV verstößt, hat das Kartellgericht eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen (§ 29 Z 1 lit a und d KartG).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass der Geldbuße nach dem Willen des Gesetzgebers Präventionsfunktion zukommt. Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen. Auch die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art 23 Abs 2 Buchstabe a) der VO (EG) Nr 1/2003, Abl C 210 vom 1.9.2006 (LL Geldbußen), weisen darauf hin, dass Geldbußen eine ausreichend abschreckende Wirkung zu entfalten haben (Einleitung Z 7; Rz 30, 37). Der Zweck der Geldbußen besteht nämlich darin, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden sowie der Wiederholung unabhängig davon vorzubeugen, ob das Verhalten noch andauert oder dessen Wirkungen noch bestehen (16 Ok 2/22p mwN).
Eine Kartellstrafe kann nur dann abschreckend wirken, wenn die Höhe und Wahrscheinlichkeit der Strafe den zu erwartenden Kartellgewinn übersteigen. Zutreffend wird daher in der Literatur und Rechtsprechung ausgeführt, die theoretisch optimale Höhe der Geldbuße für einen materiell-rechtlichen Wettbewerbsverstoß sei der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiert, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist (16 Ok 2/22p mwN).
Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den – nicht taxativ aufgezählten – gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich dabei um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes (16 Ok 2/22p mwN).
Eine sinngemäße Anwendung der LL Geldbußen ist dabei lediglich insofern unbedenklich, als sich das Kartellgericht an der europäischen Geldbußenpraxis orientiert, ohne dabei jedoch das eigenständige inländische Sanktionensystem zu missachten und eigene Überlegungen zu vernachlässigen (16 Ok 2/22p mwN).
Ein wichtiger Unterschied betrifft die Frage, welcher Umsatz als Basis für die Ermittlung der Höhe der Geldbuße heranzuziehen ist. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist „nach dem klaren Gesetzeswortlaut auf den Gesamtumsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns abzustellen. […] Abgestellt wird auf den Gesamtumsatz im der Zuwiderhandlung vorausgegangenen Geschäftsjahr“ (16 Ok 2/22p mwN).
Gemäß § 30 Abs 1 KartG ist bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. In § 30 Abs 2 KartG sind Erschwerungsgründe, in § 30 Abs 3 KartG Milderungsgründe jeweils demonstrativ aufgelistet.
Demnach sind unter anderem der räumliche Umfang des vom Wettbewerbsverstoß betroffenen Markts, die kumulierten Marktanteile der beteiligten Unternehmen, die Art des Verstoßes und der Grad des Verschuldens wichtige Bemessungsfaktoren für die Höhe der Geldbuße. Darüber hinaus ist auch auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des dem Kartellverbot Zuwiderhandelnden Bedacht zu nehmen; ebenso auf seine Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung. Auch Erschwerungs- und Milderungsgründe sind zu berücksichtigen (16 Ok 2/22p mwN).
Zu 16 Ok 2/22p hat der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht weiters deutlich darauf verwiesen, „dass die Entscheidung 16 Ok 2/15b, in der die Geldbuße in Höhe von 3,5 % der gesetzlichen Obergrenze verhängt wurde, keineswegs einer Verallgemeinerung zugänglich ist. Vielmehr sollte durch diese Entscheidung, mit der die vom Erstgericht verhängte Geldbuße verzehnfacht wurde, klargestellt werden, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich ist.
Das Kartellgericht darf nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen als beantragt. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob die von der Antragstellerin beantragte Geldbuße überhöht ist.
Selbst ausgehend vom Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2020 von rund EUR 40 Millionen (und damit vom niedrigsten nach der genannten Judikatur in Betracht kommenden Gesamtumsatz)ist unter Berücksichtigung der Schwere (Kernverletzungen) und Dauer (14 Jahre) des Verstoßes, des vorsätzlichen Handeln der Antragsgegnerinnen und unter Einbeziehung spezial- und generalpräventiven Erwägungen die beantragte Geldbuße von EUR 505.000jedenfalls nicht überhöht.“
 

Ausdruck vom: 29.05.2025 09:00:36 MESZ