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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

128 Kt 1/22z


Bekannt gemacht am:

17.01.2023

Entscheidungsdatum:

14.11.2022


Über die Antragsgegnerin wird wegen der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG 2005 in Form von kartellrechtswidrigen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern in Bezug auf Ausschreibungen im Bereich Fassadenbau in Wien im Zeitraum vom 4.4.2017 bis 30.9.2017 gemäß § 29 Z 1 lit a KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 54.000 verhängt.
Begründung
Die im Jahr 2010 gegründete Antragsgegnerin übt das Baumeistergewerbe aus und bietet insbesondere Bauleistungen im Bereich Fassaden Bau und Vollwärmeschutz an. Bis Mai 2022 war Nazim Skrijelj Alleingesellschafter und Geschäftsführer; seitdem ist es Ing. Fehrat Skrijelj. Im Jahr 2021 erzielte die Antragsgegnerin einen Gesamtumsatz von EUR 7,719.397,26 (Außerstreitstellungen).
Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte mit Eingabe vom 25.8.2022 den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße in Höhe von EUR 54.000 gegen die Antragsgegnerin. Zur Begründung brachte sie zusammengefasst vor, die Antragsgegnerin sei in kartellrechtswidrigen horizontalen Absprachen und Verhaltensabstimmungen durch Informationsaustausch in Bezug auf Ausschreibungen von Fassadenbauleistungen beteiligt gewesen. Dies ergebe sich aus Protokollen einer durchgeführten Telefonüberwachung.
Zwischen den beteiligten Unternehmen sei es zu einer Willensübereinstimmung dahingehend gekommen, sich bei Ausschreibungen für Fassadenbauleistungen durch die Abgabe von Deckangeboten gegenseitig zur Zuschlagserteilung zu verhelfen und damit den Preiswettbewerb zu verhindern und den Markt aufzuteilen. Auch derartige aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen seien vom Kartellverbot des § 1 KartG umfasst. Unter Berücksichtigung des Umsatzes der Antragsgegnerin im Jahr 2017 von EUR 5,297.987, der regionalen und zeitlichen Ausprägung der Gesamtzuwiderhandlung, deren Schwere, des Verschuldens der Antragsgegnerin sowie die ein Jahr nicht übersteigende Dauer des Verstoßes sowie der Kooperation der Antragsgegnerin im Verfahren erscheine insgesamt eine Geldbuße in Höhe von EUR 54.000 angemessen.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der BWB an.
Die Antragsgegnerin stellte ihre Beteiligung an kartellrechtswidrigen horizontalen Absprachen und kartellrechtswidrigen Verhaltensabstimmungen durch Informationsaustausch mit Mitbewerbern und den ihr von der Antragstellerin vorgeworfenen Sachverhalt außer Streit.
Feststellungen:
Beim Bauvorhaben Bloch-Bauer-Promenade 21, 1100 Wien, tauschte die Antragsgegnerin mit ihren Mitbewerbern wettbewerbssensible Informationen über das Verhalten bei der Ausschreibung aus, indem ihr nunmehriger Geschäftsführer dem Verantwortlichen des Mitbewerbers mitteilte, dass er nur an der ersten Verhandlungsrunde teilgenommen habe und in Folge nicht mehr mitbieten werde.
Beim Bauvorhaben Inge-Konradi-Gasse/Gaswerkstraße, 1210 Wien, sprach sich Fehrat Skrijelj mit dem Verantwortlichen eines Mitbewerbers über die Höhe des von ihnen zu legenden Angebots ab. Auch fanden Gespräche zur Aufteilung der Ausschreibungen sowie zum künftigen Abgabeverhalten mit drei anderen Mitbewerbern statt.
Beim Bauvorhaben Grundäckergasse, Bauplatz 4, 1100 Wien, sprach sich Ferhat Skrijelj mit dem Verantwortlichen eines Mitbewerbers darüber ab, dass er für dieses Bauvorhaben kein Angebot legen werde, wofür ihm der Mitbewerber entgegenkommen werde.
Beim Bauvorhaben Helene-Thimig-Weg, In der Wiesen Ost, Bauplatz 4, 1230 Wien, vereinbarten die Antragsgegnerin und drei andere Mitbewerber, dass jener Mitbewerber, der bei der Ausschreibung zum Zug kommen sollte, ein Angebot von EUR 1,6 Mio legen würde und die Angebote der anderen Mitbewerber dementsprechend über diesem Preis liegen sollten.
Beim Bauvorhaben Breitenfurter Straße 223-237, Bauplatz 4-6, 1230 Wien, kam es zwischen der Antragsgegnerin und zwei Mitbewerbern zu einer Marktaufteilung.
Beim Bauvorhaben Otto-Bondy-Platz 7, 1120 Wien, führte Fehrat Skrijelj mit dem Verantwortlichen eines Mitbewerbers Gespräche über ihre jeweiligen Angebote und deren Höhe, sodass es insoweit zu Preisabsprachen und einem Austausch wettbewerbssensibler Informationen kam.
Die genannten Verstöße fanden im Zeitraum 4.4.2017 bis 30.9.2017 statt.
Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf das von der Antragsgegnerin außer Streit gestellte Tatsachenvorbringen der Antragstellerin sowie die unbedenklichen Urkunden Beilagen ./F bis ./R.
Rechtlich folgt daraus:
1. Gemäß § 1 Abs 1 KartG sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Insbesondere verboten sind die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, sowie die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen (Abs 2 der zitierten Bestimmung).
Eine Beschränkung des Wettbewerbs liegt in der Regel vor, wenn die wettbewerblich relevante Handlungsfreiheit aller oder einzelner der an einer der drei in § 1 Abs 1 KartG 2005 beschriebenen Koordinierungsformen (Vereinbarung, Beschluss, abgestimmtes Verhalten) beteiligten Unternehmen beeinträchtigt ist (RS0120915).
Bezweckt eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise eine Beschränkung des Wettbewerbs, müssen die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung, des Beschlusses oder der Verhaltensweise auf die Marktverhältnisse weder ermittelt noch nachgewiesen werden. Auch auf die subjektive Absicht der Parteien kommt es nicht an (16 Ok 51/05).
2. Es besteht kein Zweifel daran, dass die festgestellten Verhaltensweisen (auch) der Antragsgegnerin, nämlich sich mit den Mitbewerbern darüber abzusprechen, wer bei Bauvorhaben ein Anbot legt, welche Höhe dieses hat und wie man sich bei zukünftigen Ausschreibungen verhält, die wetttbewerblich relevante Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen beeinträchtigt.
Ob im konkreten Fall eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen der Antragsgegnerin und ihren Mitbewerbern vorliegt, kann insoweit dahingestellt bleiben, als beide gleichermaßen verboten sind (Gugerbauer, KartG3 § 3 Rz 30).
Die Antragsgegnerin hat damit gegen das Kartellverbot des § 1 Abs 1 KartG 2005 verstoßen. Auf das Vorliegen einer Ausnahme im Sinne des § 2 leg cit beruft sie sich – zu Recht – nicht.
3. Nach § 33 KartG 2005 darf eine Geldbuße nur verhängt werden, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Diese Frist wird unterbrochen, sobald mindestens einem an der Rechtsverletzung beteiligten Unternehmer eine auf Ermittlung oder Verfolgung der Rechtsverletzung gerichtete Handlung der Bundeswettbewerbsbehörde bekannt gegeben wird. Da der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2.6.2021 (Beilage ./B) die bisherigen Ermittlungshandlungen der BWB bekanntgegeben wurden, ist der Antrag jedenfalls rechtzeitig, unabhängig davon, ob man die Verstöße als fortgesetzte Zuwiderhandlung (die im Übrigen von der Antragsgegnerin ohnedies zugestanden wird) betrachtet.
4. Es liegen somit alle Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße nach § 29 Z 1 lit a KartG 2005 vor. Da das Kartellgericht nach § 36 Abs 2, letzter Satz, leg cit keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt und ausgehend von dem außer Streit stehenden Gesamtumsatz der Antragsgegnerin für das Jahr 2021 der Höchstbetrag von 10 % nach § 29 Z 1 KartG 2005 bei weitem nicht erreicht wird, erübrigt sich eine nähere Prüfung der Höhe der Geldbuße. Zutreffend berücksichtigt wurde, dass die Antragsgegnerin durch das von ihr abgegebene Anerkenntnis an der Aufklärung des Sachverhaltes maßgeblich mitwirkte; eine Veranlassung zu einer weiteren Reduktion des Bußgeldes bestand nicht.

Ausdruck vom: 27.04.2024 16:50:46 MESZ