Veröffentlichung gemäß § 37 Kartellgesetz
Entscheidung des Kartellgerichts
Zusammenschluss
24 Kt 13/19w
Bundeswettbewerbsbehörde
Eurazeo SE
verbotene Durchführung (§ 7 Abs 1 Z 3 KartG)
Unternehmensbeteiligungen
Immobilien-Asset-Management und Investition in die Entwicklung europäischer und amerikanischer Marken ua.
Herstellung von Motorrad- und Schneeschutzausrüstung
26.02.2020
01.10.2019
Über die Antragsgegnerin wird wegen der verbotenen Durchführung des am 10.4.2019 bei der Bundeswettbewerbsbehörde zu BWB/Z-4385 angemeldeten Zusammenschlusses betreffend den indirekten Erwerb von 58,8% der Anteile an der 2R Holding SAS durch die Antragsgegnerin und den dadurch erlangten Erwerb der alleinigen Kontrolle im Zeitraum von 17.7.2018 bis 9.5.2019 gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG eine Geldbuße von EUR 30.000,-- verhängt.
Begründung:
Folgender Sachverhalt ist unstrittig:
Beteiligte Unternehmen:
Die Antragsgegnerin ist eine multinationale Investmentgesellschaft, die unter anderem in folgenden Bereichen tätig ist: Unternehmensbeteiligungen, Immobilien-Asset-Management und Investitionen in die Entwicklung europäischer und amerikanischer Marken insbesondere in den Bereichen Schönheit, Bekleidung, Accessoires, Wohneinrichtungen, Schmuck, Freizeit, Gesundheit und Lebensmittel.
Die 2R Holding SAS (in der Folge „Zielgesellschaft“) war zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses und ist heute noch eine französische Holdinggesellschaft einer Gruppe von Unternehmen, die im Bereich der Herstellung von Motorrad- und Schneeschutzausrüstung tätig sind. Die Unternehmen stellen ua Motorradhelme, -bekleidung, Schutzausrüstungen, Sitz- und Gepäckprodukte für Motorräder sowie Schutzausrüstung und Bekleidung für Wintersportarten her. Ein Großteil der Umsätze wird in Frankreich erzielt.
Zusammenschluss:
Am 17.7.2018 erwarb die Antragsgegnerin indirekt 58,8% der Anteile an der Zielgesellschaft, womit auch der Erwerb der alleinigen Kontrolle über die Zielgesellschaft verbunden war. Konkret erfolgte der Anteilserwerb durch Funds, welche von Eurazeo PME, einem Tochterunternehmen der Antragsgegnerin, gemanagt werden. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Gesellschaft („Newco“) gegründet, deren Anteile von SLP Eurazeo PME III-A und SLP Eurazeo PME III-B (zwei von Eurazeo verwaltete Investmentfonds) gehalten wurden.
Eine Zusammenschlussanmeldung erfolgte zunächst nicht.
Mit nachträglicher Zusammenschlussanmeldung vom 10.4.2019 meldete die Antragsgegnerin den am 17.7.2018 erfolgten Erwerb von 58,8% der Anteile an und alleiniger Kontrolle über die Zielgesellschaft durch die Antragsgegnerin bei der der Antragstellerin an (GZ BWB/Z-4385).
Mangels Stellung eines Prüfungsantrags durch die Amtsparteien fiel das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 9.5.2019 weg.
Im Geschäftsjahr 2017 erzielten die beteiligten Unternehmen folgende Umsätze:
weltweit Österreich
Antragsgegnerin 4-5] Mrd [30-40] Mio
Zielgesellschaft [ca 100] Mio [>1] Mio
Im Geschäftsjahr 2018 betrug der Konzernumsatz der Antragsgegnerin [ca EUR 5 Milliarden].
Die Antragstellerin beantragt mit ihrem am 21.6.2019 beim Kartellgericht eingelangten Antrag die Verhängung einer Geldbuße von EUR 30.000,-- über die Antragsgegnerin gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG.
Sie brachte im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerinnen hätten mit ihrem Vorgehen von 17.7.2018 bis 9.5.2019 gegen das Durchführungsverbot verstoßen. Das Zusammenschlussvorhaben habe die Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten. Folglich sei der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht.
Die Antragsgegnerin habe am 17.6.2019 freiwillig und im Interesse einer Kooperation mit den Amtsparteien ein Anerkenntnis abgegeben, in dem anerkannt worden sei, dass der oben beschriebene Anteilserwerb und Kontrollerwerb ohne zusammenschlussrechtliche Freigabe erfolgt und in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot gesetzt worden sei. Die Antragsgegnerin habe die Schuld- und Tatangemessenheit einer Geldbuße von EUR 30.000,-- anerkannt.
Grundlage für die Bemessung der Geldbuße sei § 30 KartG. Zu berücksichtigen sei die freiwillige Selbstanzeige der Antragsgegnerin; dass der Zusammenschluss keine negativen wettbewerblichen Auswirkungen gehabt habe; keine Bereicherung der Antragsgegnerin ersichtlich sei; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (siehe die Umsätze); die Verstoßdauer sowie das Verschulden. Hiezu wurde darauf verwiesen, dass es sich um grenzüberschreitend tätige Unternehmen handle, bei denen grundsätzlich ausreichende Kenntnisse des Fusionskontrollrechts zu erwarten seien und die wegen der wettbewerblichen Relevanz ihres Verhaltens grundsätzlich strenger zu beurteilen seien. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Anmeldebedürftigkeit des Erwerbsvorgangs ordnungsgemäß geprüft und die Anmeldung nur aufgrund der Übermittlung ungenauer Informationen durch das Zielunternehmen, welche für die Erwerberin nicht erkennbar gewesen sei, unterblieben sei (die Antragsgegnerin sei aufgrund der Informationen davon ausgegangen, dass die Zielgesellschaft in Österreich gar keine Umsätze erziele und aufgrund der geographischen Marktabgrenzung keine Inlandsauswirkung vorliege). Die Nichtanmeldung in Österreich sei versehentlich erfolgt, was sich darin widerspiegle, dass die geplante Transaktion in Deutschland angemeldet worden sei. Als im Rahmen der Prüfung eines weiteren Zusammenschlusses die Unrichtigkeit der Informationen zum Umsatz des Zielunternehmens entdeckt worden sei, sei die Anmeldung innerhalb zweier Werktage ab Bekanntwerden der Anmeldepflicht erfolgt. Mildernd sei zu werten, dass die Antragsgegnerin, insbesondere durch das Anerkenntnis, zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen habe.
Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.
Die Antragsgegnerin bestritt das Antragsvorbringen und den Antrag nicht und erhob auch keine Einwendungen gegen die rechtliche Beurteilung der Antragstellerin sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie verwies auf ihr Anerkenntnis und stellte das Tatsachenvorbringen außer Streit.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
1. Da gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.
2. Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht gegen einen Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung, der oder die vorsätzlich oder fahrlässig (ua) dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG) zuwiderhandelt, eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10% des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.
Das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG bestimmt, dass ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss erst durchgeführt werden darf, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben.
3. Der gegenständliche Erwerbsvorgang stellte einen Zusammenschluss nach § 7 KartG dar. Der beschriebene mittelbare Erwerb von Anteilen an der Zielgesellschaft durch die Antragsgegnerin, durch den ein Beteiligungsgrad von 50% überschritten wurde, erfüllt den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG. Weiters fand dadurch unstrittig der Erwerb der – wohl mittelbaren – alleinigen Kontrolle iSd § 7 Abs 1 Z 5 KartG statt.
4.1. Ein solcher Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf iSd § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ
- kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig ist (Art 21 FKVO),
- alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,
- die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist, und
- der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 4).
4.2. Hier liegt ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht vor, da die Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO nicht erreicht werden.
4.3. Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von (1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio, (2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und (3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio erzielten.
Da im maßgeblichen Geschäftsjahr 2017 die Antragsgegnerin weltweit einen Umsatz von EUR [4-5] Mrd und österreichweit einen Umsatz von EUR [30-40] Mio sowie die Zielgesellschaft weltweit einen Umsatz von [ca EUR 100 Mio erzielten, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG überschritten.
4.4. Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 2 KartG bestimmt, dass trotz Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG die Anmeldepflicht entfällt, wenn im letzten Geschäftsjahr nur ein einziges beteiligtes Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio (Z 1) und die übrigen beteiligten Unternehmen weltweit gemeinsam nicht mehr als EUR 30 Mio (Z 2) erzielten. Damit sollen Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt von der Anmeldepflicht befreit werden.
Zwar erzielte das Zielunternehmen in Österreich einen Umsatz von weit unter EUR 5 Mio, jedoch beträgt der weltweite Umsatz der Antragsgegnerin als „anderes beteiligtes Unternehmen“ weit mehr als EUR 30 Mio. Eine Ausnahme iSd § 9 Abs 2 KartG liegt daher nicht vor.
4.5. Der Zusammenschluss hat – angesichts der in Österreich bestehenden (wenn auch relativ geringen) Umsätze der Zielgesellschaft - eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG (vgl dazu Urlesberger aaO § 9 Rz 10 ff).
5. Damit waren die Voraussetzungen für eine Anmeldepflicht des Zusammenschlusses gegeben. Die Antragsgegnerin hat in den im Antrag genannten Zeiträumen - also für 9 Monate - gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG verstoßen. Daher war über sie gemäß § 17 Abs 1 iVm § 29 Z 1 lit a KartG eine Geldbuße zu verhängen.
6. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße sind nach § 30 KartG insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre. Eine feststellbare Bereicherung wurde hier nicht erzielt.
Zum Grad des Verschuldens ist auf die Erwägungen der Antragstellerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS-Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13). Die Entscheidung muss zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavaliersdelikt" ist (16 Ok 2/13). Zu berücksichtigen ist aber auch, dass im konkreten Fall die Anmeldung des Zusammenschlusses lediglich „versehentlich“ unterlassen wurde. Das Verhalten ist demnach jedenfalls als nur leicht fahrlässig zu qualifizieren.
Zusammengefasst ist – unter Beachtung der general- und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht - die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt keinesfalls angezeigt. Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, da das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.