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Kategorie:

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 1/19f


Bekannt gemacht am:

11.11.2020

Entscheidungsdatum:

25.02.2020


1. Der Antrag auf Zurückweisung des Abstellungsantrags wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerinnen, das Kartellgericht möge der Antragsgegnerin auftragen,

i) alle Maßnahmen zur Umsetzung einer Engpassbewirtschaftung im Sinne der EU-Verordnung 714/2009 an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland zu unterlassen und

ii) sämtliche in diesem Zusammenhang von ihr bereits gesetzten Maßnahmen einzustellen,

wird a b g e w i e s e n .


 

Begründung:

I. Einleitung/unstrittiger Sachverhalt:

Die Erstantragstellerin ist eine Interessenvertretung der österreichischen Zellstoff- und Papierindustrie (siehe www.austropapier.at). Zumal die Zellstoff- und Papiererzeugung zu einer sehr energieintensiven Branche zählt, vertritt die Erstantragstellerin die Interessen dieses Wirtschaftszweigs auch in energiepolitischen Fragen.

Die Zweitantragstellerin ist die Muttergesellschaft des voestalpine-Konzerns, eines Technologie- und Industriegüterkonzerns mit einem Fokus auf Produkt- und Systemlösungen aus Stahl und anderen Metallen in technologieintensiven Branchen, ua der Automobil- und Haushaltsgeräteindustrie sowie der Luftfahrt-, Öl- und Gasindustrie. Voestalpine ist Weltmarktführer in der Weichentechnologie und im Spezialmaschinenbereich sowie bei Werkzeugstahl und Spezialprofilen. Über die voestalpine Rohstoffbeschaffungs-GmbH schließt die voestalpine-Gruppe Strombezugsverträge mit dritten Stromlieferanten für den Energiebedarf des Konzerns ab.

Die Drittantragstellerin ist die Holding-Gesellschaft der VERBUND-Gruppe, einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Hauptsitz in Wien, dessen Kerngeschäft die Stromerzeugung, die Stromübertragung, der Stromhandel und die Versorgung von Endkunden mit Strom ist. Der Tätigkeitsschwerpunkt der Gruppe liegt in Österreich und Deutschland, sie ist über ihre Konzerngesellschaften auch in anderen europäischen Ländern tätig.

Die Viertantragstellerin ist eine Tochtergesellschaft der Drittantragstellerin und innerhalb der VERBUND­-Gruppe für den Stromhandel zuständig. Sie agiert dabei als zentraler Marktzugang für die Erzeugung und den Absatz des Konzerns und tätigt sowohl standardisierte als auch individuell strukturierte Handelsgeschäfte im außerbörslichen Handel und in den wichtigsten europäischen Strombörsen. Darüber hinaus beliefert die Viertantragstellerin Industriekunden und Elektroversorgungsunternehmen mit Elektrizität.

Die Fünftantragstellerin ist (mit 25,12%) ein Beteiligungsunternehmen der Wiener Börse AG, von der sie 2001 mit der Einrichtung einer Abwicklungsstelle gemäß § 26 Abs 3 BörseG für den Handel mit elektrischer Energie betraut wurde. Sie fungiert seit der vollständigen Liberalisierung des österreichischen Strommarktes am 1.10.2001 als Strombörse und ist in der österreichischen „APG-Regelzone“ (APG = Austrian Power Grid AG, das ist der österreichische Übertragungsnetzbetreiber) und in allen vier deutschen Regelzonen [siehe dazu sogleich] aktiv. Der EXAA-Spothandel umfasst mittlerweile mehr als 70 Stromanbieter aus 14 Ländern.

Ein Übertragungsnetz dient dem Transport von Elektri­zität über ein Höchst- und Hochspannungsnetz ein­schließlich grenzüberschreitender Verbindungsleitungen. Das deutsche Übertragungsnetz ist in vier Regelzonen unter­teilt, in Österreich besteht eine Regelzone (die APG-Regelzone). Als Regelzone bezeichnet man einen geografisch festgelegten Verbund von Hochspannungsnetzen. Für jede Regelzone ist ein Übertragungsnetzbetreiber - ÜNB (= „Transmission System Operators“ - TSO) verantwortlich. Sogenannte Kuppel­leitungen ermöglichen den Strom­austausch zwischen den Regelzonen, aber auch – grenz­über­schreitend - mit den Übertragungsnetzen bzw Regel­zonen in den Nachbarländern Deutschlands (ua Österreich).

Die Antragsgegnerin ist einer der vier im deutschen Bundesgebiet tätigen ÜNB iSd § 3 Z 10 des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und wurde diesbezüglich von der Bundesnetzagentur (das ist die deutsche sektorspezifische Regulierungsbehörde) zertifiziert. Eine gesetzlich definierte Aufgabe der deutschen ÜNB besteht in der Gewährleistung der Sicherheit und Stabilität des deutschen Hochspannungsnetzes. Die ÜNB haben den überregionalen Stromaustausch über ihre Leitungen störungsfrei durchzuführen und dafür zu sorgen, dass sich die Erzeugung und der Verbrauch von Elektrizität jederzeit im Gleichgewicht befinden (§§ 11 ff EnWG).

Neben der Antragsgegnerin sind in Deutschland die 50Hertz Transmission GmbH („50Hertz“), Amprion GmbH („Amprion“) und die Transnet BW GmbH („Transnet“) als ÜNB tätig.

Das Netzgebiet der Antragsgegnerin (die in ihrer Verantwortung stehende Regelzone) ist über die Kuppelleitungen St.Peter/Altheim/Pleinting und Oberbrunn/Krün mit dem österreichischen Hochspannungsnetz verbunden. Daneben existieren an der deutsch-österreichischen Grenze weitere Kuppelstellen, für die die deutschen ÜNB Amprion und Transnet verantwortlich sind. Der ÜNB auf österreichischer Seite ist jeweils APG. Diese vier ÜNB besitzen und kontrollieren die Kuppelstellen an der deutsch-österreichischen Grenze.

Ab 2003 bildeten Deutschland und Österreich (im Zusammenhang mit den Bestrebungen, einen europäischen Energiebinnenmarkt zu schaffen) eine gemeinsame Stromhandelszone (Gebotszone). Das bedeutet, dass Stromhandels­transaktionen zwischen Österreich und Deutschland ohne eine Beschränkung der Kapazitäten an den grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen – sohin ohne „Engpassbewirtschaftung“ [siehe unten] - durchgeführt wurden. Folge davon war, dass sich Angebot und Nachfrage nach Stromlieferungen in einer einheitlichen deutsch-österreichischen Handelszone begegneten und im Großhandel einheitliche Stromhandelspreise bestanden.

Mit Wirkung ab 1.10.2018 wurde die Trennung der Stromhandelszone in eine österreichische und eine deutsche Stromhandelszone vorgenommen und ein Engpassmanagement in Form einer koordinierten Kapazitätsvergabe (Engpassbewirtschaftung) an der deutsch-österreichischen Grenze eingeführt. Das führte insbesondere dazu, dass nunmehr – infolge separater Festsetzung der Strompreise - zwischen den beiden Zonen Preisdifferenzen bestehen. Die Preise in Österreich sind seither angestiegen.

Klarzustellen ist weiters – jedenfalls für die Zwecke dieser Entscheidung – die Bedeutung nachstehender Begriffe (welche auch der von der Bundesnetzagentur und den Parteien zugrunde gelegten Definition entspricht): Ein Netzengpass liegt vor, wenn über ein Netzbetriebsmittel (die Stromnetze einschließlich der Grenzkuppelstellen) mehr Leistung transportiert werden soll als das Betriebsmittel physikalisch übertragen kann; also die Handelsvolumina und die verfügbare Transportkapazität auseinanderfallen. Zu unterscheiden ist zwischen kurzfristigen und strukturellen Engpässen [Stellungnahme der Bundesnetzagentur ON 31 S 4; siehe auch die Definition in Art 2 Abs 2 lit c der VO 714/2009], wobei die ÜNB, um die Systemstabilität zu gewährleisten, Netzengpässe verhindern oder ihnen gegebenenfalls entgegenwirken müssen.

Unter „Engpassmanagement“ wird die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Auflösung von Engpasssituationen verstanden. Zu den im Rahmen des Engpassmanagements möglichen Maßnahmen gehören „Redispatch“, „Countertrading“ (welche jeweils der Behebung kurzfristiger Engpässe dienen), der Einsatz von Phasenschiebern (zur Hintanhaltung von „Ringflüssen“), der Ausbau des Stromnetzes (als langfristige Maßnahme) sowie die hier gegenständliche „Engpassbewirtschaftung“. Damit ist die koordinierte Kapazitätsvergabe nach einem bestimmten Verfahren, also die Vergabe von Übertragungsrechten im Rahmen der jeweils errechneten verfügbaren Handelskapazität, gemeint.

Allerdings besteht für den solcherart verwendeten Begriff „Engpassbewirtschaftung“ keine Legaldefinition. Die im vorliegenden Sachantrag angeführte VO 714/2009 kennt den Begriff nicht (eine Volltext-Suchanfrage unter www.eur-lex.europa.eu liefert keinen Treffer, hingegen ergibt die Anfrage nach „Engpassmanagement“ dort 195 Treffer; auch im österreichischen Rechtsbestand findet sich der Begriff – soweit ersichtlich - nicht).

II. Vorbringen:

Die Antragstellerinnen stellten den im Spruch angeführten Antrag auf Abstellung gemäß § 26 KartG.

Sie brachten vor, dass nach den verbindlichen Vorschriften der VO 714/2009 (Stromhandels-VO) die ÜNB verpflichtet seien, die maximal verfügbare Kapazität der Verbindungsleitungen (Kuppelleitungen) für grenzüberschreitende Stromflüsse zwischen Übertragungsnetzen zur Verfügung zu stellen. Die Einführung einer „Engpassbewirt­schaftung“ an Landesgrenzen - dh die Beschränkung des Netzzugangs für den grenzüberschreitenden Handel durch die ÜNB und die Einführung von Verfahren (zB Auktionsverfahren) zur Vergabe solcher beschränkter grenzüberschreitender Kuppelstellenkapazitäten an die Marktteilnehmer - sei somit nur in Ausnahmefällen und vor allem nur dann zulässig, wenn an der betroffenen Grenze „strukturelle Engpässe“ auftreten würden. Insbesondere sei es ÜNB schon auf Basis dieser sektorspezifischen Regelungen untersagt, Verbindungskapazitäten an Landesgrenzen zu beschränken, um einen Netzengpass zu beheben, der nicht an der Landesgrenze, sondern innerhalb eines Übertragungsnetzes (innerhalb eines Mitgliedstaates) liege.

Ausschlaggebend für die Bildung der einheitlichen deutsch-österreichischen Stromhandelszone im Jahr 2003 – und für den Verzicht auf ein Engpassmanagement - sei gewesen, dass es keinen „strukturellen Engpass“ für den Stromfluss zwischen den deutschen und österreichischen Regelzonen (Übertragungsnetzen) gebe. Die Kapazität an den grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen reiche vielmehr aus, um das zwischen den Marktteilnehmern kontrahierte grenzüberschreitende Handelsvolumen abzudecken. Dieser Umstand habe maßgeblich zum intensiven Wettbewerb auf den Marktstufen der Stromerzeugung und des Erstabsatzes sowie im Stromhandel beigetragen.

Auch innerhalb Deutschlands finde seit jeher keine Engpassbewirtschaftung statt, obwohl innerhalb der deutschen Übertragungsnetze mehrere wesentliche strukturelle Engpässe bestünden. Solche Engpässe seien in Studien des „Europäischen Netzes der Übertragungsnetzbetreiber (Strom)“ („ENTSO-E“) und der Bundesnetzagentur bestätigt und kürzlich im „Bidding Zone Review“ („BZR“) nach der VO 2015/1222 („CACM-VO“) festgestellt worden. Diese innerdeutschen Engpässe bestünden, zumal der Netzausbau nicht voranschreite, bis heute. Die meisten der Engpässe (13 von 20) lägen im Netzgebiet der Antragsgegnerin. Dennoch sei kein Kapazitätsmanagement in Form einer Beschränkung des innerdeutschen Stromhandels eingeführt worden.

Die Antragsgegnerin habe per 1.10.2018 eine Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze eingeführt, ohne dass dafür eine Rechtfertigung bestehe. Seither würden die langfristigen Übertragungskapazitäten künstlich auf 4.900 MW in beide Richtungen beschränkt. Diese Kapazitäten würden in Form von (impliziten) Auktionen vergeben. In technischer Hinsicht wären aber weiterhin Kapazitäten von rund 10.000 MW verfügbar, daneben befänden sich sogar noch wesentliche Erweiterungen in Bau. Seit Oktober 2018 würden die europäische Strombörse EPEX SPOT und die Fünftantragstellerin wegen dieses Engpassmanagements getrennte Orderbücher erstellen, also separate Auktionen für Österreich und Deutschland durchführen. Die zuvor bestehenden Auktionen für beide Staaten in einem gemeinsamen Orderbuch gebe es nicht mehr.

Die künstliche Trennung habe wesentliche Auswirkungen auf die Marktverhältnisse, konkret die Preisbildung im Stromhandel: Die deutsche Strombörse EEX habe infolge der Trennung neue Stromhandelsprodukte eingeführt. Für den Terminmarkt seien eigene Produkte für eine österreichische und für eine deutsche Zone entwickelt worden, zuvor habe es ausschließlich auf die gemeinsame Stromhandelszone bezogene Produkte gegeben. Kunden würden verstärkt die Konditionen für Stromlieferungen „loco Österreich“, dh aus einer rein österreichischen Stromhandelszone nachfragen. Dadurch entstehe ein massiver Schaden für die österreichische Volkswirtschaft, da Wettbewerb und Liquidität bei den Terminmarktprodukten entzogen werde und das Absicherungsrisiko für österreichische Marktteilnehmer erheblich steige. Die mit der Trennung der Stromhandelszone einhergehende Verringerung der in Österreich verfügbaren Liquidität an Elektrizität führe zwangsläufig zu einem gestiegenen Vermarktungs- und Beschaffungsrisiko in Österreich. Schon gegenwärtig seien ein laufender Anstieg der österreichischen Spot- und Terminmarktpreise und folglich entsprechende erhebliche Mehrkosten für die österreichischen Stromkunden zu beobachten. Auch die ÜNB selbst seien im (oben erwähnten) „Bidding Zone Review“ davon ausgegangen, dass eine Zonentrennung zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsstruktur auf den österreichischen Strommärkten, insbesondere durch eine Verringerung der verfügbaren Liquidität von Strom, führen würde.

Konkret seien auf dem Spotmarkt bereits im Oktober 2018 erhebliche Preisdifferenzen zwischen Österreich und Deutschland zu beobachten gewesen. In diesem Monat sei der durchschnittliche stündliche Day-Ahead-Preis in Deutschland bei 53,4 EUR/MWh und in Österreich bei 60,5 EUR/­MWh gelegen; die durchschnittliche Differenz bei ca 7 EUR/MWh. Diese Preisdifferenz entspreche zumindest der durch die Zonentrennung bewirkten Erhöhung der österreichischen Stromhandelspreise im Vergleich zum bisher einheitlichen Preis in der gemeinsamen Handelszone.

Auf dem Terminmarkt sei seit der Trennung de facto keine Liquidität mehr in Österreich vorhanden, wodurch ein großer volkswirtschaftlicher Schaden entstehe, da Marktteilnehmer (Händler, Erzeuger, Verbraucher) die Strompreisrisiken für ihre Geschäftstätigkeit nicht mehr adäquat absichern könnten.

Daneben habe die künstliche Trennung der Stromhandelszone spezifische Nachteile für die auf dem Markt für Strombörsen tätige Fünftantragstellerin. Erstens nehme die Bedeutung der von ihr täglich um 10:15 Uhr durchgeführten Auktion rapide ab (zumal in der nun getrennt zu auktionierenden österreichischen Zone kaum Liquidität vorhanden sei) und habe eine massive Einschränkung ihres Leistungsangebots stattgefunden. Zweitens habe (zunächst) eine mangelnde Einbindung der Fünftantragstellerin in die „Marktkoppelung“ (wodurch bei grenzüberschreitenden Strom­handelsgeschäften die Ergebnisse mit den vorhandenen Leitungskapazitäten zusammengeführt würden) bestanden, indem die Fünftantragstellerin in Bezug auf die in zahlreichen europäischen Regelzonen gekoppelt stattfindende 12:00-Auktion über keinen Zugang zu dem dafür eingesetzten EDV-System („Price Coupling of Regions“) verfügt habe. Allerdings stützt sich die Fünftantragstellerin zuletzt nicht mehr auf die „mangelnde Einbindung in die Marktkoppelung“, stellte sie doch außer Streit (ON 43 S 14), dass am 2.7.2019 die „Multiple NEMO Arrangements“ implementiert worden seien und sie seither auch Auktionen am deutschen Markt durchführen könne.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei diese weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, die Zonentrennung vorzunehmen:

Am 17.11.2016 habe die europäische „Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden“ („ACER“) zur Zahl 06/2016 eine Entscheidung („ACER-Entscheidung“) erlassen, in der sie die ÜNB aufgefordert habe, im Rahmen der Einrichtung von sogenannten Kapazitätsberechnungsregionen gemäß Art 15 der CACM-VO ua ein Engpassmanagement [gemeint: ein koordiniertes Kapazitätsvergabeverfahren, also eine Engpassbewirtschaftung im eingangs dargestellten Sinn] an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich einzuführen. Die ACER-Entscheidung sei von einer Vielzahl von Marktteilnehmern (darunter die Drittantragstellerin) bekämpft worden, zumal (i) ACER keine Entscheidungsbefugnis für die Einführung neuer Stromhandelspreiszonen habe, (ii) für die Einführung neuer Gebotszonengrenzen ein spezielles Verfahren gemäß Art 32ff der CACM-VO, namentlich der „Bidding Zone Review“ mit einer Letztentscheidung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen sei, (iii) die Einführung der Engpassbewirtschaftung mangels Vorliegens eines strukturellen Engpasses an der Ländergrenze gegen die Vorgaben der VO 714/2009 verstoße, (iv) die ACER-Entscheidung die Art 101 und 102 AEUV und die Waren- und Dienstleistungsfreiheit verletze und überdies (v) unter schwerwiegenden Verfahrensmängeln leide. Der zuständige Beschwerdeausschuss von ACER (ACER Board of Appeal - „BoA“) habe diese Rechtsmittel mit Beschluss vom 17.3.2017 ab- bzw zurückgewiesen. Die E-Control [also die sektorspezifische österreichische Regulierungsbehörde] und APG hätten dagegen Nichtigkeitsklagen gemäß Art 263 AEUV vor dem Europäischen Gericht (EuG) eingebracht. Mit Urteil des EuG vom 24.10.2019 zu T-332/17 und T-333/17 sei diesen Klagen gegen die Entscheidung des BoA stattgegeben und die BoA-Entscheidung aufgehoben worden. Laut EuG sei ACER zum Erlass seiner Entscheidung unzuständig gewesen. Das Urteil wirke ex tunc. Die Organe der Union (einschließlich ACER) seien verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um den Urteilen unverzüglich zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen.

Die Urteile bestätigten, was bereits zuvor gegolten habe, dass nämlich die Antragsgegnerin aufgrund der ACER-Entscheidung nicht zur Einführung einer Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze gezwungen gewesen sei. Die ACER-Entscheidung stelle keine verbindliche Anordnung hiefür dar und habe eine solche nie dargestellt. Die CACM-VO sehe in Art 32 ff ein spezielles Verfahren für die Überprüfung bestehender Gebotszonenkonfigurationen und die Einführung neuer Gebotszonengrenzen mit Engpassbewirtschaftung vor, insbesondere sei eine tiefgreifende Analyse und die Entwicklung eines gemeinsamen Vorschlages zur Beibehaltung oder Änderung der bestehenden Grenzen („BZR-Vorschlag“) durch die teilnehmenden ÜNB vorzunehmen. Demgemäß hätten die am laufenden Bidding Zone Review teilnehmenden ÜNB am 5.4.2018 ihren BZR-Vorschlag vorgelegt und darin empfohlen, die bestehende Gebotszonenkonfiguration unverändert beizubehalten, somit keine Engpassbewirtschaftung an der Grenze einzuführen. Dieses Ergebnis gehe der ACER-Entscheidung in faktischer und rechtlicher Hinsicht vor. In deren Rahmen sei nämlich keine Analyse durchgeführt worden und (wohl auch deswegen) sei in Art 2 der ACER-Entscheidung normiert worden, dass die vorgesehene Einführung einer neuen Gebotszonengrenze vorbehaltlich der Ergebnisse des Bidding Zone Review gemäß der CACM-VO erfolgen solle; falls der Bidding Zone Review zu einer anderen Gebotszonenkonfiguration als jene gemäß der ACER-Entscheidung führte, sei Letztere anzupassen. Die ACER-Entscheidung enthalte insoweit also eine auflösende Bedingung. Da der Bidding Zone Review in der Tat zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sei, rechtfertige die ACER-Entscheidung die Vorgehensweise der Antragsgegnerin nicht.

Dass im Lichte der ACER-Entscheidung auf Einladung der Bundesnetzagentur eine Reihe von Besprechungen zur Bestimmung von Umsetzungsmaßnahmen für die Trennung der Stromhandelszone stattgefunden hätten, dass weiters die Antragsgegnerin am 1.12.2017 eine „Engpassdeklaration für die Grenze Deutschland-Österreich“ veröffentlicht habe und letztlich im Mai 2017 die E-Control und die Bundesnetzagentur eine informelle „Einigung“ der Regulierungsbehörden über die Modalitäten der Einführung des Engpassmanagements verkündet hätten, nehme den ÜNB nicht die Verantwortung dafür, eigenständig darüber zu entscheiden, ob eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze – entgegen den Zielsetzungen der VO 714/2009 - stattfinden solle.

In rechtlicher Hinsicht legten die Antragstellerinnen dar, dass – entsprechend der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission – ein sachlich relevanter Markt für die Bereitstellung von Übertragungsnetzen im Elektrizitätsbereich („Stromübertragungsmarkt“) abzugrenzen sei. In geografischer Hinsicht bilde jeweils das Netz des betroffenen Übertragungsnetzbetreibers den räumlich relevanten Markt. Zu einem Übertragungsnetz würden auch die jeweiligen Verbindungsleitungen (Kuppelstellen) zu anderen Übertragungsnetzen gehören. Die Antragsgegnerin verfüge daher in Bezug auf das von ihr betriebene Übertragungsnetz über ein natürliches Monopol und somit über eine marktbeherrschende Stellung.

Wie die Kommission in der Entscheidung zu Swedish Interconnectors (Rs 39.351) ausgeführt habe, verstoße ein (marktbeherrschender) Übertragungsnetzbetreiber gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, wenn er die Kapazitäten an den grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen seines Netzes beschränke (durch Einführung eines Kapazitätsmanagements, zB durch Kapazitätsauktionen), um Netz­engpässe zu eliminieren, die tatsächlich nicht an der Grenze, sondern innerhalb seines Übertragungsnetzes lägen. Auch in dem kürzlich von der Kommission beendeten Missbrauchsverfahren DK/DE Interconnector (COMP/AT.40461) sei die Kommission zum Ergebnis gekommen, dass die Antragsgegnerin die verfügbare Übertragungskapazität der Verbindungsleitung von Westdänemark nach Deutschland beschränkt und somit gegen Art 102 AEUV verstoßen habe, weil dadurch ausländische Stromerzeuger missbräuchlich benachteiligt und der Strombinnenmarkt segmentiert würde. Die Antragsgegnerin würde – laut Kommission - mit diesem Vorgehen nicht-deutsche Energieerzeuger benachteiligen, da es die Ausfuhr billigen Stroms aus den nordischen Ländern, in denen Strom weitgehend aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werde, nach Deutschland verhindert habe. Dies wiederum würde zu einem geringeren Wettbewerb zwischen Energieerzeugern und somit zu höheren Strompreisen führen. Die Sachverhalte in diesen beiden Fällen entsprächen nahezu deckungsgleich den vorliegenden Umständen: Die Engpässe im deutschen Übertragungsnetz seien in erster Linie darauf zurückzuführen, dass in Deutschland Stromnachfrage und -erzeugung schwerpunktmäßig in verschiedenen Regionen lägen. Strom werde verstärkt im südlichen Bereich nachgefragt, während die Produktion (insbesondere nach der „Energiewende“ und der Fokussierung auf erneuerbare Energien bzw Windkraft) stärker im nördlichen Teil Deutschlands liege. Dieses Ungleichgewicht führe zu den beschriebenen Netzengpässen innerhalb der deutschen Übertragungsnetze. Einer marktbeherrschenden ÜNB (somit der Antragsgegnerin) sei es aber kartellrechtlich (iSd Missbrauchskontrolle) untersagt, solche internen Netzengpässe durch Kapazitätsbeschränkungen an grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen (die keinen Engpässen unterlägen) zu eliminieren. Die Verringerung der Kapazität der deutsch-österreichischen Verbindungsleitungen würde nämlich zu einer Diskriminierung österreichischer Kunden, die Strom aus Deutschland einführten, gegenüber deutschen Kunden führen. Genau dies werde von der Antragsgegnerin gegenwärtig getan: Sie habe ein Engpassmanagement an der Grenze eingeführt, obwohl es hier keinen strukturellen Engpass gebe und die Maßnahmen der Entlastung des innerdeutschen Netzes dienen würde. Die Antragsgegnerin verstoße damit gegen Art 102 AEUV und § 5 KartG.

Es würden zum einen österreichische Stromnachfrager gegenüber deutschen Stromnachfragern benachteiligt, weil die Engpassbewirtschaftung zu einem Anstieg des Strompreisniveaus in Österreich (im Verhältnis zu jenem in Deutschland) führe. Zum anderen diskriminiere die Antragsgegnerin sonstige österreichische Marktteilnehmer (wie Stromerzeuger und -händler), weil die Engpassbewirtschaftung das Strompreisabsicherungsrisiko für die Vermarktung österreichischer Kraftwerke sowie für die Beschaffung für österreichische Kunden massiv erhöhe und die österreichischen Marktteilnehmer beim Zugang zum deutschen Marktsegment (Exporte, Importe) im Verhältnis zu deutschen Marktteilnehmern benachteilige.

Dazu komme, dass die Einführung der Engpassbewirtschaftung nicht das gelindeste Mittel sei, um die Auswirkungen der innerdeutschen Netzengpässe zu beseitigen oder minimieren. Es stünde eine Reihe von alternativen Maßnahmen zur Verfügung, die den Wettbewerb weit weniger beeinträchtigen würden. Dazu zählten in erster Linie Investitionen in den Ausbau der Netzkapazitäten (der in Deutschland – im Gegensatz zu Österreich – äußerst schleppend erfolge), aber auch die Einrichtung getrennter Handelszonen zu beiden Seiten eines innerdeutschen Engpasses sowie – als kurzfristige Maßnahmen - die verstärkte Anpassung der Kraftwerkseinsatzplanung und Leistungseinspeisung („Redispatch“) bzw Countertrading und Schalthandlungen.

Dass sich der Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin auf die Marktverhältnisse (in Form von Preisunterschieden) auswirke, sei zu erwarten gewesen. Auch die Kommission habe in Swedish Interconnectors ausgeführt, dass sich die Beschränkung der Ausfuhrkapazitäten der Verbindungsleitungen auf die Preise in den betroffenen Regelzonen auswirke; die Durchschnittspreise in den Nachbarländern seien während der Zeiten der Beschränkungen deutlich erhöht gewesen.

Es liege auch keine objektive Rechtfertigung für die Einführung einer Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze vor. Weder liege ein (entsprechend den Vorgaben der VO 714/2009 vorausgesetzter) struktureller Engpass vor, noch werde sie dadurch gerechtfertigt, dass ACER in ihrer Entscheidung die ÜNB zur Einführung des Kapazitätsmanagements aufgefordert habe. Die Anwendung des Kartellrechts werde durch die ACER-Entscheidung nicht berührt; auch ACER unterliege der Verpflichtung, bei ihren Entscheidungen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des AEUV einzuhalten. Die ACER-Entscheidung verstoße gegen EU-Kartellrecht, ihre Umsetzung führe zwangsläufig zu einem Verstoß der betroffenen ÜNB gegen Art 102 AEUV. Folglich sei die ACER-Entscheidung von den nationalen Wettbewerbsbehörden nicht anzuwenden. Nach der EuGH-Rechtsprechung dürften nämlich nationale Wettbewerbsbehörden Rechtsvorschriften, die gegen Unionskartellrecht verstoßen, nicht anwenden. Wegen des grundlegenden Vorrangs von EU-Primärrecht müsse dies auch in Bezug auf Entscheidungen einer EU-Agentur (wie ACER) gelten, die ebenfalls dem Primat des Unionskartellrechts unterliege. Darüber hinaus enthalte die ACER-Entscheidung – wie erwähnt – einen Wirksamkeitsvorbehalt bzw eine auflösende Bedingung in Abhängigkeit von den Ergebnissen des Bidding Zone Review. ACER habe keine Kompetenz zur Anordnung einer Engpassbewirtschaftung an der Grenze gehabt.

Die Einigung der E-Control mit der Bundesnetzagentur vom Mai 2017 sei bloß eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, die mit den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sei. Diese Regu­lierungsbehörden hätten keine Kompetenz zur Einführung einer Engpassbewirt­schaftung, zumal das hiefür einzuhaltende Prozedere in der VO 714/2009 und der CACM-VO geregelt sei.

Somit habe die Antragsgegnerin ohne Vorliegen einer zwingenden behördlichen Anordnung (und somit aus eigener unternehmerischer Entscheidung) die Engpassbewirtschaftung eingeführt. Die Maßnahme sei objektiv nicht gerechtfertigt und nicht verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung als Übertragungsnetzbetreiber; ihr Verhalten führe zu einer unsachlichen Diskriminierung österreichischer Marktteilnehmer. Die Diskriminierung liege darin, dass die Antragsgegnerin Anfragen deutscher Kunden für Stromlieferungen aus Deutschland systematisch günstiger behandle als gleichgelagerte Anfragen österreichischer Kunden. Die deutschen Anfragen würden nämlich selbst dann ohne jede Einschränkung erfüllt, wenn innerhalb des von der Antragsgegnerin betriebenen Übertragungsnetzes keine hinreichenden Kapazitäten vorhanden seien. Die Antragsgegnerin greife dann nötigenfalls auf Maßnahmen wie „Redispatch“ zurück. Bei vermeintlichen Unterkapazitäten an der Grenze würde der Auftrag hingegen aufgrund der Engpassbewirtschaftung ganz oder teilweise nicht erfüllt. Österreichischen Stromkunden und Lieferanten werde demnach der Vorteil eines größeren Wirtschaftsraumes verweigert.

Diese systematische Ungleichbehandlung bringe es mit sich, dass die Einführung der Engpassbewirtschaftung an der Grenze regulierungsrechtlich unzulässig sei. Sowohl die Stromhandels-VO 714/2009 als auch die ab 1.1.2010 geltende Elektrizitätsbinnenmarkt-VO 2019/943 würden es den ÜNB verbieten, die Verbindungskapazitäten an der Grenze zu beschränken, um einen Engpass in ihrer eigenen Gebotszone zu beheben oder um Stromflüsse zu bewältigen, die aufgrund von Transaktionen innerhalb der Gebotszone entstanden seien. Die Antragsgegnerin dürfte eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze nach Österreich nur dann einführen, wenn dort auch nach Behebung der innerdeutschen Engpässe ein struktureller Engpass bestünde. Dass dem so sei, behaupte die Antragsgegnerin nicht.

Alle Antragstellerinnen hätten iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG ein rechtliches und/oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung. Die Erstantragstellerin sei eine Unternehmervereinigung im Sinne dieser Bestimmung. Die von ihr vertretene Zellstoff- und Papierwirtschaft zähle zu den energieintensivsten Industriebranchen; die durch die Zonentrennung bewirkte Preiserhöhung führe zu jährlichen Mehrkosten der österreichischen Papierindustrie. Auch die Zweitantragstellerin sei als industrielle Nachfragerin stark von der Trennung der Gebotszone und dem erheblichen Strompreisanstieg betroffen. Die langfristigen Lieferverträge mit ihren Stromversorgern müssten den geänderten Marktverhältnissen angepasst werden. Die in der Stromerzeugung und dem -handel (in der bisher gemeinsamen deutsch-österreichischen Zone) tätigen Dritt- und Viertantragstellerinnen seien von den geänderten Verhältnissen auf dem Stromhandelsmarkt betroffen. Die Trennung führe zu einer Beschränkung der Wachstumschancen im Segment Flexibilität. Die Konditionen ihrer Stromliefer- und Handelsverträge mit Geschäftskunden beruhten auf der Annahme einer gemeinsamen deutsch-österreichischen Stromhandelszone. Das EuG habe die Drittantragstellerin als Streithelferin in den Verfahren betreffend die ACER-Entscheidung zugelassen und das Interesse der Verbund-Gruppe am Verfahrensgegenstand anerkannt. Für die Viertantragstellerin bestehe, da sich der Spread reduziert habe, ein Rückgang der Flexibilitätserlöse bei der Vermarktung. Die Fünftantragstellerin sei gezwungen, ihr Leistungsangebot massiv einzuschränken. Da sie nur noch innerdeutsche und innerösterreichische Auktionen anbieten könne, werde die Attraktivität ihrer Dienstleistungen für die Marktteilnehmer enorm herabgesetzt.

Die Antragsgegnerin bestritt das Antragsvorbringen und begehrt die Zurück-, in eventu die Abweisung des Antrags.

Sie wandte – soweit in diesem Verfahrensstadium wesentlich - ein, dass die Einführung der Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze sowohl durch ACER als auch durch die nationalen Regulierungsbehörden in deren hoheitlichem Wirkungsbereich verbindlich vorgegeben worden sei. Die Antragsgegnerin sei im Hinblick auf den von den zuständigen Behörden festgestellten strukturellen Engpass an der deutsch-österreichischen Grenze (und nicht wegen innerdeutscher Engpässe) verpflichtet gewesen, gemeinsam mit den anderen ÜNB eine Engpassbewirtschaftung in Form einer koordinierten Kapazitätsvergabe einzuführen. Der Antrag ziele in Wahrheit auf eine Beseitigung der Folgen und auf Rückgängigmachung von hoheitlichen Vorgaben ab. Darin liege eine Unzulässigkeit des Rechtswegs, weswegen der Antrag zurückzuweisen sei.

Überdies fehle den Antragstellerinnen das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse für eine Antragsberechtigung iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG. Ein solche liege nur dann vor, wenn das dem Antrag zugrunde liegende Verhalten eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Antragstellers besitze oder unmittelbar geeignet sei, seine wirtschaftliche Verhältnisse zu beeinflussen. Selbst wenn die von den Antragstellerinnen behaupteten Auswirkungen bestehen würden, wären diese als „Reflexwirkungen“ indirekte wirtschaftliche Folgen der Einführung der Engpassbewirtschaftung, welche keine Antragslegitimation zu begründen vermögen.

Die Antragsgegnerin habe die gegenständliche Engpassbewirtschaftung nicht alleine umgesetzt. Der strukturelle Engpass werde vielmehr gemeinschaftlich von den deutschen ÜNB Amprion, Transnet sowie der Antragsgegnerin einerseits und dem österreichischen ÜNB APG andererseits bewirtschaftet; die Notwendigkeit der Zusammenarbeit sei technisch bedingt, seien doch die Verbindungsleitungen an der Grenze verschiedenen ÜNB zuzuordnen und wäre andernfalls die Kapazitätsvergabe technisch wirkungslos und könnte die negativen Auswirkungen des strukturellen Engpasses an der Grenze nicht beseitigen. Der Antrag ziele somit auf die Erteilung von Aufträgen ab, deren Umsetzung im Rahmen der Kapazitätsberechnungsregion CWE (Central Western Europe) und der dort geltenden lastflussbasierten Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin alleine gar nicht möglich sei. Auch für die begehrte Rücknahme der Engpassbewirtschaftung sei eine umfassende Willensbildung in der CWE-Region und eine koordinierte Vorgehensweise Voraussetzung; eine einseitige Abstellung sei nicht möglich. Nach Maßgabe der – auch im kartellgerichtlichen Außerstreitverfahren anwendbaren – Regelungen und der OGH-Rechtsprechung müsse die Leistungserbringung allerdings von allen gemeinsam verlangt werden, wenn die geschuldete Leistung ohne Zusammenwirken aller Beteiligten nicht erbracht werden könne. Demnach liege eine notwendige Streitgenossenschaft zwischen der Antragsgegnerin und sämtlichen ÜNB der CWE-Region vor. Der Antragsgegnerin mangle es somit an der Passivlegitimation.

Es werde auch nicht nachvollziehbar dargelegt, worin konkret das missbräuchliche Verhalten der Antragsgegnerin liegen solle. Der pauschale Hinweis auf die ins Treffen geführten Entscheidungen der Europäischen Kommission und die Unterstellung, in derem Licht sei der Tatbestand der Diskriminierung erfüllt, könne konkretes Vorbringen zum Missbrauchsvorwurf der Antragstellerinnen nicht ersetzen. Außerdem lasse sich der gegenständliche Sachverhalt schon im Ansatz nicht mit jenen Sachlagen vergleichen, die den herangezogenen Fällen zugrunde lägen. Die Engpassbewirtschaftung führe insgesamt zu einem diskriminierungsfreien, transparenten und nach allgemein geltenden objektiven Kriterien durchgeführten Stromhandel an den maßgeblichen Strombörsen, ohne dass dadurch Stromkunden aus einer unterschiedlichen Behandlung heraus irgendwelche wirtschaftlichen Nachteile entstünden. Der Antrag sei daher als unschlüssig abzuweisen.

Die Antragsgegnerin verfüge auf dem relevanten Markt über keine marktbeherrschende Stellung. Die unter Verweis auf die europäische Rechtsprechung vorgenommene Marktabgrenzung widerspreche den tatsächlichen Marktbedingungen.

Schließlich stelle der Verhalten der Antragsgegnerin keinen Missbrauch dar: Es sei keine einseitige Maßnahme, sondern eine gemeinschaftliche Maßnahme der betroffenen ÜNB. Die Antragsgegnerin setze lediglich verbindliche regulatorische Vorgaben um, ohne dass für sie ein Ermessensspielraum verbleibe. Ihrem Verhalten sei keine Diskriminierung zu entnehmen, vielmehr werde der freie Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt erst gefördert. Das Verhalten sei sachlich gerechtfertigt, zumal die europäischen und nationalen Regulierungsbehörden eindeutig festgestellt hätten, dass die deutsch-österreichische Grenze strukturell engpassbehaftet sei; aufgrunddessen seien die ÜNB im Interesse der Netzsicherheit regulatorisch verpflichtet, eine Engpassbewirtschaftung durchzuführen. Die Anordnung von (diskriminierungsfreien) Engpassbewirtschaftungsmaßnahmen sei zur Vermeidung von dauerhaftem volkswirtschaftlichen Schaden dringend geboten gewesen und die logische Konsequenz des festgestellten strukturellen Engpasses sowohl durch ACER als auch durch die Bundesnetzagentur.

Die Bundesnetzagentur und die E-Control hätten verbindlich festgelegt, dass die tägliche Kapazitätsbewirtschaftung in Form der impliziten Marktkoppelung mit lastflussbasierter Kapazitätsberechnung in der CWE-Region zu erfolgen habe. Damit sei jener Mechanismus eingeführt worden, der innerhalb der CWE-Region bereits unterschiedslos an den Grenzen zwischen Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland gegolten habe. Seit dem 1.10.2018 würde demnach die verfügbare Kapazität des Stromnetzes im Rahmen der Kapazitätsberechnungsregion CWE diskriminierungsfrei, transparent und nach allgemein geltenden, objektiven Kriterien für jene Handelsaktivitäten eingesetzt, die die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt im europäischen Markt maximieren würden. Die an diesem System teilnehmende Antragsgegnerin sei nicht in der Lage, zwischen einzelnen Marktteilnehmern zu differenzieren oder diese zu diskriminieren.

Den Antragstellerinnen gelinge es insofern nicht, eine schlüssige Schadenstheorie zu formulieren, auf die sich die Missbrauchsvorwürfe stützen lassen könnten. Zwischen dem Marktverhalten der Antragsgegnerin und den Vorwürfen der Antragstellerinnen lasse sich kein schlüssiger Zusammenhang herstellen. Für die Antragsgegnerin bestehe weder die Möglichkeit für eine einseitige eigene unternehmerische Entscheidung noch ein Anreiz für ein wie immer geartetes missbräuchliches Verhalten.

Jedenfalls wäre die Gebotszonentrennung und die Einführung der koordinierten Kapazitätsvergabe (iSd Z 1.4 des Anhangs I der VO 714/2009) sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin habe das gelindeste Mittel gewählt.

Die Entscheidungen des EuG betreffend die Aufhebung der Beschlüsse des ACER-BoA habe keine Auswirkungen auf die ACER-Entscheidung selbst und ändere nichts daran, dass damit die Gebotszonentrennung und die Einführung der koordinierten Kapazitätsvergabe an der Grenze verbindlich angeordnet worden seien. Die Aufhebung der Entscheidung des BoA sei lediglich aus formal-verfahrensrechtlichen Gründen erfolgt. Das EuG spreche keineswegs ACER generell die Entscheidungskompetenz zur Gebotszonentrennung ab, es habe nur die Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungskompetenz im Anlassfall für nicht gegeben erachtet. Eine inhaltliche Prüfung, ob die Entscheidung im Hinblick auf die Gebotszonentrennung zutreffend gewesen sei, habe das EuG nicht vorgenommen. Die materiellen Feststellungen der ACER-Entscheidung hätten weiterhin Bestand, die Antragsgegnerin sei weiterhin daran – wie auch an die Vorgaben der Bundesnetzagentur - gebunden.

Den prozessualen Einwendungen der Antragsgegnerin hielten die Antragstellerinnen entgegen, dass es keine zwingende Anordnung einer Behörde zur Einführung der Engpassbewirtschaftung gegeben habe. Nationale Regulierungsbehörden hätten – wie die E-Control bestätigt habe - für eine solche Anordnung keine Zuständigkeit. Die vorrangigen Normen der VO 714/2009 und der auf ihrer Basis erlassenen CACM-VO würden ein koordiniertes Vorgehen der betroffenen nationalen Regulierungsbehörden und letztlich der Mitgliedstaaten erfordern; dh die deutsche Bundesnetzagentur allein könne den ÜNB die Einführung einer grenzüberschreitenden Engpassbewirtschaftung nicht zwingend vorschreiben. Die E-Control habe eine derartige Anordnung nie erteilt. Eine (behauptetermaßen erteilte) Anordnung der Bundesnetzagentur wäre rechtswidrig und folglich für die Antragsgegnerin nicht verbindlich. Abgesehen davon seien solche „Vorgaben“ der nationalen Regulierungsbehörden schon ihrer Natur nach keine zwingenden Anordnungen iSd „state compulsion defence“. Die Bundesnetzagentur habe lediglich die von Seiten der ÜNB selbst beantragten Modalitäten der Engpassbewirtschaftung genehmigt. Eine bloße behördliche Genehmigung eines von einem Unternehmen ohne Zwang gesetzten, selbst initiierten Verhaltens könne einen solchen Einwand staatlichen Handelns nicht begründen.

Auch die ACER-Entscheidung zwinge nicht zur Einführung und Aufrechthaltung der Engpassbewirtschaftung und könne hiefür keine Rechtfertigung sein. Sie sei – aufgrund des Vorbehalts (iSe auflösenden Bedingung) einer Nachprüfung im Rahmen des Bidding Zone Review – nicht mehr anzuwenden. Mit Vorlage des BZR-Abschlussberichts sei die Entscheidung obsolet. ACER habe – wie nun auch das EuG ausgesprochen habe - keine Zuständigkeit für die Einführung einer neuen Gebotszonengrenze gehabt. Das Kartellgericht sei berechtigt und verpflichtet, Entscheidungen der ACER und der nationalen Regulierungsbehörden auf ihre Vereinbarkeit mit Art 102 AEUV zu überprüfen, und könne – bei gegebener EU-Rechtswidrigkeit - neben Abstellungsaufträgen sogar Geldbußen verhängen.

ACER habe den ÜNB keine Vorschriften gemacht, wie die Engpassbewirtschaftung im einzelnen auszugestalten sei und demnach die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen lassen; ACER habe nur das „Ob“, nicht das „Wie“ erörtert. Welche Kapazitäten an den deutsch-österreichischen Interkonnektoren zur Verfügung gestellt werden müssten, welches Verfahren zur Kapazitätsallokation angewendet werden solle und mit welchen Börsen die ÜNB zusammen arbeiten sollen, bleibe offen. Die Antragsgegnerin sei in der Ausgestaltung der Engpassbewirtschaftung frei und verpflichtet, diesen Freiraum unter möglichster Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auszunützen. Sie habe allerdings eine Methode gewählt, die in mehrfacher Hinsicht mit den angestrebten Zielen und den kartellrechtlichen Schranken unvereinbar sei: sie diskriminiere österreichische Marktteilnehmer (wegen Preisdifferenzen bzw wegen unterschiedlicher Bedingungen für den Netzzugang) und sie habe die Fünftantragstellerin vom grenzüberschreitenden Markt der Strombörsen ausgeschlossen. Demnach bestehe eine vergleichbare Konstellation wie in der Entscheidung 16 Ok 1/18k - Flugticketbuchungsgebühr.

Die Antragsgegnerin rede die Bedeutung der EuG-Urteile zur Entscheidung des ACER-BoA zu Unrecht klein. Art 266 AEUV verpflichte alle Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last falle, dazu, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Die Beseitigungspflicht betreffe nicht nur den vom Nichtigkeitsurteil unmittelbar betroffenen Akt, sondern zudem alle auf ihn beruhenden Rechtshandlungen, Durchführungsvorschriften und sonstigen Maßnahmen. Die Beseitigungspflicht treffe über das unmittelbar betroffene Unionsorgan hinaus auch alle anderen Einrichtungen der Union. Dementsprechend bleibe ACER gar keine andere Wahl, als ihre damalige Entscheidung aus den vom EuG angeführten Gründen aufzuheben. Das nach Aufhebung der ACER-Entscheidung nun einschlägige Verfahren nach Art 9 Abs 4 CACM-VO sehe keine Zuständigkeit der ACER für Fragen der hier gegenständlichen Art mehr vor, sodass ACER auch keine neue Entscheidung erlassen dürfe. Selbst wenn die Zuständigkeit der ACER bestünde, würde dies unter anderem voraussetzen, dass zuvor der aktuelle Stand der vorhandenen Kapazitäten an der deutsch-österreichischen Grenze erhoben werde. Die für die ursprüngliche Entscheidung verwendeten Daten aus 2016 seien mittlerweile veraltet. Bis zum Vorliegen der neuen Tatsachen­erhebungen sei jedenfalls davon auszugehen, dass es keine behördliche Anordnung einer Gebotszonentrennung zwischen Österreich und Deutschland gebe. Österreich sei – ebenso wie Luxemburg – regulatorisch als Teil einer gemeinsamen Gebotszone mit Deutschland zu behandeln. Auch die EU-Mitgliedsstaaten seien gemäß Art 4 Abs 3 iVm 19 EUV zur Beachtung der EuG-Urteile verpflichtet. Dies gelte insbesondere dann, wenn sie aufgrund der für nichtig erklärten ACER-Entscheidung innerstaatliche Vorschriften erlassen hätten, deren Rechtsgrundlage mit den EuG-Urteilen weggefallen sei. Unter den gegebenen Umständen könne sich die Antragsgegnerin nicht länger auf ACER oder auf die Schreiben der Bundesnetzagentur „ausreden“, um ihr eigenes missbräuchliches Verhalten zu rechtfertigen.

Betreffend die Aktivlegitimation (rechtliches und wirtschaftliches Interesse) beriefen sich die Antragstellerinnen – neben den massiven Änderungen der kommerziellen Bedingungen im Stromhandel (Preisanstieg) - erneut auf die Entscheidung 16 Ok 1/18k, wo die bloß mittelbare Betroffenheit von einem missbräuchlichen Verhalten als ausreichend erachtet worden sei. Eine direkte Geschäftsbeziehung zum marktbeherrschenden Unternehmen sei nicht erforderlich. Da Engpassbewirtschaftung letztlich nichts anderes sei als eine systematische Verweigerung des Netzzugangs, die Erst- bis Viertantragstellerinnen also bei expliziten Auktionen kontingentierte Übertragungsrechte erwerben müssten, seien die Antragstellerinnen unmittelbar rechtlich betroffen; sie würden Opfer einer Leistungsverweigerung.

Der Bestreitung der Passivlegitimation wurde entgegengehalten, dass die analoge Anwendung des § 14 ZPO im Außerstreitverfahren umstritten sei. Es liege aber ohnehin keine notwendige Streitgenossenschaft vor. § 14 ZPO enthalte keine prozessrechtliche Pflicht zu einer Gemeinschaftsklage. Eine – nach strengem Maßstab zu prüfende – notwendige Streitgenossenschaft liege im Einzelfall nur dann vor, wenn es das materielle Recht gebiete, die Klage/den Antrag für oder gegen alle in Frage kommenden Personen zu erheben; wenn sich die Wirkungen der zu fällenden Entscheidung kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstrecken würden. Hier lägen keinerlei materiell-rechtlichen Gründe dafür vor, dass der Abstellungsantrag notwendigerweise gegen alle ÜNB geltend gemacht werden müsse. Es sei unrichtig, dass der Antragsgegnerin die Umsetzung des Abstellungsauftrags gar nicht möglich sei. Zum einen sei ein zwingendes Zusammenwirken aus materiell-rechtlichen Gründen nicht geboten. Die in Rede stehende Engpassbewirtschaftung komme dadurch zustande, dass die Kapazität an den grenzüberschreitenden Übertragungsleitungen beschränkt werde und Übertragungsrechte für Stromflüsse kommerziell vergeben würden. Die Antragsgegnerin leiste einen aktiven Beitrag zur Engpassbewirtschaftung, indem sie diese Maßnahmen in ihrem Netz umgesetzt habe. Im übrigen hätten die Antragstellerinnen keinen Zweifel daran, dass es problemlos möglich sein werde, auch andere ÜNB zu einer entsprechenden Beendigung zu bewegen, wenn einmal die Rechtswidrigkeit des antragsgegnerischen Verhaltens festgestellt sei.

Es bestehe eine Reihe von Möglichkeiten für die Antragsgegnerin, das missbräuchliche Verhalten abzustellen, also die Umsetzung der Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze zu beeinflussen und die Engpassbewirtschaftung dadurch obsolet werden zu lassen. Dazu zähle der Einsatz von Phasenschiebern an kritischen Netzelementen im Netz der Antragsgegnerin, wodurch selbst die sporadisch noch bestehenden Überlastungen an der Grenze weiter minimiert würden und eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze jedenfalls nicht mehr erforderlich machten. Weiters stehe die Möglichkeit eines rascheren Netzausbaus sowie eine Erhöhung der an der Grenze verfügbaren Mindestkapazität zur Verfügung. Insbesondere bestehe für die Antragsgegnerin aber auch die Möglichkeit, die im eigenen Netz bestehenden Engpässe zu bewirtschaften. Diese seien der eigentliche Grund für die behaupteten Überlastungsprobleme wie zB Loop Flows (Ringflüsse). Würden diese Engpässe bewirtschaftet, würde es jedenfalls zu einer geringeren Netzbelastung in Richtung Süden kommen (weil dann weniger Strom von Norden nach Süden fließe) und somit auch an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland. Dann wäre eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze jedenfalls nicht mehr notwendig.

Für die Umsetzung der lastflussbasierten Kapazitätsberechnung und Marktkoppelung in der CWE-Region sei eine Engpassbewirtschaftung nicht notwendig. Die lastflussbasierte Kapazitätsberechnungsmethode diene der Berechnung von Übertragungskapazitäten an den Grenzkuppelstellen an Gebotszonengrenzen, wobei das gesamte gekoppelte Übertragungsnetz und nicht nur die jeweiligen grenzüberschreitenden Leitungen in die Berechnung einbezogen würden. Dieses System hätte in der CWE-Region auch ohne die künstliche Einführung einer Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze umgesetzt werden können. Diesfalls würden die Grenzkuppelstellen zwischen Deutschland und Österreich – wie dies bis Oktober 2018 der Fall gewesen sei – nicht berücksichtigt.

Unrichtig sei, dass die Antragsgegnerin gar keine Möglichkeit gehabt hätte, bei der laufenden und tatsächlichen Kapazitätsberechnung ein diskriminierendes Verhalten zu setzen. Die fragliche Engpassbewirtschaftung beruhe auf Daten, die jede der betroffenen ÜNB für das von ihm bewirtschaftete Netz zur Verfügung stelle, indem bestimmte Netzwerkkomponenten in das System („Capacity Calculation Coordinator“) als kritisch eingemeldet würden. Ein wesentliches Element dieser Datenlieferung sei also die Identifikation der sogenannten „Critical Network Elements“, also jener Netzkomponenten, deren Ausfall ein Überlastungsproblem nach sich ziehen könnte. Die Engpassbewirtschaftung resultiere daraus, dass ein ÜNB bestimmte Netzkomponenten als kritisch identifiziere und einer bestimmten Grenze zuordne. Die Antragsgegnerin könnte das missbräuchliche Verhalten abstellen, indem sie die einzumeldenden Inputdaten anpasse, konkret entweder die Übertragungsleitungen nach Österreich nicht mehr als Critical Network Elements identifiziere oder nicht mehr der Grenze zuordne. Das entspreche dem Zustand vor 1.10.2018. Der Abstellungsantrag sei auf die Wiederherstellung dieses Zustandes gerichtet. Da 80-90% der innerdeutschen Engpässe im Netz der Antragsgegnerin liegen würden, würde die Engpassbewirtschaftung de facto zu einem wesentlichen Teil wirkungslos, wenn die Antragsgegnerin aufhöre, kritische Mengen in das System einzumelden. Deren Verhalten sei additiv und nicht komplementär zu den Verhaltensweisen der anderen ÜNB. Die Antragsgegnerin müsste nunmehr die Genehmigung einholen, um die von den Regulierungsbehörden bewilligte Engpassbewirtschaftung rückgängig zu machen.

Die Netzsicherheit wäre durch die Beendigung der Engpassbewirtschaftung nicht gefährdet, zumal auch die bis 1.10.2018 bestehende gemeinsame Zone zu keiner Gefährdung geführt habe, auch ein mehrjähriger Umsetzungsprozess – ohne Gefahr in Verzug – möglich gewesen sei und überdies der durch die Engpassbewirtschaftung beschränkte Handel nichts mit der Physik (den physikalischen Kapazitäten) zu tun habe.

Der Bundeskartellanwalt verwies in seinen Stellungnahmen (ON 21 und ON 42) darauf, dass Österreich traditionell ein Stromimporteur mit hohen Kapazitäten im Spitzenstrom und Deutschland ein Stromexporteur mit relativ hoher Grundlast sei. Folgedessen sei die Errichtung eines deutsch-österreichisch-luxemburgischen Marktes im Jahr 2004 eine Win-Win-Situation für alle gewesen. In Umsetzung der in Deutschland beschlossenen „Energiewende“ (insbesondere dem 2011 beschlossenen Totalausstieg aus Atomkraft bis 2022) würden deutsche Atom- und kalorische Kraftwerke durch Windkraftwerke im Norden (und Osten) ersetzt, woraus sich enorme innerdeutsche Netzbelastungen ergäben, zumal sich die größten Stromverbraucher (die großen Industriebetriebe) im Süden und Westen Deutschlands befänden. Der Netzentwicklungsplan habe bereits 2012 den Ausbau leistungsfähiger Nord-Süd-Verbindungen mit Inbetriebnahme 2017 bis 2020 vorgesehen, jedoch sei keines der Projekte realisiert worden. Infolge des schleppenden Ausbaus der Netzkapazität in Deutschland sei das Übertragungsnetz dem Transportbedarf für Strom kaum noch gewachsen. Da das deutsche Netz die entsprechende Übertragungskapazität selbst nicht habe aufbringen können, sei es zu „Loop Flows“ (Ringflüssen) über Polen und die Tschechische Republik gekommen, die Grund für das Engpassmanagement an der Grenze zu Polen geworden seien. Die unerwünschten Flüsse würden durch innerdeutsche Netzüberlastungen und nicht infolge Überlastungen an der deutsch-österreichischen Grenze entstehen.

Verwiesen wurde auf die Eigentümerinteressen der Antragsgegnerin. Die TenneT Holding B.V. sei ein niederländischer Stromnetzbetreiber im Besitz des niederländischen Finanzministeriums, sie habe 2009 die im Zuge der Entflechtung aus der E.ON abzuspaltende Antragsgegnerin gekauft. Laut einem Medienbericht sei das Interesse des niederländischen Finanzministers, die Mittel für die deutsche Energiewende aufzubringen, sehr begrenzt. Dieser sehe sich als Akteur auf einem „nordwesteuropäischen Strommarkt“. Das von der Bundesnetzagentur betriebene und favorisierte Modell der zentralwesteuropäischen Kapazitätsberechnungsregion (CWE) müsse als das betriebswirtschaftliche Ziel der Antragsgegnerin (mit Fokussierung auf ihr Stammsitzland) gesehen werden. Viele (Ausbau-) Projekte für einen „nordwestlichen Strommarkt“ seien dementsprechend bereits realisiert worden. Die Eigentümervertreter der Antragsgegnerin sähen in jener einen wesentlichen strategischen Player, weshalb sie zwar für eine Verschmelzung der Antragsgegnerin mit TenneT Niederlande, aber gegen eine Aufgabe der Kontrolle über die Antragsgegnerin seien. Das Augenmerk der Eigentümer sei auf Erhaltung der Beschäftigung in den Niederlanden und auf die Zuverlässigkeit, Erschwinglichkeit und Versorgungssicherheit der Energieversorgung (in den Niederlanden) gerichtet. Die Antragsgegnerin sei ein Unternehmen, das der Wahrung der Interessen des niederländischen Staates diene. Von einer „neutralen Position“ der Antragsgegnerin könne daher keine Rede sein.

Die Engpassbewirtschaftung habe zur Trennung des österreichischen vom deutschen Markt geführt. Die Liquidität der Stromgroßhandelsmärkte sei aufgrund des in Rede stehenden Engpassmanagements deutlich zurückgegangen. Die Sichtweise, durch die Einführung der Engpassregulierung wäre eine ungerechtfertigte Privilegierung Österreichs aufgehoben worden, sei verkürzt. Auf Grundlage der einheitlichen Preiszone seien nämlich auch verschiedene Investitionsentscheidungen (ua der Bau zweier Speicherkraftwerke) getroffen worden. Durch Zerschlagung eines Teils der einheitlichen Preiszone sei folgedessen auch eine komplementäre Wirtschaftszone zerschlagen worden.

Insgesamt sei versucht worden, mit der Einführung der Engpassbewirtschaftung und der Trennung der Märkte ein Symptom zu beheben, das seine Ursachen auf einer völlig anderen Ebene, nämlich der Energiewende in der Stromerzeugung ohne deren Begleitung mit innerdeutschem Netzausbau habe. Ein Marktmissbrauch durch „Reduktion der Übertragungskapazitäten“ sei kartellrechtlich relevant. Auch eine strategische Nichtinvestition sei von der Europäischen Kommission bereits thematisiert worden.

Die gemeinsamen Anträge der Antragsgegnerin sowie der drei anderen deutschen ÜNB zur Einführung einer Engpassbewirtschaftung vom 1.4.2014 sowie die Abänderungsanträge seien nichts anderes als Kartellabsprachen zur Aufteilung von Märkten (wobei eine entsprechende Antragstellung den Antragstellerinnen vorbehalten bleibe).

Soweit die Bundesnetzagentur Anträge der Antragsgegnerin genehmigt habe, hätte jene (sowie die anderen ÜNB) die Ausgestaltung der Engpassbewirtschaftung im Detail gestalten können. Ein anders begründeter Antrag hätte wohl auch den Inhalt des Beschlusses der Bundesnetzagentur verändert. Die Antragsgegnerin habe daher – iSd EuGH-Entscheidung C-280/08 - über einen Handlungsspielraum verfügt. Der Antrag sei daher begründet.

Die Bundeswettbewerbsbehörde verwies in ihrer Stellungnahme (ON 22) auf die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission in den Rechtssachen Swedish Interconnectors sowie DE/DK Interconnectors. Dargestellt sei in der letztgenannten Entscheidung insbesondere, dass jeder der vier deutschen ÜNB ein Übertragungsnetz, abgetrennt von den anderen und nicht substituierbar mit den anderen Übertragungsnetzen, kontrol­liere. Das Übertragungsnetz der (hier wie dort in Anspruch genommenen) Antragsgegnerin umfasse die Region von der Grenze zu Dänemark bis zu den Alpen und decke 40% der Fläche Deutschlands ab. Das deutsche Übertragungsnetz sei geprägt von hohem Stromfluss von Norden nach Süden, was an bestimmten Stellen während Zeiten hoher Windkraftproduktion im Norden zu Engpässen führe. Im Einklang mit ihrer früheren Entscheidungspraxis habe die Kommission eine Abgrenzung der relevanten Märkte vorgenommen; sie sei vom Bestehen eines natürlichen Monopols der Antragsgegnerin auf dem Markt für die Übertragung von Elektrizität über ihr Übertragungsnetz ausgegangen. Die Kommission sei in ihrer vorläufigen Beurteilung zum Schluss gekommen, dass das Verhalten der Antragsgegnerin (indem sie va in Zeiten hoher Stromproduktion durch Windkraft in Deutschland vorrangig den Produzenten in Deutschland Zugang zu dem von ihr bewirtschafteten Netz ermöglichte und den Zugang für Strom aus West-Dänemark beschränkte) zu einer Trennung des Binnenmarktes und Diskriminierung von Netznutzern abhängig von ihrem Wohn- bzw Geschäftssitz führe und damit einen Verstoß gegen Art 102 AEUV darstellen könnte. Die regulativen Vorgaben für die Berechnung der Verbindungskapazitäten würden die Antragsgegnerin verpflichten, den freien Stromfluss sicherzustellen. Eine objektive Rechtfertigung sei nach Ansicht der Kommission nicht vorgelegen.

Aufgrund der vergleichbaren Sachverhaltselemente dürften diese Wertungen auch hier von Relevanz sein. Ein wesentlicher Unterschied scheine prima facie die vorliegenden Vorgaben der Regulierungsbehörden an die Antragsgegnerin zu sein. Die ACER-Entscheidung halte fest, dass die deutsch-österreichische Grenze als eine Grenze gelten müsse, die gewöhnlich nicht in der Lage sei, alle physikalischen Lastflüsse im Rahmen des von den Marktteilnehmern gewünschten internationalen Handels zu bewältigen, dh als gewöhnlich und strukturell engpassbehaftet iSv Art 2 Abs 2 lit c sowie Anhang I Punkt 1.2 und 1.4 jeweils der VO 714/2009 und Art 2 Abs 19 der CACM-VO. Die Bundesnetzagentur habe die betroffenen deutschen ÜNB mit Schreiben vom 28.10.2016 angewiesen, dass bis spätestens Winter 2018/2019 der Engpass an der deutsch-österreichischen Grenze zu bewirtschaften sei und entsprechende Vorkehrungen zu treffen seien. Die weitergehende Koordinierung der Bundesnetzagentur und der E-Control hätten sodann in einem „Einigungsrahmen“ gemündet, in dem Grundzüge der technischen Umsetzung und insbesondere die Mindestkapazität von 4.900 MW festgehalten worden sei.

Die Bundeswettbewerbsbehörde verwies weiters auf die von der Bundesnetzagentur erteilten Informationen. Demnach sei vor der Einführung der Engpassbewirtschaftung eine enge Abstimmung zwischen sämtlichen Marktteilnehmern und den zuständigen Regulierungsbehörden erfolgt. Es sei ein Zusammenwirken sämtlicher betroffener ÜNB auf deutscher und österreichischer Seite erforderlich gewesen, die Antragsgegnerin hätte die Maßnahmen nicht allein umsetzen können. Die Einführung gründe auf dem festgestellten Engpass. Nach Auffassung der Bundesnetzagentur seien die betroffenen deutschen ÜNB zur Einführung einer Engpassbewirtschaftung verpflichtet gewesen, sie hätten bei der Umsetzung aufgrund der regulatorischen Verpflichtungen keinen Ermessensspielraum gehabt. Österreich werde durch das Engpassmanagement – laut Bundesnetzagentur – nicht schlechter gestellt, vielmehr sei eine im Verhältnis zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten durch die gemeinsame allgemeine Gebotszone bestehende Bevorzugung weggefallen. Durch die festgelegte Mindestkapazität von 4.900 MW sei Österreich im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten weiterhin bessergestellt.

Verwiesen wurde auf eine Besprechung mit der Europäischen Kommission und die Möglichkeit der Einholung einer schriftlichen Stellungnahme.

Insgesamt seien aus Sicht der Bundeswettbewerbsbehörde einige (rechtliche) Aspekte des Falles ungeklärt. Dies betreffe insbesondere die Auswirkungen der Entscheidungen des EuG bezüglich die ACER-Entscheidung; die Rechtsnatur der regulatorischen Vorgaben und das Bestehen einer Rechtspflicht oder aber eines Ermessensspielraums für die Antragsgegnerin; die Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahmen bzw das Bestehen alternativer Maßnahmen; das Vorliegen einer diskriminierenden Handlung im Hinblick auf das de facto regelmäßige Überschreiten der festgelegten Mindestkapazität von 4.900 MW sowie die Passivlegitimation der Antragsgegnerin im Hinblick auf das (behauptet) Erfordernis eines Zusammenwirkens sämtlicher betroffener ÜNB. Vor einer abschließenden kartellrechtlichen Beurteilung seien diese Fragen zu klären.

Die E-Control äußerte sich mit ihrer Stellungnahme ON 10 zum Antrag.

Die Bundesnetzagentur legte in der Stellungnahme ON 31 ihre (Rechts-)Auffassung dar.

III. Beweisaufnahme:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden Beilagen ./A bis ./Q und ./1 bis ./37, ./I bis ./IV sowie die Anlagen 1 bis 27 (zu ON 31), weiters in die Stellungnahme der E-Control (ON 10) und der Bundesnetzagentur (ON 31).

IV. Sachverhalt:

ACER-Entscheidung:

Die ACER (Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden) fasste am 17.11.2016 zur Zahl 06/2016 den Beschluss [./1], mit dem

laut Art 1: die Kapazitätsberechungsregionen nach Art 15 der VO 2015/1222 (CACM-VO) gemäß Anhang I des Beschlusses festgelegt wurden;

laut Art 2: die Festlegung von Gebotszonengrenzen in Anhang I des Beschlusses erfolgte, und zwar unbeschadet jeglicher Entscheidung, die im Rahmen des Verfahrens zur Überprüfung der Gebotszonen nach Art 32 bis 34 der CACM-VO getroffen wird. Sollte sich bei einer solchen Entscheidung eine Gebotszonenkonfiguration ergeben, die sich von der, die aus der Festlegung von Gebotszonengrenzen in diesem Beschluss hervorgeht, unterscheidet, so erfolgt eine Überprüfung dieses Beschlusses;

in Art 3 festgehalten wurde, dass sich der Beschluss an zahlreiche Adressaten, darunter die ÜNB 50Hertz, Amprion, APG, Transnet und die Antragsgegnerin, richtet.

In dem in Art 2 genannten Anhang I des Beschlusses ist eine Gebotszonengrenze zwischen Deutschland/Luxemburg und Österreich enthalten [./1 Rz 31 iVm Rz 86 letzter Satz]. Mit dem Beschluss wird somit eine solche Gebotszonengrenze festgelegt, er enthält die Aufforderung, eine Engpassbewirtschaftung an jener Grenze einzuführen [unbestrittenes Antragsvorbringen ON 1 S 10; ON 31 S 13].

Konkret finden sich in der Begründung des Beschlusses insbesondere folgende Ausführungen:

Rz 4: Am 24.8.2015 wurde vom europäischen Verbund der ÜNB (ENTSO-E) und den nach Art 15 Abs 1 der CACM-VO zuständigen ÜNB ein gemeinsamer Vorschlagsentwurf aller ÜNB zur Festlegung von Kapazitätsberechnungsregionen zur Konsultation veröffentlicht. (…)

Rz 5: Im Anschluss an die Konsultation wurde der Vorschlag hinsichtlich folgender Elemente aktualisiert:

a) Aufnahme der Gebotszonengrenzen zwischen (…) Deutschland/Luxemburg und Österreich „im Einklang mit dem Umsetzungskalender, der zwischen den zuständigen Regulierungsbehörden und ÜNB gemäß der Stellungnahme Nr 09/2015 der Agentur vereinbart wird, spätestens aber wenn die lastflussbasierte Kapazitätsberechnung gemäß der CACM-VO in der Kapazitätsberechnungsregion CEE umgesetzt wird“.

Rz 6: Am 13.11.2015 veröffentlichte ENTSO-E „im Namen aller ÜNB“ einen gemeinsamen (…) Vorschlag zur Festlegung von Kapazitätsberechnungsregionen nach Art 15 Abs 1 der CACM-VO („Vorschlag“) und legte ihn zusammen mit einer schriftlichen Erläuterung der Agentur vor.

Rz 9: Mit Schreiben vom 13.5.2016 ersuchte die österreichische E-Control im Alleingang alle europäischen (…) ÜNB, den Vorschlag dahingehend zu ändern, dass die Gebotszonengrenze zwischen Deutschland/Luxemburg und Österreich beseitigt wird und eine Zusammenlegung der Kapazitätsberechungsregion CEE und CWE zu einer gemeinsamen Kapazitätsberechnungsregion CWE-CEE erfolgt.

Nach Darlegung des Verfahrens lautet es betreffend die Zuständigkeit von ACER in Rz 20: Deshalb ging nach den Bestimmungen des Art 9 Abs 11 der CACM-VO die Zuständigkeit für die Beschlussfassung über den Vorschlag zur Festlegung der Kapazitätsberechnungsregionen zum 18.5.2016 auf die Agentur über.

Weiters gelangt ACER im Zuge der Prüfung des Änderungsantrags der E-Control zu folgendem Schluss:

Rz 29: Der Änderungsantrag der E-Control vom 13.5.2016 erfüllt daher (…) nicht die Voraussetzungen für einen gültigen Änderungsantrag nach Art 9 Abs 12 der CACM-VO, der die ÜNB zur Vorlage eines geänderten Vorschlags zur Festlegung der Kapazitätsberechnungsregionen verpflichten würde. Der Antrag kann folglich nicht verhindern, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Vorschlag auf die Agentur übergeht, da die Regulierungsbehörden keine Einigung erzielen können.

In den Rz 46 ff befasst sich ACER mit dem Vorschlag zur Festlegung der Gebotszonengrenzen und den diesbezüglichen Einwendungen der E-Control und der APG wie folgt:

Rz 54: Die Agentur ist der Auffassung (…), dass die Durchführung eines Kapazitätsvergabeverfahrens an der DE-AT-Grenze zur Einhaltung der VO 714/2009 und auch zur Erreichung der in Art 3 der CACM-VO festgelegten Ziele tatsächlich notwendig ist; (…).

Rz 55: (…) Nach Art 16 Abs 1 der VO 714/2009 ist Netzengpässen mit nichtdiskriminierenden marktorientierten Lösungen zu begegnen, (…). Nach Punkt 1.2. und 1.4 des Anhangs I zur VO 714/2009 ist für den Zugang zu einer grenzüberschreitenden Übertragungsleitung kein Kapazitätsvergabeverfahren notwendig, wenn üblicherweise keine Engpässe auftreten; im Fall des Auftretens struktureller Engpässe müssen die ÜNB dagegen unverzüglich geeignete, im Voraus festgelegte und vereinbarte Verfahren und Vereinbarungen für das Engpassmanagement anwenden. In Fällen, in denen der kommerzielle Handel zwischen zwei Ländern (ÜNB) voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die physikalischen Lastflussbedingungen in einem Drittland hat, müssen die beteiligten ÜNB ferner nach Punkt 3.1. des Anhangs I der VO 714/2009 die Kapazitätsvergabe auf einer Verbindungsleitung mit Hilfe gemeinsamer Vergabeverfahren koordinieren und vornehmen. Die nationalen Regulierungsbehörden und die ÜNB gewährleisten, dass es nicht zur einseitigen Anwendung eines Engpassmanagementverfahrens mit erheblichen Auswirkungen auf die physikalischen Stromflüsse in anderen Netzen kommt.

Rz 56: Wie aus den (…) Beweisen sowie aus der Stellungnahme 09/2015 (…) hervorgeht, hat der grenzüberschreitende Handel zwischen Deutschland/Luxemburg und Österreich (…) erhebliche Auswirkungen auf Netzelemente in anderen Teilen der Regionen CWE und CEE, die zweifellos als strukturell engpassbehaftet gelten (…).

(…), dass – angenommen, der gesamte grenzüberschreitende DE-AT-Handel würde tatsächlich physikalisch über die deutsch-österreichische Grenze fließen – das Netz zwischen Deutschland und dem Großteils Österreich während 53% der Zeit physikalisch nicht in der Lage wäre, alle Aufträge für grenzüberschreitenden Handel zwischen Deutschland und Österreich zu bearbeiten.

Rz 57: Folglich muss die deutsch-österreichische Grenze als eine Grenze gelten, die gewöhnlich nicht in der Lage ist, alle physikalischen Lastflüsse im Rahmen des von den Marktteilnehmern gewünschten internationalen Handels zu bewältigen, d.h. als gewöhnlich und strukturell engpassbehaftet gemäß Art 2 Abs 2 Buchstabe c der VO 714/2009 und Anhang I Punkt 1.2 und 1.4 dieser VO sowie Art 2 Abs 19 der CACM-VO. Aufgrund der üblichen und strukturellen Engpässe an der deutsch-österreichischen Grenze ist die Durchführung eines koordinierten Kapazitätsvergabeverfahrens an der deutsch-österreichischen Grenze nach Art 16 Abs 1 der VO 214/2009 und Anhang I Punkt 1.2. und 1.4 und 3.1. dieser VO erforderlich. Nach den Erkenntnissen der Agentur ist die Durchführung einer koordinierten Kapazitätsvergabe an der deutsch-österreichischen Grenze das einzige Mittel, um dem Engpass an dieser Grenze gemäß der VO 714/2009 zu begegnen; die Agentur hat keine alternative Maßnahme gefunden, durch die die Einhaltung der VO 714/2009 ebenfalls gewährleistet werden könnte.

Rz 58: Die Agentur hält es für wichtig klarzustellen, dass der Zweck der Durchführung eines koordinierten Kapazitätsvergabeverfahrens an der deutsch-österreichischen Grenze darin besteht, einen üblichen und strukturellen Engpass auf dieser (engpassbehafteten) Verbindungsleitung gemäß VO 714/2009 zu beseitigen, nicht dazu, einen internen strukturellen Engpass an anderer Stelle im Netz aufzulösen. Nach Auffassung der Agentur ist das Bestehen interner struktureller Engpässe anderswo im Netz – in Österreich, Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat – nicht Gegenstand dieses Beschlusses.

Rz 59: Ein Kapazitätsvergabeverfahren an der deutsch-österreichischen Grenze ist daher nach VO 714/2009 rechtlich vorgeschrieben, um die durch den grenzüberschreitenden Handel zwischen Deutschland und Österreich verursachten Engpassprobleme in marktorientierter Weise zu bewältigen. (…) Die Durchführung eines Kapazitätsvergabeverfahrens an der deutsch-österreichischen Grenze als solches ermöglicht nur den wettbewerblichen Zugang zu Übertragungsleitungen und fördert den nicht-diskriminierenden Stromhandel in den Regionen CWE und CEE. Sie stellt daher keine gegen Art 101 und 102 AEUV verstoßende künstliche Trennung eines integrierten Markts dar und auch kein gegen Art 34 oder 35 AEUV verstoßendes künstliches Handelshemmnis, sondern sie fördert den Wettbewerb und die Marktintegration durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer im europäischen Großhandelsmarkt.

Als Schlussfolgerung wurde schließlich ausgeführt:

Rz 85: Aus all diesen Gründen ist die Agentur der Auffassung, dass der Vorschlag zu den Kapazitätsberechnungsregionen den Anforderungen der CACM-VO und der VO 714/2009 entspricht, vorausgesetzt (…)

Rz 86: Daher genehmigt die Agentur den Vorschlag zu den Kapazitätsberechnungsregionen, sofern (…)

Rz 87: Die Festlegung der Gebotszonengrenzen in diesem Beschluss erfolgt unbeschadet des Verfahrens zur Überprüfung der Gebotszonen nach Art 32 bis 34 der CACM-VO und wird überprüft, wenn sich bei einem solchen Verfahren andere Gebotszonenkonfigurationen ergeben.

Die in dieser ACER-Entscheidung erwähnte Stellungnahme 09/2015 führt wiederholt aus, dass die fragliche grenzüberschreitende Verbindungsleitung nach Ansicht der Agentur üblicherweise und strukturell überlastet sei und es daher notwendig sei, dass an dieser Grenze gemäß Art 2 Abs 2 lit c der VO 714/2009 und den Nr 1.2 und 1.4 der Leitlinien Kapazitätsvergabemethoden angewandt würden. Die Einbeziehung der Grenze DE-AT in ein koordiniertes Kapazitätsvergabeverfahren sei die geeignetste und effizienteste Weg, um in dieser diskriminierenden Situation Abhilfe zu schaffen [./4]. Im Anhang IV „Technisches Begründungsdokument für die Einbeziehung der Grenze zwischen Deutschland/Luxemburg und Österreich bei der Festlegung von Kapazitätsberechnungsregionen“ zur ACER-Entscheidung sind neben einer Definition für „strukturellen Engpass“ weitere technische Ausführungen sowie die Schlussfolgerung enthalten, dass die Verbindungsleitung zwischen Deutschland und Österreich strukturell überlastet sei, weshalb die VO 714/2009 verlange, an der Grenze eine dauerhafte Kapazitätsvergabe durchzuführen [./5].

Rechtsmittelverfahren betreffend ACER-Entscheidung:

Die E-Control, die Drittantragstellerin, APG und die Vorarlberger Übertragungsnetz GmbH erhoben ein Rechtsmittel gegen die ACER-Entscheidung. Der hiefür zuständige ACER-Beschwerdeausschuss (BoA) fasste am 17.3.2017 den Beschluss, mit dem das Rechtsmittel hinsichtlich der Drittantragstellerin als unzulässig erachtet und daher zurückgewiesen wurde; im übrigen wurde es als unbegründet abgewiesen [./D, vgl ./O und ./P je Rz 11].

In der Folge erhoben die E-Control sowie APG und die Vorarlberger Übertragungsnetz GmbH Nichtigkeitsklagen nach Art 263 AEUV an das EuG [./E], wobei die Drittantragstellerin als Streithelferin auftrat und vom EuG mit Beschlüssen vom 27.4.2018 als solche zugelassen wurde [./L und ./M].

Mit den Entscheidungen vom 24.10.2019 zu T-332/17 und T-333/17 hob das EuG den Beschluss des Beschwerdeausschusses (BoA) vom 17.3.2017 über die Verwerfung der Beschwerde gegen die ACER-Entscheidung auf [./O und ./P]. Die wesentliche Begründung des EuG lautet dahin, dass – infolge des Änderungsantrags der E-Control vom 13.5.2016 - ACER nicht dafür zuständig gewesen sei, eine Entscheidung über den Vorschlag vom 13.11.2015 im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art 9 Abs 11 der CACM-VO zu erlassen [./O Rz 50 und ./P Rz 59]. Das Schreiben der E-Control vom 13.5.2016 sei als Änderungsantrag iSd Art 9 Abs 12 der CACM-VO zu verstehen, was ein nach eben diesem Art 9 Abs 12 zu führendes Verfahren auslöse, sodass ACER nicht befugt gewesen sei, ein Verfahren nach Art 9 Abs 11 zu führen [./O Rz 70 und ./P Rz 77].

Das EuG trat damit der von ACER insbesondere in Rz 20 und 29 seiner Entscheidung vertretenen Auffassung entgegen. Eine Befassung mit den materiell-rechtlichen Fragen der ACER-Entscheidung erfolgte durch das EuG nicht.

Weiterer Hergang im Zusammenhang mit der Einführung der Gebotszonengrenze:

Im Rahmen des durchgeführten, in Art 2 der ACER-Entscheidung erwähnten Verfahrens zur Überprüfung der Gebotszonen gemäß Art 32 bis 34 der CACM-VO erging [laut unbestrittenem Antragsvorbringen, ON 1 S 11] am 5.4.2018 (sohin vor Einführung der Engpassbewirtschaftung am 1.10.2018) der Abschlussbericht „Erste Auflage der Gebotszonenprüfung“ bzw „First Edition of the Bidding Zone Review“ [Auszüge in ./C, ./G, ./J]. Ausgeführt wird in diesem Bidding Zone Review: Mit Blick auf die obigen Überlegungen und die Notwendigkeit der Anpassung und Weiterentwicklung der Simulationsumgebung stellt die in dieser ersten Auflage der Gebotszonenprüfung bereitgestellte Bewertung keine ausreichenden Nachweise für eine Änderung oder den Erhalt der aktuellen Gebotszonenkonfiguration dar. Daher empfehlen die teilnehmenden ÜNB, dass aufgrund des Fehlens eindeutiger Nachweise die aktuelle Gebotszonenbegrenzung erhalten bleibt. [./G]

Die Bundesnetzagentur verfasste am 28.10.2016 ein mit „Vorbereitung zur Einführung eines Engpassmanagements nach Österreich“ tituliertes Schreiben an die vier deutschen ÜNB, in dem das vergebliche Bemühen beschrieben wird, mit Vertretern Österreichs und Deutschland eine Lösung für die Engpassbewirtschaftung zu erreichen.

Am 15.5.2017 kam es zwischen der Bundesnetzagentur und der E-Control zu einer Einigung dahin, nach Maßgabe ihrer Zuständigkeiten auf Grundlage des geltenden Rechts und bei Fortsetzung ihrer engen und konstruktiven Zusammenarbeit, insbesondere bei der Gestaltung des gemeinsamen europäischen Marktes und unter Berücksichtigung der Interessen der Nachbarländer, auf folgenden Rahmen hinzuwirken:

- Das Engpassmanagement durch Kapazitätsvergabe an der gemeinsamen Grenze beginnt am 1. Oktober 2018 (…)

- Es werden mindestens 4,9 GW als langfristige Übertragungsrechte (…) vergeben.

- Die Einbettung erfolgt im Rahmen des CWE flow based market coupling. (…)

Die drei deutschen ÜNB Amprion, Transnet und die Antragsgegnerin gaben darauf am 1.12.2017 eine Engpassdeklaration für die Grenze Deutschland–Österreich gemäß § 15 (4) StromNZV (= deutsche Stromnetzzugangsverordnung) ab.

Am 23.2.2018 richteten die drei ÜNB einen gemeinsamen Änderungsantrag zur lastflussbasierten Kapazitätsberechnung in CWE an die Bundesnetzagentur [./13]. Mit Beschluss vom 30.7.2018 genehmigte die Bundesnetzagentur diesen Änderungsantrag zur lastflussbaierten Kapazitätsberechnung in der Region CWE, wobei die Genehmigung mit Wirkung zum 28.9.2018 in Kraft trete, sofern die notwendigen nationalen Genehmigungen der Regulierungsbehörden der CWE Region und Österreichs zu diesem Zeitpunkt erteilt worden seien [./14].

Weiters beantragte die Antragsgegnerin (wie auch die beiden anderen obgenannten ÜNB [./18 und ./19]) am 23.2.2018 die Genehmigung der Änderung zum allgemeinen Modell für die Berechnung der Gesamtübertragungskapazität und der Sicherheitsmarge, welche aufgrund der zum 1.10.2018 geplanten Gebotszonentrennung erforderlich sei [./17]. Die Bundesnetzagentur genehmigte diese beantragten Änderungen mit Beschluss vom 13.7.2018 [./20].

Die E-Control genehmigte – aufgrund des Antrags der APG - mit Bescheid vom 31.8.2018 die angepasste Methoden des lastflussbasierten Modells für die Berechnung der Gesamtübertragungskapazität und der Sicherheitsmargen für das CWE Flow Based Market Coupling [./15]. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass die Aktualisierung zwischen den CWE ÜNB und den Regulierungsbehörden der CWE Region abgestimmt worden sei. Nicht zuletzt sei der Anpassungsbedarf aufgrund der Feststellungen der ACER in ihrer Entscheidung Nr 6/2016 zum Bestehen eines Engpasses zwischen Deutschland und Österreich entstanden. Die vorgesehene Einführung der Engpassbewirtschaftung an der Grenze Deutschland-Österreich mit 1.10.2018 (…) würde die beschriebenen Änderungen der CWE-Genehmigungsdokumente notwendig machen. (…) Die vorgelegten angepassten Methoden würden die unionsrechtlichen und nationalen Vorgaben des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs erfüllen. (…) Die zur Genehmigung eingereichten Dokumente würden auch zur Erfüllung der in Art 1 der VO 714/2009 festgelegten Ziele beitragen. Auf Basis des Ausgeführten seien die vorgelegten angepassten Methoden des lastflussbasierten Modells für die Berechnung der Gesamtübertragungskapazität und der Sicherheitsmargen für das CWE Flow Based Market Coupling zu genehmigen.

Mit Bescheid vom 14.9.2018 genehmigte die E-Control den Antrag der APG auf Genehmigung des Vorschlags für die Vergabe gebotszonenüberschreitender Kapazität und sonstiger Regelungen für die österreichische Gebotszone [./K].

Engpassbewirtschaftung in der CWE-Region:

Deutschland bildet mit Luxemburg eine gemeinsame Gebotszone, dh an der Grenze dieser Länder findet keine Engpassbewirtschaftung statt. Hingegen findet eine Engpassbewirtschaftung (wie sie am 1.10.2018 an der Grenze zu Österreich eingeführt wurde) an der deutschen Grenze zu folgenden weiteren Nachbarstaaten statt: Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz, Dänemark [ON 43 S 20].

Seit Mai 2015 ist an den Gebotszonengrenzen Deutschlands mit anderen europäischen Nachbarn (als Österreich) in der Kapazitätsberechnungsregion CWE eine lastflussbasierte Kapazitätsberechnung mit resultierender Marktkoppelung implementiert. In dieses System ist nunmehr auch Österreich eingebunden [ON 31 S 27]; laut oa Vereinbarung [./II] wird Österreich – unabhängig vom Ergebnis der Kapazitätsberechnung - jedenfalls eine Mindestkapazität von 4,9 GW zur Verfügung gestellt.

Es handelt sich um ein abgestimmtes europäisches Gesamtsystem von Kapazitätsberechnung und Kapazitätsallokation, in dem zahlreiche Akteure beteiligt sind [ON 31 S 36]. Detaillierte Regelungen dazu finden sich in der CACM-VO (insbes Erwägungsgrund 4 ff, Art 2 Z 9, Z 26 ff, Art 7, 8, 14, 20 ff).

Das Grundprinzip der lastflussbasierten Kapazitätsberechnung ist es, bei Kenntnis der Kapazität des Gesamtnetzes und aller potentiellen Handelsgeschäfte die physikalischen Lastflüsse im Netz zu simulieren. Zu diesem Zweck berechnen die ÜNB der Kapazitätsberechnungsregion (hier: CWE) die maximal möglichen Lastflüsse, die sich aus technischer Sicht für jedes Netzelement ergeben. Dabei werden alle Verbindungsleitungen in der CWE-Region (und nicht nur die an der fraglichen Grenze) berücksichtigt [unbestrittenes Antragsgegnervorbringen ON 23 S 14, vgl ON 41 S 12].

Die im Rahmen der koordinierten Kapazitätsvergabe innerhalb der einheitlichen Kapazitätsberechnungsregion CWE stattfindende Kontingentierung bedeutet, dass die Übertragungsrechte auf die Höhe der jeweils verfügbaren (n-1)-sicheren maximalen Übertragungskapazität kontingentiert werden, um einer Überlastung kritischer Netzelemente vorzubeugen. Wer diese Übertragungsrechte in welchem Umfang erhält, wird über Auktionen an den Strombörsen – sohin nicht unmittelbar von den ÜNB – festgelegt. Die Strombörsen (genauer: die „NEMOs“ iSd Art 2 Z 23 der CACM-VO, darunter die Fünftantragstellerin; vgl Art 7 der CACM-VO) allokieren die verfügbaren Kapazitäten an den jeweiligen Bestbieter, wobei ein Algorithmus zum Einsatz kommt, der die verfügbaren Kapazitäten gesamtheitlich betrachtet und die optimalen Preise, Import- und Exportpositionen sowie die damit einhergehenden grenzüberschreitenden Handelsflüsse zwischen den Gebotszonen errechnet. Die Nationalität der Marktteilnehmer spielt bei dieser Allokation keine Rolle [unbestrittenes Antragsgegnervorbringen ON 23 S 43, vgl ON 43 S 13].

Die von den Strombörsen solcherart vermarkteten „verfügbaren Kapazitäten“ ergeben sich daraus, dass die ÜNB – unter anderem die Antragsgegnerin - diese Kapazitäten - also die erwähnte (n-1)-sichere maximale Übertragungskapazität – errechnen und an die Strombörsen (NEMOs) melden [unbestrittenes Antragsgegnervorbringen ON 23 S 14 f]. Die Ermittlung der verfügbaren Kapazität durch das System (dem „Capacity Calculation Coordinator“) erfolgt demnach auf Basis der Einmeldungen kritischer Mengen und Komponenten durch die ÜNB [unbestrittenes Vorbringen ON 43 S 15f].

Die Antragsgegnerin beschreibt das Wesen einer Engpassbewirtschaftung zwischen Gebotszonen auf ihrer Website (https://www.tennet.eu/de/strommarkt/strommarkt-in-deutsch­land/engpassmanagement/marktbasiertes-engpass­mana­gement/) wie folgt:

Die Grenzen zwischen benachbarten Gebotszonen werden im zonalen Marktdesign als (strukturelle) Engpässe bezeichnet. Engpassmanagement i.e.S. meint die Beschränkung des Austauschs elektrischer Energie über die strukturellen Engpässe auf die verfügbare Übertragungskapazität. Da Gebotszonen immer aus einer oder mehreren Regelzonen bestehen, also jede Gebotszonengrenze auch eine Regelzonengrenze ist, lässt sich der Austausch zwischen benachbarten Regelzonen von den Übertragungsnetzbetreibern durch Regelung der Leistungsbilanzen kontrollieren. Die Leistungsbilanzsalden, d.h. Export- oder Importpositionen der Regelzonen, ergeben sich aus grenzüberschreitenden Fahrplänen. Fahrpläne zum Austausch von Energie zwischen Bilanzkreisen unterschiedlicher Gebotszonen erfordern im zonalen Markt ein Übertragungsrecht. Liegt ein solches Übertragungsrecht nicht vor, wird ein grenzüberschreitender Fahrplan zurückgewiesen. Damit können die ÜNB die maximalen Leistungsbilanzsalden über die Vergabe von Übertragungsrechten kontrollieren. Durch Kontingentierung von Übertragungsrechten auf die Höhe der jeweils verfügbaren Übertragungskapazität können die Übertragungsnetzbetreiber eine Überlastung kritischer Netzelemente effektiv vorbeugen. Das marktbasierte Engpassmanagement wird im Folgenden in die Teile Kapazitätsberechnung und Kapazitätsallokation unterteilt.

Kapazitätsberechnung

Zur Kapazitätsberechnung stehen prinzipiell zwei Methoden zur Verfügung. Das NTC-Verfahren und das Flow-Based-Verfahren. (…)

Im Flow-Based-Modell werden die relevanten Netzrestriktionen nicht auf einen Wert je Grenze und Richtung verdichtet, sondern in Form eines vereinfachten Netzmodells dargestellt. Im Zuge der anschließenden Kapazitätsallokation können somit die Wechselwirkungen zwischen mehreren Grenzen (innerhalb desselben Flow-Based-Verfahrens) explizit berücksichtigt werden. Das Flow-Based-Modell kommt daher mit weniger Annahmen aus und ermöglicht eine präzisere Abbildung der Netzrestriktion im Marktmodell. Da die zusätzliche Genauigkeit gegenüber dem NTC-Modell mit einer weniger intuitiven Verständlichkeit einhergeht, wird das Flow-Based-Modell nur in Verbindung mit impliziten Allokationsverfahren, dem sogenannten Market Coupling, eingesetzt (siehe unten).

Kapazitätsallokation

Capacity Allocation erfolgt wiederum nach zwei unterschiedlichen Verfahren, der Expliziten Allokation und der Impliziten Allokation. Beide Verfahren dienen unterschiedlichen Zwecken und haben ihre Berechtigung.

Explizite Allokation (Übertragungsrechte)

Die so genannte Explizite Allokation findet gesondert von Strommarkttransaktionen statt. Hierzu wird die verfügbare Übertragungskapazität in Übertragungsrechten verbrieft. Marktteilnehmer können diese Übertragungsrechte entweder in klassischen Auktionen oder im Falle sehr kurzfristiger (Intraday) Allokationen auch nach dem Windhundverfahren (Frist-Come-First-Served) erstehen. Mittels der Übertragungsrechte können die Marktteilnehmer in ihrer Rolle als Bilanzkreisverantwortliche grenzüberschreitende Fahrpläne anmelden und somit elektrische Energie in eine andere Gebotszone transferieren. Übertagungsrechte sind grundsätzlich richtungsspezifisch, d.h. Übertragungsrechte für die Richtung AB und BA sind zwei separate Rechte. In der Regel werde Übertragungsrechte als ein ganzzahliges Vielfaches von 1 MW vergeben.

Übertragungsrechte sind in der Regel als Optionen ausgestaltet, d.h. die Anmeldung eines Fahrplans ist nicht verpflichtend. Allerdings handelt es sind bei den in der expliziten Intraday-Allokation vergebenen Übertragungsrechten um Obligationen, deren Ausübung mittels Anmeldung eines Fahrplans verpflichtend ist.

Die Bilanzkreispflicht zur ausgeglichenen Leistungsbilanz in den Bilanzkreisen auf den jeweiligen Seiten der Grenze bleibt hiervon natürlich unberührt und muss durch Energiebeschaffung/-veräußerung bzw. Netzeinspeisung/-entnahme bei Ausübung eines Übertragungsrechts separat gewährleistet werden.

Implizite Allokation (Marktkopplung)

Die Implizite Allokation kommt ohne die Trennung von Kapazitätsgeschäft und Stromgeschäft aus. Die Kapazität wird exklusiv durch organisierte Marktplätze (Strombörsen) genutzt, um diese zu koppeln (s.g. Market Coupling). Eine Zuordnung von Übertragungsrechten an einzelne Marktparteien ist hierzu nicht mehr erforderlich. Der Energietransfer wird zwischen den Central Counter Parties der Börsen, unter Umständen mit Hilfe eines s.g. Shipping Agent, realisiert.

Im Rahmen der vortägigen Stromauktion (Day-Ahead) erfolgt die Allokation der Kapazität im Rahmen der Marktkopplung (Market Coupling). Darunter versteht man die Ermittlung des Markträumungsergebnisses sämtlicher Stunden des Folgetages, also der 24 stündlichen Markträumungspreise und Markträumungsmengen in sämtlichen gekoppelten Gebotszonen, sowie deren stündlichen Leistungsbilanzsalden zueinander (Import/Export-Positionen) durch eine Instanz, unter Berücksichtigung der verfügbaren Übertragungskapazitäten, mit dem Ziel der Maximierung der ökonomischen Renten (Wohlfahrt) der Stromauktion.

Der optimale Austausch hängt sowohl von den Stromgeboten in den beteiligten Gebotszonen als auch von den verfügbaren Übertragungskapazitäten ab und führt (stundenweise) entweder zu einer vollständigen Ausnutzung der Übertragungskapazität oder zur vollständigen Preiskonvergenz benachbarter Gebotszonen, sodass ein zusätzlicher Austausch ökonomisch nicht mehr sinnvoll wäre.

Im kontinuierlichen impliziten untertägigen Stromhandel (Intraday) erfolgt die Allokation der Kapazität durch die nächstbeste Gebotspaarung (First-Come-First-Served). Eine Optimierung ist hier auf Grund der kontinuierlichen Allokation nicht möglich. In gekoppelten Intraday-Märkten zeigen die Orderbücher nicht nur die Gebote aus der lokalen Gebotszone sondern – abhängig von der verfügbaren Übertragungskapazität – auch Gebote aus anderen Gebotszonen. Bei übereinstimmenden Geboten wird ein Geschäft geschlossen und die Übertragungskapazität durch die Central Counter Parties bzw. Shipping Agents zur physischen Erfüllung genutzt.

Aufgrund der an der deutsch-österreichischen Grenze (auf Basis der von den ÜNB, darunter der Antragsgegnerin, gemeldeten Daten) durchgeführten Auktionen ergibt sich, dass die Nachfrage nach grenzüberschreitenden Stromlieferungen das diesbezügliche Angebot häufig übersteigt, wobei das Ausmaß (der Umfang der abgelehnten Übertragungsrechte) nicht festgestellt werden kann.

Aus technischer Sicht müssen sich, zumal Strom in diesem Ausmaß nicht speicherbar ist, die Produktion und der Verbrauch von Strom stets decken. Daher müssen, wenn Handelsvolumina und verfügbare Transportkapazität auseinanderfallen und es dadurch zu Netzengpässen und ungeplanten Stromflüssen kommt, die ÜNB Abhilfemaßnahmen (im Sinne eines Engpassmanagements) ergreifen. Daraus folgt, dass dann, wenn die Antragsgegnerin keine „kritischen Mengen“ bzw „kritischen Komponenten“ betreffend die deutsch-österreichische Grenze mehr in das System einmelden würde (und folglich die an den Börsen verfügbare grenzüberschreitende Handelskapazität insoweit nicht beschränkt würde), wenn aber sodann die Handelsvolumina die physikalisch mögliche Transportkapazität übersteigen, ein Netz­engpass entstehen würde, zu dessen Ausgleich die in der Kapazitätsberechnungsregion bestehenden ÜNB Abhilfemaßnahmen (in Form des eingangs definierten Engpassmanagements) setzen müssten, um die Netzstabilität zu gewährleisten.

Um die Engpassbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze insgesamt zu beenden, bedürfte es eines Zusammenwirkens der ÜNB und der Strombörsen in der ganzen CWE-Region. Erforderlich wären wohl auch entsprechende Genehmigungen der beteiligten Regulierungsbehörden, die die Antragsgegnerin diesfalls einholen müsste. Eine Rückabwicklung würde Anpassungen der Kapazitätsberechnungsregionen und der gemeinsamen Kapazitätsberechnungssysteme in der CWE-Region erfordern [ON 31 S 36].

Stellung der Antragstellerinnen:

Die Unternehmen, deren Interessenvertreterin die Erstantragstellerin ist, und die Zweitantragstellerin sind als Großabnehmer von den seit 1.10.2018 gestiegenen Strompreisen betroffen.

Die Stromlieferanten – wie dies etwa der Verbund ist – haben üblicherweise mit Endverbrauchern langfristige Lieferverträge abgeschlossen. Soweit in diesen Verträgen auf eine gemeinsame Preiszone in Österreich und Deutschland Bezug genommen worden war, mussten die Verträge nun angepasst werden.

Die Viertantragstellerin ist auch für die Vermarktung der Verbund-Kraftwerke zuständig. Die Gebotszonentrennung hat dem Umfang nach nicht feststellbare - negative - Auswirkungen auf die Rentabilität der Pumpspeicherkraftwerke des Verbundes.

Die Fünftantragstellerin hat seit Trennung der Gebotszonen nicht mehr die Möglichkeit, grenzüberschreitende Auktionen (für Deutschland und Österreich gemeinsam) zu veranstalten, da infolge der Gebotszonentrennung derartige Auktionen nicht mehr stattfinden. Die Fünftantragstellerin führt vielmehr Auktionen zum einen für die österreichische Strompreiszone sowie zum anderen – seit 2.7.2019 infolge Implementierung der Multiple NEMO Arrangements – auch am deutschen Markt durch [ON 43 S 14].

IV. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und das Vorbringen der Parteien, welches insoweit – in tatsächlicher Hinsicht, unabhängig von den daraus gezogenen (unterschiedlichen) Schlüssen – übereinstimmte.

Die informativen Aussagen des Geschäftsführers der Viertantragstellerin waren plausibel und unbedenklich und im festgestellten Umfang unwiderlegbar.

Soweit festgestellt, war der Sachverhalt somit unstrittig oder basiert auf unbestrittenen und unwiderlegten Beweisergebnissen.

Weitere Beweisaufnahmen und Feststellungen waren aus rechtlichen Gründen entbehrlich.

V. Rechtliche Beurteilung:

1. Rechtswegszulässigkeit:

Der Einwand der Antragsgegnerin, angesichts des Bestehens verbindlicher Vorgaben seitens ACER und der nationalen Regulierungsbehörden jeweils in deren hoheitlchem Wirkungsbereich bestehe Unzulässigkeit des Rechtswegs, verfängt nicht:

1.1. In der ins Treffen geführten Entscheidung 16 Ok 3/03 erkannte das Kartellobergericht, dass bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Begehrens und darüber hinaus die Behauptungen, auf die es gestützt wird, maßgebend sind. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Dafür ist der geltend gemachte Rechtsgrund von Bedeutung, ob also nach dem Inhalt ein kartellrechtlicher Anspruch erhoben wird, der vom Kartellgericht zu entscheiden ist (16 Ok 14, 15/02 mwN; vgl allgemein RIS-Justiz RS0045584 mwN). Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, wenn ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, mit dem jedoch ein unmittelbarer Eingriff in das hoheitliche Handeln eines Rechtsträgers angestrebt wird, sei es durch Beseitigung der Folgen hoheitlichen Handelns durch Vornahme oder Rückgängigmachung eines Verwaltungsaktes, sei es durch Untersagung hoheitlichen Handelns (SZ 61/88).

Verfahrensgegenständlich war in jener Entscheidung 16 Ok 3/03 das angeblich missbräuchliche Verhalten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger im Zusammenhang mit dem von jenem herausgegebenen Heilmittelverzeichnis (nämlich die behauptete erzwungene Zustimmung zu einer Anpassung der dort angeführten Kassenverkaufspreise für eine bestimmte Arznei). Antragsgegner war also ein Rechtsträger. Das KOG erkannte, dass sich die Antragstellerin zwar eindeutig auf den Missbrauch der Stellung des Antragsgegners als beherrschendes Unternehmen im Sinn des § 35 KartG bzw des Art 82 EG gestützt habe, sie strebe jedoch nach dem Inhalt des Antrags einen unmittelbaren Eingriff durch das Kartellgericht in hoheitliches Handeln des Hauptverbands an, solle diesem doch eine bestimmte Änderung des Heilmittelverzeichnisses untersagt bzw aufgetragen werden. Hiefür sei der Rechtsweg unzulässig.

1.2. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar: Mit dem auf die Abstellung eines Missbrauchs der Stellung der Antragsgegnerin als beherrschendes Unternehmen iSd § 5 KartG und Art 102 AEUV gerichteten Antrag wird weder ein Rechtsträger in Anspruch genommen noch soll ein hoheitlicher Akt oder dessen Folgen unmittelbar beseitigt werden.

Selbst wenn nämlich die von der Antragsgegnerin ins Treffen geführten Anordnungen der Regulierungsbehörden und von ACER normative Wirkung entfalten würden und für die Antragsgegnerin verbindlich wären – was vorläufig dahingestellt bleiben kann –, zielt der Abstellungsantrag weder darauf ab, irgendwelche Verwaltungsakte per se rückgängig zu machen, noch darauf, einer Behörde ein bestimmtes Handeln zu untersagen; ebenso wenig soll ein konstitutiver Eingriff in die Auswirkungen eines hoheitlichen Handelns stattfinden. Der Bestand der ACER-Entscheidung und der Beschlüsse der Bundesnetzagentur, deren Rechtsnatur und (allfällige) normative Kraft sind nicht Gegenstand des vorliegenden Sachantrags. Vielmehr begehren die Antragstellerinnen eine rein privatrechtliche Handlung der Antragsgegnerin und machen begründend geltend, die Verwaltungsakte würden gar keine verbindliche Wirkung entfalten, seien wegen EU-Rechtswidrigkeit unanwendbar und hätten daher schon von vornherein - ohne dass hiefür ein Eingriff notwendig wäre - für die Antragsgegnerin nicht die Folgen, die jene ihnen zumisst.

1.3. Strittig ist damit in Wahrheit – wie die Antragstellerinnen erkennen – die Frage, ob die Antragsgegnerin den „Einwand staatlichen Handelns“ („Regulated Conduct Defence“, „State Compulsion Defence“) für sich in Anspruch nehmen kann.

Diesbezüglich ist auf die Judikatur des EuGH zu C-280/08 (Rz 80 f) und C-359/95 (Rz 33 f) zu verweisen: Demnach gelten die Art 101 und 102 AEUV nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die die Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legen. Die Bestimmungen sind hingegen nicht anwendbar, wenn den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird oder diese einen rechtlichen Rahmen bilden, der selbst jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ihrerseits ausschließt. In einem solchen Fall findet die Wettbewerbsbeschränkung nämlich nicht, wie diese Vorschriften voraussetzen, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen ihre Ursache. Dagegen sind die Art 101 f AEUV anwendbar, wenn sich herausstellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbes bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann. Wenn Vorschriften ein Verhalten bloß veranlassen oder erleichtern, bleibt es Art 101f AEUV unterworfen.

Zu prüfen ist in diesen Fällen also, ob ein bestimmtes Verhalten eines (marktbeherrschenden) Unternehmens als missbräuchliches Wettbewerbsverhalten anzusehen ist oder ob es das – mangels Selbständigkeit der Verhaltensweise – nicht ist. Eine solche Prüfung betrifft aber die materielle Berechtigung eines geltend gemachten Abstellungsantrags und nicht die Frage der Rechtsweg(un)zulässigkeit.

Somit besteht auch im vorliegenden Fall, in dem inhaltlich die fehlende Möglichkeit für ein einseitiges oder missbräuchliches Verhalten seitens der Antragsgegnerin eingewendet wurde, keineswegs eine Unzulässigkeit des Rechtswegs.

1.4. Weiters argumentierte die Antragsgegnerin damit dass dem Kartellgericht keine Kompetenz zukomme, verbindliche Entscheidungen der Regulierungsbehörden zu überprüfen. Einer von den Antragstellerinnen geforderten Überprüfung der Verwaltungsakte der Bundesnetzagentur durch das Kartellgericht stehe die Immunität dieser Rechtsakte entgegen (ON 23 S 40 ff).

Dem ist zu erwidern, dass eine derartige Überprüfung nicht verfahrensgegenständlich ist. Weder der erhobene Abstellungsantrag noch das hiezu erstattete antragsbegründende Vorbringen – welches den Verfahrensgegenstand bildet (vgl RIS-Justiz RS0123676) – zielt auf die Nichtigkeits- oder Unwirksamerklärung oder sonstige Aufhebung irgendwelcher Verwaltungsakte ab.

Es gilt sinngemäß das bereits Gesagte: dass es nämlich hier nur darauf ankommt, inwiefern die in Rede stehenden Verwaltungsakte bestimmte Handlungspflichten für die Antragsgegnerin begründeten oder (zumindest) eine hinreichende Rechtfertigung für deren Handlungen darstellen. Darin liegt keine Frage der Rechtswegszulässigkeit.

1.5. Der auf Zurückweisung des Antrags gerichtete Einwand ist daher nicht berechtigt und war zu verwerfen.

2. Anwendbares Recht und (internationale) Zuständigkeit:

2.1. Gemäß § 5 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Dabei gelten all jene Verhaltensweisen als missbräuchlich, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, somit Behinderungsmissbrauch und Ausbeutungsmissbrauch (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian2 § 5 KartG Rz 23). Voraussetzung für den Anwendungsbereich des nationalen Missbrauchsverbots ist, dass sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt. Dies kann den gesamten Markt oder nur Teile des Markts umfassen. Nach dem Auswirkungsprinzip des § 24 Abs 2 KartG ist nicht relevant, ob der Sachverhalt im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist, sofern er sich auf den inländischen Markt auswirkt.

Nach Art 102 AEUV ist die missbräuchliche Ausnützung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

2.2. Gemäß Art 5 der VO 1/2003 sind die Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 101 und 102 AEUV in Einzelfällen zuständig. Sie können von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde die Abstellung von Zuwiderhandlungen und einstweilige Maßnahmen anordnen, Verpflichtungszusagen annehmen und Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige Sanktionen verhängen.

Beim Kriterium der Zwischenstaatlichkeit handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die keine wettbewerbsrechtliche Bewertung treffen, sondern die Frage beantworten soll, ob es angemessen ist, den Sachverhalt nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen (16 Ok 10/09 mwN). Für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gilt das Prinzip des umfassenden Vorrangs von europäischem Kartellrecht vor nationalem Kartellrecht insofern nur eingeschränkt, als es auf Grund der Ausnahme in Art 3 Abs 2 Satz 2 der VO 1/2003 den Mitgliedstaaten bei Zwischenstaatlichkeit nicht verwehrt ist, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen – wie missbräuchliche Verhaltensweisen iSd Art 102 AEUV – vorzusehen (Vartian/ Schu­macher aaO Rz 11).

Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bereits vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Markts nachteilig sein könnte. Es kommt nicht darauf an, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde. Art 102 AEUV kann auch in Fällen anwendbar sein, in denen nur ein Teil des Mitgliedstaats betroffen ist (Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 des Vertrages, ABl C 2004/101, 83 Rz 21 mwN).

Damit kann im Bereich der Missbrauchsaufsicht auf denselben Sachverhalt sowohl europäisches als auch nationales Kartellrecht zur Anwendung gelangen.

2.3. Der in Rede stehende Sachverhalt wirkt sich unzweifelhaft iSd § 24 Abs 2 KartG auf den inländischen Markt aus. Desgleichen ist die Zwischenstaatlichkeit zu bejahen, geht es doch um grenzüberschreitende Stromtransaktionen. Daher ist grundsätzlich sowohl europäisches als auch nationales Wettbewerbsrecht anzuwenden.

2.4. Ergänzt sei, dass der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht zu 16 Ok 3/08 ausgesprochen hat, dass § 24 KartG keine Zuständigkeitsnorm darstellt, das Auswirkungsprinzip vielmehr einen Grundsatz des (materiellen) Kollisionsrechts darstelle und daher – zumindest für den dort vorliegenden Fall einer Klage eines Verbands im Sinne des § 7 Abs 2 Z 2 NVG - für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit die EuGVVO heranzuziehen sei. Ungeachtet dessen, ob diese Aussage auch für Kartellrechtsverfahren im engeren Sinn gültig ist, steht hier die Zuständigkeit des Kartellgerichts außer Frage, hat doch die Antragsgegnerin keinen Unzuständigkeitseinwand erhoben, sodass eine (allfällige) Unzuständigkeit jedenfalls iSd Art 26 EuGVVO geheilt wäre.

3. Aktivlegitimation:

Die Antragstellerinnen berufen sich zur Begründung ihrer Antragslegitimation auf § 36 Abs 4 Z 4 KartG. 3.1. Nach dieser Bestimmung ist jeder Unternehmer und jede Unternehmervereinigung, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat, befugt, einen Antrag (ua) auf Abstellung von Zuwiderhandlungen nach § 26 KartG zu stellen.

3.2. Dass die Erstantragstellerin, auch wenn sie selbst nicht Unternehmerin ist, eine Unternehmensvereinigung iSd § 36 KartG ist, ist unbestritten, stellt sie doch eine Vereinigung dar, die die Interessen der Unternehmen der Papier- und Zellstoffindustrie vertritt (vgl Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian² § 36 KartG Rz 44 iVm Lager/ Petsche ebendort § 1 Rz 12; weiters Reidlinger/Hartung, Das Österreichische Kartellrecht4 49; umfasst sind demnach zB Wirtschaftsverbände, Industrieverbände, Handelskammern). Nach Mair aaO, Rz 45 (mwN), ist zudem erforderlich, dass überindividuelle Interessen der Mitglieder und nicht nur Partikular-Interessen eines Mitglieds bzw einiger Mitglieder betroffen sind. Die von der Erstantragstellerin vertretenen Unternehmen sind von den herangezogenen Interessen (gegebenenfalls) zweifellos generell und nicht nur vereinzelt betroffen.

Die Unternehmereigenschaft der übrigen Antragstellerinnen iSd kartellrechtlichen Unternehmerbegriffs liegt ebenso unzweifelhaft vor.

Insoweit ergibt sich also kein Anlass, die Antragslegitimation einer der Antragstellerinnen zu bezweifeln.

3.3. Ein Interesse iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG liegt dann vor, wenn das dem Antrag zugrundeliegende Verhalten eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Antragstellers besitzt oder unmittelbar geeignet ist, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu beeinflussen (16 Ok 1/06). E contrario könnte somit eine Antragstellung dann ausgeschlossen sein, wenn sich die Betroffenheit lediglich mittelbar, also gleichsam aus der Reflexwirkung auf die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung heraus ergibt. Das rechtliche Interesse des § 36 Abs 4 Z 4 KartG ist nicht ident mit dem berechtigten Interesse nach § 28 Abs 1 KartG (Mair aaO Rz 46). In hg 25 Kt 19/08 (Aufzugs- und Fahrtreppenkartell) wurde auf die individuelle Betroffenheit als Vertragspartner der Antragsgegner abgestellt und ausgeführt, dass eine wirtschaftliche Betroffenheit von einem allfälligen kartellrechtswidrigen Verhalten der Antragsgegner für die Bejahung der Aktivlegitimation bereits ausreiche.

3.4. Nun haben sich die Bedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel durch die Einführung der Gebotszonengrenze zwischen Österreich und Deutschland tatsächlich gravierend geändert. Die Antragsgegnerin trug und trägt zu dieser Änderung insofern bei, als sie (gemeinsam mit den anderen betroffenen ÜNB) die Zonentrennung beantragt hat und an der Einführung beteiligt war, sowie dadurch, dass sie laufend die verfügbaren Kapazitäten bzw die zu deren Errechnung notwendigen Daten in das System einmeldet.

Konkret hatte die Trennung der Märkte Auswirkungen auf die Strompreise, wobei es in Österreich zu einer Erhöhung der Strompreise kam. Weiters kam es (aus Sicht der Abnehmer) zu einer Änderung der Beschaffungssituation, finden doch keine grenzüberschreitenden Auktionen mehr statt, sondern müssen sich die Abnehmer mit rein österreichischem Strom „eindecken“ oder aber – bei grenzüberschreitenden Transaktionen – Übertragungsrechte erwerben, um Strom von nicht-österreichischen Anbietern beziehen zu können. Bei Erschöpfung des Kontingents kommt es zur Ablehnung des nachgefragten Handelsgeschäftes.

In diesem Sinn haben sich die Umstände, unter denen der Stromhandel stattfindet, für alle Marktteilnehmer geändert.

3.5. Die Erst- und Zweitantragstellerinnen als Großabnehmer von Strom sind sowohl von der geänderten Preissituation als auch von den geänderten Einkaufsbedingungen am Strommarkt unmittelbar wirtschaftlich betroffen. Darüber hinaus liegt auch ein Eingriff in ihre rechtlichen Interessen vor, haben sich doch – wie dargestellt - die Bedingungen, unter denen sie Strombezugsverträge abschließen (können bzw müssen), wesentlich geändert. Dass die zu erwerbenden Übertragungsrechte mittels Auktionen an den Strombörsen und nicht unmittelbar von den ÜNB erteilt (oder abgelehnt) werden, ändert nichts an der unmittelbaren Betroffenheit dieser Antragstellerinnen.

3.6. Auch die Dritt- und Viertantragstellerinnen sind in ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen unmittelbar berührt.

Für sie gilt zunächst, dass das KOG das wirtschaftliche Interesse einer Antragstellerin bejahte, deren Schwestergesellschaft eine unmittelbar Geschädigte war (16 Ok 14/08). Gleiches ist nach überzeugender Auffassung anzunehmen, wenn die Wettbewerbsposition der Tochtergesellschaft eines Antragstellers beeinträchtigt ist (Mair aaO Rz 46 mwN; Solé/A.Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht² Rz 109). Somit führt ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse der Drittantragstellerin grundsätzlich auch zur Bejahung der Antragslegitimation der Viertantragstellerin; dasselbe gilt umgekehrt.

Das EuG hat in seinen Entscheidungen vom 27.4.2018 (./L und ./M) die Drittantragstellerin als Streithelferin in den Verfahren T-332/17 und T-333/17 zugelassen und dabei deren direktes Interesse am Ausgang des Verfahrens bejaht. Sie sei Produzentin, die Strom an große Verbraucher in Deutschland und Österreich vertreibe, weshalb eindeutig sei, dass die Schaffung einer Gebotszonengrenze zwischen diesen Mitgliedsstaaten ihre Rechtsstellung aufgrund des Umstandes direkt beeinträchtige, dass sich die Rechtsbedingungen, unter denen der Stromvertrieb stattfinden könne, geändert hätten (./L u ./M, jeweils Rz 26). Betreffend den Einwand von ACER, dass von den Auswirkungen der Gebotszonentrennung lediglich die Viert-, nicht aber die Drittantragstellerin direkt betroffen sei, kam der EuG – nach Darstellung der europäischen Judikatur – zum Ergebnis, dass die Drittantragstellerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit durch Tochterunternehmen ausübe, was für die Begründung eines direkten Interesses als ausreichend erachtet wurde (aaO, Rz 31 bis 37).

Diese Überlegungen betreffend die geänderten Rechtsbedingungen im Stromvertrieb stehen im Wesentlchen mit den oben zu Punkt 3.4. angestellten Erwägungen in Einklang. Sie begründen, auch wenn die jeweiligen Begriffe des „Interesses“ nicht ident sein mögen, auch ein Interesse iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG und führen zur Bejahung der Aktivlegitimation der Dritt- und Viertantragstellerinnen.

3.7. Die Einwendungen der Antragsgegnerin, es lägen nur indirekte wirtschaftliche Interessen sowie „Reflexwirkungen“ vor, welche nicht unter § 36 Abs 4 Z 4 KartG fallen, überzeugen demgegenüber nicht.

Die erforderliche unmittelbare Betroffenheit setzt keineswegs voraus, dass der Betroffene im Bereich „Stromübertragung“ und „Aufrechthaltung der Netzsicherheit“ tätig ist oder „zu diesem Dienstleistungsbereich unmittelbare Berührungspunkte“ (was immer damit gemeint sein soll) hat. Auch eine unmittelbare Vertragsbeziehung ist nicht vorausgesetzt (vgl 16 Ok 9/99, wonach auch eine potenzielle unternehmerische Tätigkeit genügt). Es trifft nicht zu, dass das aufgezeigte Interesse bloß eine indirekte wirtschaftliche Folge der von der Antragsgegnerin mitverantworteten Gebotszonentrennung ist.

3.8. Ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse der Fünftantragstellerin ist hingegen zu verneinen.

Wie von dieser Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt (ON 43 S 13 f), wurde die geforderte Betroffenheit (letztlich nur mehr) darin erblickt, dass es zu einer massiven Einschränkung ihres Leistungsangebots gekommen sei. Da sie nur noch innerdeutsche und innerösterreichische Auktionen anbieten könne, werde die Attraktivität ihrer Dienstleistungen für die Marktteilnehmer enorm herabgesetzt; die Bedeutung der von ihr durchgeführten Auktion nehme rapide ab, zumal in der nun getrennt zu auktionierenden österreichischen Zone kaum Liquidität vorhanden sei (ON 1 S 16, ON 12 S 16).

Nun ist der vorliegende Antrag allerdings nicht darauf gerichtet und auch nicht geeignet, an diesen Gegebenheiten eine Änderung herbeizuführen. Wie unten (Punkt 4.6 und 5.1.) noch näher darzustellen sein wird, begehren die Antragstellerinnen ja nicht, die Gebotszonentrennung rückgängig zu machen, also die „Durchführung des implementierten koordinierten Kapazitätsvergabeverfahrens“ insgesamt zu beenden und wieder eine einheitliche Stromhandelszone für Deutschland und Österreich einzuführen, sondern wollen lediglich die Antragsgegnerin (als eine von mehreren an der koordinierten Kapazitätsvergabe beteiligten ÜNB) verhalten, die Engpassbewirtschaftung nicht mehr umzusetzen, konkret keine Lieferengpässe mehr in das System zu melden (zu „identifizieren“, vgl Vorbringen ON 43 S 5 u S 15f). Am Umstand, dass für Deutschland und Österreich mangels einheitlicher Gebotszone keine gemeinschaftlichen Auktionen mehr stattfinden, würde die beantragte Abstellung aber nichts ändern.

Die vorgetragenen spezifischen Nachteile der Fünftantragstellerin (geringe Liquidität am österreichischen Markt, geringe Attraktivität der hier durchgeführten Auktionen, eingeschränktes Leistungsangebot) resultieren aber, wie die Antragsgegnerin zutreffend einwandte, allein aus der Trennung der Gebotszonen und nicht aus der Umsetzung des Kapazitätsvergabeverfahrens (aus dem „Ob“ und nicht dem „Wie“). Dass sich die Marktverhältnisse in irgendeiner Weise zu Gunsten der Fünftantragstellerin ändern würden, wenn infolge der begehrten Abstellung die Engpassbewirtschaftung de facto nur mehr von den anderen ÜNB in der Region (deren Verhalten ja von der Abstellung unberührt bliebe), nicht aber von der Antragsgegnerin umgesetzt würde, wurde von den Antragstellerinnen in keiner Weise dargelegt.

Insofern mangelt es der Fünftantragstellerin am im oben dargestellten Sinn erforderlichen Interesse an der Abstellung. Der von ihr erhobene Antrag war schon deswegen abzuweisen.

4. Passivlegitimation:

Die Antragsgegnerin brachte vor, der gegenständliche Anspruch sei notwendigerweise gegen sie und die anderen betroffenen ÜNB geltend zu machen, zumal ihr die begehrte Umsetzung alleine gar nicht möglich sei. Es läge eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO vor. Der nur gegen sie gerichtete Antrag sei abzuweisen.

4.1. Gemäß § 14 ZPO liegt eine einheitliche Streitpartei dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschriften auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Das ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird, oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den streitigen Anspruch verfügen können oder wenn das wie bei vollständiger Identität des Streitgegenstands allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle festgestellt werden kann (RIS-Justiz RS0035409). Ob bei einer Streitpartei nach § 14 ZPO alle Streitgenossen gemeinsam geklagt werden müssen, richtet sich im Wesentlichen nach der materiellrechtlichen Beurteilung des Streitgegenstandes, ob nämlich diese eine einheitliche Entscheidung erfordert (RIS-Justiz RS0035468).

Die notwendige Streitgenossenschaft liegt im Zweifel nur vor und führt zur Klagsabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen entsteht (RIS-Justiz RS0035479). Sie besteht immer dort, wo auch die positive Erledigung einer Einzelklage nicht zu einem von weiteren Erfolgen unabhängigen endgültigen Erfolg führen könnte (aaO [T6]). Eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO liegt hingegen nicht vor, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes keine rechtliche Notwendigkeit zu einer im jedem Falle einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (RIS-Justiz RS0035473).

4.2. Das Kartellgesetz regelt selbständig nur die Antragsbefugnisse, nicht aber die sonstige Parteistellung, insbesondere nicht die Passivlegitimation. Es ist daher insoweit auf das subsidiär anzuwendende Außerstreitgesetz zurückzugreifen (16 Ok 3/11). Das Außerstreitgesetz verwendet zwar den Begriff des Streitgenossen nicht, regelt die Streitgenossenschaft jedoch im Wesentlichen gleich wie die Zivilprozessordnung. Deren Vorschriften und Rechtswirkungen über die einheitliche Streitpartei sind analog auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden (RIS-Justiz RS0005815).

Auch im Verfahren außer Streitsachen kommt es auf die Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs oder die Anordnung von Wirkungen allen aktenkundigen Parteien gegenüber, also auf das materielle Recht an. Im Zweifel liegt auch hier eine einheitliche Streitpartei vor, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht (vgl RIS-Justiz RS0125593).

4.3. Unter Heranziehung dieser Grundsätze führte das Kartellobergericht zu 16 Ok 3/11 (unter Zitierung von Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 14 Rz 1 ff) betreffend die Wirkungserstreckung kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses – ein Fall der Wirkungserstreckung kraft gesetzlicher Vorschrift lag dort wie hier nicht vor – aus, dass das Prozessrecht keinen generellen Zwang zur Geltendmachung von Ansprüchen von oder gegen alle Berechtigten ausübt. Es bleibt daher nur die materiellrechtliche Beurteilung des Streitgegenstands als Kriterium für das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei. Von einheitlicher (notwendiger) Streitgenossenschaft spricht man, wenn es das materielle Recht gebietet, den Anspruch für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben. Eine solche Streitpartei bilden zB Miteigentümer bei der Klage auf Feststellung des Miteigentums, bei Streitigkeiten über Servituten oder die Eigentumsfreiheitsklage (nicht aber bei schlichten Unterlassungsklagen), oder Gesellschafter, zB bei Feststellung der Beteiligungsverhältnisse an einer Gesellschaft. Eine Wirkungserstreckung in diesem Sinn wird angenommen, wenn die Wirkungen der zu fällenden Entscheidung sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstrecken. Die Voraussetzungen sind aber streng und jeweils gesondert zu prüfen.

Zu 5 Ob 200/10p (unter Berufung auf 5 Ob 163/08v) wurde erkannt, dass, wenn ohne Zusammenwirken aller Mit- und Wohnungseigentümer die geschuldete Leistung nicht erbracht werden kann, eine Gesamthandschuld entsteht, weshalb die Leistungserbringung auch bloß von allen gemeinsam verlangt werden kann.

4.4. Bei materiellrechtlicher Betrachtung des vorliegenden Anspruchs auf Unterlassung aller Maßnahmen zur Umsetzung einer Engpassbewirtschaftung und Rückgängigmachung der bereits gesetzten Maßnahmen zeigt sich, dass die im Zusammenhang mit dem Elektrizitätsbinnenmarkt erlassenen europarechtlichen Normen in vielfacher Hinsicht von dem Grundprinzip getragen sind, dass Übertragungsnetzbetreiber im grenzüberschreitenden Stromhandel – zwecks Erreichung diskriminierungsfreier Bedingungen bei gleichzeitiger Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung (vgl etwa Erwägung 1 ff der CACM-VO) bzw Einhaltung der Sicherheitsstandards für einen sicheren Netzbetrieb (vgl Erwägung 16 der VO 714/2009) - eine abgestimmte und koordinierte Vorgehensweise einzuhalten haben. Konkret sei auf folgende, ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistete Bestimmungen verwiesen:

- Bereits in der Erwägung 6 der VO 714/2009 wird festgehalten, dass „insbesondere eine stärkere Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Übertragungsnetzbetreibern erforderlich sei, um Netzkodizes für die Bereitstellung und die Handhabung des konkreten und transparenten Zugangs zu den Übertragungsnetzen über die Grenzen hinweg zu schaffen (…)“.

- Nach Art 4 dieser VO „arbeiten alle ÜNB auf Gemeinschaftsebene im Rahmen der ENTSO (Strom) zusammen, um die Vollendung und das Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarktes und des grenzüberschreitenden Handels zu fördern und die optimale Verwaltung, den koordinierten Betrieb und die technische Weiterentwicklung des europäischen Stromübertragungsnetzes zu gewährleisten.

- Art 12 Abs 1 der VO ordnet an, dass die ÜNB eine regionale Zusammenarbeit etablieren.

- Art 15 Abs 1 der VO normiert, dass „die ÜNB Verfahren für die Koordinierung und den Informationsaustausch einrichten, um die Netzsicherheit im Rahmen des Engpassmanagements zu gewährleisten“.

- Die nach Art 18 Abs 4 der VO 714/2009 im Anhang I erlassenen „Leitlinien für das Management und die Vergabe verfügbarer Übertragungskapazitäten auf Verbindungsleitungen zwischen nationalen Netzen“ (welche detaillierte Regelungen für ein „Engpassmanagement“ enthalten) sehen unter Punkt 3.1. vor, dass die „Kapazitätsvergabe auf einer Verbindungsleitung mit Hilfe gemeinsamer Vergabeverfahren der beteiligten ÜNB koordiniert und vorgenommen wird. In Fällen, in denen damit zu rechnen ist, dass der kommerzielle Handel zwischen ÜNB aus zwei Ländern erhebliche Auswirkungen auf die physikalischen Lastflüsse in einem ÜNB aus einem Drittland haben wird, werden die Engpassmanagementmethoden zwischen allen auf diese Weise betroffenen ÜNB durch ein gemeinsames Verfahren für das Engpassmanagement koordiniert. Die nationalen Regulierungsbehörden und die ÜNB gewährleisten, dass es nicht zu einer einseitigen Anwendung eines Engpassmanagementverfahrens kommt, das erhebliche Auswirkungen auf die physikalischen Stromflüsse in anderen Netzen hat“.

- In Punkt 3.2. dieser Leitlinien werden Regionen genannt, zwischen denen bis 1.1.2007 eine gemeinsame, koordinierte Methode für das Engpassmanagement und ein gemeinsames, koordiniertes Verfahren für die Zuweisung von Kapazitäten angewandt werden. Punkt 3.5. sieht eine Koordinierung zwischen den ÜNB auf allen Stufen von der Kapazitätsberechnung und der Vergabeoptimierung bis zum sicheren Netzbetrieb vor.

- Die VO 714/2009 wurde zwischenzeitig aufgehoben und durch die am 1.1.2020 in Kraft getretene VO 2019/943 „Strombinnenmarkt-VO“ ersetzt (Art 70 f der VO 2019/943). Allerdings hat sich durch das Inkrafttreten der neuen VO an den Vorgaben und Verpflichtungen zur Koordinierung nichts geändert, wie sich insbesondere aus Art 14 Abs 3 (wo die Leitlinien zur VO 714/2009 für weiterhin anwendbar erklärt werden), aus Art 16 und anderen Stellen der neuen VO ergibt.

- Weiters werden, wie die Erwägung 16 dieser VO 2019/943 festhält, in der CACM-VO „detaillierte Leitlinien für die Vergabe zonenübergreifender Kapazität und für das Engpassmanagement (…) festgelegt; dies schließt Anforderungen an die Ausarbeitung gemeinsamer Methoden zur Ermittlung der gleichzeitig zwischen Gebotszonen zur Verfügung stehenden Kapazitätsmengen, Kriterien für die Bewertung der Effizienz und ein Überprüfungsverfahren für die Abgrenzung der Gebotszonen ein“.

- Die CACM-VO sieht folglich vielfach eine koordinierte Vorgehensweise der ÜNB vor; konkret im hier interessierenden, in der ACER-Entscheidung als Grundlage herangezogenen Art 15 Z 1 („…erstellen alle ÜNB zusammen einen gemeinsamen Vorschlag zur Bestimmung der Kapazitätsberechnungsregionen…“), weiters in Art 20 (Z 2: „…übermitteln alle ÜNB jeder Kapazitätsberechnungsregion einen Vorschlag für eine gemeinsame Methode für die koordinierte Kapazitätsberechnung innerhalb der jeweiligen Region…“, aber auch Z 3 ff); weiters in Art 32 Z 4 lit b („… die beteiligten ÜNB … iii) reichen … einen gemeinsamen Vorschlag zur Beibehaltung oder Änderung der Gebotszonenkonfiguration ein“); Art 8 Z 1 („… nehmen alle ÜNB an der einheitlichen Day-Ahead-Marktkopplung und an der einheitlichen Intra­day-Marktkopplung teil“) und Z 2 sowie Art 9 f der CACM-VO.

4.5. Aus all diesen Regelungen ist – auch wenn weder den Leitlinien noch den Erwägungsgründen eine allgemeinverbindliche Wirkung zukommt (vgl Lager/Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian² § 3 KartG Rz 4 mwN; EuGH C‑345/13 Rz 31) – mit hinreichender Deutlichkeit eine bestehende Rechtslage dahin abzuleiten, dass die Antragsgegnerin gar nicht befugt ist, die von den Antragstellerinnen geforderten Unterlassungen allein vorzunehmen. Vielmehr ist nach Auffassung des erkennenden Senats für die Frage, ob und in welcher Form eine Engpassbewirtschaftung an der Grenze eingeführt, umgesetzt und letztlich auch (wie nun angestrebt) eingestellt wird, aus materiellrechtlichen Gründen ein Zusammenwirken aller ÜNB, die an der Bewirtschaftung der an den Kuppelstellen zwischen Österreich und Deutschland entstehenden Engpässe beteiligt sind, zu fordern.

Damit gebietet es das materielle Recht, den vorliegenden Anspruch auch gegen alle diese übrigen Beteiligten zu erheben.

4.6. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Abstellungsantrag auf die (auch formelle) Rückabwicklung der Engpassbewirtschaftung gerichtet wäre, wie auch dann, wenn - wie zuletzt ausgeführt wurde (ON 43 S 5 u 15f) und wohl dem Wortlaut des Antrags entspricht - nicht diese Rückabwicklung des Systems der koordinierten Kapazitätsvergabe an sich gefordert wird, sondern das Begehren darauf abzielt, dass die Antragsgegnerin aufhöre, kritische Mengen und Komponenten in das System einzumelden, wodurch die Engpassbewirtschaftung de facto zu einem wesentlichen Teil wirkungslos und zu der vor der 1.10.2018 bestehenden Situation zurückgekehrt würde.

Wenn nämlich die europäischen Rechtsvorschriften für das Engpassmanagement eine umfassende koordinierte Vorgehensweise anordnen, so kann es auch nicht zulässig sein, dass ein einzelner ÜNB zwar formal an dem implementierten abgestimmten System teilnimmt, dieses aber de facto außer Kraft setzt, indem er – unabhängig von den realen (Engpass-)Situationen im Übertragungsnetz – ausnahmslos so vorgeht, als gäbe es zu keiner Zeit einen Engpass (iSv „kritische Menge“ bzw „kritische Netzkomponenten“). Die geforderte Unterlassung würde das System der Engpassbewirtschaftung umgehen und kann daher nicht anders beurteilt werden, als würde die Rückabwicklung der Engpassbewirtschaftung beantragt werden.

4.7. Dazu bestehen – bereits nach dem Antragsvorbringen sowie dem unstrittigen Sachverhalt - erhebliche Bedenken, dass der Antragsgegnerin eine einseitige Umsetzung in technischer Hinsicht überhaupt möglich wäre – jedenfalls nicht, ohne die Netzstabilität und damit die Versorgungssicherheit in Frage zu stellen.

Wenn nämlich die Antragsgegnerin – wie gefordert – die Engpassbewirtschaftung nicht mehr umsetzen, also betreffend die gegenständliche Gebotszonengrenze ganz generell keine kritischen Komponenten mehr in des System einmelden würde, würde dadurch wohl ein wesentlicher Teil des Engpassmanagements auf die anderen in der CWE-Region tätigen ÜNB überwälzt werden. Diese müssten, um zu gewährleisten, dass das erforderliche physikalische Gleichgewicht jederzeit bestehen bleibt, verstärkt andere Abhilfemaßnahmen (Redispatch, Countertrading, Phasenschieber) setzen (was wohl auch dann anzunehmen wäre, wenn die Antragsgegnerin selbst verstärkt auf diese Maßnahmen zurückgreifen würde). Welcher technische und wirtschaftliche Aufwand damit verbunden wäre, inwiefern dadurch in technischer Hinsicht unverhältnismäßige Gegenmaßnahmen notwendig würden, kann (mangels diesbezüglicher Beweisaufnahme) nicht beurteilt werden.

Allerdings ist zu bedenken, dass laut Antragsvorbringen an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland in der Regel die Nachfrage das Angebot übersteigen soll. Infolgedessen wäre zweifellos vielfach ein Eingreifen aller betroffenen ÜNB erforderlich, wenn jede angefragte Stromlieferung ohne Berücksichtigung der physikalisch verfügbaren Kapazität durchgeführt würde bzw werden müsste.

(Darüberhinaus sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass eine die verfügbare Kapazität weit übersteigende Nachfrage nur schwer mit dem zentralen Antragsvorbringen in Einklang zu bringen ist, wonach an der Grenze kein struktureller Engpass bestehen soll. Vielmehr widerspricht das zuletzt mündlich erstattete Vorbringen offenbar den früheren Antragsbehauptungen, wonach es nur sporadische Überlastungen gebe). Die Antragstellerinnen führten zur Widerlegung einer möglichen Gefahr für die Netzsicherheit ins Treffen, dass auch bis zum 1.10.2018, als eine gemeinsame Zone bestanden habe, keine solche Gefährdung vorhanden gewesen sei; dass der mehrjährige Umsetzungsprozess gegen Gefahr in Verzug spreche; dass Physikalisches mit Kommerziellem vermischt werde. Damit wird aber keineswegs plausibel dargestellt, dass bei einseitiger Beendigung der – nunmehr flächendeckend, wenn auch nach einiger Vorlaufzeit eingeführten – Engpassbewirtschaftung keine Auswirkungen auf die Netzsicherheit auftreten würden.

Eine solche Situation muss zu dem Schluss führen, dass die geforderte einseitige Unterlassung der Engpassbewirtschaftung durch die Antragsgegnerin alleine nicht umgesetzt werden könnte; ihr also die Erbringung der geschuldeten Leistung (iSd der Entscheidung 5 Ob 200/10p) gar nicht möglich wäre.

4.8. Vielmehr würde in concreto – aus rechtlicher und technischer Sicht - die Gefahr unlösbarer Verwicklungen bestehen, wie sie nach dem Gesagten für die Behandlung als einheitliche Streitpartei vorausgesetzt sind.

Erwähnt sei, dass die Antragstellerinnen ansatzweise selbst erkennen, dass eine abgestimmte Vorgehensweise unerlässlich ist. So räumten sie ein, dass es problemlos möglich sein werde, andere ÜNB zu einer Beendigung zu bewegen, wenn einmal die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Antragsgegnerin feststehe. Weiter brachten sie vor, dass die Antragsgegnerin nunmehr die Genehmigungen für die Rückgängigmachung der regulierungsbehördlich bewilligten Engpassbewirtschaftung einholen müsste.

Im Ergebnis würde somit die Antragsgegnerin mit den weiteren am Engpassmanagement an der deutsch-österreichischen Grenze beteiligten Übertragungsnetzbetreibern eine einheitliche Partei bilden und wäre ein Abstellungsantrag auch gegen diese Unternehmen zu richten.

Der Antragsgegnerin (alleine) mangelt es hingegen an der passiven Antragslegitimation. Sohin war der Antrag – ohne dass auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen eingegangen werden müsste – abzuweisen.

5. Der Vollständigkeit halber ist Folgendes zu ergänzen:

5.1. Es bestehen auch gewisse Zweifel an der Bestimmtheit des erhobenen Antragsbegehrens.

Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Auch im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren ist eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht (16 Ok 11/04 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung ist das Bestimmtheitsgebot bei Unterlassungsbegehren nicht allzu streng auszulegen (RIS-Justiz RS0000845). Dies gilt auch für kartellgerichtliche Abstellungsaufträge. Regelmäßig wird daher das Unterlassungsgebot allgemeiner gefasst und gegebenenfalls durch konkrete Einzelverbote ergänzt (vgl RIS-Justiz RS0000878, RS0000845:; 16 Ok 2/09).

Wie dargestellt, besteht für den im Abstellungsbegehren verwendeten Begriff „Engpassbewirtschaftung“ keine Legaldefinition und kennt die im Antrag genannte VO 714/2009 den Begriff nicht. Dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder den Regeln des betroffenen Verkehrs (vgl RIS-Justiz RS0037874) eine eindeutige Bedeutung des Begriffes besteht, steht nicht fest (wobei offenbar die Bundesnetzagentur den Begriff im hier verwendeten Sinn versteht).

Insofern ist fraglich, ob das Begehren tatsächlich – wie von den Antragstellerinnen gewünscht – zum Ausdruck bringt, dass die Antragsgegnerin alle Maßnahmen unterlassen müsse, die auf die Identifizierung und Einmeldung kritischer Mengen in das System abziele, dass sie aber darüber hinaus durchaus alle anderen Maßnahmen zur Bewältigung von Kapazitätsengpässen (insbes Redispatch, Countertrading) vorzunehmen habe.

Eine nicht hinreichende Konkretisierung müsste – nach erfolgloser Einräumung einer Verbesserungsmöglichkeit - ebenso zur Abweisung des Antrags führen.

5.2. Dem Antragsvorbringen, es werde nicht nur das „Ob“ sondern auch das „Wie“ der Engpassbewirtschaftung als missbräuchlich kritisiert, sei indes erwidert:

Bei näherer Betrachtung erheben die Antragstellerinnen inhaltlich keine Kritik gegen das eingeführte und umgesetzte System der koordinierten Kapazitätsvergabe im Rahmen der lastflussbasierten Kapazitätsberechnung im CWE-Raum (also gegen das „Wie“). Sie vermeinen nämlich, die Antragsgegnerin dürfe – ganz generell und ausnahmslos – keine Identifiktion von „Critical Networks Elements“ und keine Zuordnung an den Handelsfluss über die Grenze vornehmen. Dies leiten sie aber nur daraus ab, dass jegliche Kapazitätsbeschränkung und daher jegliche Engpassbewirtschaftung unzulässig sei. In Wahrheit wird damit die Trennung der Gebotszonen als unzulässig bezeichnet und aufgrund dieser Unzulässigkeit gefordert, dass die Antragsgegnerin generell so agiere, als würde es diese Trennung nach wie vor nicht geben. Dass die Antragsgegnerin das von den betroffenen ÜNB implementierte koordinierte Kapazitätsvergabeverfahren in dem Sinn „ausnützen“ würde, dass sie in unsachlicher Weise zu Lasten einzelner Marktteilnehmer agiere und das Kapazitätsvergabeverfahren nicht in der Weise handhaben würde, wie es bei der Implementierung vorgesehen war und wie es auch die anderen betroffenen ÜNB umsetzen, wird hingegen nicht behauptet.

Das „Wie“ der Engpassbewirtschaftung wird letztlich nur im Zusammenhang mit der begehrten Abstellung – sohin nur in Bezug auf die Konsequenzen der kritisierten Handlungen – thematisiert; hingegen wird das „Wie“ nicht als Begründung des behaupteten missbräuchlichen Verhaltens herangezogen.

Darin besteht auch ein entscheidender Unterschied zu den von den Antragstellerinnen herangezogenen Entscheidungen Swedish Interconnectors (Rs 39.351) und DK/DE Interconnector (COMP/AT.40461): In letztgenannter Rechts­sache war an der Grenze zwischen Dänemark und Deutschland eine Engpassbewirtschaftung implementiert (ON 43 S 20), jedoch bestanden Bedenken, dass einseitig eine missbräuchliche Beschränkung der Kapazität stattfinde – gegenständlich war damit eine Tathandlung, die über die bloße Teilnahme an der Engpassbewirtschaftung hinausging. In der Rechtssache 39.351 (vgl Rz 27, 38) erfolgten im Einzelfall Beschränkungen der Kapazität für grenzüberschreitende Stromübertragung, wenn eine (interne) Überlastungssituation erwartet wurde; auch hier war nicht die Teilnahme an einem koordiniertes Kapazitätsvergabeverfahren an sich gegenständlich.

5.3. Schließlich ist nach Auffassung des erkennenden Senats auch der Einwand der „Regulated Conduct Defence“ („Einwand des staatlichen Handelns“) begründet. Die Antragsgegnerin brachte hiezu vor, aufgrund der ACER-Entscheidung sowie den Vorgaben der Bundesnetzagentur verpflichtet gewesen zu sein, die Engpassbewirtschaftung einzuführen; eine alternative Handlungsweise oder ein Ermessensspielraum sei ihr nicht offen gestanden.

5.3.1. Wie oben ausgeführt (Punkt 1.3.), sind die Art 101 und 102 AEUV nicht anwendbar, wenn den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird oder diese einen rechtlichen Rahmen bilden, der selbst jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ihrerseits ausschließt. Dagegen sind die Art 101 f AEUV anwendbar, wenn sich herausstellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbes bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann (EuGH C-280/08 und C-359/95).

Es stellt sich daher zunächst die Frage der Rechtswirkungen der ACER-Entscheidung und der nachfolgenden Beschlüsse der Bundesnetzagentur.

5.3.2. Die Gründung und Aufgaben der ACER sind in der VO 713/2009 geregelt. Gemäß Art 4 lit d dieser VO trifft die Agentur in den in den Artikeln 7, 8 und 9 genannten spezifischen Fällen Einzelfallentscheidungen. Eine solche lag hier vor, handelt es sich doch bei der ACER-Entscheidung – wie sich aus deren Präambel ergibt [./1] - um eine auf Art 8 Abs 1 der VO basierende Entscheidung. Die nach Art 19 eingebrachte Beschwerde an den Beschwerdeausschuss (BoA) hatte keine aufschiebende Wirkung (Art 19 Abs 3). Gemäß Art 20 kann – was vorliegend der Fall war - gegen eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses eine Nichtigkeitsklage gemäß Art 263 AEUV (ex-Art 230 EGV) eingebracht werden, wobei eine solche Klage die Verbindlichkeit des angefochtenen Aktes voraussetzt.

Das bedeutet, dass die ACER-Entscheidung nach Zurückweisung der Beschwerde durch den Beschwerdeausschuss formell rechtskräftig wurde und - wie Art 288 Abs 4 AEUV unmissverständlich normiert - für die Adressaten „in allen ihren Teilen“ verbindliche Wirkung entfaltete.

5.3.3. Ihrem Inhalt nach ist die Entscheidung darauf gerichtet, eine Gebotszonengrenze zwischen Deutschland und Österreich festzulegen (Art 2 des Spruchs iVm Anhang I des Beschlusses), dies mit der Begründung, dass wegen bestehender struktureller Engpässe ein koordiniertes Kapazitätsvergabeverfahren notwendig sei (Rz 57 ff). Damit wurde insbesondere an die Adresse der Antragsgegnerin ausgesprochen, dass eine solche Gebotszonengrenze zwingend einzuführen ist.

Dass kein Zeitpunkt für die Umsetzung normiert wurde und die konkrete Ausgestaltung der Engpassbewirtschaftung den ÜNB und den nationalen Regulierungsbehörden oblag – wobei die Vorgaben des Art 16 Abs 1 sowie der Punkte 1.2, 1.4 und 3.1 des Anhangs I der VO 714/2009 einzuhalten waren (vgl etwa Rz 55 der ACER-Entscheidung) -, ändert nichts daran, dass die ACER-Entscheidung den angesprochenen ÜNB betreffend die Frage, ob eine Gebotszonengrenze samt koordinierter Kapazitätsvergabe einzuführen sei oder nicht, keinen Handlungsspielraum offen ließ.

Das muss auch bedeuten, dass die infolge der ACER-Entscheidung gesetzten Maßnahmen, die zur Einführung der Gebotszonengrenze samt koordiniertem Kapazitätsvergabeverfahren am 1.10.2018 führten, von der Antragsgegnerin (sowie den übrigen Adressaten) zwingend vorzunehmen waren. Die Beantragung der regulierungsbehördlichen Genehmigungen diente der unmittelbaren Umsetzung der von ACER festgelegten Zonengrenzen und war somit unausweichlich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit diese Genehmigungen (der Bundesnetzagentur) für sich genommen einen Ermessensspielraum im oben dargestellten Sinn offen gelassen hätten. Ein Untätigbleiben hätte den Vorgaben der ACER-Entscheidung widersprochen.

Dazu sei nochmals darauf verwiesen, dass die Antragstellerinnen keine konkreten Beanstandungen betreffend die Art und Weise der Umsetzung vortrugen (vgl oben Punkt 5.2.), weshalb für sie nichts daraus gewonnen wäre, würde man annehmen, dass der infolge der ACER-Entscheidung eingeleitete Umsetzungsprozess einen Spielraum für die konkrete Ausgestaltung offen gelassen hätte – das zu erzielende (und dementsprechend tatsächlich erzielte) Ergebnis wurde bereits von ACER unmissverständlich vorgegeben.

5.3.4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen ist dem ACER-Beschluss (in seinem Art 2) weder eine auflösende Bedingung noch ein Vorbehalt in Bezug auf das Ergebnis des Bidding Zone Review zu entnehmen. Die Festlegung der Gebotszonengrenzen „unbeschadet“ einer Entscheidung im Rahmen eines nach Art 32 bis 34 der CACM-VO geführten Überprüfungsverfahrens und die Ankündigung der „Überprüfung dieses Beschlusses“, wenn in jenem Verfahren eine abweichende Gebotszonenkonfiguration hervorgehe, bedeutet nur, dass ein aufgrund der Art 32 bis 34 der CACM-VO zu erstattender Bidding Zone Review zu einer Überprüfung der ACER-Entscheidung führen kann; nicht aber, dass der Bidding Zone Review unmittelbare Auswirkungen hätte.

Des weiteren führte der in der Folge erstattete Bidding Zone Review (./G) ohnehin aus, seine Bewertung stelle keine ausreichenden Nachweise für eine Änderung oder den Erhalt der aktuellen Gebotszonenkonfiguration dar. Insofern wäre die behauptete auflösende Bedingung keineswegs eingetreten.

5.3.5. Darauf, ob die ACER-Entscheidung mit den europäischen (Kartell-)Rechtsnormen in Einklang steht oder einen Verstoß gegen solche Normen enthält, sowie ob der angenommene strukturelle Engpass an der Grenze tatsächlich bestand, kommt es für die Verbindlichkeit der Entscheidung nicht an.

Soweit die Antragstellerinnen ihre gegenteilige Ansicht mit der Entscheidung des EuGH zu C-198/01 begründen, ist zu entgegen, dass nach diesem Erkenntnis nationale Wettbewerbsbehörden EU-rechtswidrige Vorschriften nicht anzuwenden haben, jedoch gegen ein betroffenes Unternehmen keine Sanktionen für in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen verhängen dürfen, wenn diese durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben waren. Vorliegend stellt sich aber nicht die Frage, ob eine Wettbewerbsbehörde (also das erkennende Gericht) die ACER-Entscheidung anzuwenden hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die Antragsgegnerin an die Aufträge von ACER gebunden war. Dies ist zu bejahen, zumal der Entscheidung C-198/01 keineswegs entnommen werden kann, dass es einem Unternehmen obliegen würde, selbständig über die (Nicht-) Anwendbarkeit eines Beschlusses einer EU-Behörde wie ACER zu entscheiden. Im Gegenteil verwies die Antragsgegnerin zutreffend darauf, dass für Rechtsakte von Gemeinschaftsorganen eine Gültigkeitsvermutung besteht und sie daher selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen wurden (EuGH C-137/92 Rz 48).

Die Antragsgegnerin war daher – jedenfalls bis zur Erlassung der EuG-Urteile über die Aufhebung der BoA-Entscheidung - verhalten, die in der ACER-Entscheidung enthaltenen Aufträge umzusetzen. Spielraum für eine eigenständige wirtschaftliche Betätigung blieb ihr insofern nicht.

5.3.6. Aber auch infolge der Urteile des EuG hat sich am formellen Bestand der ACER-Entscheidung nichts geändert. Aufgehoben wurde (zunächst) ja lediglich der Beschluss des Beschwerdeausschusses.

Im übrigen würde die Aufhebung der ACER-Entscheidung aus formalen Gründen – weil laut EuG die Agentur keine Zuständigkeit nach Art 9 Abs 11 der CACM-VO in Anspruch nehmen könne und ein Verfahren nach Art 9 Abs 12 dieser VO durchzuführen sei – keine inhaltliche Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in Rede stehenden Verhaltens der Antragsgegnerin enthalten.

Klar ist jedoch, dass die nachträgliche Beseitigung der Entscheidung nichts daran ändern würde, dass zum Zeitpunkt der Einführung der Engpassbewirtschaftung eine verbindliche Anordnung vorlag und – ex ante - daher mangels eigenen wettbewerblichen Handelns ein missbräuchliches Verhalten der Antragsgegnerin zu verneinen ist.

Ob trotz (künftiger) Aufhebung der ACER-Entscheidung die Aufrechthaltung der Engpassbewirtschaftung (gegebenenfalls) rechtmäßig ist oder nicht, wird in letzter Konsequenz davon abhängen, ob – sofern keine anderweitige Einigung iSd CACM-VO erreicht werden wird - ACER infolge eines mängelfreies Verfahrens zum Ergebnis gelangen wird, dass die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Gebotszonentrennung vorliegen oder nicht.

Infolge der Aufhebung der ACER-Entscheidung würde also ein Schwebezustand eintreten. Ob die Antragsgegnerin (gemeinsam mit den anderen betroffenen ÜNB) in einem solchen Stadium verpflichtet wäre, die – ehedem zulässigerweise eingeführte – Engpassbewirtschaftung einzustellen oder ob sie sich mit dem offenen Entscheidungsprozess rechtfertigen könnte, muss (jedenfalls derzeit) nicht beantwortet werden. Solche Umstände sind bislang nicht eingetreten.

6. Zusammengefasst war der Abstellungsantrag aus den dargestellten Gründen - mangels Aktivlegitimation der Fünftantragstellerin, wegen fehlender Passivlegitimation sowie auch infolge des berechtigten Einwands staatlichen Handelns - abzuweisen.


Ausdruck vom: 28.04.2024 13:46:10 MESZ