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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 9/22m


Bekannt gemacht am:

06.10.2023

Entscheidungsdatum:

22.03.2023


 B e s c h l u s s

 

Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG wegen des am 11.11.2020 erfolgten Erwerbs von mehr als 50 % der Anteile an der Duo Holding GmbH und somit von alleiniger Kontrolle über die Duo Holding GmbH ohne Anmeldung des Zusammenschlusses vom 11.11.2020 bis 27.1.2022 eine Geldbuße in der Höhe von EUR 85.000,‑‑ verhängt.

 

B e g r ü n d u n g :

Beteiligte Unternehmen:

Die Antragsgegnerin ist Teil der ADOMO‑Gruppe(idF ADOMO), in der das Dienstleistungsportfolio der Soravia-Gruppe in den Bereichen Asset-, Property- und Facility-Management gebündelt wird.

Im Jahr 2019 erwirtschaftete die Antragsgegnerin einen Gruppenumsatz von weltweit EUR xxx. Ihr ist ein Umsatz von EUR xxx in Österreich zurechenbar.

Die Umsatzzahlen des Geschäftsjahres 2020 liegen noch nicht vor.

Das Zielunternehmen DUO Holding GmbH (idF DUO Holding) ist die oberste Gesellschaft der DUO‑Gruppe , welche im Bereich der Immobiliendienstleistungen tätig ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der DUO‑Gruppe liegt in Österreich, wo der Großteil des Umsatzes erzielt wird. Die DUO‑Gruppe erwirtschaftete 2019 weltweit einen Umsatz von EUR xxx Umsatz, wovon in Österreich EUR xxx erzielt wurden.

Zusammenschluss:

Am 16.10.2020 schloss die Antragsgegnerin einen Vertrag zum Erwerb sämtlicher Anteile an der DUO Holding GmbH ab. Am 11.11.2020 wurde die Transaktion vollzogen und am 21.11.2020 ins Firmenbuch eingetragen.

414 Tage nach der Durchführung, am 30.12.2021, meldete die Antragsgegnerin die Durchführung bei der Antragstellerin wie folgt an:

"Gegenstand des angemeldeten Zusammenschlusses ist der Erwerb von alleiniger Kontrolle über die DUO Holding GmbH (4941 Mehrnbach) durch die ADOMO Beteiligungs GmbH (1030 Wien), eine Gesellschaft, die letztlich von Stiftungen der Brüder Soravia einerseits und von der Privatstiftung für die Standorterhaltung in Oberösterreich andererseits kontrolliert wird. Der Zusammenschluss betrifft die Geschäftsfelder Facility Management, Gebäudereinigung, Winterdienste, Garten- und Landschaftsbau, sowie Personaldienstleistungen.

In der Anmeldung legte die Antragsgegnerin den Sachverhalt hinsichtlich der bereits erfolgten, bisher nicht angemeldeten ADOMO/DUO Holding - Transaktion offen.

Die Amtsparteien stellten keinen Prüfungsantrag, sodass das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 28.1.2022 wegfiel.

Vorbringen:

Die Antragstellerin beantragte gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG die Verhängung einer Geldbuße von EUR 85.000,‑‑ wegen der verbotenen Durchführung des erst am 30.12.2021 angemeldeten Zusammenschlusses.

Der durchgeführte Zusammenschluss sei nach § 7 Abs 1 Z 3 und Z 5 iVm § 9 Abs 1 KartG in Österreich anmeldepflichtig gewesen und hätte erst nach Freigabe durchgeführt werden dürfen. Es läge ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot für den Zeitraum vom 11.11.2020 bis 27.1.2022 vor.

Bei der beantragten Geldbuße sei die Selbstanzeige zu berücksichtigen. Die Prüfung des Vorhabens habe ergeben, dass keine wettbewerblichen Bedenken gegen den Zusammenschluss bestünden. Eine Bereicherung der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich.

Es habe der Antragsgegnerin jedoch erkennbar sein müssen, dass die Transaktion in Österreich anmeldepflichtig sei. Es sei von einer Sorgfaltswidrigkeit auszugehen, die zumindest als leichte Fahrlässigkeit einzustufen sei. Als Erschwerungsgrund bringt die Antragsstellerin vor, die Antragsgegnerin habe die Verpflichtung der Anmeldung zum wiederholten Mal unterlassen. Als Milderungsgrund sei hingegen zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin den Verstoß selbstständig zur Kenntnis gebracht, kooperiert und durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen habe. In der Gesamtschau seien EUR 85.000,‑‑ angemessen.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen und dem Antrag der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerin erhob eine Einwendung gegen den Erschwerungsgrund der wiederholten Begehung. Abgesehen davon bestritt sie das Antragsvorbringen und den Antrag nicht und erhob letztlich keine Einwendungen gegen die rechtliche Beurteilung sowie die Höhe der beantragten Geldbuße. Sie verwies auf ihr Anerkenntnis und stellte das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit.

Rechtlich folgt:

1. Gegen die Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts, der mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang stand, bestanden keine Bedenken. Es waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

2. Gemäß § 29 Z 1 lit a KartG hat das Kartellgericht bei einer Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot (§ 17 KartG) eine Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes zu verhängen.

2.1. Ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss darf erst durchgeführt werden, wenn die Amtsparteien auf die Stellung eines Prüfungsantrags verzichtet oder innerhalb der Antragsfrist keinen Prüfungsantrag gestellt haben (§ 17 Abs 1 KartG).

3. Als Zusammenschluss gemäß § 7 Abs 1 KartG gelten ua.:

Z 3. der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25%, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50% erreicht oder überschritten wird,

Z 5. jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann.

3.1. Der gegenständliche Erwerbsvorgang stellte einen Zusammenschluss nach § 7 KartG dar. Der beschriebene Erwerb der Anteile an der Zielgesellschaft durch die Antragsgegnerin erfüllt den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG. Weiters fand dadurch unstrittig der Erwerb der alleinigen Kontrolle iSd § 7 Abs 1 Z 5 KartG statt.

3.2. Ein solcher Zusammenschluss nach § 7 KartG bedarf der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde und darf iSd § 17 KartG vor Freigabe nicht durchgeführt werden, wenn kumulativ

- kein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt, der bei der Europäischen Kommission anmeldepflichtig ist (Art 21 FKVO),

- alle drei Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 KartG erfüllt sind,

- die Ausnahme des § 9 Abs 2 KartG unanwendbar ist,

- oder bei Nichtanwendbarkeit von § 9 Abs 1 KartG die Schwellenwerte nach § 9 Abs 4 KartG erreicht und die dort normierten Voraussetzungen erfüllt werden,

und der Zusammenschluss eine hinreichende Inlandsauswirkung gemäß § 24 Abs 2 KartG hat (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG2 § 9 Rz 4; Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht3 47ff).

3.2. Hier liegt kein Zusammenschluss von unionsweiter Bedeutung vor, da die Umsatzschwellen des Art 1 Abs 2 und 3 FKVO nicht erreicht werden.

3.3. Gemäß § 9 Abs 1 KartG bedürfen Zusammenschlüsse der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss Umsatzerlöse von (1.) weltweit insgesamt mehr als EUR 300 Mio, (2.) im Inland insgesamt mehr als EUR 30 Mio und (3.) mindestens zwei Unternehmen weltweit jeweils mehr als EUR 5 Mio erzielten. Davon ausgenommen sind gemäß § 9 Abs 2 Zusammenschlüsse, bei denen die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss weltweit insgesamt nicht mehr als EUR 30 Mio und nur eines der beteiligten Unternehmen im Inland mehr als EUR 5 Mio Umsatz erzielten.

Da die beteiligten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor dem durchgeführten Zusammenschluss Umsätze von mehr als EUR 30 Mio in Österreich erzielten, sind die Aufgriffsschwellen des § 9 Abs 1 KartG erreicht. Der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs 2 KartG ist nicht erfüllt. Dementsprechend war der durchgeführte Zusammenschluss zwischen der DUO Holding und der Antragsgegnerin nach § 7 Abs 1 Z 3 und Z 5 iVm § 9 Abs 1 KartG in Österreich anmeldepflichtig.

4. Kriterien für die Bemessung der Geldbuße:

Nach § 30 KartG ist bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die daraus erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens maßgeblich.

4.1. Zuwiderhandlungen gegen das Durchführungsverbot sind in aller Regel als schwerer Verstoß zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Bestimmungen über die Anmeldung von Zusammenschlüssen auch dann untergraben wird, wenn der Zusammenschluss nach wettbewerblichen Kriterien grundsätzlich unbedenklich wäre.

4.2. Die Dauer des Verstoßes belief sich auf rund 14 Monate. Eine feststellbare Bereicherung wurde nicht erzielt.

4.3. Zum Grad des Verschuldens ist auf die Erwägungen der Antragstellerin zu verweisen, denen zuzustimmen ist (vgl RIS‑Justiz RS0128930; 16 Ok 2/13).

Die Entscheidung des Kartellgerichtes muss zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein „Kavaliersdelikt“ ist (16 Ok 2/13).

4.4. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um ein großes, grenzüberschreitend tätiges Unternehmen, das wegen der großen wettbewerbsrechtlichen Relevanz strenger zu beurteilen ist.

Als Erschwerungsgrund ist anzuführen, dass die Antragsgegnerin wiederholt - trotz entsprechender Verpflichtung - die Anmeldung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses unterlassen hat. § 30 Abs 2 Z 1 KartG räumt der Antragsstellerin die Befugnis ein, eine erhöhte Geldbuße zu beantragen, wenn das Kartellgericht bereits eine Geldbuße wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung verhängt hat.

Die Antragsgegnerin bringt zu Recht vor, dass der Erschwerungsgrund iSd § 30 Abs 2 Z 1 KartG nicht vorliegt. Unstrittig ist aber, dass die Antragsgegnerin zum wiederholten Mal die Anmeldung einer anmeldepflichtigen Transaktion unterlassen hat und damit eine wiederholt kartellrechtswidrige Handlung vorliegt.

Die Aufzählung der Erschwerungsgründe des § 30 Abs 2 KartG ist nicht taxativ, sondern nur demonstrativ, wie sich aus dem Wortlaut „insbesondere“ ableiten lässt (vgl Koprivnikar/Mertel in Egger/Harsdorf-Borsch (Hrsg), Kartellrecht (2022) § 30 Rz 24).

Als mildernd ist anzuführen, dass die Antragsgegnerin den Verstoß aus eigenem der Antragstellerin zur Kenntnis brachte, zügig kooperierte und durch das Anerkenntnis zur Aufklärung der Rechtsverletzung beitrug.

Zusammengefasst ist ‑ unter Beachtung der general‑ und spezialpräventiven Aspekte der Sicherstellung der Einhaltung der Anmeldepflicht ‑ die Verhängung einer geringeren Geldbuße als von der Antragstellerin beantragt nicht angezeigt.

Die Verhängung einer höheren Geldbuße ist nicht möglich, weil das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Die 10 %ige Obergrenze des § 29 Z 1 KartG für die Geldbuße wird nicht erreicht.


Ausdruck vom: 28.04.2024 20:52:14 MESZ